Bormann: Schule als lernende Organisation

Schule als lernende Organisation - Kann eine veränderte Lehrerbildung Schule verändern?

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Inka Bormann

1. Schule als lernende Organisation

1.1 Was sind lernende Organisationen?

Die Formeln der lernenden Organisation und des Organisationslernens stammen ursprünglich aus dem Profit-Sektor. Seit in der schulpädagogischen Debatte allerdings die Frage nach der Entwicklungsfähigkeit von Schule gestellt wird (vgl. z.B. Schmuck/Runkel/Langmeyer 1977; Dalin 1986), wird das Konzept der Organisationsentwicklung und damit des Organisationslernens als einem ihrer wesentlichen Faktoren für Schulen adaptiert. Der Ausweitung dieses Diskurses geht die grundsätzliche Frage voran, ob Schulen lernen können (vgl. Dalin/Rust 1983).

Ob in Organisationen Lernen stattfindet, und wenn ja, auf welchem strukturellen Level es lokalisiert werden kann, wird i. d. R. ex-post-facto definiert. Die Rede von der lernenden Organisation ist meist positiv konnotiert, beschreibt sie doch einen Zustand, der mit veränderten, meist verbesserten organisationalen Wissens- und Fähigkeitsbeständen einhergeht: "neu", "weiter", "erleichtert", "entwickelt", angereichert" sind nur einige der Schlüsselbegriffe von Definitionen organisationalen Lernens (vgl. z.B. Krebsbach-Gnath 1996: 27ff.). Eine Definition organisationalen Lernens, die solche Wertungen vermeidet, gibt Wiegand: Organisationales Lernen hat dann stattgefunden,
"..., wenn durch

  • zustandsgebundene (Lern-)Prozesse
  • in und / oder von Organisationen
  • Wissen geschaffen wurde,
  • das die Verhaltensmöglichkeiten der Organisation ... vergrößert." (Wiegand 1996: 15)

Der Frage, ob Schulen als besondere soziale Organisationen lernen können, ist eine Betrachtung voranzustellen, welche Bedingungen ex ante vorliegen sollten, die sich auf das Lernen von Organisationen förderlich auswirken. Obwohl aufgrund der vergleichenden Schulforschung seit den 1970er Jahren (vgl. retrospektiv Fend 1998) von den Einzelschulen als "pädagogischen Handlungseinheiten" gesprochen und damit suggeriert wird, als handele es sich bei schulischem Handeln per se um auf die Schule als Ganzes bezogenes Handeln, verstummt die Frage danach nicht, ob Schulen tatsächlich lernen können (vgl. exemplarisch zu lernenden Schulen z.B. Dalin/Rust 1983; Rolff 1998; Schratz/Steiner-Löffler 1998; kritisch zur pädagogischen Handlungseinheit Fauser 1989).

1.2 Schulen als lernende Organisationen: Voraussetzungen

Schulen als "lernende Organisationen" zu bezeichnen, ist konzeptionell äußerst voraussetzungsreich und mutet zudem paradox an, da ihre Funktion primär darin besteht, daß in ihnen gelernt wird: So fragt Rolff (1998), ob Schulen überhaupt lernen können oder die Rede von der "lernenden Schule" lediglich eine Metapher sei (vgl. ebd.: 309).

Bereits in den Anfängen der Schulentwicklungsdiskussion in den 1980er Jahren wurden verschiedentliche Vorstöße unternommen, Schulen als lernende Organisationen zu beschreiben. Gleichwohl steht eine präzise organisationstheoretische Bestimmung von "Schule als Organisation" bislang aus.

Einigkeit besteht darin, daß Entwicklungs- oder Veränderungsprozesse in Schulen dann stattfinden können, wenn

  • im Umfeld positive Bedingungen vorzufinden sind, wie etwa erweiterte Handlungsspielräume der einzelnen Schulen oder ein vertrauensvolles Verhältnis zur Schulaufsicht (externe Voraussetzungen) und / oder
  • günstige schulinterne Voraussetzungen vorliegen, etwa eine hohe Bereitschaft und Kompetenz der schulischen Akteure zu innovativen Prozessen (interne Voraussetzungen).

