Ludwig: Begriff und Indikatoren ...

Begriff und Indikatoren nachhaltigen Wirtschaftens

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Bjørn Ludwig

1 Einleitung

Zunehmende Beeinträchtigungen unserer natürlichen Umwelt und deren wachsende öffentliche Wahrnehmung haben dazu geführt, dass ökologische Aspekte inzwischen ein wesentlicher Bestimmungsfaktor jeder Wirtschaftstätigkeit geworden sind. Das weitere Wachstum der Weltwirtschaft scheint heute weniger durch die begrenzte Verfügbarkeit von Rohstoffen Beschränkungen zu unterliegen, als durch ökologische und gesellschaftliche Grenzen. Der Begriff des nachhaltigen Wirtschaftens ist eng mit der Auffassung von Lebensqualität, Wohlstand und Wachstum verknüpft. In dem vorliegenden Beitrag gehe ich daher zunächst auf den Wandel der Leitbilder dieser Begriffe ein, wodurch das Leitbild Nachhaltigkeit besser zugänglich wird. Hierauf wende ich mich deren Operationalisierbarkeit und Quantifizierbarkeit zu und diskutiere den Bedarf sowie die Notwendigkeit von Indikatoren, die diese schwer messbaren Größen in eine vergleichende Betrachtung einbeziehen sollen. Ich gebe einen Überblick über gegenwärtig verwendete Indikatoren, nenne aktuelle Entwicklungen und gehe auf neue Möglichkeiten ein.

2 Begriffe

2.1 Lebensqualität

Lebensqualität (Brockhaus Enzyklopädie, 1990) bezeichnet heute einen mehrdimensionalen Wohlfahrtsbegriff, der vornehmlich auf die individuelle Wohlfahrt zielt. Folgende Merkmale werden unterschieden:

1. Komplexität

Bereiche wie Arbeitsbedingungen, Wohnverhältnisse, Gesundheit, Bildung, politische Beteiligung und soziale Beziehungen der jeweils betrachteten gesellschaftlichen Gruppe sowie die natürliche Umwelt werden in den Begriff Lebensqualität mit einbezogen.

2. Sichtweise

Lebensqualität besitzt darüber hinaus objektive und subjektive Aspekte, die auseinanderfallen können und daher beide erfasst werden müssen. Zum einen legen Experten Lebens-bedingungen allgemein als "angemessen" oder "unzureichend" fest, zum anderen ist das Individuum die Beurteilungsinstanz. Für die Einschätzung von Lebensqualität ist die Gegenüberstellung von objektiven Lebensbedingungen und ihrer subjektiven Bewertung mit dem damit verbundenen Wohlbefinden interessant. Gemäß dem Schema von Glatzer und Zapf (Brockhaus Enzyklopädie, 1990) lassen sich prinzipiell vier Konstellationen unterscheiden (Abbildung 1).

    subjektive Empfindungen
    gut schlecht
objektive Lebensbedingungen gut Wohlbefinden

(Well-being)

Unzufriedenheit

(Dissonanz)

schlecht Anpassung

(Adaption)

Mangel

(Deprivation)

Abbildung 1: Wohlfahrtskonstellationen bei der Bewertung von Lebensqualität

Inkonsistente Konstellationen sind eine Folge sozialer Vergleichsprozesse; sie bezeichnen das Unzufriedenheitsdilemma unzufriedener Bürger bei guten Lebensbedingungen und das Zufriedenheitsparadoxon zufriedener Bürger bei schlechten Lebensbedingungen.

3. Systemische Eigenschaften

Zusätzlich zur Summe der Wohlfahrt von Individuen werden noch übergreifende gesellschaftliche Werte und Ziele wie Freiheit und Sicherheit, Solidarität und politische Beteiligung, Gerechtigkeit und Vorsorge für zukünftige Generationen sowohl innergesellschaftlich als auch in internationalem Rahmen berücksichtigt. Messung der Lebensqualität Der ältere Begriff Lebensstandard orientiert sich am Leitbild "Überwindung der Mangelgesellschaft". Dies bezeichnet die Versorgung privater Haushalte mit Ver- und Gebrauchsgütern sowie mit Dienstleistungen. Die Messung der Lebensqualität ist notwendig, um beliebigen Behauptungen über deren Niveau und Veränderungen entgegen treten zu können. Benötigt wird ein System sozialer Indikatoren. Es gibt jedoch keine optimalen und allgemein akzeptierten Lösungen, welches der jeweils angemessen Indikator ist, eine Situation, die zur Zeit noch die Stellung von zu Recht kritisierten, jedoch allgemein etablierten Sozialproduktgrößen wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Wohlstandsindikator stärkt. Der Lebensstandard wird etwa mit Hilfe folgender einfacher Wohlstandsindikatoren gemessen:

  • Verteilung der monatlichen Verbrauchsangaben eines Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalts mit mittlerem Einkommen in Deutschland,
  • Prozentsatz der Haushalte, die über eine vollautomatische Waschmaschine, einen Pkw oder ein Telefon verfügen,
  • Zahl der Schwimmbäder je 10000 Einwohner,
  • Zahl der jährlichen Auslandsurlaube pro Einwohner,
  • Für einen internationalen Vergleich wird z. B. angegeben, wie viele Stunden ein durchschnittlich verdienender Industriearbeiter arbeiten muss, um bestimmte Güter kaufen zu können.

