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Süssmuth, Hans (1988): Kooperation von Geschichte und Politik

 

1. Systematische und historische Einordnung des Themas

Die Frage nach Chancen und Grenzen der Kooperation von Geschichte und Politik stellt sich gleichermaßen für Curricula der Primarstufe, der Sekundarstufen und der wissenschaftlichen Hochschulen. Zu leisten ist wissenschaftstheoretische Legitimierung und methodische Absicherung. Das Thema ist durch zwei gescheiterte Versuche belastet:

Nach der Saarbrückener Rahmenvereinbarung von 1960 sollten die Schulfächer Geschichte, Geographie und Sozialkunde für die Oberstufe des Gymnasiums als Fach [/S. 543:] Gemeinschaftskunde zusammengefügt werden. Die Mehrzahl der Geschichtslehrer und der Verband der Geschichtslehrer Deutschlands traten für die Beibehaltung eines eigenständigen Geschichtsunterrichts ein. Trotz des Auftrages, das Fach Gemeinschaftskunde einzuführen, blieb es in den meisten Bundesländern bei einer Addition der dominierenden Fächer Geschichte und Geographie. Da an dem Anspruch festgehalten wurde, pB werde durch historische Bildung mit abgedeckt, verzichteten die Historiker darauf, neue fächerübergreifende geschichtsdidaktische Ansätze zu entwickeln.

Erneut in die Defensive gedrängt sahen sich Historiker und Geschichtslehrer, als 1973 mit den Hess. Rahmenrichtlinien Gesellschaftslehre (HRRG) ein Fach konzipiert wurde, das die volle Integration eines reduzierten Geschichtsunterrichts in ein sozialwissenschaftliches Curriculum vorsah. Mit der Einführung der HRRG wurde die bisherige Praxis schulischer Lehrplanrevision insofern durchbrochen, als die Priorität der fachwissenschaftlichen → Bezugsdisziplinen für curriculare Entscheidungen des Schulfaches in Frage gestellt wurde und eine stärkere Gesellschaftsorientierung zum Tragen kam. Der Ansatz war konsequent lernzielorientiert, erwies sich mit dem Leitziel → Emanzipation jedoch als politisch nicht konsensfähig. Hinzu kam, dass die den fachwissenschaftlichen Bezugsdisziplinen spezifischen Fragestellungen, Begriffe und Methoden, d. h. die jeweilige Struktur der Disziplinen nicht berücksichtigt war. Ungelöst blieb auch das Problem der Lehrerausbildung für das neue Unterrichtsfach. Die Diskussion wurde auf zwei Ebenen geführt. Wissenschaftliche und politische Argumente standen nebeneinander und vermischten sich bisweilen. Als Ergebnis lässt sich zusammenfassen, dass weder die wissenschaftstheoretischen Grundlagen erarbeitet noch die personellen Voraussetzungen zur Realisierung der HRRG vorhanden waren oder der notwendige politische Konsens bestand.

 

2. Wissenschaftstheoretische Voraussetzungen

Die von den Historikern in der Bundesrepublik geführte neuere Theoriediskussion hat eine Reihe von Ursachen. Sie lagen zu einem Teil in fachinternen Richtungskämpfen, zum anderen in externen Herausforderungen. Nach 1945 hatte sich, insbesondere im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Geschichte des »Dritten Reiches«, verschärft die Frage gestellt, ob die in der Tradition des Historismus stehende Geschichtswissenschaft in der Lage sei, historische Phänomene wie den Totalitarismus zu erforschen. Für die Erschließung von Motiven, Entscheidungen, Handlungen historischer Persönlichkeiten reichten die Instrumente der traditionellen Geschichtswissenschaft aus. Es wurde aber problematisiert, ob Konzentration auf die historische Individualität, hermeneutisch verstehende Auslegung, Verstehen historischer Phänomene aus den eigenen Bedingungen und nach den Maßstäben der eigenen Zeit ausreichten, um die Strukturen einer historischen Zeit wie der des Nationalsozialismus zu erklären. Das vorherrschende theorieskeptische historistische Paradigma wurde kritisiert. In diesem Zusammenhang ist die Diskussion der 50er Jahre zu sehen, sozioökonomische, soziopolitische und soziokulturelle Phänomene, Strukturen und Prozesse in die Forschung einzubeziehen. Strukturgeschichte war einer der Schlüsselbegriffe.

