Joachim Bohn
Inhalt
1. Problemaufriss
2. Zum Unterrichtsverlauf
3. Vorarbeiten des Lehrers
4. Arbeitsphase
5. Spielphase
6. Vorteile Schüler und Lehrer
7. Anmerkung
8. Zum Autor
Materialien
Mat. 1: Lohnstreifen eines Auszubildenden für April 1991
Mat. 2: Krankenkassen im Kosten-Fieber
Mat. 3: Das Zukunfts-Problem der Rentenversicherung
Mat. 4: Unfall eines Azubis
Mat. 5: Spielanleitung
Ereigniskarten
Wissenskarten
Spielbrett
Die Sozialversicherungen (SV) - ein Pflichtthema in jedem Sozialkunde-/Wirtschaftslehreunterricht - ist für Lehrer wie Schüler häufig eine recht trockene Angelegenheit, häufig auch ein Thema, das vom Lehrer in Einzelkämpfermanier unter Einsatz letzter Kräfte mit oder gegen die Klasse abgehandelt wird. Dass es auch anders gehen kann, zeigt die folgende Skizze: Schüler erschließen sich die verschiedenen Bereiche der SV spielerisch und weitgehend selbsttätig. Der Unterricht wird zur Spiele-Werkstatt.
1. Problemaufriss
Die Lerninhalte des Themas SV sind für die Vielzahl der Schüler lebensbegleitend, denn immerhin sind heute über 90 % der Bundesbürger sozialversicherungspflichtig. Die Schüler sollten am Ende der UE deshalb wissen:
- wer sozialversicherungspflichtig (Personenkreis) ist;
- wer welche Beiträge zahlt;
- wer Träger der SV-Arten ist;
- welche Leistungen die einzelnen SV- Arten erbringen und
- welche Probleme das System der SV belasten?
Monatlich wird den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern - auch den Azubis - ein nicht unbeträchtlicher Anteil ihres Lohnes als SV-Beiträge einbehalten (1992 beträgt der Arbeitnehmeranteil ca. 18,1 % des Bruttolohnes) (vgl. M 1). Gegenwärtig werden die Finanzierungsprobleme einzelner Sozialversicherungszweige öffentlich diskutiert. Die Reformbedürftigkeit und -notwendigkeit unseres Sozialsystems wird augenfällig, wenn man die demoskopische Entwicklung der nächsten 20 bis 30 Jahre und deren Auswirkung auf die Einnahmen und Ausgaben der SV berücksichtigt (vgl. M 2). Die noch steigende Arbeitslosenzahl belastet die Kassen der AV, steigende Kosten im Gesundheitswesen lassen die Beträge der KV steigen (vgl. M 3).
2. Zum Unterrichtsverlauf
Nach einer einführenden Stunde ins Thema, in der die Schüler erkennen, dass das Thema sie existentiell berührt (vgl. M 4), erarbeiten sie selbst anhand vorgegebener Materialien (Schulbuch und zwei Broschüren der SV-Träger) wesentliche Inhalte zur SV. Sie entwickeln dabei in Arbeitsgruppen Fragen und Antworten für ein themengebundenes Würfelspiel. Um den spielerischen Charakter zu betonen, beeinflussen zudem verschieden zu erfindende "Ereignisse" das Spielgeschehen. Die Unterrichtseinheit endet mit einer Spielphase, in der die entworfenen Wissens- und Ereigniskarten in neu gebildeten Sechsergruppen im Spiel getestet werden. Meist ergeben sich gerade hier erhitzte Diskussionen um die richtigen Antworten - eine durchaus gewollte nochmalige Vertiefung des Stoffes, denn die Unklarheiten müssen mit Hilfe der Unterlagen behoben werden.
3. Vorarbeiten des Lehrers
- Über die zuständige LVA sind kostenlos zwei schülergerechte
Broschüren zum Thema im Klassensatz anzufordern:
- Berufsanfänger und die Sozialversicherung, Ausgabe 1991. S. 23
- Unsere Sozialversicherung, hrsg. von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und Landesversicherungsanstalten im Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 19. überarb. Aufl., Berlin 1991, S. 123
- Für die Wissens- und Ereigniskarten sind entsprechende Kärtchen herzustellen: Fotokarton oder Karteikarten (in zwei Farben) auf entsprechende Größe zuzuschneiden (siehe Muster S. 34 f.). [/S. 32:]
- Spielbrett (siehe Seite 36), Spielsteine und Würfel sind zu besorgen (je Schüler 1 Spielstein, je Sechsergruppe ein Würfel und ein Spielbrett).