Vergleichsprobleme ergeben sich durch die unterschiedliche Qualität der Güter sowie durch das Kriterium, mit welchem Aufwand die jeweiligen Güter von den Bürgern zu bekommen sind. Es ist evident, dass solche Indikatoren international nicht allgemein anwendbar sind. Lebensqualität beschreibt einerseits eine tatsächliche Lebenssituation, andererseits aber eine gesellschaftliche Wert- und Zielvorstellung bei der Suche nach neuen Orientierungen und nach neuen Qualitäten einer künftigen Gesellschaftspolitik. Zwei Leitbilder sind besonders mit dem Begriff Lebensqualität verbunden: qualitatives Wachstum und Umweltqualität. Qualitatives oder ökologisch kompensiertes Wachstum hat im wesentlichen eine Effizienzsteigerung hinsichtlich der Ressourcenproduktivität zum Ziel (Mohr 1995: 89), während Nullwachstum die Bedeutung des Wachstums relativiert und nur eine Bedürfnisbefriedigung anstrebt (Suffizienz). Umweltqualität begreift Umwelt als umfassende Ganzheit und zielt auf eine Erhaltung der natürlichen Überlebensbedingungen der Menschen hin.

2.2 Wohlstand

In individueller Hinsicht bedeutet Wohlstand (Brockhaus Enzyklopädie, 1994) subjektives Wohlbefinden bzw. möglichst hoher subjektiver Nutzen. Dieser weite Wohlstandsbegriff kann auch mit Wohlfahrt oder Lebensqualität gleichgesetzt werden. Unter dem messbaren, objektivierbaren Wohlstand mit physisch-materiellem Begriffsinhalt versteht man die Verfügungsmöglichkeit einer Person, einer Gruppe oder einer Gesellschaft über wirtschaftliche Güter, den materiellen Lebensstandard bzw. wirtschaftlichen Wohlstand. Damit ist meist nicht eine Mindestversorgung gemeint, sondern ein vergleichsweise hohes Versorgungsniveau, ein relativer Reichtum. Trotz allgemeiner Verbesserung der Lebensbedingungen sind besonders in reichen Industrieländern als Wohlstandsbrüche bezeichnete Inkonsistenzen zu verzeichnen. So existiert eine sich verbreiternde Kluft zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut; der Begriff Zweidrittelgesellschaft meint, dass ein wachsender Teil der Gesellschaft nicht mehr am Konsumstil der Wohlstandsgesellschaft partizipiert, sondern einem sich oft verstärkenden Verarmungsprozess ausgesetzt ist; ökonomischer Reichtum steht in krassem Gegensatz zu ökologischen Schäden und ebenso zu sozialer Armut; negative Folgen des Wohlstandsstrebens und der Konsumorientierung in den Industrieländern zeigen sich z. B. in zunehmender Individualisierung und weniger Gemeinwohlorientierung sowie zunehmender Wohlstandskriminalität und Umweltverschmutzung.

Neue Wohlstandsmodelle

Umweltschäden und Naturverbrauch, die mit dem Auf- und Ausbau des ressourcen- und energieintensiven Wohlstandsmodells in den Industrieländern einhergingen, verdeutlichen, dass dieses Modell weder zeitlich dauerhaft noch global verallgemeinerungsfähig ist. Die Suche nach einem anderen, "erdverträglichen" Wohlstandsmodell wird als zwingend angesehen, wenn im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung den Menschen in den Entwicklungsländern noch wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt und den zukünftigen Generationen weltweit noch einigermaßen erträgliche Lebensbedingungen ermöglicht werden sollen. Zwei Wege werden zunehmend diskutiert. Mit dem Begriff Effizienzrevolution ist der Einsatz neuer, sparsamer Technologien gemeint, die die gewünschten ökonomischen Leistungen in Zukunft mit einem Minimum an Rohstoffen, Energie und Umweltbelastungen erzeugen sollen. Der Begriff Suffizienzrevolution wirbt für einen weniger güterintensiven Lebensstil; eine befriedigende Lebensqualität kann auch durch ein zufriedenstellendes individuelles Wohlbefinden erzeugt werden.

Messung des Wohlstands

Wohlstand wird durch eine Sozialprodukt- oder Einkommensgröße gemessen. Die dauerhafte Erreichung eines angemessenen und stetigen Wachstums des Bruttosozialprodukts (BSP) je Einwohner galt als Garantie für einen kontinuierlich wachsenden Wohlstand. Das reale BSP war der wichtigste Indikator für wirtschaftlichen Wohlstand, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, d. h. Wettbewerbsfähigkeit sowie wirtschaftlichen Fortschritt. Das BSP wird seit den 1950er Jahren verwendet und seit 20 Jahren als wichtigster Indikator kritisiert, da etwa folgende Tatbestände nicht oder nur unzureichend erfasst werden: die regionale und personelle Verteilung des wirtschaftlichen Wohlstands; die Beeinträchtigung des Wohlstandspotentials künftiger Generationen; die Arbeitsintensität; die Effizienz der Produktion; der Auslastungsgrad der Produktionsfaktoren; die Qualität und Eignung der Produkte und Dienstleistungen zur Bedürfnisbefriedigung; die Eigenleistungen privater Haushalte; Subsistenzwirtschaft; wohlstandsrelevante Effekte wie Freiheit und soziale Sicherheit. Hauptkritikpunkt ist das Außerachtlassen der sozialen und der Umweltkosten des wirtschaftlichen Wachstums und Wohlstands. Die negativen ökologischen Auswirkungen des Wirtschaftens werden nicht als Produktions- oder Konsumkosten erfasst. Die wirtschaftlichen Aktivitäten zur Reparatur oder Sanierung von Umweltschäden und -belastungen werden sogar als positiver Beitrag zum Sozialprodukt verbucht, obwohl dadurch höchstens ein zuvor verursachter ökologischer Verlust ausgeglichen wird. Dadurch werden Wachstum und Wohlstand doppelt überschätzt.