Die Auseinandersetzung der Historiker war auch eine Reaktion auf die Herausforderung der Geschichtswissenschaft durch die systematischen Sozialwissenschaften, [/S. 544:] insbesondere → Politikwissenschaft und → Soziologie, die sich an den Universitäten etabliert hatten und mit ihrem Instrumentarium, ihren Methoden, Fragestellungen, Theorien für die anstehenden Probleme der Gesellschaft Lösungsmöglichkeiten anboten. Das führte zu einem Statusverlust der Geschichtswissenschaft. Eine Folge dieser Entwicklung war, dass das Unterrichtsfach Geschichte in den Schulen zurückgedrängt wurde, was wiederum zu einer Gegenbewegung der Historiker und der Geschichtslehrerverbände führte. Von einem Teil der Historiker wurde der Ruf nach Öffnung gegenüber den systematischen Sozialwissenschaften aufgegriffen, da deren Instrumente die Erforschung von Strukturen und Prozessen, also von überindividuellen Phänomenen, ermöglichte. Es ging auch darum, verlorene Positionen in der öffentlichen Diskussion, in den Universitäten, im Schulcurriculum zurückzugewinnen.

In den frühen 70er Jahren vertrat eine jüngere Gruppe von Historikern, beeinflusst von der Frankfurter Schule, eine praktisch engagierte Geschichtswissenschaft in emanzipatorischer Absicht. Sie verstanden Geschichtswissenschaft als Historische Sozialwissenschaft oder Gesellschaftsgeschichte. In einer Reihe von Publikationen und in der neu gegründeten Zeitschrift »Geschichte und Gesellschaft« forderten sie Kritik am überkommenen Historismus und mehr Theorieorientierung der Geschichtswissenschaft. Sie hoben die gesellschaftlichen Funktionen der Geschichtswissenschaft hervor und betonten den Praxisbezug.

An dieser engagiert geführten Diskussion um Theorieorientierung und Paradigmawechsel in der Geschichtswissenschaft hat sich nur ein Teil der Historiker beteiligt. Viele Historiker sind gegenüber einer Theorieorientierung in der Geschichtswissenschaft skeptisch geblieben. Sie fürchten, dass die Komplexität historischer Wirklichkeit aus dem Blick geraten könne, weil Geschichtsschreibung aus der Perspektive des »Sehschlitzes« von Theorien zur Verkürzung führe. Hinzu kommt, dass sich nicht jeder Historiker dem hohen Anspruch einer theorieorientierten Geschichtswissenschaft gewachsen fühlt. Aber durch diese Auseinandersetzung wurde die Krise, in der sich Geschichtswissenschaft und Geschichtsunterricht Ende der 60er Jahre befanden, überwunden. Die Konkurrenz mit den systematischen Sozialwissenschaften wurde erfolgreich aufgenommen, und die Geschichte hat in der öffentlichen Diskussion an Gewicht gewonnen. Im Rückblick erweist sich diese Auseinandersetzung als eine frühe Phase des Richtungsstreites in der Historikerschaft der Bundesrepublik, der seit 1986 öffentlich ausgetragen wird.

Im Gegenzug zur Theorieorientierung, die eher von Experten als von der breiten Gruppe historisch Interessierter angenommen wurde, ist es über die → Alltagsgeschichte zu einer Gegenbewegung gekommen. Auf der Mikroebene wird im überschaubaren Feld gearbeitet. So versteht sich Erforschung der Alltagsgeschichte oft als antitheoretische Bewegung, die durch einfühlende Rekonstruktion der Lebenszusammenhänge des »kleinen Mannes« erzählend und berichtend vergangene Wirklichkeit treffender erschließt, als es nach Ansicht vieler ihrer Vertreter durch den Einsatz von Theorien möglich sei. Hier liegt die Gefahr naiver Vergangenheitserschließung. Andererseits ist festzuhalten, dass theoretisch abgesicherte Alltagsgeschichtsforschung ein Defizit der Sozialgeschichte aufhebt. Konsens besteht in der Auffassung, dass die theorieorientierten, engagierten Historiker die traditionellen Methoden der [/S. 545:] Geschichtswissenschaft nicht aufgeben, sondern hermeneutische und analytische Methode miteinander verbinden.

