Steinzeitökonomie? Ein Simulationsspiel zum Tauschhandel für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I

Alfred Zahner

Inhalt

1 Vorbemerkung

2 Zum Spiel

3 Auswertung

4 Schlussbemerkungen

 

1. Vorbemerkung

Die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 spielen in der Wirtschaft als Konsumenten bereits eine bedeutende Rolle. Das hat auch die Werbung erkannt, welche gezielt diese Personengruppe angeht. Dies ist eine Rechtfertigung, sie in die Zusammenhänge der Marktwirtschaft einzuführen. Ich habe allerdings festgestellt, daß sich die meisten Schüler kaum für wirtschaftliche Zusammenhänge interessieren. Die Schule hat also die Aufgabe, Wege und Möglichkeiten zur Interessenweckung zu suchen. Dazu eignen sich Spiele selbst auf dieser Schulstufe. Es können Spiele aus dem Fachhandel sowie für die didaktische Auswertung besonders konstruierte Spielformen sein. Sinnvolle Simulationsspiele müssen Ziele haben, welche ihre Adressaten nicht überfordern. Sie müssen einfach in der Realisierung sein und dem Spielenden anschauliche Erfahrungen und Zusammenhänge vermitteln. Die Lernerfahrung in der Gruppe aus Gesprächen und Verhandlungen vertieft den Erlebniswert und damit den Lernerfolg.

Das vorliegende "Steinzeitüberlebensspiel" wurde schon vielfach erprobt und mit Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I erfolgreich gespielt. Es geht von einem Szenario aus, das nicht ihrer Alltagserfahrung entstammt. Sie können sich jedoch leicht in die Spielsituation versetzen, sich mit ihrer Gruppe identifizieren und entsprechend ums Überleben kämpfen. Dabei werden sie mit einfachen Wirtschaftsmechanismen konfrontiert.

 

2. Zum Spiel

Jede Gruppe besteht aus mindestens 2 Spielern, es können aber problemlos 3 oder 4 Schülerinnen oder Schüler pro Gruppe teilnehmen.

Jede Gruppe erhält ein Übersichtsblatt mit den Tauschgütern von allen 8 Gruppen.

Herstellung der Güter: Je nach der zur Verfügung stehenden Zeit können im Unterricht die verschiedenen Tauschguter hergestellt werden. Dazu eigenen sich die Fächer Zeichnen, der Unterricht in der Holzwerkstatt und das textile Werken. Es kann in dieser Phase sinnvoll sein, wichtige Formen der Arbeit kennenzulernen und selber zu erfahren. So kann die Arbeitsteilung praktisch erprobt werden, wenn zum Beispiel größere Mengen eines Tauschguts hergestellt werden müssen. Es soll darauf geachtet werden, daß kleine tauschbare Einheiten produziert werden (zum Beispiel 5 kg Säcke beim Salz, 8 Streichholzschachteln, 1 Holzfisch = 10 kleine Fische). Wenn wenig Zeit zur Verfügung steht, können die Figuren vom Lehrer als Kopiervorlage auf ein festes Papier kopiert und ausgeschnitten werden. Leder? und Fellstücke, Steine, Holz und Glasperlen als Schmuck sind sicher leicht aufzutreiben. Später greift man auf das fertige Spiel zurück.

Den Schülerinnen und Schülern wird die Bedeutung einiger Güter erklärt. Salz dient nebst dem Kochen der Konservierung, aus Tierhäuten können Bekleidungsstücke hergestellt werden, Muscheln sind Trinkgefäße oder Schmuckstücke.

Jede Gruppe breitet ihre Güter auf einer Bank aus, die sie mit einem Nummernschild kennzeichnet.

Der Lehrer schafft eine Steinzeitatmosphäre. Dazu eignen sich Dias oder Texte aus Geschichtsbüchern. Er schildert die Ausgangslage des Spiels. Wir versetzen uns in die Steinzeit? Jede Gruppe besitzt die Artikel gemäß der unten aufgeführten Liste. Es wird eine Eiszeit oder ein sehr langer, strenger Winter vorausgesagt. Die Gruppen erhalten nun den Auftrag, ihre Artikel gegenseitig auszutauschen, so daß ein Überleben in der kommenden kalten Zeit möglich ist.

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Spielregeln: Es können Vorgaben gemacht werden: Feuer ist nur als Einheit (Streichholzschachtel) tauschbar. Diese Regel ist sehr zu empfehlen, weil das Feuer mit seiner Monopolstellung für den Spielverlauf besonders wichtig ist. Diebstahl, Drohungen und Plünderungen sind verboten. Das Spiel läßt sich auch ohne diese Regel sehr gut spielen. Der Lehrer muß dann allerdings darauf vorbereitet sein, daß Formen von Gewalt auftreten können. Durch Plünderungen, Drohungen und Diebstahl versuchen Schüler, in den Besitz von begehrenswerten Gütern zu kommen. Das sind gute Ansatzpunkte, die Brücke zum Alltag zu schlagen. In verworrenen politischen Situationen oder bei Machtstellungen von Gruppierungen (Mafia) kommt es oft zu ähnlichen Erscheinungen. Aktuelle Zeitungsberichte illustrieren die Rolle der Gewalt und Illegalität. Ich empfehle bei jüngeren Schülern die oben genannten Verbotsregeln. Es kann auch festgelegt werden, daß Fischfang nicht mehr und die Jagd kaum möglich ist.