2.3 Wachstum

Der Begriff Wachstum (Brockhaus Enzyklopädie, 1994) meint zunächst die Zunahme einer betrachteten Größe. Im ökonomischen Zusammenhang wird darunter die Zunahme einer wirtschaftlichen Größe im zeitlichen Verlauf verstanden, z.B.

  • Eigenkapital oder Umsatz im Unternehmen,
  • verfügbares Einkommen, Konsumausgaben oder Geldvermögen in privaten Haushalten oder
  • öffentliche Einnahmen, Ausgaben und Schulden des Staates.

Wirtschaftswachstum bedeutet dabei die dauerhafte, d. h. langfristige Zunahme des realen Sozialprodukts je Einwohner, welches das monetär bewertete Ergebnis des Wirtschaftens einer Volkswirtschaft oder eines Wirtschaftssubjekts ausdrückt. Dabei wird eine Gleichsetzung von Wachstum, gesellschaftlicher Wohlstandsmehrung und Fortschritt angenommen. Als Begründungen für ein quantitatives Wachstumsziel werden genannt: Umverteilung von Sozialproduktzuwächsen, erhöhte Beschäftigung, Beseitigung von Umweltschäden und deren zukünftige Vermeidung, sozialverträglicher Strukturwandel, Versorgung mit kollektiven Gütern und verstärkte Entwicklungshilfe. Wachstum wird grundsätzlich positiv interpretiert. Die erreichte Wachstumsrate des Sozialprodukts je Einwohner gilt als ein zentrales Kriterium für die wirtschaftspolitische Leistungsfähigkeit einer Regierung sowie für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft. Angesichts des Niveaus an materiellem Wohlstand, den breite Schichten der Bevölkerung in den westlichen Industrieländern erreicht haben, erscheint es jedoch fraglich, ob künftig das weitere Wachstum des Sozialprodukts je Einwohner zumindest für diese Länder von derart zentraler Bedeutung sein sollte. Angesichts der trotz dessen zum Teil abnehmenden Lebensqualität muss die Frage gestellt werden, was denn bei uns zunimmt bzw. ob wir falsch rechnen. Mit der Aufgabe des Dogmas vom quantitativen Wachstum führte die Diskussion um qualitatives Wachstum zu neuen Anforderungen an das Wachstumsziel, etwa Humanverträglichkeit, Zukunftsverträglichkeit, Sozialverträglichkeit, Umweltverträglichkeit und internationale Verträglichkeit. Hauptziel ist die Steigerung der Lebensqualität. Das Konzept um eine nachhaltige Entwicklung rückt dabei in den Mittelpunkt der Diskussion.

Unter nachhaltiger Entwicklung wird eine wirtschaftliche Entwicklung verstanden, die durch eine Veränderung des herrschenden Produktions- und Konsumstils besonders in den Industrieländern das Ziel der Produktion von Gütern mit dem Ziel der Erneuerung bzw. Wiederherstellung der Produktions- und Lebensgrundlagen verbindet, und die dauerhaft, d. h. zeitlich unbegrenzt durchgehalten werden kann. Gefordert sind ein langfristiges Denken und Handeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zentrales Element ist die Solidarität mit allen gegenwärtig und zukünftig lebenden Menschen, intragenerationelle und intergenerationelle Gerechtigkeit, besonders aber letztere, da erstmals in der Menschheitsgeschichte die Lebens- und Entfaltungsbedingungen künftiger Generationen gefährdet sind. Unbegrenzte Wachstumsprozesse sind somit nicht mehr zu tolerieren, da sie Leistungspotentiale entwerten oder zerstören, von denen künftige Produktions- und Konsumprozesse abhängig bleiben. Entsprechende Strategien umfassen daher auch die Veränderung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen wie Dezentralisierung von Produktions- und Konsumstrukturen bzw. alternative Lebensstile in den Industrieländern.

