- Zielsetzung
- Ablauf der Methode
- Kritik an der Konfliktmethode
- Pro und Contra in der Anwendung
- Beispielthemen/-skizze für ein Umsetzungsbeispiel
- Literatur und Hinweise zu Unterrichtsmaterialien
1. Zielsetzung
Die Auseinandersetzung mit Konflikten spielte bis in die Mitte der 1960er Jahre keine (nennenswerte) Rolle im sozialwissenschaftlichem Unterricht. Ralf Dahrendorfs soziologische Konflikttheorie veranlasste Hermann Giesecke dazu, den Konfliktansatz didaktisch für den sozialwissenschaftlichen Unterricht aufzuarbeiten (Reinhardt 2009, S. 76). Erstmals fand damit statt einer affirmativ und apologetisch ausgelegten Institutionslehre eine didaktisch reflektierte Anwendung von Konflikten im Unterricht statt. Konflikte bzw. der Umgang mit Konflikten sind nach Giesecke existenzielle, lebensnotwendige Bestandteile einer Gesellschaft. Konflikte entstehen, wenn verschiedene gegensätzliche Interessen oder Beziehungen kollidieren und „(…) basieren auf gesellschaftlichen Widersprüchen, sind also letztlich nicht nur ein Produkt von Meinungsverschiedenheiten"(Giesecke 1976, S.143). Die Konfliktanalyse als Methode der Konfliktorientierung dient dazu, (aktuelle) Konflikte mithilfe von Leitfragen und Kategorien aufzuarbeiten. Der im Unterricht zu behandelnde Konflikt steht dabei stellvertretend für einen übergeordneten (latenten) Konflikt und muss zu diesem in Beziehung gesetzt werden (Reinhardt 2009, S.81; Giesecke 1974/2011, S.93). Der konkrete Konflikt, der im Lehrlernarrangement aufgegriffen werden soll, ist exemplarisch für einen umfassenderen Konflikt in der Gesellschaft, z. B. steht der Konflikt um die Verschmutzung eines Bachs stellvertretend für Umweltverschmutzung. Die Konfliktanalyse widmet sich dem Prozess des Politischen (vgl. Reinhardt 2011, S.152; Reinhardt 2009, S. 77), wobei der jeweilige Konflikt zum einen im Sinne des Beutelsbacher Konsens kontrovers behandelt wird und zum anderen bei der Durchführung der Methode immer im Fokus steht. Die Anwendung der Konfliktanalyse ermöglicht den Lernenden ihr (Vor-)Wissen und ihr vorhandenes Interesse an Konflikten einzubringen und soll zu einer größeren Schülermotivation und einer stärkeren Aktivierung der Lernenden führen, da der Konfliktansatz „(…) dicht an die Lernenden und ihren Alltag heran [geht]“ (Reinhardt 2009, S.78) und damit u.a. den Wissenserwerb provoziert (Dietz 2007, S.44).
2. Ablauf der Methode
Gieseckes Ansatz fehlte es jedoch an konkreten methodischen Umsetzungsmodellen. Sybille Reinhardt entwarf ausgehend von Gieseckes Ansatz und seinen Kategorien eine Schrittfolge für die Konfliktanalyse, die auch noch heute bestand hat (Reinhardt 2009, S. 86). Reinhardt betont jedoch, dass abhängig vom Konflikt und auch in Absprache mit den Schüler*innen, die Kategorien und die entsprechenden Leitfragen ausgewählt und angepasst werden müssen.
Die Konfliktanalyse nach Reinhardt ( 2009, S. 89)
- Konfrontation: „Der Konflikt wird vorgestellt, die Lernenden werden mit dem Konflikt konfrontiert. Es ergibt sich ein Streit, eine Auseinandersetzung.“
- Analyse: „Mit Hilfe von Kategorien (…) und/oder Leitfragen wird der Konflikt [in Gruppenarbeit] anhand von Material analysiert.“
- Stellungnahme: „Nachdem in der ersten Phase der subjektive Zugang recht spontan erfolgen konnte, wird nun auf dem Hintergrund der Analyse ausführlich Stellung genommen.“
- Kontrovers-Verfahren: „Je nach Ablauf des Unterrichts kann es sinnvoll sein, dass die Kontroversen in dem Konflikt noch deutlicher in unterrichtliche Verfahren übersetzt werden.“
- Generalisierung: „Falls der konkrete Konflikt eine sozial-strukturelle Konfliktlinie in der Gesellschaft repräsentiert, ist zu fragen, wofür der Konflikt steht. Die Verallgemeinerung des Exempels klärt die Beziehung von konkretem Geschehen und abstrakter Strukturqualität.“
3. Kritik an der Konfliktmethode
Die Grundlage der Konfliktanalyse beruht auf Hermann Giesecke Konfliktansatz. Ausgehende von Ralf Dahrendorfs soziologischer Konflikttheorie entwickelte Giesecke Mitte der 1960er Jahre seinen Konfliktansatz, indem mithilfe von Kategorien und Leitfragen (aktuelle) Konflikte im Unterricht behandelt werden, sodass die Lernenden in der Lage sind den Konflikt, die Konfliktparteien und Interessengruppen und ihre jeweilig kontroversen Standpunkte kennenzulernen, sich darüber mit anderen Schülerinnen und Schülern austauschen und zu einem eigenen begründete Urteil zu kommen. Noch in den 1970er Jahren gab es große Vorbehalte gegen die Konfliktorientierung. Es wurde befürchtet, dass durch die Behandlung und Auseinandersetzung mit Konflikten in der Schule, gesellschaftliche Konflikte hochgespielt werden und evtl. eskalieren könnten. Des Weiteren gab es die Vermutung, dass im Unterricht „künstlich“ Konflikte erzeugt werden, die infolgedessen das Schulleben, aber auch die gesellschaftliche Ordnung bedrohen könnten.