Der innerhalb der Geschichtswissenschaft geführte Disput hat die Grundlagendiskussion der Disziplin intensiviert. Die Auseinandersetzung wurde auf zwei Ebenen geführt. Einmal ging es um die Fragen, die das Selbstverständnis der Geschichtswissenschaft betreffen: Wodurch unterscheidet sich Geschichtswissenschaft von den systematischen Sozialwissenschaften? Wie ist das Verhältnis von Hermeneutik und analytischer Wissenschaftstheorie? Wie steht es um Wertbezogenheit und Wertfreiheit von Wissenschaft, um Objektivität und Parteilichkeit? Wie ist das Verhältnis von Verstehen und Erklären? Diese erkenntnistheoretisch und geschichtsphilosophisch orientierte Diskussion über das Selbstverständnis der Geschichtswissenschaft hat Karl-Georg Faber 1971 bilanziert. In den folgenden Jahren wurde der »Arbeitskreis Theorie der Geschichte« eingerichtet, in dem Historiker, Philosophen, Sozialwissenschaftler die begonnene geschichtstheoretische Diskussion fortführten.

Von dieser Theorie der Geschichtswissenschaft, die als Metatheorie zu bezeichnen ist, unterscheiden wir die gegenstandsbezogene Theorie des Historikers. Theorien in diesem Verständnis sind für den Historiker Instrumente, mit denen er die Quellenvielfalt ordnet. Es handelt sich bei der Metatheorie der Geschichtswissenschaft also um Begriffssysteme, die zur Identifikation und Erklärung historischer Prozesse eingesetzt werden, die aber nicht aus den Quellen selbst abgeleitet sind. Kollektive historische Phänomene können nur angemessen erforscht werden, wenn Theorien, Fragestellungen und Methoden der systematischen Sozialwissenschaften einbezogen werden. Der explizite Theoriegebrauch schafft erst die Voraussetzung, historische Realität wie Klassen, Schichten, Rollen, Status, Stratifikationen, Sozialisation zu erfassen.

Eine neue Qualität erhielt die Auseinandersetzung durch die sogenannte Historikerdebatte (oder Historikerstreit), die durch den von Ernst Nolte in der FAZ (6. 6. 1986) veröffentlichten Artikel »Vergangenheit, die nicht vergehen will. Eine Rede, die geschrieben, aber nicht gehalten werden konnte« und die Antwort von Jürgen Habermas, »Eine Art Schadensabwicklung. Die apologetischen Tendenzen in der deutschen Zeitgeschichtsschreibung«, in der ZEIT (10. 7. 1986) ausgelöst wurde.

Der bisher fachintern ausgetragene Richtungsstreit wurde nun nicht nur von Historikern, sondern auch von Publizisten und Vertretern der sozialwissenschaftlichen Disziplinen in eine breite öffentliche Diskussion eingebracht. Der Kern dieser Auseinandersetzung lässt sich auf die Kurzformel bringen: Geschichte als Aufklärung oder Geschichte als Identifikationsstifterin. Zu kurz greift die Hypothese, aufklärend-emanzipatorische Geschichtswissenschaft führe zu Destabilisierung, identitätsstiftende Geschichtswissenschaft zu Orientierung. Aufklärung und Identitätsstiftung sind zwei dominante Funktionen der Geschichtswissenschaft, die sich ergänzen. Durch Aufklärung wird tragfähige Identität gewonnen. Das so erworbene Geschichtsbild erweist sich als tragfähig, weil es offen und nicht geschlossen, rational und nicht irrational, dynamisch und nicht statisch ist. Historische Identitätsgewinnung muss Ergebnis kritischer Auseinandersetzung mit Vergangenheit sein, also traditionskritisch gewonnen werden. Für die Geschichtswissenschaft der Bundesrepublik gilt, dass die Ausfüllung von Erinnerung nicht uniform gedacht werden kann, sondern nur [/S. 546] plural. Es gibt in der Demokratie nicht das eine Geschichtsbild, sondern die Vielheit der Geschichtsbilder. Deshalb sind in der Bundesrepublik auch »verordnete Geschichtsbilder« nicht denkbar, wie irrig in einem Beitrag zum Historikerstreit geargwöhnt wird (Hans Mommsen, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 1/1986). Solche Intentionen würden auch angesichts der konkurrierenden Richtungen, die an den Historischen Instituten vertreten werden, nicht realisierbar sein.