Externe Voraussetzungen

Als externe Voraussetzungen werden hier bildungspolitische Vorgaben in Hinblick auf die Entwicklung der einzelnen Schule betrachtet. An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, daß in vielen Bundesländern mit der Debatte um Schul(programm)entwicklung von der ministeriellen Seite ein innovationsfreundliches Klima vorzufinden ist (vgl. überblicksartig SchulVerwaltung spezial 1/99).

Systemisch betrachtet, stehen (lernende) Schulen in einem dynamischen Spannungsverhältnis mit ihrer Umwelt (vgl. Fullan 1999: 78, 141), d.h. Schulen können sich nicht verändern, ohne Impulse auf ihre Umwelt auszuüben. Umgekehrt finden Veränderungen auch aufgrund von Impulsen statt, die von außen auf sie einwirken und von der einzelnen Schule, namentlich ihren Akteuren, als relevant wahrgenommen werden. Die in der Betriebswirtschaftslehre traditionelle Unterscheidung von Planungsarten wie "Outside-In" oder "Inside-Out" (vgl. Schweitzer 1997) trifft also für Schulen als Organisationen nicht eindeutig zu. Ungeklärt ist außerdem, inwieweit innere oder äußere Anstöße reformerische Prozesse im Innern der Schule begünstigen oder behindern (vgl. Steffens/Bargel 1993: 57).

Interne Voraussetzungen

Lernen von Organisationen ist nicht denkbar ohne das Lernen und die Entwicklungsbereitschaft ihrer Mitglieder. Organisationales Lernen ist jedoch mehr als die Summe individuellen Lernens oder kollektiven Lernens; vielmehr setzt es das Vorhandensein gemeinsam geteilter Überzeugungen und Ziele voraus.

Als wesentliche interne Voraussetzungen hinsichtlich der Lernfähigkeit von Organisationen werden zwei Aspekte angesprochen, (1) organisationsbezogene wie (2) individuumsorientierte.

Organisationsbezogene Aspekte der lernenden Schule

Die Frage "Can Schools Learn?" (Dalin/Rust 1983) ist insofern nicht unberechtigt, als eine organisationssoziologische Betrachtung von Schule (vgl. z.B. Scott 1986) die Vermutung nahelegt, daß Schulen hinsichtlich ihrer Struktur, Ziele, Technologie sowie ihren Mitgliedern als besondere soziale Organisationen gelten können (vgl. zu Einzelaspekten Rolff 1995), die erschwerten Bedingungen organisationalen Lernens unterworfen sind.

Struktur. Schulen sind lose gekoppelte Systeme, d.h. zwei oder mehrere Systeme (hier: Akteure) sind durch "mehr oder weniger schwache Variablen verbunden" (Weick 1995: 163; vgl. auch Bulla 1982; ähnlich Steffens/Bargel 1993). (1) Sie sind dadurch charakterisiert, daß die einzelnen Akteure weitgehend autonom voneinander und ohne das Erfordernis organisationsbezogener handlungsleitender Ziele effektiv agieren können. Schulen sind Organisationen, die als hochgradig strukturarm gelten können, insbesondere bezogen auf elaborierte Kommunikations- oder Teamstrukturen oder kritische Auseinandersetzungen zwischen den Lehrerinnen und Lehrern (vgl. Posch 1996). Aufgrund fehlender Rückkopplungsmöglichkeiten neigen lose gekoppelte Systeme zur Dauerhaftigkeit ihres Verhaltens, sind mithin lern- respektive innovationsunfreundlich (Glassman 1976, nach Weick 1995).