Jetzt braucht jede Gruppe eine gewisse Zeit, um eine Tauschstrategie zu entwickeln. Die Schüler sollen sich überlegen, wie und um welchen Preis sie gewisse Güter tauschen möchten.

Die reine Spieldauer beträgt etwa 45 Minuten.

 

Tauschgüter

Gruppe 1 8 Kühe, 6 Pferde, 20 Hühner/Enten
Gruppe 2 100 kg Weizen, 200 kg Mais, 30 kg Salz
Gruppe 3 diverse Krüge und Behälter (ca. 20-30), 20 Messer, 8 mal Feuer
Gruppe 4 50 kg verschiedene Kräuter, 10 Äxte, 100 große Fische
Gruppe 5 100 Muscheln, 20 gegerbte Tierhäute, 15 Einheiten Hartholz
Gruppe 6 40 Feuersteine, 20 Bärenfelle, 50 Paar Fellschuhe
Gruppe 7 50 kg Weizen, 10 Schafe, 40 Schmuckketten
Gruppe 8 200 kleine Fische, 10 kg Salz, 50 Saiten aus Tierdarm für Bogen

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3. Auswertung

Für die Auswertung werden sicher nochmals mindestens drei Lektionen benötigt. Der Spielverlauf und die Ergebnisse können jedoch nicht genau vorausgesagt werden, sie hängen nämlich wesentlich vom Verhalten der einzelnen Gruppen ab. Vom Lehrer verlangt es einiges Wissen über marktwirtschaftliche Zusammenhänge, weil er die gemachten Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler oft spontan in wirtschaftliche Zusammenhänge umsetzen muß.

Zuerst berichtet jede Gruppe über ihre Tauscherfahrungen. Dabei werden die Artikel vor und nach dem Spiel einander gegenüber gestellt (OHP-Folie). Die Klasse beurteilt, ob eine Gruppe überleben kann. Aus den Tauscherfahrungen lassen sich Schlüsse auf die Funktionsweise der Marktwirtschaft ziehen.

Die folgenden marktwirtschaftlichen Zusammenhänge wurden in einer einzigen Spielauswertung angesprochen. Es sind ausschließlich durch die Schülerinnen und Schüler gemachte Spielerfahrungen, welche zu diesen Themenbereichen führten. Die Zusammenstellung zeigt deutlich die Vielfalt auf, welche aus diesem Tauschspiel gewonnen werden kann.

  • Gruppen schließen sich zur Stärkung der Marktposition zusammen. Die Bedeutung von Kartellen wird daraus abgeleitet. Kartelle können aber auch gebrochen werden. Beispiele gibt es in Deutschland und in der Schweiz: Aldimärkte, Denner, Migros.
  • Der Handel mit Feuer und Salz zeigt die Stellung von Monopolen. Wo bestehen in der heutigen Wirtschaftsordnung Monopole? Welche Rolle spielt der Staat mit dem Post?, Bahn? oder Telekommonopol?

Bei einzelnen Gütern vereinbaren die Gruppen einheitliche "Preise". Solche Preisabsprachen kennt man in der Landwirtschaft, unter Versicherungen oder bei den Banken mit den Hypothekarzinsen.

Bei den Fischen gibt es ein Überangebot auf dem Markt. Der Tauschwert dieser Güter ist gering, es sind die Gesetze von Angebot und Nachfrage von Bedeutung. Lenkungsmaßnahmen durch den Staat können solche Überangebote drosseln. Der Importstop bei Früchten ist eine klassische Maßnahme zum Schutz der eigenen Produktion.

Die Gruppe 4 hat die Äxte zurückgehalten, was zu einer künstlichen Verknappung und damit zum Wertanstieg führt.

In der Not spielen die Bedarfsguter (Bekleidung, Lebensmittel) eine wesentliche Rolle. Luxusguter (Schmuckketten) verlieren an Wert und sind nicht begehrt. Die Gruppe benützt sie als Werbegeschenke und Lockvogelangebote. Versandhäuser arbeiten oft mit ähnlichen Methoden. Im Falle einer Bestellung werden besondere Geschenke versprochen oder hohe Preisgewinne aus Wettbewerben in Aussicht gestellt. Es lohnt sich, solche Preisausschreiben einmal durchzuziehen und die so erhaltenen Schreiben und Versprechen in der Konsumentenerziehung einzusetzen.

Die meisten Gruppen tauschen auch Feuersteine ein. Sie übernehmen die Rolle der Versicherungen.

Die Gruppe 5 hat für den Tauschhandel schlechte Voraussetzungen. Sie kann nicht Überleben. Armut und Reichtum sind zentrale Probleme in unserer Gesellschaft. Auch das wäre zu diskutieren.

4. Schlussbemerkungen

Die Schülerinnen und Schüler sind begeistert von diesem Tauschspiel. Der Erlebniswert ist hoch. Die Erfahrungen und ihre Umsetzung in die Marktwirtschaft sind einleuchtend. Viele Schüler bringen Wissen von ihren Eltern in die Diskussion ein. Als Anschlußthema eignet sich die Auseinandersetzung mit dem Thema Geld. Die Schüler erfahren nämlich, daß der Tauschhandel kompliziert ist, daß sich also eine Verbesserung aufdrängt.


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Didaktik Berufswahlvorbereitung/Wirtschaftskunde; Pädagogische Hochschule St.Gallen, Schweiz

Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Informationen zu Arbeit, Wirtschaft, Technik (AWT-Info) 15. Jg. (1996) H. 1, S. 4-7.
(c) 1996 Alfred Zahner
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
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