Fazit

Die Begriffe Lebensqualität, Wohlstand und Wachstum sind durch die gesellschaftliche Entwicklung in den Industrieländern eng miteinander verknüpft und bilden die Grundlage und Ausgangspunkte der Diskussion über heutige und zukünftige Probleme in den Bereichen Umwelt und Gesellschaft, die durch die Art und die Geschwindigkeit der derzeitigen Entwicklung hervorgerufen werden. Festzuhalten ist ein Wandel der Leitbilder in allen drei Bereichen. Für die Lebensqualität geht es nicht mehr um die Überwindung des Mangels, sondern um die ganzheitliche Erhaltung der Lebensbedingungen. Wohlstand soll durch Effizienz und Suffizienz, bzw. durch an die Natur angepasste Verhaltensweisen der Konsistenzstrategien geschaffen und erhalten werden, während quantitatives durch qualitatives Wachstum abgelöst werden soll. Die Diskussion um das richtige Leitbild ist m. E. jedoch nicht zielführend. Vielmehr lassen sich alle genannten Leitbilder komplementär im übergeordneten Leitbild "Nachhaltige Entwicklung" integrieren. Ich möchte daher von einer Leitbildhierarchie sprechen, in deren obersten Leitbild die Ziele Produktion von Gütern, Erneuerung der Produktions- und Lebensgrundlagen und langfristiges Denken verbunden werden.

3 Indikatoren

3.1 Begriff

Ein Indikator ist ganz allgemein eine Auskunftsinstanz. Es handelt sich um quantitative oder qualitative Deskriptoren des Zustands und des Wandels, die der Orientierung in komplexen dynamischen Situationen dienen. Ziel ist die Bereitstellung neuer bzw. die Enthüllung bisher verdeckter Informationen in Form von Kennzahlen. In Abhängigkeit von Kenntnisstand, der Anwenderzielgruppe und der beabsichtigten Aussage sind diese unterschiedlich komplex, d. h. unterschiedlich aggregiert. So begegnen uns etwa Indikatoren wie die TÜV-Plakette, der DAX und das Urteil der Stiftung Warentest einerseits, und der pro-Kopf-Energieverbrauch oder der Kraftstoffbedarf eines Pkw pro 100 km andererseits.

Wenige einfach aufgebaute Schlüsselindikatoren bieten den Vorteil, dass sie robust sind, Datenprobleme transparent abbilden und aufgrund ihrer Explizitheit ein hohes Resonanzpotential besitzen. Nachteilig ist die Gefahr der Simplifizierung und damit die Vermittlung falscher Eindrücke sowie eine intrinsische Subjektivität, da hierbei eine Auswahl aus einer Vielfalt von Indikatoren getroffen werden muss. Solche Indikatoren dienen dem Informationsaustausch mit Nichtexperten und der Öffentlichkeit sowie der Entscheidungsunterstützung. Sie können darüber hinaus als Mittel eingesetzt werden, um die Einhaltung von Standards zu überwachen.

Einige komplex zusammengesetzte Indikatoren ermöglichen einen Überblick über das Wesentliche. Mit dem Aggregationsprozess geht jedoch ein Informationsverlust einher, zusätzlich wird eine Gewichtung notwendig, was die Konsistenz der Aussage gefährdet. Derartige Indikatoren dienen dem Austausch etwa mit Politikern, der Entscheidungsunterstützung, der Unterstützung bei der Formulierung von Leitlinien sowie der Beurteilung der Effizienz von Umweltmaßnahmen.

Viele spezifische Einzelindikatoren beschreiben ekn Problem zwar vollständig, es gibt wenige Datenlücken, die Indikatoren sind einfach und die Ergebnisse unstrittig. Allerdings bietet sich dem Nichtfachmann kein Überblick; die Interpretation wird dem Anwender überlassen, so dass sie wenig Resonanzpotential bieten. Solche Indikatoren dienen der Modellierung von komplexen Systemen und werden von Fachwissenschaftlern eingesetzt (Mitchell 1996: 1-11).

Eine Unterscheidung von Indikatorarten wird meist gemäß der pressure-state-response Klassifikation der OECD für den Umweltbereich vorgenommen (Pfister / Renn, 1996). "Pressure"-Indikatoren bezeichnen dabei Maße für das Belastungspotential menschlicher Aktivitäten, etwa im Umweltbereich die Entnahme von Ressourcen oder die Abgabe von Emissionen. "State"-Indikatoren sagen etwas über den Qualitätszustand des betrachteten Systems aus, während "response"-Indikatoren bereits gesellschaftliche Reaktionen und Verhaltensänderungen auf Änderungen des Umweltzustands mit einbeziehen, etwa sparsamerer Umgang mit Ressourcen.

Indikatoren unterscheiden sich durch den Detaillierungsgrad, mit dem sie Informationen vermitteln. Sie sollen wissenschaftlich aussagefähig, aber auch als Grundlage für politische Entscheidungen einsetzbar sein. Sie sollen Daten so verdichten, dass weder durch Überabstraktion keine Aussage mehr möglich ist, noch dass zu viele Einzeldaten unverbunden nebeneinander stehen (Teichert / Stahmer / Karcher / Diefenbacher 1997: 55-57). Außerdem sollen sie eine Trennschärfe derart gewährleisten, dass Klassifizierungen gut-schlecht möglich sind.

Im Rahmen der Bewertung von Nachhaltigkeit werden aggregierte Indikatoren benötigt, die eine ganzheitliche Betrachtung erlauben. Im folgenden werden Indikatoren und Probleme der Indikatorbildung diskutiert, die schwer messbare Größen in eine vergleichende Betrachtung einbeziehen sollen.