Dies hat Auswirkungen auf organisationale Ziele. Das Einvernehmen der Mitglieder einer Organisation in Hinblick auf ihre Ziele ist eines der wesentlichen Merkmale von Organisationen (vgl. Scott 1986). Neben der geringen Übereinstimmung bzw. Abstimmung der Handlungen und Einstellungen unter den Organisationsmitgliedern besteht für Schulen das Problem der Zielambivalenz. Beispielhaft ist hier auf die Gleichzeitigkeit von Förderung und Auslese der Schüler hinzuweisen (vgl. von Lüde 1997). In Zusammenhang mit erweiterter Verantwortung und höherer Teilautonomie, die Schulen inzwischen in vielen Bundesländern zugestanden wird (vgl. SchulVerwaltung spezial 1/99), sind sie allerdings dazu angehalten, in Schulprogrammen ihre pädagogischen Zielsetzungen und Handlungsprämissen festzuschreiben.

Technologie. Aufgrund der spezifischen schulischen Struktur und der daraus resultierenden pädagogischen Freiheit der Akteure ist der Kern der in ihr stattfindenden Tätigkeiten, der Unterricht, überdies wenig technologisierbar, damit nur bedingt steuerbar und entsprechend eingeschränkt kontrollierbar.

Individuumsorientierte Aspekte der lernenden Schule

Schulen können aufgrund ihrer besonderen Struktur als soziale Systeme angesehen werden, in denen ein hoher Grad an autonomen Prozessen stattfindet. Dies ist bereits in Hinblick auf die Praxis des Unterrichtens evident. Schule, so führt Zech (1999) aus, "reflektiert sich selbst generell vom Individuum her - sei es vom Schüler oder vom Lehrer ... Bestimmte Systemgesetzlichkeiten geraten aus dieser Perspektive erst gar nicht in den Blick... Organisationen... entwickeln aber ein eigenes Emergenzniveau, dessen Logik individuelles Handeln überformt und präjudiziert." (Ebd.: 75) Traditionell geraten bei der Betrachtung von Schule sequenzierte Einzelhandlungen, also Unterrichtshandlungen in den Blick: Meist wird das Individuum fokussiert, wobei gleichzeitig die strukturellen Bedingungen seines Handelns vernachlässigt werden.

Mitglieder. Während die drei zuerst genannten Aspekte - Struktur, Ziele, Technologie - sich auf die Organisation richten und damit strukturorientiert sind, fokussiert der individuumsorientierte Aspekt die Träger organisationalen Lernens, also die Organisationsmitglieder. "Autonomie" ist einer der Faktoren, die als förderlich für organisationales Lernen gelten (vgl. z.B. Probst 1992). In lose gekoppelten Systemen ist es den Mitgliedern gerade möglich, weitgehend autonome Entscheidungen zu treffen und Verhalten zu zeigen, das sich nicht auf die Organisation als Ganzes, sondern lediglich auf Ausschnitte und spezifische Funktionalitäten, den Unterricht bezieht. Auch ohne Abstimmung der Organisationsmitglieder untereinander ist dieses Verhalten und sind diese Entscheidungen im Sinne der Organisation funktional (vgl. Bessoth 1988: 108). Autonome, selbstorganisierte Prozesse entziehen sich direkten Steuerungsmöglichkeiten und stellen Vorgänge dar, deren Resultate organisationale Veränderungen sein können, aber nicht sein müssen.