Befürworter*innen der Konfliktmethode plädieren für ihren Einsatz, weil sie die Lernenden zu multiperspektivischen Analysen befähigt, da immer die verschiedenen Interessen der jeweiligen Konfliktparteien in der Planung und Durchführung der Unterrichteinheit berücksichtigt werden.
Zentrale didaktische Argumente für den Einsatz der Konfliktmethode werden nachfolgend aufgezählt.
4. Pro und Contra in der Anwendung
Pro:
- Lernende können und sollen ihr Vorwissen miteinbringen und sind somit bereits ab der ersten Phase Teil der Unterrichtsreihe. Der starke Lebensweltbezug soll das Interesse der Schüler*innen wecken und dadurch den Unterricht für sie bedeutend und nachvollziehbar machen (vgl. Breit/Weißeno 2004, S.48, 59).
- Die Bearbeitung von Konflikten motiviert die Lerngruppe, sich aktiv mit dem Thema zu beschäftigten, eine eigene begründete Meinung zu bilden und sich mit der Lerngruppe auszutauschen (vgl. Reinhardt 2009, S. 78).
- Die Dynamik der (selbstläufigen) Methode der Konfliktanalyse soll dazu führen, dass Schüler*innen sich ohne „(…)aufgesetzte motivationale Anreize mit dem Gegenstand auseinandersetzen“ (Reinhardt 2011, S.154).Die Annahme ist, dass aus lernpsychologischer Sicht eine intrinsische Motivation zu einer intensiveren Mitarbeit der Lernenden führt.
Contra:
- In der 1. Phase der Konfliktanalyse können von den Lernenden falsche Informationen und/oder Vorurteile benannt werden, von dem Lernende dann nicht abrücken wollen. Sinnvoll ist es daher, zuerst die Konzepte zu erheben (→ Methode: Vorkonzepte erheben).
- Die Materialien müssen so ausgewählt werden, dass der Konflikt in seiner ganzen Kontroversität abgebildet wird. Anderenfalls könnte es zu einer einseitigen Darstellung des Konflikts kommen. Dabei ist zu beachten, dass eine didaktische Reduzierung, ohne die Aufhebung der grundsätzlichen kontroversen Standpunkte, notwendig ist, um eine umsetzbare Unterrichtseinheit zu entwerfen. „Es ist unrealistisch, in einer Lerneinheit alles mit allem kontrovers halten zu wollen“( Grammes 2014, S.270).
- Bei der Bearbeitung von aktuellen Konflikten muss die Lehrkraft teilweise das Material tagesaktuell aufbereiten, da sonst neue wichtige Aspekte für die Bearbeitung des Konfliktes fehlen könnten.
- Auch aufgrund einer notwendigen didaktischen Reduktion kommen manche Interessen (-gruppen) in den Unterrichtsreihen nicht vor.
- Untersuchungen aus der politischen Sozialisationsforschung zeigen, dass das konflikthafte von Schülerinnen eher abgelehnt wird als von Schülern. Diskutiert wurde deshalb, ob durch den Einsatz der Konfliktmethode Schülerinnen benachteiligt werden. Reinhardt plädiert für dennoch für den Einsatz der Konfliktmethode, weil der Konflikt das Wesen der Politik sei und durch den Einsatz der Lehrlernmethode junge Frauen lernen könnten, in Konfliktsituationen zu gehen und Politik zu gestalten (Reinhard 2009, S.40-42,219-222).
5.Beispielthemen/-skizze für ein Umsetzungsbeispiel
Ausführliche Materialien zu dem Umsetzungsbeispiel finden sie unter: http://www.zsb.uni-halle.de/archiv/didaktischer-koffer/unterrichtsreihen/1016159_2861737/ [Stand: 07.06.16]
6. Literatur und Hinweise zu Unterrichtsmaterialien
- Breit,G./Weißeno,G.(2004): Planung des Politikunterrichts. Eine Einführung
- Didaktischer Koffer (2015): http://www.zsb.uni-halle.de/archiv/didaktischer-koffer/unterrichtsreihen/1016159_2861737/ [Stand: 03.05.16]
- Dietz, A. (2007): Konfliktanalyse. In: Reinhardt, S./Richter, D. (Hrsg.): Politik Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II
- Fischer, C. (2015):Die Ukraine-Krise als Herausforderung für den Politikunterricht. Fragen und Probleme aus der Unterrichtsentwicklung am Beispiel einer Konfliktanalyse. In: GWP-Heft 1/2015
- Giesecke, H. (1974/2011): Didaktik der politischen Bildung. In: May, M./Schattschneider,, J. (2011): Klassiker der Politikdidaktik neu gelesen. Originale und Kommentare. Schwalbach/Ts.
- Giesecke, H. (1976): Didaktik der politischen Bildung
- Grammes,T. (2014): Kontroversität. In: Sander, W. (2014): Handbuch politischer Bildung
- Reinhardt, S. (2009): Politik Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II
- Reinhardt, S.(2011): Fachdidaktische Prinzipien als Brücken zwischen Gegenstand und Methode: Unterrichtsplanung S.152. In: Autorengruppe Fachdidaktik (2011): Konzepte der politischen Bildung. Eine Streitschrift.
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