3.2 Ansätze zur Bildung von Sustainable Development Indikatoren (SDI)

3.2.1 Volkswirtschaftliche Ansätze

Gemäß den bisherigen Ausführungen entstand die Notwendigkeit, neue Messverfahren, d. h. Indikatoren, für wachsenden Wohlstand und für Lebensqualität zu entwickeln, die über die traditionelle Sozialproduktrechnung hinausgingen, siehe auch von Dieren 1995, Seite 193ff. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um umweltbezogene Erweiterungen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), die traditionell Angaben über die Produktion von Gütern und ihre Verwendung, über die Einkommensentstehung, -verteilung und -umverteilung sowie über Finanzierungsvorgänge machen (Stahmer 1996: 173-204). Aus den VGR werden zusammenfassende Wirtschaftsindikatoren wie etwa das BIP abgeleitet.

Grundlegender Gedanke des Konzepts für ein ökologisch nachhaltiges Volkseinkommen (sustainable national income) ist die Ermittlung einer Volkseinkommens- und Produktionsgröße unter Einbeziehung der ökologischen Kosten von Produktion und Konsum. Dies wird zunächst auf der Basis von Satellitensystemen realisiert; es handelt sich um ergänzende Rechen- und Datenwerke für die Darstellung der ökonomisch-ökologischen Zusammenhänge, die die eigentlichen Aufgaben der VGR nicht beeinträchtigen, aber eng mit ihr verknüpft sind. Auf diese Weise erhält man eine umfassende volkswirtschaftliche Kostenrechnung, auf deren Basis eine ökologisch korrigierte Sozialproduktgröße abgeleitet werden kann.

Die bisher umfassendste Erweiterung der VGR um Umweltaspekte ist das "System for integrated Environmental and Economic Accounting" (SEEA) der Vereinten Nationen (UN, 1993), das die Wechselwirkungen zwischen Wirtschaftsaktivitäten und verschiedenen Formen ihrer Umweltnutzung darstellt. In Deutschland deckt die Umweltökonomische Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamts die im SEEA-Ansatz enthaltenen Themenfelder mit ab. Die Zusammenhänge zwischen Ökonomie und Ökologie werden dabei in fünf Themenbereichen erfasst (Stahmer 1996: 173-204):

  1. Material- und Energieflussrechnungen, Entnahme und Verbrauch der natürlichen Rohstoffe
  2. Nutzung von Fläche und Raum
  3. Indikatoren des Umweltzustands
  4. Umweltschutz, Investitionen, Ausgaben
  5. Vermeidungskosten

Dieser Ansatz bietet die Möglichkeit in Abhängigkeit der Anwendung sowohl eine Vielzahl von Einzelindikatoren für eine genaue Darstellung nebeneinander zu stellen, als auch wenige Schlüsselindikatoren anzugeben oder einige aggregierte Indikatoren zu bilden.

3.2.2 Ganzheitliche Ansätze für Indikatoren

Ein alternativer Ansatz sind ganzheitliche aggregierte Indikatoren. Frühe Beispiele sind der Index for Social Progress (1974) oder der Physical Quality of Life Index, siehe von Dieren 1995, Seite 184.

Aktuelle Beispiele sind die im folgenden aufgeführten Indikatoren, von denen einige etwa im jährlich veröffentlichten "Human Development Report" des United Nations Development Program (UNDP) aufgelistet sind (UNDP, 1997). Weitere Ansätze nennt Mitchell (1996: 1-11), auf die ich an dieser Stelle nicht im einzelnen eingehe.

· Human Development Index - HDI

Der HDI soll bessere internationale Vergleiche der Wohlstandsniveaus ermöglichen, wird aber nicht nur als Wohlstandsindikator, sondern auch als Indikator für umfassende wirtschaftliche und soziale Entwicklung betrachtet, der eine Aussage über den relativen gesellschaftlichen Fortschritt einzelner Staaten machen soll (von Dieren 1995: 170). Folgende drei Subindikatoren werden berücksichtigt, siehe UNDP 1997, Seite 150:

- die wahrscheinliche durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt;

- der Bildungsstand, gemessen an der Alphabetisierungsrate (Lesefähigkeit) von Erwachsenen (Gewichtungsfaktor 2/3) und der Gesamteinschulungsquote auf primärer, sekundärer und tertiärer Bildungsstufe (Gewichtungsfaktor 1/3);

- der Lebensstandard, gemessen an der Kaufkraft auf der Grundlage des realen BIP pro Kopf unter Berücksichtigung der örtlichen Lebenshaltungskosten (Kaufkraftparität).

Für jeden Parameter werden ein Minimal- und ein Maximalwert festgelegt (Tabelle 1).

Tabelle 1:

Minimal- und Maximalwerte für die Parameter des HDI zur Berechnung der einzelnen Deprivationsquotienten, UNDP 1997: 150.

  Lebenserwartung [J] Alphabetisierungsrate u.

Gesamteinschulungsquote [%]

BIP [US$]
Max 85 100 40000
Min 25 0 100

Die normierte Mangelgröße D (deprivation) ermöglicht damit die Einordnung von Ländern.

mangelgroessed(1)

Der HDI wird dann gebildet nach

hdi (2)

Da der Mittelwert der Mängel gegen Null strebt, je näher die aktuellen Parameter ihrem Maximum kommen, geht der HDI für diesen Fall gegen Eins.