Belastungen von Lehrerinnen und Lehrern. In einer qualitativen empirischen Untersuchung zu den Belastungen von Lehrern kommt Blase (1986) zu einer Rangfolge der fünf am stärksten belastenden Faktoren: 56% aller Nennungen beziehen sich auf die zwei Faktoren "Organisation" und "Administration". Beide stehen in engem Zusammenhang mit schulischen Entwicklungs- und Veränderungsprozessen: "Lehrer (nehmen) im Bereich der schulischen Organisation am häufigsten fehlende Kontrollmöglichkeiten (wahr)" (Bauer/Kanders: 206). Dieser Befund wird bestätigt durch Combes und Buchens (1996) Fallstudien zu Lehrerbelastungen: Die Hauptbelastungen von Lehrern resultieren u.a. aus der Wahrnehmung einer Ambivalenz zwischen Planungsbedarf und der gleichzeitig begrenzten Planbarkeit unterrichtlichen Handelns sowie der prinzipiell zukunfts- und ergebnisoffenen sowie inhaltlich endlosen Bildungs- und Erziehungsaufgabe (vgl. ebd.: 267ff.). Ihre Aktivitäten und intentionalen Energien richten sich folglich auf das noch am ehesten und unmittelbar Gestaltbare: den Unterricht. Die Schule als Ganzes wird hingegen als Rahmen, innerhalb dessen unterrichtliches und außerunterrichtliches Handeln stattfindet, "weitestgehend als nicht veränderbare Größe akzeptiert und damit entpädagogisiert", womit "ein Lernen der Schule als Organisation weitestgehend ausgeblendet" ist (Geißler 1991: 39; vgl. zu Organisationsbewußtheit auch Steuer 1983: 30ff.; Fauser 1989: 10f.).

Schulleiterstudien. Obwohl sie über eine schwache Position verfügen, wird die Bedeutung der Schulleitung gerade in Hinblick auf förderliche Bedingungen von Schulentwicklung vielfach als "door opener" für Reformen und Innovationen betont (vgl. Wenzel 1998; Priebe/Greber 1993: 519). In seinen Schulleiterstudien stellt Wissinger (1995f.) ein sich veränderndes Verständnis von Schule fest. Mehr und mehr, so seine These, werden Schulen von ihren Mitgliedern als lernende Systeme betrachtet (vgl. ebd.: 16). (2) Seine Untersuchungen offenbaren in Hinblick auf die Lokalisierung von Entwicklungsverantwortung einen Befund, der Schulleitern ein auf Schüler konzentriertes, pädagogisches Berufsverständnis und entsprechend eher eine Lehrer- denn eine "Manager"-Identität bescheinigt. Nur selten sind sie für die Ausübung ihres Amtes besonders geschult worden (vgl. Wissinger 1995: 23; 1996: 101ff.; ähnlich Dalin/Rolff/Buchen 1996: 43) Dementsprechend herrscht im Zusammenhang mit Schulentwicklung eine "Vorstellung von der Leitungsfunktion als ... ‚pädagogische Führung'" (Wissinger 1995: 17; Herv. I.B.), die sich primär auf die Verbesserung des Unterrichts als Kern schulischen Handelns, nicht aber auf die Schule als Ganzes bezieht.

Während auf der einen Seite also ein gering ausgeprägtes organisationsbezogenes Gestaltungsbewußtsein beanstandet wird, werden auf der anderen Seite trotz eines sich wandelnden Organisationsverständnisses mangelndes Führungsbewußtsein sowie mangelnde Führungskompetenzen geschildert. Zusammengenommen ergibt sich damit ein Dilemma, das sich in der Frage zuspitzt, wie organisationale Veränderungen stattfinden können, wenn weder ein Problem- noch ein Führungsbewußtsein vorherrscht, also weder Impuls noch qua Aufgabenbeschreibung institutionalisierte Unterstützung vorhanden ist. Auswege können im Konzept der Selbstorganisation bzw. im Ansatz des partizipativen Managements (vgl. Probst 1992) gefunden werden. Das bildungspolitische Pendant zu diesen Konzepten ist in der Erweiterung schulischer Autonomie zu sehen.

