FabLabs – Kommerzialisierung oder Demokratisierung von Kreativität?
Mein Facebook-Freund Tobi postete neulich - stolz wie Oskar - ein Bild seiner „Erfindung“: einen igelförmigen Wassersprinkler, der sich einfach auf einen Gartenschlauch stecken lässt. Das Besondere an Tobis Objekt ist, dass er den „Igel“ mit einem 3D-Drucker hergestellt hat. Möglicherweise ist seine Erfindung in einem FabLab entstanden, doch dazu später.
In einer amerikanischen Krimiserie wurde ein solcher 3D-Drucker letztens auch dazu benutzt, um eine Waffe und dazu passende Munition herzustellen, die jedoch während des Mordes zersplitterte. In der Tat ist die Technik insbesondere für den Heimgebrauch noch nicht ganz ausgereift, so dass die von dem Ökonomen Jeremy Rifkin prophezeite digitale Revolution scheinbar noch auf sich warten lässt (vgl. Kühl 2014). Gleichzeitig wird am dem Waffenbeispiel deutlich, dass durch diese Technik neben möglichen Potentialen auch neue Risiken und jede Menge offene Fragen entstehen.
Bei einer Internet-Recherche nach Unterrichtsmaterialien zum Thema auf den Seiten der üblichen Verdächtigen wie „lehrer-online“ oder „teachers4you“ suche ich nach Unterrichtsmaterialien zum Thema und werde nicht fündig. Eine Google-Stichwortsuche führt lediglich zu einem Druckerhersteller, der in Zusammenarbeit mit einer „inhabergeführten Agentur für Kinder- und Jugendkommunikation“ ein „Lern-Set für den 3D-Druck“ zusammengestellt hat. Dieses lässt sich inklusive Drucker auf der Seite des Druckerherstellers bestellen. Auch wenn 3D-Druck insbesondere in einem Zusammenhang mit MINT-Fächern oder Kunst gesehen werden, widmet sich das Unterrichtsmaterial im „Modul 3: Gesellschaft und Urheberrecht“ laut Ankündigungstext mit den Potenzialen und Risiken der 3D-Druck-Technologie für Wirtschaft und Gesellschaft. Die Schülerinnen und Schüler sollen in diesem Modul die „Nachhaltigkeit des Druckverfahrens“ hinterfragen und den „richtigen Umgang mit urheberrechtlichen Einschränkungen“ erörtern. Auch wenn sich die Qualität des Materials mangels Zugriff nicht beurteilen lässt, so wird jedoch auch deutlich, dass das Unternehmen mit seinen Unterrichtsmaterialien ein Angebot unterbreitet, dass offensichtlich eine Lücke füllt und gesellschaftlich relevante Themen aufgreift, über die sich wunderbar in sozialwissenschaftlichen Unterrichtfächern diskutieren lässt. Gleichzeitig bieten sogenannte FabLabs eine schöne Gelegenheit für interdisziplinäre schulische Projekte.
Die Idee der FabLabs (Fabrication Laboratories) verbreitete sich, ausgehend vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge (USA), auf der ganzen Welt. (Robben 2013: 3). Die Stanford Graduate School of Education rief 2009 unter der Federführung des Dozenten für Computerwissenschaften Paulo Blikstein das Projekt FabLab@School ins Leben. Blikstein erforscht die Potentiale neuer Technologien zur Transformation von Lernen auf der Basis von Projekt-Lernen in Werkstätten, die mit 3D-Druckern, Laser-Cuttern, CNC-Fräsen und weiteren Geräten ausgestattet sind. Seitdem entstehen weltweit, auch in Deutschland, sogenannte FabLabs (vgl. https://tltl.stanford.edu/project/fablabschool, aberufen am 28.08.2015). So bietet das FabLab München e.V. bietet neben einer offenen Werkstatt für Kinder, ein Schul- und Ferienprogramm und ein mobiles FabLab an (vgl. http://www.fablab-muenchen.de, abgerufen am 28.08.2015).
Das interdisziplinäre FabLab der Universität Siegen versteht sich als eine offene Kreativwerkstatt, in der auch Nicht-Universitätsangehörige Projekte planen und als Prototypen oder Kleinst-Serie produzieren können: „Das reicht inhaltlich von der künstlerischen Skulptur bis hin zum Microcontroller-gesteuerten Home-Automation-System – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“ (vgl. fablab-siegen.de/about/, abgerufen am 28.08.2015).
Die wachsende DIY-Kultur, Sharing-Economy und Crowdsourcing sind spannende Phänomene, die auf einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel hindeuten, mit dem gleichzeitig eine Veränderung der Rolle von Konsumentinnen und Konsumenten einher zu gehen scheint (vgl. Kleemann/Voß/Rieder 2008: 30). Der Diskurs bewegt sich zwischen der negativ konnotierten Kommerzialisierung des eigenen Lebens und der Hoffnung auf eine Demokratisierung von Kreativität und Produktionsmitteln, auf Deglobalisierung und mehr Nachhaltigkeit (vgl. Kühl 2014). FabLabs sind eine spannende Sache, in denen das Leitbild eines selbstbestimmten, gemeinschaftlichen und kreativen Handelns wirksam wird, denn es werden u.a. kreative Aufgabefelder im Bereich Gestaltung/Design, Problemlösung und Innovation angesprochen (vgl. Kleemann, Voß, Rieder 2008: 37). FabLabs zeigen eine eindeutige Nähe zur Entrepeneurship Education, werfen jedoch im Diskurs über damit einhergehende gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen auch für den Einzelnen, andere fachdidaktische Fragestellungen auf. FabLabs mit der Entwicklung fachdidaktischer Konzepte und Unterrichtsmaterialien reflektierend zu begleiten und ihr interdisziplinäres Potential zu nutzen, halte ich für eine spannende Aufgabe sozialwissenschaftlicher Bildner und Bildnerinnen.
Autorin: Ulrike Danier
Quellen
Kleeman, Frank; Voß, Günter G.; Rieder, Kerstin (Mai 2008) Crowdsourcing und der Arbeitende Konsument. Arbeits- und Industriesoziologische Studien. Jg. 1, Heft 1. Robben, Bernhard (2013) Potentiale und Barrieren für den Einsatz von FabLab-Technologien im Schulunterricht (http://dimeb.informatik.uni-bremen.de/edufab/ErhebungPotenziale.pdf, abgerufen am 09.05.2015) Kühl, Eike: 3-D-Druck. Die Revolution muss nachsitzen. Zeit-Online. Stand: 08.05.2014, (abgerufen am 31.08.2015) https://tltl.stanford.edu/project/fablabschool, abgerufen am 28.08.2015 http://www.fablab-muenchen.de, abgerufen am 28.08.2015