- Spielanleitungen (siehe M 5) sind an die einzelnen Gruppen auszuteilen.
4. Arbeitsphase
In Kleingruppen erarbeiten die Schüler in einer Doppelstunde anhand der Informationen ihres Schulbuches und der beiden Broschüren Fragen und Antworten für die Wissenskärtchen. Dabei ist es zweckmäßig, den einzelnen Arbeitsgruppen jeweils eine SV-Art zuzuweisen (zuzulosen), um einerseits das volle Spektrum des Themas abzudecken und andererseits Wiederholungen zu vermeiden. Bei der Erarbeitung der Fragen hat es sich für viele Schüler als einfacher herausgestellt, W-Fragen zu entwickeln ("Wer ist Träger der KV"? etc.). Beim anschließenden Spielen hat es sich allerdings als günstiger erwiesen, wenn die Schüler auf vorgegebene Aussagen mit richtig oder falsch antworten konnten ("Die AOK ist ein Träger der KV. Richtig oder falsch" etc.). Die Zahl richtiger Antworten und damit die Spielmotivation war dabei größer als bei der Beantwortung der W-Fragen. Für das vorliegende Spielbrett genügen zum einmaligen Spielen je zehn bis 15 Wissens- und Ereigniskarten.
5. Spielphase
Nach Fertigstellung der Kärtchen wird in der folgenden Stunde in Sechsergruppen
gespielt. Bei einer Spieldauer von ca. 20 Minuten bleibt jeweils noch genügend
Zeit, zu bestimmten Wissenskärtchen auftretende Fragen zu besprechen bzw.
in den eigenen Unterlagen nachzusehen und die Richtigkeit der Aussagen zu kontrollieren.
Dadurch, dass die Spieler einer Gruppe jeweils selbst entscheiden müssen,
ob der Mitspieler richtig oder falsch geantwortet hat, entwickeln sie Methodenkompetenz,
die beim lehrerzentrierten Frontalunterricht unterentwickelt bleibt.
6. Vorteile für Schüler und Lehrer
Die Schüler lernen in der Arbeitsphase, methodisch bewusst, zielstrebig und ökonomisch zu handeln. Neben der Sach- wird vor allem auch Sozialkompetenz sowie die Selbständigkeit des Denkens und Handelns gefördert. Sie müssen die unterschiedlichsten Aktivitäten entwickeln, die der heute erhobenen Forderung nach dem Erwerb von Schlüsselqualifikationen entsprechen, beispielsweise:
- in ihren Unterlagen nachschlagen;
- heraussuchen;
- Inhaltsverzeichnis und Register nutzen,
- Texte formulieren;
- Arbeitsergebnisse sachlich korrekt darstellen;
- Ämter übernehmen;
- soziale Kompetenzen entwickeln: sich in einer Gruppe einordnen, zuhören, eine eigene Meinung haben und anderen vortragen, die Meinung anderer anhören und gelten lassen;
- die Spielregeln verinnerlichen und gelten lassen;
- Spontaneität und Kreativität entwickeln,
- Ausdauer und Geduld entwickeln;
- verlieren können und
- Spaß am Spielen haben (1).
Sie erleben Unterricht im unüblichen Rahmen, was sie stärker motiviert
als der übliche Frontalunterricht.
Der Lehrer wird seine Schüler in anderem unterrichtlichen Rahmen erleben.
Er ist nicht mehr Hauptakteur des Unterrichts, sondern steuert lediglich, gibt
Hilfestellungen, wo erforderlich, und lernt seine Klasse während der relativ
intensiven Gruppenarbeit besser kennen. Seine unterrichtliche Belastung nimmt
deutlich ab.
Das fertige Spiel kann vielfältig im sonstigen Unterricht eingesetzt werden,
beispielsweise zur Gestaltung von Vertretungsstunden oder als motivierender
Einstieg ins Thema in einer anderen Klasse.
Anmerkungen
(1) vgl. Meyer, H. (1989): Unterrichtsmethoden. II. Praxisband. 2. durchges. Aufl., Frankfurt/M, S. 153-155.
zum Autor
Joachim Bohn, Lehrer für Wirtschaftslehre, Sozialkunde und Deutsch an
der Berufsbildenden Schule Technik I
in Ludwigshafen, Kastanienstraße 3, 67459 Böhl-Iggelheim
Material
(Vollbild)
[/S. 34:]
EREIGNISKARTE Du hast keine Lust, zur Berufsberatung zu gehen.