· Human Poverty Index - HPI

Der HPI erfasst Einschränkungen in drei zentralen Aspekten des menschlichen Lebens, die auch bereits beim HDI Berücksichtigung finden (UNDP 1997: 154):

- Lebensalter: Hier die Gefahr, bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt im Leben zu sterben. P1 ist der Anteil der Menschen, die wahrscheinlich nicht das 40. Lebensjahr erreichen werden.

- Bildung und Wissen: Ausschluss vom Lesen und von der Kommunikation. P2 ist der Anteil der nicht alphabetisierten Erwachsenen.

- Lebensstandard: Allgemeine wirtschaftliche Versorgung. P3 setzt sich als arithmetisches Mittel aus folgenden wirtschaftlichen Einschränkungen zusammen: P31 ist der Anteil der Menschen ohne Zugang zu sicherem Trinkwasser, P32 der Anteil der Menschen ohne Zugang zu Gesundheitsdiensten und P33 der Anteil der mittelstark und stark untergewichtigen Kinder unter 5 Jahren.

Der HPI wird gemäß (Gl. 3) als Mittelwert 3. Ordnung berechnet. Diese Ordnung ist ein zu wählendes Element und besagt hier, dass höhere Einschränkungen stärker gewichtet werden, vgl. die Ausführungen zu Mittelwerten in UNDP 1997, Seite 145-149.

hpi (3)

· Gender-related development index - GDI:

Zur Berechnung des GDI werden die gleichen Ausgangsvariablen verweodet, wie beim HDI. Hierbei werden lediglich die gleichzeitig auftretenden Unterschiede zwischen Männern und Frauen berücksichtigt, UNDP 1997, Seite 151-152.

· Gender empowerment measure - GEM:

Das Maß für die Ermächtigung der Geschlechter greift auf verschiedene Einzelvariablen zurück, die eine konkrete Messung der Ermächtigung von Männern und Frauen im Bereich politischer und ökonomischer Entscheidungen ermöglicht. Berücksichtigt werden Anteile von Männern und Frauen in Verwaltungs- und Führungspositionen, Anteile von Männern und Frauen an Parlamentsitzen, sowie Einfluss und Kontrolle über ökonomische Ressourcen, UNDP 1997, Seite 152-153.

· Index of sustainable economic welfare - ISEW:

Grundgedanke des von Daly und Cobb (1989) entwickelten ISEW, einem monetären Index, ist es, die Ausgaben, welche nicht zum Wohlstand einer Volkswirtschaft beitragen, von denen zu subtrahieren, die der Erhöhung dienen. Der ISEW geht vom persönlichen Konsum als Basis des wirtschaftlichen Wohlstands aus. Berücksichtigt wird der wirtschaftliche Wohlstand, der aus der nicht vom Markt erfassten Arbeitsproduktion, aus dem zu Ausgaben führenden staatlichen Wohlstand, aus den Beständen an privaten Gütern und aus der öffentlichen Infrastruktur erwächst. Dann werden die induzierten Kosten der aktuellen wirtschaftlichen Aktivitäten abgezogen: Kosten für Arbeitslosigkeit, Berufsverkehr, Verkehrsunfälle, Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden sowie Lärmbelästigung.

Die Nachhaltigkeit im Umweltbereich wird dadurch berücksichtigt, dass sowohl die langfristigen Kosten der Verlagerung der Landnutzung von natürlicher zu städtischer Nutzung berechnet werden, als auch jene für die Erschöpfung nicht erneuerbarer Ressourcen, den Einsatz fossiler Brennstoffe und nuklearer Energiequellen sowie für den Rückgang der Ozonschicht. Die Nachhaltigkeit des Wirtschaftssystems selbst wird durch die Berechnung des aktuellen Konsums erfasst, von Dieren 1995, Seite 171-175.

Die Daten, die im ISEW eingeschlossen sind, sowie die explizit angewendeten Methoden variieren von Land zu Land, die Ergebnisse sind jedoch ähnlich. Trotz methodischer Unterschiede demonstrieren die ISEW verschiedener Länder, dass die Kombination von sozialen Faktoren, ungleicher Einkommensverteilung und Umweltbelastungen zu sinkendem bzw. stagnierendem Wohlstand geführt haben, obwohl das Sozialprodukt wuchs. "Im Vergleich zu den konventionellen Berechnungsverfahren des BSP, die alle Aktivitäten, die zwar richtig, aber nicht leicht zu berechnen sind, ausklammern, hat der ISEW den Vorteil, eher generell richtig als präzise falsch zu sein." (von Dieren 1995: 175).

Aus Platzgründen kann an dieser Stelle nicht ausführlich auf die ISEW-Berechnung eingegangen werden. In diesem Zusammenhang sei auf zwei gut dokumentierte Beispiele verwiesen, die Berechnung eines ISEW für Schweden in den Jahren 1950-1992 (Jackson / Stymne, 1996) sowie auf die Studie zur Wohlstandsentwicklung in Österreich von 1955-1992 (Stockhammer / Obermayer / Hochreiter / Steiner, 1995).

