Die jüngsten Aktionen der Alternative für Deutschland (AfD) spielen geradezu vorbildhaft auf der rechtspopulistischen Klaviatur. Zum einen wird das Feld der Bildung bespielt, das bekanntlich zielsicher zu Erregung und Streit führt. Zum anderen baut man eine Monstranz auf, auf die im Anschluss mit allerhand Engagement eingeschlagen werden kann. Alles in der Tonalität eines schlimmen Unrechtes, für das die AfD „rechtsstaatliches Ersatzhandeln“ sicherstellt.
So weit, so durchschaubar. Man könnte es hier bewenden lassen, würde nicht allein durch die Ankündigung, Lehrer*innen zu verfolgen, ein Effekt erzielt. Das zumindest können wir in unserem aktuellen Modellprojekt Starke Lehrer - Starke Schüler an sächsischen berufsbildendenden Schulen beobachten. Darüber hinaus haben wir hier bereits vor den verschiedenen Onlinemeldeplattformen Erfahrungen sammeln können, wie Lehrkräfte durch das politische Engagement rechtspopulistischer Kräfte unter Druck geraten können.
In der Summe lassen die Beobachtungen die These zu, dass zumindest im Osten der Republik ein bewegungsartig formiertes politisches Engagement auf eine Institution trifft, die sich bisher als weitgehend unpolitisch begriffen hat. Grund hierfür dürften vielfältige Einflussfaktoren sein. Herauszuheben sind sicher die Erfahrungen der DDR-Diktatur, in der sich Lehrerinnen (die aktiv keine Affirmation betreiben wollten) eher in Halbdistanz zum Politischen bewegen mussten, um nicht ins Visier von Repressionen zu geraten. Diese Ferne zur organisierten Politik wurde nach der Wiedervereinigung durch eine Landespolitik (zumindest in Sachsen) befördert, die politische Bildung an Schulen als nachrangig betrachtete und Lehrerinnen in ihrer unpolitischen Haltung bestärkte.
Solcherlei Weichenstellung wirkt nach und führt zu starken Unsicherheiten. Vor allem auch in solchen Fällen, in denen es gerade rechtspopulistische Kräfte sind, die unter Missachtung der Standards politischer Bildung Einfluss gewinnen wollen. Etwa, wenn ein/e AfD-affiner Lehrerin mit viel Engagement Politiker der AfD Schülerinnen als dezidierte „Expert*in für Migration“ präsentieren will oder wenn Diskussionsverläufe um beabsichtigte Klassenfahrten zu AfD-Bundestagsabgeordneten mit Namen und Emailadresse an den entsprechenden Bundestagsabgeordneten weitergeleitet werden. Wenn dieser dann, wie in einem uns bekannten Fall, noch mit Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Schulleitung reagiert, kann man sich leicht vorstellen, dass auch hartgesottenere Gemüter verunsichert werden können.
All das sind letztlich Indizien, dass wir es auch bei den jüngsten Meldeplattformen mit einer Strategie zu tun haben, Lehrkräfte allgemein und kritisch eingestellte Lehrkräfte im Besonderen mit dem immer gleichen Vorwurf zu konfrontieren. Wenn sie sich kritisch zur AfD äußerten, würden sie das Neutralitätsgebot von Schule verletzen. Dankbarer Weise haben viele Kollegen aus der politischen Bildung sowie dezidierte Stellungnahmen wichtiger Fachgesellschaften Okkupationsversuche des Beutelsbacher Konsenses und seiner Rahmenfunktion für die schulische politische Bildung fachlich abgewiesen. Es scheint, als müsse man darüber hinaus noch deutlicher Lehrkräfte darin stärken, die Meldeplattformen als das zu erkennen, was sie sind. Im Angesicht der fachdidaktisch unterlegten Repliken wird deutlich, dass es sich hier jenseits von plumpen Monstranzen (etwa der Vorwegnahme von eigenständigen Urteilen, die immer schon durch den Beutelsbacher Konsens untersagt war) um eine Immunisierungsstrategie handelt. Lehrer dürfen sich aber nicht täuschen lassen. Es ist gerade ihre Aufgabe, rassistische, menschenfeindliche Praxen und undemokratische Politikentwürfe (z.B. Forderungen, Menschen ´in Anatolien zu entsorgen´) als solche zu thematisieren. Das widerspricht nicht dem Überwältigungsverbot der politischen Bildung und schon gar nicht der Neutralität von Schule, sondern bildet ihre Grundfeste. In diesem Sinne geht auch die Darstellung und Kritik der AfD Hamburg völlig fehl, politische Bildung würde sich einseitig „als Kampf gegen Rechts“ verstehen (siehe Meldeplattform). Politische Bildung steht in Deutschland immer in der Tradition wehrhafter Demokratie nach dem Abgrund der nationalsozialistischen Diktatur. Versuchen, diesen Diskursraum zu verschieben, sollten Schülerinnen, Eltern, Lehrerinnen, Schulleitungen und Schulbehörden entschieden entgegentreten.
Prof. Dr. Rico Behrens, Lehrstuhl für Politische Bildung / Didaktik der Sozialkunde (Vertretung), Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Universitätsallee 1