1.3 Können Schulen lernen?

Trotz dieser schwierigen Voraussetzungen findet organisationales Lernen in Schulen statt (vgl. z.B. Meyer 1998, Schratz/Steiner-Löffler 1998f., Die lernende Schule 1998ff., Fullan 1999). Organisationen lernen u.a. dann, wenn eine Diskrepanz zwischen den "espoused theories", d.h. offiziellen Überzeugungen, Programmen und Absichten, und den "theories-in-use", d.h. tatsächlich verfolgten oder sog. lokalen Theorien, auftritt. Organisationales Lernen findet also dann statt, wenn unbeabsichtigte, zunächst nicht reflektierte Abweichungen zwischen dem postuliertem Anspruch und der Praxis bzw. zwischen Zielen und Handlungsergebnissen existieren (vgl. Argyris/Schön 1978; 1996) und Wege gesucht werden, wie diese "Lücke" geschlossen werden kann. Diese zu erkennen, setzt allerdings eine systematische interne oder auch externe Evaluation voraus, die für Schulen jedoch weitgehend unüblich ist und erst in jüngerer Zeit mit der ministeriellen Lancierung der erweiterten Schulautonomie vorangetrieben wird. Im Zuge erweiterter Verantwortung erhalten die einzelnen Schulen größere Gestaltungsspielräume und sind gleichzeitig stärker als bislang rechenschaftspflichtig gegenüber ihrem Träger. Dennoch konstatieren Experten, die in einem Delphi-Verfahren im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu den "Potentialen und Dimensionen der Wissensgesellschaft - Auswirkungen auf Bildungsprozesse und Bildungsstrukturen" befragt wurden (vgl. bmbf 1998), für den allgemeinbildenden Bereich eine hohe Erwünschtheit in Hinblick auf systematische und kontinuierliche interne wie externe Evaluationen. Durchaus kritisch beurteilen sie hingegen die Wahrscheinlichkeit des tatsächlichen Eintretens von internen und externen Evaluationen.

Probst (1992) stellt in Zusammenhang mit der Gestaltung förderlicher Kontexte für die lernende Organisation die Bedeutung von

  • Proaktivität (Antizipation von Erwartungen),
  • Prosozialität (Antizipation von Barrieren) sowie
  • Partizipation heraus.

In diesen drei "Modulen" entwicklungsförderlicher Kontexte werden persönliche Beziehungen und Leistungen in ihren organisatorischen Kontexten berücksichtigt. Übertragen auf Schulen ergeben diese Aspekte folgendes:

Erwartungen, etwa in Form des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags oder der Anspruch an die Funktionalität des angebotenen Wissens, Ansprüche von Eltern, Betrieben und nicht zuletzt den Schülerinnen und Schülern selbst wirken auf die Organisation des schulischen Angebots sowie spezifischer: auf die Organisation des Unterrichts ein. Sie erfordern Reflexivität hinsichtlich eingeübter Praxen und sich wandelnder Ansprüche. Probst spricht in diesem Zusammenhang von einer "Marketinghaltung" (vgl. Probst 1992: 504), die mehr und mehr auch von Schulen erwartet wird (vgl. Puth 1998).

Widerstände, Ängste und Lernbarrieren zu antizipieren und konstruktiv für den Entwicklungsprozeß der Organisation zu nutzen, setzt Kommunikation auf einer vertrauensvollen Basis voraus. Protest oder Verweigerung müssen organisationales Lernen nicht verhindern; sie können im Gegenteil dazu führen, bislang unausgesprochene Probleme und Widersprüche offenzulegen. Fullan (1999) spricht in diesem Zusammenhang von der Herausforderung, "Probleme zu Freunden" zu machen.

Eine Grundannahme bezüglich den Voraussetzungen organisationalen Lernens lautet: Je größer die Gruppe derer ist, die die Veränderungen trägt, desto eher gelingen diese (vgl. Böttcher 1998). (3) Implizit sind damit verschiedene organisatorische Ebenen angesprochen, auf denen Lernprozesse stattfinden können. In den Darstellungen schulorganisatorischer Lernprozesse bislang marginalisiert, in der organisationstheoretischen Literatur hingegen elaboriert, kann diese implizite Unterscheidung auf die Frage zugespitzt werden, ob in oder von Organisationen gelernt wird (vgl. Geißler 1996).