3.2.3 Indikatorsysteme

Darüber hinaus gibt es Ansätze, die mehrere unterschiedlich aggregierte Indikatoren parallel betrachten. Indikatorensysteme unterschiedlichen Aggregationsgrads werden von mehreren Autoren vorgeschlagen. Pfister und Renn (1996) formulieren ausgehend von einem ökonomischen Verständnis den Begriff Nachhaltigkeit sowie Nutzungsregeln für eine nachhaltige Entwicklung. Um zu einer Bestimmung von Nachhaltigkeit zu kommen, werden aus den Nutzungsregeln Bedingungen abgeleitet, die eine nachhaltige Wirtschaftsweise näher beschreiben. Für die konkrete Operationalisierbarkeit wird der regionale Bezug hergestellt, in dem Komplementarität bzw. Substituierbarkeit von Ressourcen regionenspezifisch festgelegt werden. Zur Messung von Nachhaltigkeit werden die Leistungen des natürlichen Kapitalstocks, die sogenannten Nachhaltigkeitsgüter bestimmt, da durch deren heutige Nutzung die potentielle Nutzung zukünftiger Generationen eingeschränkt wird. Um die Beobachtbarkeit von Nachhaltigkeitsgütern handhabbar zu gestalten, wurde ausgehend vom System zur Umweltbeobachtung der OECD ein stärker gegliedertes und regional angepasstes System von Nachhaltigkeitsgütern aufgestellt und dazu Mess- bzw. Indikatorgrößen angegeben.

Ein interessantes Beispiel ist der Indikatoren-Korb, den sich die Bürger der Stadt Jacksonville im US-Bundesstaat Florida gegeben haben (von Dieren 1995: 188-189). Es handelt sich dabei um 74 in neun Bereiche gegliederte Indikatoren. Im Zentrum steht hier die interaktive Beteiligung der Bürger bei der Zustandsbeschreibung von Wohlstand und Wohlbefinden der Gemeinschaft. Erfasst werden auch weniger beachtete Tatbestände wie etwa die Anzahl der verkauften Zigarettenschachteln pro Kopf, die Anzahl der Tage, an denen der Luftqualitätsindex im guten Bereich ist oder die Anzahl der Zoobesucher pro 1000 Einwohner. Über ein analoges Indikatorensystem berichten Teichert et al. (1997: 55-57) für die Region Heidelberg. Auch hier werden ökonomische, ökologische und soziale sowie zusätzlich regionenspezifische Belange in 60 Indikatoren erfasst.

Das Forum Umwelt und Entwicklung (1997) schlägt ein Indikatorensystem für die Bundesrepublik Deutschland vor. Methodisch werden ausgehend von einer ausführlichen Zieldiskussion Schlüsselindikatoren für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands identifiziert. Diese werden durch Begrenzungen und Einschränkungen von einer Ideal- auf eine Realversion reduziert, welche letztlich durch eine handhabbare Werkstattversion konkretisiert wird.

Der als globaler Wandel bezeichnete Transformationsprozess, mit menschlichem Handeln als aktivem Systemfaktor von globaler Bedeutung, erfordert gemäß des WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, 1996) einen systemaren Ansatz. Der vorgeschlagene Syndromansatz stellt ein globales Indikatorsystem dar, das globale Beziehungsgeflechte und funktionale Muster unerwünschter charakteristischer Konstellationen von natürlichen und zivilisatorischen Trends und ihrer Wechselwirkungen identifizieren helfen soll. Grundthese des Beirats ist, dass sich die komplexe globale Umwelt- und Entwicklungsproblematik auf eine überschaubare Anzahl von Umweltdegradationsmustern zurückführen lässt.

3.2.4 Eigene Ansätze

Eine Möglichkeit der Operationalisierung des Leitbilds Nachhaltigkeit ist das Konzept Technikbewertung (Ludwig 1997: 111-117; Jischa 1997). Nachhaltigkeit wird dabei als übergeordnetes Leitbild verstanden, innerhalb dessen das Konzept Technikbewertung ein Operationalisierungskonzept darstellt, welches durch spezifische Instrumente wie z. B. Life Cycle Assessment (Ökobilanzen und Produktlinienanalysen) konkretisiert wird. Innerhalb der Instrumente werden dann Analyse-, Prognose und Bewertungsprozesse notwendig, in denen Methoden angewandt werden.

In der Diskussion über Technikbewertung kommt Indikatoren eine entscheidende Rolle zu. Um eine Bewertung durchzuführen oder eine Entscheidung zu treffen, benötigt man unterschiedlich aggregierte Indikatoren, die einen Prozess oder einen Zustand charakterisieren und eine Entscheidung unterstützen können.

Ein wesentliches Problem bei der Bildung von Indikatoren besteht in der inhärenten Unschärfe, die den zur Quantifizierung benötigten Informationen zugrunde liegt. Aus diesem Grund wurden am Institut für Technische Mechanik der TU Clausthal Untersuchungen über den Einsatz von modernen mathematischen Methoden des Soft Computing durchgeführt. Insbesondere auf der Basis der unscharfen Logik (Fuzzy Logic) konnten Methoden entwickelt werden, die unsicheres und unstrukturiertes Wissen explizit handhabbar machen (Ludwig 1995; 1997). So konnten neue Indikatoren entwickelt werden, die durch die Modellierung von Unschärfe unsichere Informationen und Wissen systematisch in Bewertungsprozesse integrieren. Bereits bestehende Indikatoren (z. B. Luftqualität) konnten dahingehend angepasst werden, dass in einzelnen Faktoren menschliches Wissen durch Relaxierung von Variablen berücksichtigt werden kann (Ludwig / Tulbure 1996). Damit wird es möglich, komplexe Systeme hinsichtlich ihrer Dynamik und Wechselwirkungen zu beurteilen (Tulbure 1997).

