Ortserkundung

Arbeitsmaterial

Erkundung ist eine Realitätsbegegnung mit der Alltags- oder Umgebungswelt der Lernenden. Es geht dabei darum, Wirklichkeit so, wie sie erscheint (nicht wie sie durch Wort, Schrift und Bild vermittelt wird) in sinnlicher Anschauung und Erfahrung zu erfassen, zu ordnen, zu analysieren.


Prinzipien der Erkundung

  • Erkundungen sind geplante und methodisch organisierte Wirklichkeitsbegegnungen.
  • Erkundungen sind interaktionell angelegt, weil es sich um komplexe Sachverhalte handelt, die arbeitsteilig bearbeitet werden. Es findet eine gemeinsame Planung und ein Wahrnehmungsaustausch statt.
  • Erkundungen verlangen aktives Verhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
  • Erkundungen unterscheiden sich von Exkursionen, die geführt sind, durch Eigenaktivität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die selbstentwickelte, selbstgewählte oder angeregte Erkundungsaufträge durchführen.
  • Erkundungen sollten problemorientiert konzipiert werden.

Erkundungen können auf verschiedene Weise organisiert werden:

  • Alleinerkundungen bei relativ einfachen Beobachtungsaufgaben;
  • Gruppenerkundungen bei komplexeren Zusammenhängen, die evtl. eine gegenseitige Hilfe und Stützung notwendig machen;
  • Großgruppenerkundungen aus Zeit- und/oder Sicherheitsgründen.

Methodische Möglichkeiten

  • Die Erkundung ist bereits vorstrukturiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer führen bereits formulierte Erkundungsaufträge aus.
  • Erkundungsfeld, Schwerpunkte und Methoden werden von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern festgelegt.

Arbeitstechniken

Um Erkundungen sinnvoll durchführen zu können, müssen einige Arbeitstechniken zumindest ansatzweise beherrscht werden. Hierzu gehören u. a. die Möglichkeit gezielter Beobachtung, der Umgang mit Fragebogen und Interviewtechniken, das Anfertigen von Protokollen,das Anfertigen von Skizzen, das Recherchieren von Informationen in Presseveröffentlichungen, Archiven usw.

Vorbereitungen

Erkundungen bedürfen der gezielten Vorbereitung. Dies betrifft zum einen konkrete Absprachen z. B. mit dem Betrieb, Klärung der Beobachtungs- und Erhebungsmethoden usw. Zum andern ist aber auch eine themenbezogene Vorbereitung, also die Qualifizierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu sachkundigem Beobachten und Fragen notwendig. Es müssen also zumindest Grundkenntnisse zu dem jeweiligen Themenbereich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorhanden sein.
Bei Erkundungen in politischen und gesellschaftlichen Bereichen kommen dem Vorwissen, den Voreinstellungen und den persönlichen Wertungen große Bedeutung zu. Diese ins Bewußtsein zu rücken erscheint unerläßlich.

Ablaufschema

  • Einstieg: Motivation, Erwartungen, Vorwissen, Einstellungen.
  • Vorklärungen: Erkundungsabsichten, -möglichkeiten, -formen.
  • Planung: Festlegung und Verteilung der Arbeitsschritte und Verantwortlichkeiten.
  • Erkundung: Beobachtung, Befragung, Gespräche
  • Erkundungseindrücke: Erlebnisse, Bewertungen, erste Präsentation der Ergebnisse.
  • Dokumentation: Aufbereitung und Veranschaulichung der Ergebnisse, Zusammenfassung.
  • Reflexion: Prüfung der Methoden und des Arbeitsverhaltens. Wurden die Absichten erreicht? Welche Konsequenzen ergeben sich?
  • Schlußüberlegung: Bedeutung der Erkundung für die eigenen Einstellungen und das eigene Verhalten.

Vgl. F. J. E. Becker: Erkundung und Befragung als Methode der politischen Bildung. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Erfahrungsorientierte Methoden der politischen Bildung. Bonn 1988, S. 97-131.