2. Beiträge der Lehrerbildung

Kann eine veränderte Lehrerbildung Schule verändern? Das Klima allgemeiner Deregulierungstendenzen drückt sich bildungspolitisch und bildungsplanerisch in der Prämisse der "Schulentwicklung vor Ort" bzw. größerer Schulautonomie aus und institutionalisiert den Wunsch nach permanenter Veränderung bzw. der Qualitätsverbesserung von Schulen. Die Verantwortung dafür wird an die einzelnen Schulen und damit an deren Akteure delegiert. Sie sind implizit dazu aufgefordert, zur organisationalen Entwicklung ihrer Schulen beizutragen. Zentrale und somit von außen auf Schule einwirkende Arrangements wirken angesichts der Darstellung von Schule als besonderer sozialer Organisation, die durch Komplexität, hohe innere Strukturarmut sowie einem hohen Grad von isolierten Handlungen gekennzeichnet ist, paradox. Sie sind dies insofern, als mit dem Zugeständnis erweiterter Autonomie Prozessen organisationalen Lernens zwar ein Nährboden bereitet wird. Trotzdem können solche Prozesse aber nicht verordnet werden, sondern hängen mit den individuellen Bereitschaften (Wollen) und Kompetenzen (4) (Können) sowie den spezifischen schulischen Strukturen (Dürfen) zusammen (vgl. Probst 1992).

Vor diesem Hintergrund läßt sich die Skepsis hinsichtlich der Wirksamkeit zentraler Maßnahmen der Lehrerbildung in zwei Punkten zusammenfassen.

Zum einen wird auf der Ebene des Individuums ein mangelndes organisationales Gestaltungsbewußtsein konstatiert (vgl. Wenzel 1998). Das individuelle Gestaltungsbewußtsein der Lehrer richtet sich in erster Linie auf den eigenen Unterricht und weniger auf die Schule als Ganze. Die Gründe für dieses Entwicklungspotential hinsichtlich des Gestaltungsbewußtseins sind u.a. in der universitären sowie der zweiten Phase der Lehrerbildung zu suchen: "Kompetenzen zur aktiven Mitwirkung an der Schulentwicklung werden derzeit kaum gezielt entwickelt, erst langsam tauchen Themen wie Schulautonomie und Organisationsentwicklung im Lehrangebot einiger Universitäten und in der zweiten Phase der Lehrerausbildung auf." (Wenzel 1998: 246) Ein grundlegendes Bewußtsein über organisationale Gestaltungsmöglichkeiten sowie entsprechende Kompetenzen stehen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite steht die Bereitschaft der Einzelnen, in den gegebenen Strukturen verändernd aktiv zu werden. Die Bereitschaft läßt sich aber ebenfalls nicht direkt beeinflussen, sondern es sind Maßnahmen zu erwägen, die zu einem fruchtbaren Einsatz und Ausbau der vorhandenen Fähigkeiten verleiten. Durch partizipative Planungsarten "vor Ort" kann sie - wenngleich nicht vollends gesteuert - zumindest begünstigt werden.

Zum anderen bleibt gerade in Hinblick auf die dreiphasige Strukturder Lehrerbildung mit ihren verschiedenen Lernorten sowie den möglichen Lernprozessen der Organisation Schule selbst fraglich, ob zentrale Maßnahmen der Lehrerbildung gerade in Hinblick auf die derzeit verstärkten dezentralen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von Schulentwicklung organisationalen Lernprozessen förderlich sind. Anders ausgedrückt: Organisationale Lernprozesse emergieren aufgrund von (individuellen, kollektiven und organisationalen) Handlungen und Absichten, nicht aber aufgrund von Entwürfen. Wesentlich für die "lernende Schule" ist somit der Kontext vor Ort, der von den spezifischen personellen Konstellationen, der Interaktion mit der Umwelt (ihrem "Schnittstellenmanagement"), grundlegenden Orientierungen des Kollegiums u.v.m. bestimmt wird (vgl. Schratz/Steiner-Löffler 1998).

