Arm, Reich und die Mitte – Was passiert mit der Demokratie in Amerika?
Der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird heißen: Donald Trump. Das haben die Amerikaner in demokratischer Wahl entschieden – die Mehrheitsregel gilt! Aber reicht das? Die Demokratie ist per se ein hohes Gut, das nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf. Schon Aristoteles sah die Demokratie aber auch kritisch. Die Demokratie sei eine schlechte, pervertierte Staatsform. Als „Herrschaft der Armen“ diene sie nicht dem Gemeinwohl, dem Wohle aller.
Tatsächlich sind moderne Verfassungsstaaten keine Demokratien im Sinne der Staatsformenlehre des Aristoteles, sondern es handelt sich um typologische Mischformen. Die Macht, welche die amerikanische Verfassung dem Kongress und dem Präsidenten zuweist, weist viel mehr auch Elemente der Monarchie (Präsident) und der Aristokratie (Kongress) auf. Das demokratische Element bildet die – verfassungsmäßig verbriefte – Souveränität des Volkes, die sich „off, by and for the people“ in allen drei Gewalten manifestiert, nicht nur einer oder zweien. Für Aristoteles jedoch ist die Frage entscheiden: Qui bono? Zu wessen Nutzen?
Bei Trump sind Zweifel angebracht, ob er der Verantwortung des Amtes, zum Wohle aller zu herrschen, tatsächlich gerecht wird. Als extrem umstrittener Immobilien-Tycoon ohne jegliche Erfahrung in der Führung eines Staatsamtes wird er weder in Hinblick auf seine Befähigung, noch in Hinblick auf seine charakterliche Eignung, dem Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika als de facto imperialer Macht der westlichen Hemisphäre (Münkler 2006) gerecht.
Sorge ist begründe – es liegt die Befürchtung nahe: Anstatt, dass Trump als Monarch zum Nutzen der ganzen „Polis“ regiert (der imperiale Charakter der Herrschaft muss hier berücksichtigt werden), könnten die Vereinigten Staaten mehr und mehr den Charakter der Tyrannis (entartete Form der Alleinherrschaft) annehmen.
Empirische Unschärfe: Die Mittelschicht (Politie), nicht die Unterschicht (Demokratie) stimmte für Trump
Als demokratischer Demagoge wurde Trump vor allem von der weißen Mitte ohne akademische Bildung gewählt (Petersdorf 2016) – übrigens sowohl von Männern als auch von Frauen. Aristoteles sah die Demokratie als entartete Form der Herrschaft der Armen. Gerade die Mittelschicht ist in der Staatsformenlehre des Aristoteles der Garant für die Stabilität der Politie – der gemeinwohldienlichen, „guten“ Seite der Demokratie, die auf rechtsstaatlichen Arrangements und einer fairen Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums beruh: also dem Ideal, welches die Vereinigten Staaten idealtypisch entsprechen wollen.
Genau diese vermögensmäßige Unterschicht der illegalen Zuwanderer, Afroamerikaner, Latinos etc. haben Trump aber gar nicht gewählt, sondern – wenn sie überhaupt an der Wahl teilnehmen durften – mehrheitsmäßig für Hillary Clinton gestimmt. So zeigt sich die paradoxe Situation, dass sich Trump einerseits im Namen der Demokratie demagogischer Mittel bediente und in seiner Person die allgemeine Befürchtung eines Abgleitens der Vereinigten Staaten in die Tyrannis repräsentiert – wegen der Machtkonstellation in Kongress und oberstem Gerichtshof, die ein willkürliches „Durchregieren“ Trumps ermöglichen könnte. Andererseits wurde Trump aber de facto von der ökonomischen Mitte gewählt (Williams 2016), die gerade der Garant der amerikanischen Politie sein sollte.
Das Verhältnis von Arm, Reich und der Mitte bestimmt die Zukunft der Demokratie in der globalisierten Welt
Im Zeichen der Globalisierung wird das Verhältnis von Arm und Reich und der Mitte als Trigger sozialen Wandels und als Maßstab für soziale Gerechtigkeit die gesellschaftliche Zukunft bestimmten. Dass an diesen Überlegungen nicht nur Abwegiges ist, zeigt der Ort, den der amtierende Präsident Barak Obama für seine europäische „Abschiedsrede“ wählte, bevor er – ebenfalls mit symbolischem Charakter – weiter nach Berlin reiste: Die griechische Hauptstadt Athen. In seiner Rede unterstrich Obama dann auch die Bedeutung der „Sozialen Frage“ für die Zukunft der Demokratie – oder besser gesagt: der Politie. Die Frage der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums zwischen Arm und Reich und der Mitte, so Obama, sei entscheidend für die Zukunft der Demokratie in der globalisierten Welt – nicht nur in Amerika. Mit Einschränkungen kann man dem zustimmen: Eine starke ökonomische Mitte und eine möglichst gleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums ist eine Voraussetzung für die „gute“ Staatsform zum Nutzen aller. Für die Tyrannis allerdings reicht ein demokratischer Demagoge.
Literatur
- Aristoteles; Schütrumpf, Eckart (Hg.) (2012): Politik. Hamburg: Meiner (Philosophische Bibliothek, 616).
- Münkler, Herfried (2006): Imperien. Die Logik der Weltherrschaft - vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. 5. Aufl. Berlin: Rowohlt.
- Petersdorf, Winand von (2016): Die Wahl der Verlierer. Mittelschicht stimmt für Trump. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.2016. Online verfügbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mittelschicht-waehlt-donald-trump-kommentar-zur-us-wahl-14520815.html, zuletzt geprüft am 21.11.2016.
- Susanne Führer (2016): „Große Teile des Volkes sind dumm“. Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Deutschlandradui Kultur, 19.11.2016. Online verfügbar unter http://www.deutschlandradiokultur.de/politikwissenschaftler-herfried-muenkler-grosse-teile-des.990.de.html?dram:article_id=371845, zuletzt geprüft am 21.11.2016.
- Williams, Joan C. (2016): What So Many People Don’t Get About the U.S. Working Class. In: Harvard Business Review, 10.11.2016. Online verfügbar unter https://hbr.org/2016/11/what-so-many-people-dont-get-about-the-u-s-working-class, zuletzt geprüft am 20.11.2016.