Arbeit mit Karikaturen

Dietmar von Reeken

Inhalt

Kurzbeschreibung
1. Portrait Arbeit mit Karikaturen
2. Herkunft und Entwicklung
3. Hinweise zur praktischen Umsetzung
4. Literatur

 

Kurzbeschreibung

Der Begriff "Karikatur" kommt aus dem Italienischen und meint "beladen" oder "überladen". Es handelt sich bei Karikaturen um visuelle satirische Darstellungen von Menschen und gesellschaftlichen Zuständen, die auf die Öffentlichkeit zielen. Sie provozieren den Betrachter durch Überzeichnung, Übertreibung und Deformierung, bringen ihn daher zum Lachen oder Ärgern und sind sehr anschaulich.

1. Portrait Arbeit mit Karikaturen

Karikaturen arbeiten mit unterschiedlichen Stilmitteln (vor allem Metapher, Allegorie, Übertreibung, Typisierung) und regen hierdurch den Betrachter an, Bekanntes und Vertrautes zu hinterfragen und Sachverhalte oder Personen aus einer anderen Perspektive zu sehen. Sie reduzieren jeweils ein historisch-politisches oder gesellschaftliches Problem auf eine Kernaussage und tun dies in einer bewusst parteilichen Weise, kritisieren gesellschaftliche Zustände, politische Handlungen und menschliches Verhalten. Dadurch provozieren Sie den Betrachter meist zu einer spontanen emotionalen Reaktion (Lachen, Ärgern, Erschrecken, Schockieren etc.) und zu einer Stellungnahme, besitzen daher einen hohen Aufforderungscharakter. Dies gilt sowohl für die im engeren Sinne politischen Karikaturen als auch für Karikaturen, die z. B. modische Trends, das Alltagsverhalten von Menschen u.ä. aufs Korn nehmen.

Gerade durch ihren zugespitzten Charakter kommt der unterrichtlichen Arbeit mit Karikaturen in sozialwissenschaftlichen Fächern eine hohe Bedeutung zu: Karikaturen wecken bei Schülern Motivation, provozieren eine Stellungnahme (Zustimmung, Ablehnung, Widerspruch), bieten Denkanreize, appellieren durch ihren Rätselcharakter an den Spürsinn und fördern das Problembewusstsein. Sie ermöglichen es, auch emotionale Dimensionen in den Unterricht zu integrieren, und fordern zur Meinungsbildung auf. Inhaltlich schärfen sie den Blick "für die Existenz politischer und gesellschaftlicher Konflikte und für die Diskrepanz zwischen normativen Ansprüchen und gesellschaftlicher Wirklichkeit" (Uppendahl 1978, 14). Zudem sind sie Schülerinnen und Schülern aus Tages- und Wochenzeitungen und Zeitschriften bekannt bzw. stellen durch ihren comicartigen Charakter ein vertrautes Medium dar. Schließlich befördert eine solche visuelle Darstellung auch die Gedächtnisleistung und damit die Entstehung nachhaltigen Wissens.

Allerdings setzt ein angemessener unterrichtlicher Umgang mit Karikaturen voraus, dass die Schüler über ein entsprechendes Vorwissen und ein entsprechendes Reflexionsvermögen verfügen, das in den unteren Klassenstufen noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden sein dürfte. Daher sind hier allenfalls erste Anbahnungen an die Gestaltungsmerkmale und Charakteristika von Karikaturen möglich, wobei weniger politische Karikaturen als die Karikierung von Alltagsverhalten Verwendung finden dürften (vgl. etwa Grünwald 1979, 61f.). Außerdem kann auch in höheren Klassen nicht immer davon ausgegangen werden, dass die in Karikaturen notwendigerweise verwendeten Zeichen, Symbole und Verzerrungen (z. B. Zeichen, die für einzelne Nationen stehen, wie etwa der deutsche Michel, die französische Marianne oder der russische Bär, andere Symbole wie die Darstellung des Todes als Skelett oder auch die übertriebene Physiognomie von Politikern usw.) bereits bekannt sind. Ihre Kenntnis ist aber für die Entschlüsselung der Aussage der Karikatur sehr wichtig, so dass der Auswahl der zu verwendenden Karikatur und ihrer unterrichtlichen Einbettung große Bedeutung zukommt. Schließlich ist der identifikationsfördernde, Emotionen auslösende Charakter von Karikaturen, der auf der einen Seite didaktisch erwünscht ist, auf der anderen Seite auch nicht unproblematisch, weil Schüler sich von der Aussage einer Karikatur nicht überwältigen lassen dürfen, sondern einen kritischen Umgang, auch mit den eigenen Emotionen, einüben müssen.