4 Generelle Aspekte

Die Diskussion um Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit offenbarte folgende Problematik. Wenn man über gerechte Nutzungsmöglichkeiten begrenzter Ressourcen sowie über Verschmutzungs- und Belastungsgrenzen spricht, impliziert dies die Quantifizierbarkeit oder Messbarkeit dieser Kriterien. Dass für dieses Ziel Indikatoren benötigt werden, ist unmittelbar einleuchtend. Ich habe mich bemüht, in diesem Beitrag die Fülle von bereits existierenden Indikatoren, Probleme sowie neue Ansätze zur Indikatorbildung aufzuzeigen. Wir sollten jedoch folgende Fragen nicht aus dem Blick verlieren. Wozu brauchen wir Indikatoren und was sagen diese Indikatoren eigentlich aus? Wirklich benötigt werden Aussagen, die für ein Land, eine Region oder eine wirtschaftliche Tätigkeit einen Abstand von einer anzustrebenden Nachhaltigkeit angeben: Wie weit sind wir von der Nachhaltigkeit entfernt? Was bedeutet etwa die Aussage, beziehungsweise, was hat die Aussage zur Folge, dass Kanada in der HDI-Skala auf Platz Eins und Usbekistan Hundert Plätze dahinter liegt? Wir wissen nicht, was Nachhaltigkeit ist! Wir können nur von "relativer Nachhaltigkeit" sprechen, was aber auch wenig hilfreich ist, solange man nicht weiß, welche z. B. politischen Maßnahmen daraus abgeleitet werden sollen. Hier stellt sich auch die Frage nach zukünftigen gesellschaftlichen Zielen, die selbstverständlich in Abhängigkeit des bereits Erreichten für verschiedene Gesellschaften unterschiedlich sein werden. Wir dürfen nicht vergessen, aus den Zustandsbeschreibungen und Trendaussagen, die sich aus Zeitreihen von Indikatoren ergeben, auch Schlussfolgerungen zu ziehen.

5 Zusammenfassung

Die gewandelten Leitbilder der Begriffe Lebensqualität, Wohlstand und Wachstum sind im Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung und nachhaltiges Wirtschaften integriert. Wir wissen jedoch nicht, was Nachhaltigkeit ist. Alle Indikatoren geben nur eine relative Nachhaltigkeit an, für eine Region oder Aktion bezüglich der Zeit, für mehrere bezüglich der Rangfolge. Es gibt eine Vielfalt verschiedener Ansätze, deren Handhabbarkeit jedoch immer noch problematisch ist, insbesondere die Integration sozialer Indikatoren. Wir sind auf der Suche nach besseren Indikatoren weiter-, aber noch nicht angekommen.

Anmerkungen

Literatur

Brockhaus Enzyklopädie, 1990, 19. Auflage, Band 13, Mannheim.

Brockhaus Enzyklopädie, 1994, 19. Auflage, Band 24, Mannheim.

Brockhaus Enzyklopädie, 1994, 19. Auflage, Band 23, Mannheim.

Daly, H. / Cobb, J.B., 1989: For the Common Good. Green Print. London.

Dieren, von, W., 1995: Mit der Natur rechnen. Birkhäusgr. Basel.

Forum Umwelt und Entwicklung, 1997: Wie zukunftsfähig ist Deutschland? Entwurf eines alternativen Indikatorensystems? AK Indikatoren d. Forum Umwelt & Entwicklung, Am Michaelshof 8-10, 53177 Bonn.

Jackson, T. / Stymne, S., 1996: Sustainable Economic Welfare in Sweden. A Pilot Index 1950 - 1992. Environment Institute. Stockholm.

Jischa, M. F.: Das Leitbild Nachhaltigkeit und das Konzept Technikbewertung, CIT (69) 12/97, S. 1695-1703.

Ludwig, B., 1997: The Concept of Technology Assessment - An Entire Process to Sustainable Development. Sustainable Development, Vol. 5, part 3, pp. 111-117.

Ludwig, B., 1997: On the Sustainability of Future Energy Systems, Energy Conversion and Management. J., Vol. 38, No. 15-17, pp. 1765-1776.

Ludwig, B., 1995: Methoden zur Modellbildung in der Technikbewertung. Dissertation. TU Clausthal.

Ludwig, B. / Tulbure, I., 1996: Ein fuzzy-unterstützter Ansatz zur Erfassung und Bewertung von Umweltinformationen am Beispiel der Luftverunreinigung. In: Ranze, C. et al.; Hrsg.; "Intelligente Methoden zur Verarbeitung von Umweltinformationen". Metropolis. Marburg. Seite 181-192.

Mitchell, G., 1996: Problems and Fundamentals of Sustainable Development Indicators; J. Sustainable Development, Vol. 4, pp.1-11.

Mohr, H., 1995: Qualitatives Wachstum. Weitbrecht. Stuttgart.

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