Das Modell der dualen Berufsausbildung ist in unserer Gesellschaft überaus dominant. Die berufliche Orientierung Jugendlicher erfolgt in Deutschland stets im Blick auf einen Ausbildungsabschluss. Das wohl strukturierte Berufsbildungssystem erweist sich aber auch als Falle für diejenigen, die den Qualifikationsanforderungen nicht gerecht werden können, denn es erschwert weniger formale Übergänge in Ausbildung und Arbeit. Zudem stellt es junge Menschen zu einem relativ frühen Zeitpunkt vor Zukunftsentscheidungen mit großer Tragweite. In Skandinavien oder Großbritannien erscheint es normaler, dass Jugendliche sich noch nicht auf einen bestimmten Beruf festlegen, sondern sich zuvor in verschiedenen Tätigkeiten erproben möchten, dass sie zunächst eine Phase der Orientierung einfordern, die ihnen eine möglichst vielfältige Einsicht in das Arbeitsleben vermitteln sollte. So ist es für englische Jugendliche normal, nach der Schulzeit eine Zeit lang zu jobben, bevor sie sich auf einen bestimmten Beruf festlegen. In Ländern, deren Ökonomie von kleinen und mittleren Betrieben geprägt ist wie z. B. Griechenland, wird die soziale Integration von Jugendlichen oft durch die Mithilfe in Familienbetrieben gesichert. Andernorts finden - vor allem männliche - Jugendliche eine Beschäftigung auf dem grauen Arbeitsmarkt, mit der sie ihren Lebensunterhalt zumindest kurzfristig sichern können. Entsprechende Modellprogramme in Portugal wenden sich direkt an diese Zielgruppe und versuchen sie für eine Ausbildung zu motivieren.
Die klar geregelten Bahnen des Übergangs von Schule in Ausbildung werden in Deutschland von der Berufsberatung der Arbeitsämter entscheidend mitgestaltet. Die Beratung orientiert sich in aller Regel stärker an den Gegebenheiten des Arbeitsmarktes als an den individuellen Orientierungen. Mit ihrer Definitionsmacht über Benachteiligung sichert sie schulische und soziale Selektionsprozesse ab. Hinzu kommt, dass die erwachsenen Fachkräfte (Berufsberater, Lehrer, Sozialpädagogen), die den Berufswahlprozess von Jugendlichen begleiten sollen, Normen und Werte transportieren, die ihre eigenen Kenntnisse und Einstellungen über mögliche Ausbildungsberufe widerspiegeln und dadurch dem Entscheidungshorizont benachteiligter Jugendlicher nicht immer angemessen gerecht werden können. Sie orientieren sich implizit noch oft an der Idee des Normalarbeitsverhältnisses einer lebenslangen sozialversicherungspflichtigen Vollzeittätigkeit und nehmen nur selten Alternativen dazu in den Blick. "Bei der Festlegung des Ausbildungsangebotes geben dann letztlich die vermeintlich [/S. 213:] unzureichenden Voraussetzungen der Jugendlichen und traditionelle handwerkliche idealisierende Berufsvorstellungen den Ausschlag. (...) Die Folge ist eine Ausbildung in wenig zukunftsträchtigen Berufen. (...) Trotz der dargestellten starken Personenorientierung in der Sichtweise wird die Ausbildung im Alltag sehr stark von den Anforderungen spezialisierter und veralteter Berufe bestimmt." (Biermann/ Rützel 1996, S. 6)