Vorbereitung und Durchführung einer Ortserkundung mit Schülerinnen und Schülern

  • Rechtliche Aspekte klären:
    Aufsichtspflicht, Unfallverhütung, Versicherung.
  • Schulorganisation einschalten:
    Absprache mit der Klassenkonferenz, der Fachkonferenz, der Schulleitung. Die Auswirkungen auf den Stundenplan berücksichtigen.
  • Erste Kontakte aufnehmen:
    Adressen und Ansprechpartner relevanter Institutionen und Verbände vor Ort besorgen. Kontakte zu wichtigen Personen herstellen. Informations- und Hintergrundmaterialien beschaffen.
  • Unterrichtliche Vorbereitung:
    Auswahl des Themas und des Erkundungsortes. Bildung von Arbeitsgruppen. Festlegung der Erkundungsschwerpunkte. Festlegung der Erkundungsmethoden (Interviews, Archivarbeit, Beobachtung usw.) Lernen des Umgangs mit Erkundungshilfen wie z. B. Fotoapparaten, Rekordern, Stichwortlisten bei Interviews, Leitfäden für Interviews.
  • Vorerkundung durch die Lehrerin, den Lehrer:
    Interviewpartner suchen und Einverständnis für die Interviews erlangen, sich mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut machen (z. B. Karten besorgen), Termine abstimmen usw.
  • Materialien zur Dokumenation besorgen:
    Fotoapparate, Videogeräte usw.
  • Durchführung vor Ort:
    Treffpunkte und Termine mit Ansprechpartnern vereinbaren. Transportmittel (z. B. Fahrräder vor Ort) besorgen.
  • Ergebnisse aufbereiten und präsentieren.

Vgl. Peter Born / Johannes Moos: Kastellaun im Hunsrück. Ortserkundung. Manuskript o. J., S. 38-40.



Erkundung Rund um's Auto

Verkehrszählung
Für eine bestimmte Zeit werden die durchfahrenden Fahrzeuge auf einer Durchgangs- oder Wohnstraße gezählt. Weiter kann notiert werden: Wieviele Personen sitzen in den Autos? Sind sie angeschnallt? Gespräche mit Anwohnerinnen und Anwohnern über die Verkehrsbelästigung können sich anschließen.

Befragung von Fahrerinnen und Fahrern
Interviews mit Autofahrerinnen und Autofahrern sollen die Fragen beantworten: Warum wird das Auto benutzt? Von wo nach wo geht die Fahrt? Sind die Fahrerinnen und Fahrer sich über die Umweltfolgen ihrer Fahrt im klaren? Unter welchen Voraussetzungen würden sie auf Bahn oder Bus umsteigen?

Werkstatt-Erkundung
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erkundigen sich nach dem Verbleib von Altöl und Altreifen, nach verschrotteten Autos und der Art der Entsorgung (eventuell Fotos machen).

Fahrschul-Gespräche
Interviews mit Fahrschülerinnen und Fahrschülern sollen die Motive deutlich werden lassen, das Umweltbewußtsein erkunden und die Erwartungen für die Auto-Zukunft erfragen.

Unfall-Forschung
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können Gespräche mit der Polizei führen (z. B. über die Unfallursachen bei verletzten oder getöteten Kindern), einen Arzt aus einer Unfallambulanz interviewen, eventuell mit Elterninitiativen Kontakt aufnehmen, die Verkehrsberuhigungsmaßnahmen fordern, weil ein Kind im Straßenverkehr verletzt oder getötet wurde.

Autowerbung-Analysen
Aus Zeitschriften können Werbeanzeigen für Autos gesammelt werden (oder bei Autohäusern abgeholt werden). In welcher Form, mit welchen Elementen wird für Autos geworben?

Auto-Alternativen
Die verkehrspolitischen Zielvorstellungen der Stadt- und Gemeindeverwaltung können erfragt und überprüft werden (Verkehrsberuhigung, Radwegebau, Vorrang für Bus und Bahn).

Vgl. Leitfaden für das Projekt. Aktionen, Bausteine, Cooperation. "Eine Welt für alle". Köln 1992.

Literaturhinweise

Ackermann, Paul (Hrsg.): Politisches Lernen vor Ort. Außerschulische Lernorte im Politikunterricht. Stuttgart 1988.
Beinke, Lothar (Hrsg.): Betriebserkundungen. Bad Heilbrunn 1980.
Reinders, Karl Ludwig: Die Orterkundung. Ein Beispiel für handlungsorientierten Unterricht und Öffnung der Schule. In: Politisches Lernen, H. 1/1990, S. 43-51.
Steinmann, Bodo / Weber, Birgit (Hrsg.): Handlungsorientierte Methoden in der Ökonomie. Neusäß 1995.

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