Es ist deutlich geworden, daß Bewußtsein, Kompetenzen und Bereitschaft zu Veränderungen ineinandergreifen, wenn es zu organisationalem Lernen kommen soll. Eher zu bezweifeln ist damit der Erfolg von singulären Maßnahmen, die allein in der ersten, zweiten oder dritten Phase der Lehrerbildung stattfinden. Um ein Gestaltungsbewußtsein und die notwendige Gestaltungskompetenz der Akteure aufzubauen bzw. zu fördern, wäre es folglich in allen drei Phasen der Lehrerbildung wichtig, mehr Wert zu legen auf die autonome und produktorientierte Gestaltung von Lernprozessen - etwa in Form von

  • fächer- und lernortübergreifenden Studienprojekten in der ersten Phase. Dies erfordert inhaltlich und methodisch veränderte hochschuldidaktische Arrangements und stärkere Kooperationsbeziehungen beispielsweise zwischen Universität und Studienseminaren.
  • verstärkter Einbindung der Lernenden in mittelfristige schulische Entwicklungsprojekte in der zweiten Phase oder
  • bedarfsorientierte schulinterne Fortbildungen in der dritten Phase, ggf. in Form des informellen Austauschs in Netzwerken verschiedener Schulen.

Die Angebote der Lehrerbildung in der dritten Phase sind grundsätzlich zu unterscheiden hinsichtlich ihrer Funktion (vgl. Terhart 2000). So sind Angebote, die der Sicherung einmal erworbener Kompetenzen dienen (Fortbildung) von solchen zu unterscheiden, die dazu dienen, neue oder zusätzliche Aufgaben zu übernehmen (Weiterbildung). Da in der ersten und zweiten Phase der Lehrerbildung bislang nur in marginalem Umfang Themen der Schulentwicklung angesprochen werden (s.o.), ist es für die dritte Phase zumindest mittelfristig wichtig, bedarfsorientierte Weiterbildungsangebote bereitzuhalten.
 

Schluß

Die Frage, ob in oder von Organisationen gelernt wird, ist nicht pauschal zu beantworten. Maßnahmen der Lehrerfort- und -weiterbildung können zunächst dazu verhelfen, das in den Kollegien vorhandene Potential für individuelle und kollektive Lernprozesse freizusetzen. Ob es aber neben der Ermöglichung von Lernen in der Organisation Schule dann auch zu einem Lernen von der Organisation Schule kommt, muß offen bleiben. Dezentralisierte Verantwortung als Impuls für Veränderungen in den einzelnen Schulen bedarf ebenso dezentralisierter Unterstützungsangebote (vgl. Nieders. Kultusministerium 1998).

Anmerkungen

1. Cohen, March und Olsen sprechen von Schulen als "organized anarchies" (Cohen/March/Olsen 1976, nach Dalin/Rust 1983).

2. Bei dieser Feststellung handelt es sich allerdings um nicht quantifizierte Aussagen.

3. Die Beteiligung möglichst vieler, die von intendierten Veränderungen betroffen sind, bezweckt zweierlei: Fähigkeiten werden mobilisiert, gleichzeitig kann die Akzeptanz und Verbreitung von Veränderungen gesteigert werden.

4. Hinsichtlich der individuellen Gestaltungskompetenzen für die Entwicklung und dem Lernen von Schule zeigt sich Lüders (1998) skeptisch, ob auf professionelle Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern aufgebaut werden kann: Es handele sich um "derzeit nicht mehr als eine große Hoffnung" (Ebd.: 87).

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