 

3. Curriculare Voraussetzungen

Der 1973 unternommene Versuch, bisher voneinander getrennte Schulfächer durch Lernbereiche abzulösen und diese vorrangig an fächerübergreifenden gesellschaftsrelevanten Zielen auszurichten, musste scheitern, weil die wissenschaftstheoretische Fundierung fehlte. Hinzu kam, dass der politische Konsens nicht erreicht wurde und es noch keine Lehrerausbildung für dieses Fach gab.

In Hessen wurde seit 1973 an einer Neufassung der HRRG gearbeitet und 1980 das Ergebnis vorgelegt. Eine entscheidende Korrektur bestand darin, dass zu den Grundsätzen für den Lernbereich Gesellschaftslehre auch Wissenschaftsorientierung gehörte: Es wurde bei der Neufassung der Rahmenrichtlinien davon ausgegangen, dass die Wissenschaftsdisziplinen die wesentlichen gesellschaftlichen und historisch-politischen Probleme und Lerninhalte benennen und → Methoden sowie → Kategorien für ihre Bearbeitung im Unterricht zur Verfügung stellen können. Das früher bestehende Defizit in der theoretischen Grundlegung wurde also aufgehoben.

Im Jahre 1978 veröffentlichte eine Arbeitsgruppe von Historikern, Politikwissenschaftlern und Soziologen (Behrmann u. a.) das Konzept für einen kooperativen Unterricht in den Fächern Geschichte und Politik für die Sekundarstufe I. Vorgeschlagen wurde eine gestufte Verbindung zwischen geschichtlichen und politischen Unterrichtseinheiten. Die wissenschaftstheoretische Fundierung wurde hier ebenso abgesichert wie der methodische Zugriff.

Für den historischen und politischen Unterricht wurden jeweils vier Thementypen entwickelt und als Leitthemen bzw. Zusatzthemen einander zugeordnet. Thementypen des Politikunterrichts sind: die →> Erkundung, die systematische Analyse oder der → Vergleich, die → Fallstudie, die Bearbeitung eines aktuellen Problems. Die vier Thementypen des Geschichtsunterrichts werden nach Kooperationsmöglichkeiten mit dem politischen Unterricht befragt. Der erste Thementyp ist die genetisch vorgehende Erarbeitung eines historischen Prozesses, die tendenziell alle seine Faktoren fasst (z. B. Industrielle Revolution, Imperialismus) - hier gibt es über den Gegenwartsbezug kombinatorische Möglichkeiten mit dem Politikunterricht. Der zweite Thementyp ist der thematische Längsschnitt. Auch hier besteht zwischen historischem und politischem Unterricht ein ergänzender Zusammenhang. Dabei kommt es für den historischen Unterricht darauf an, dass eine der aktuellen vergleichbare Problematik in der Vergangenheit in ihren unterschiedlichen und in ihren ähnlichen Strukturen herausgearbeitet wird. Der dritte Thementyp ist die querschnittartige Repräsentation einer besonders wichtigen Epoche. Hier ist die Möglichkeit der Kooperation nur über die Methode der Analogie möglich. Im Unterschied dazu besteht eine enge Verbindung des vierten Thementyps zum politischen Unterricht. Er greift ein gegenwärtig wichtiges Phänomen der politischen Welt regressiv in [S. 547:] seiner historischen Bedingtheit auf (z. B. Revolution in Ländern der Dritten Welt, israelisch-arabischer Konflikt). Bei diesem Thementyp verbinden sich politischer und historischer Unterricht jeweils eng. Die Kombination dieser vier Thementypen des Geschichtsunterrichts und die Kooperation mit den entsprechenden Thementypen des Politikunterrichts sind als → offenes Curriculum konzipiert. Es ist also eine Vielzahl flexibler Verbindungsmöglichkeiten zwischen Geschichte und Politik zu komponieren.