1 x aussetzen! |
EREIGNISKARTE Du hast Deinen Krankenschein nicht abgegeben!
3 Felder zurück!
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EREIGNISKARTE Durch einen Kabelbrand im Rechenzentrum der LVA sind die versicherungsdaten in Unordung geraten. Auf Deinem Versicherungskonto fehlen plötzlich 13 Versicherungsjahre.
3 Felder zurück! |
EREIGNISKARTE Durch vorbildlichen Unfallschutz wurde Dein Betrieb in eine niedrigere Gefahrenklasse eingestuft.
2 Felder vor!
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EREIGNISKARTE Du hast an den regelmäßigen Zahn-Kontrolluntersuchungen teilgenommen. Deine Zähne sind alle in Ordung.
2 Felder vor! |
EREIGNISKARTE Du hast den ersten Preis im Wettbewerb der Berufsgenossenschaften "Unfallfrei - dabei" gewonnen.
3 Felder vor! |
EREIGNISKARTE Durch die Geburt Deines zweiten Kindes hast Du einen persönlichen Beitrag zur Sicherung der Renten geleistet.
Nochmal würfeln!
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EREIGNISKARTE Du wurdest leider arbeitslos.
Aussetzen, bis Du eine "6" würfelst. |
EREIGNISKARTE Durch Unachtsamkeit hattest Du einen schweren Arbeitsunfall und fällst für längere Zeit aus.
2 x aussetzen!
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EREIGNISKARTE Bei der ersten Nachuntersuchung nach einem Jahr der Berufsausbildung wurde festgestellt, daß Du kerngesund bist!
Nochmal würfeln! |
[/S. 35:]
WISSENSKARTE Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ist eine Aufgabe der Rentenversicherung. Richtig oder falsch?
2 Felder vor oder zurück!
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WISSENSKARTE In der gesetzlichen Unfallversicherung sind alle Arbeitnehmer pflichtversichert. Richtig oder falsch?
1 Feld vor oder zurück!
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WISSENSKARTE Die gesetzliche Krankenversicherung trägt ohne zeitliche Begrenzung die Kosten für die ärztliche Behandlung. Richtig oder falsch?
1 Feld vor oder zurück! |
WISSENSKARTE Die Höhe des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe hängt ab vom vorherigen Lohn und davon, ob der Arbeitslosenunterhaltsberechtigte Kinder hat oder nicht. Richtig oder falsch? Arbeitslosengeld: mit Kind 68%, ohne Kind 63% vom letzten Nettoeinkommen Arbeitslosenhilfe: mit Kind 58%, ohne Kind 56% vom letzten Nettoeinkommen 1 Feld vor oder zurück! |
EREIGNISKARTE Den Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung trägt der Arbeitgeber allein. Richtig oder falsch?
1 Feld vor oder zurück! Den Beitrag tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte. |
EREIGNISKARTE Den Beitrag zur gesetzlichen Pflichtversicherung trägt der Arbeitnehmer allein. Richtig oder falsch?
2 Felder vor oder zurück! Den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung trägt allein der Arbeitgeber. |
WISSENSKARTE Von 100 Arbeitslosen waren 1988 47 ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Richtig oder falsch?
3 Felder vor oder zurück!
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WISSENSKARTE Voraussetzung für den Erhalt eines Altersruhegeldes ist eine Mindestbeitragszeit von einem Jahr. Richtig oder falsch?
2 Felder vor oder zurück! 5 Beitragsjahre |
WISSENSKARTE Zur Sicherung der Finanzierung der Renten muß man die Beiträge und die Ausgaben senken. Richtig oder falsch?
2 Felder vor oder zurück! Beiträge anheben und Ausgaben senken. |
WISSENSKARTE In der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung gibt es neben pflichtversicherten Mitgliedern auch freiwillig versicherte Personen.
2 Felder vor oder zurück! In der Arbeitslosenversicherung ist eine freiwillige Versicherung nicht möglich. |
[/S. 36:]
(Vollbild)
Dieser Text ist ursprünglich unter gleichem Titel erschienen in: arbeiten+lernen/Wirtschaft, 3. Jg. (1993) Nr. 10, S. 31-36.
© 1993 Verlag Erhard Friedrich, Seelze; © 2001 Joachim Bohn, Böhl-Iggelheim
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
sowi-online dankt dem Verlag Erhard Friedrich, Seelze, und dem Verfasser für die freundliche Genehmigung zum "Nachdruck" dieses Textes im Internet.
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