2. Herkunft und Entwicklung

Karikaturen sind bereits seit der Antike bekannt und vor allem seit der Reformation verbreitet, wobei dies nicht nur mit den scharfen Kontroversen der verschiedenen Religionsparteien in jener Zeit zusammen hing, sondern auch mit der Durchsetzung der Drucktechnik, die eine Verbreitung und damit eine (politische) Wirkung erst möglich machte. Einen Schub erhielt die Entwicklung vor allem im 19. Jahrhundert, wo sich Karikaturen u.a. in mehreren Ländern in eigenen satirischen Zeitschriften großer Beliebtheit erfreuten und auch künstlerisch mit dem Wirken Honoré Daumiers ein Höhepunkt erreicht wurde. Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden Karikaturen zu einem wichtigen Bestandteil nahezu aller Zeitungen und vieler Zeitschriften, und die Zeitungen gehen heute selbst davon aus, dass sie wegen ihrer leichteren Zugänglichkeit stärker von den Lesern rezipiert werden als etwa politische Kommentare und Leitartikel.

Im sozialwissenschaftlichen Unterricht werden Karikaturen nach allem, was wir wissen - gezielte empirische Untersuchungen hierzu liegen nicht vor - , eher selten eingesetzt.

3. Hinweise zur praktischen Umsetzung

Karikaturen lassen sich besonders gut in Einstiegs- bzw. Problematisierungsphasen sowie in Wiederholungs- und Urteilsphasen einsetzen: Für den Einstieg eignen sich eher einfachere Karikaturen, weil sie Konflikte und Streitfragen sichtbar machen und die Motivation zur weiteren Beschäftigung mit dem Problem fördern. Komplexere Karikaturen benötigen einen höheren Entschlüsselungsaufwand, so dass Schüler hierbei ihr in der jeweiligen Unterrichtseinheit gewonnenes Wissen rekapitulieren und Zusammenhänge herstellen können, um so die Aussage der Karikatur und die Absicht des Zeichners erklären zu können; daher sind Karikaturen auch sinnvolle Medien zur Leistungsüberprüfung. Für Lehrer in sozialwissenschaftlichen Unterrichtsfächern empfiehlt es sich daher, sich eine ständig ergänzte Karikaturensammlung anzulegen.

Bei der Arbeit mit Karikaturen im Unterricht wird in der Literatur meist ein mehrschrittiges Verfahren vorgeschlagen (vgl. etwa Uppendahl 1978, 22f.)

  • Detaillierte Beschreibung aller Elemente der Karikatur (Personen, Personendarstellung, Gegenstände, Text)
  • Entschlüsselung der Bildsprache (Symbolik) und Verbindung mit der politisch-sozialen Situation, in der die Karikatur entstanden bzw. erschienen ist (unter Einbeziehung von Zusatzinformationen zum Zeichner, zum Ort und Zeitpunkt des Erscheinens, zu den Adressaten, zu den verwendeten Stilmitteln etc.); gerade bei der Analyse der Stilmittel bietet sich eine fächerübergreifende Zusammenarbeit mit dem Deutsch- (Allegorie, Metapher etc.) und Kunstunterricht an
    • Erfassen der Aussage der Karikatur
    • Eigene Bewertung (unter Einbeziehung der Wirkung auf den Betrachter, der erzeugten Emotionen etc.)

Das "Lesen" einer Karikatur muss Schritt für Schritt gelernt werden; eine bewusste, systematische Einführung in die Arbeit mit Karikaturen gehört daher zum methodenorientierten Arbeiten im sozialwissenschaftlichen Unterricht. Besonders geeignet, um den Standpunkt eines Karikaturisten und die Parteilichkeit von Karikaturen zu erarbeiten, ist der Vergleich verschiedener Karikaturen zum gleichen Thema.

Schließlich kann die Funktionsweise von Karikaturen besonders gut von Schülern verstanden werden, wenn sie selbst Karikaturen produzieren. Dies bietet sich wegen der Notwendigkeit, sich auf das Charakteristische eines Phänomens bzw. Problems konzentrieren zu müssen, insbesondere in Abschlussphasen von Unterrichtseinheiten an. Auch bei einem solchen handlungs- und produktionsorientierten Verfahren ist die fächerübergreifende Zusammenarbeit mit dem Kunstunterricht sinnvoll. Als Vorstufe zur Erstellung eigener Karikaturen können Schüler auch vorhandene Karikaturen gestalterisch und/oder textlich verändern.

4. Literatur

Grünewald, Dietrich (1979): Karikatur im Unterricht. Geschichte - Analysen - Schulpraxis. Weinheim-Basel.

Loch, Werner; Görres, Karl (1985): Politische Karikatur und ihr Einsatz im Unterricht. Limburg.

Pandel, Hans-Jürgen (1999): Karikaturen. Gezeichnete Kommentare und visuelle Leitartikel. In: Ders., Schneider, Gerhard, Hg. 1999. Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts.: Wochenschau, 255-276.

Sangs, Heribert (1985): Die Karikatur. Didaktische Hinweise zu Einsatzmöglichkeiten im Unterricht. Darmstadt.

Uppendahl, Herbert (1978): Engagierte Graphik und politische Karikatur - eine Einführung. In: Ders. u.a. Die Karikatur im historisch-politischen Unterricht. Freiburg-Würzburg, 6-23.

sowi-online Originalbeitrag
© 2004 Dietmar von Reeken, Bielefeld; © 2004 sowi-online e. V., Bielefeld

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