Geschichtsdidaktik beschäftigt sich mit dem Prozess der Rezeption von Geschichte in der Gesellschaft. In der geschichtsdidaktischen Diskussion ist seit den 70er Jahren der Begriff Geschichtsbewusstsein als zentrale Kategorie herausgearbeitet worden. Geschichtsbewusstsein meint über geschichtliches Wissen hinaus auch Vorstellungen und Deutungen von der Vergangenheit und daraus entstehende Einstellungen. Erforscht wird das Geschichtsbewusstsein von Individuen und Kollektiven. Dabei geht es um Inhalte und Formen, um Bedingungen des Aufbaus und der Veränderung, um Bedeutung und Funktion des Geschichtsbewusstseins. Durch die Einführung des Begriffs Geschichtsbewusstsein wurde die Geschichtsdidaktik neu fundiert und ihre über den schulischen Bereich hinausreichende Dimension verdeutlicht. Ohne Geschichtsbewusstsein ist die Gewinnung sozialer und politischer Identität nicht möglich. Deshalb ist Geschichtsbewusstsein ein Schlüsselbegriff aller historischen, aber auch aller pB. Historische und politische Urteilskompetenz werden durch ein aufgeklärtes Geschichtsbewusstsein gefördert. Wenn es dem Politikunterricht um die Vermittlung von Sachwissen und jener Kompetenzen geht, die zu politischer Reflexion, → Urteilsbildung und verantwortlichem politischen Handeln befähigen, so kann er nahtlos mit einem Geschichtsunterricht kooperieren, dessen Bezugsdisziplin zunehmend einen Praxisbezug vertritt und folgende Funktionsziele betont: Geschichtswissenschaft

  • schafft aufklärungsgeprägte Rationalität;
  • bewahrt gesellschaftliches Wissen, ist Kollektivgedächtnis;
  • interpretiert Gegenwart aus deren Vergangenheit und trägt so zur Ortsbestimmung der Gegenwart bei;
  • legt Ursachen und Entwicklungen bestimmter Gegenwartsprobleme offen;
  • schafft Distanz zu emotional besetzten Gegenstandsbereichen;
  • zeigt die Entwicklung und Veränderung sozialer Wandlungsprozesse und weist den Rahmen der Veränderbarkeit auf;
  • leistet → Ideologiekritik;
  • vermittelt einen kritisch aufgeklärten Praxisbezug;
  • legt Grundlagen für politische und soziale Identifikationen;
  • bewahrt vor Manipulation, indem sie Erinnerung aufklärt;
  • wirkt als Korrektiv gegenüber generalisierenden »Totalentwürfen«;
  • motiviert durch den Aufweis welthistorischer Perspektiven zu globaler Verantwortung.
 

4. Perspektiven

Seit 1980 sind die wissenschaftstheoretischen Grundlagen und methodischen Absicherungen für die Konstruktion eines integrierten oder kooperativen Curriculums Geschichte/Politik geschaffen. Es liegen auch Unterrichtsmateria- [S. 548:] lien und ausgearbeitete Unterrichtseinheiten für ein Curriculum Geschichte/Politik der Sekundarstufe I vor (Behrmann u. a. 1976 ff.). Für den Bereich der Lehrerbildung wurde 1980 das Konzept eines Studienganges Sozialwissenschaften entwickelt, das von Vertretern der Geschichtswissenschaft, der → Politikwissenschaft, der → Soziologie und der → Wirtschaftswissenschaft (Forndran u. a. 1978) vorgelegt wurde. Hier wurden die wissenschaftstheoretischen Grundlagen für einen kooperativen oder integrierten Studiengang geschaffen.

Trotz dieser günstigen Ausgangsposition ist die Strategie der Historiker nicht durchgängig offensiv. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass sie erst wieder auf Herausforderungen reagieren. Weder in der Lehrerausbildung noch im Schulcurriculum werden Experimente gewagt. Statt dessen vollzieht sich auf der Ebene des Geschichtsunterrichts eine Entwicklung, wie wir sie aus den USA kennen. Nach einer Phase intensiver theoretischer Auseinandersetzung und konzeptioneller Entwürfe werden in den Fachzeitschriften unsystematisch neue Themen diskutiert. Dabei geht es um Inhalte wie Ökologie und Geschichte, Geschichte der Frauen, Geschichte von Minderheiten, Geschichte der Arbeit. Eine Bereicherung ist auch die intensive Beschäftigung mit der Alltagsgeschichte und die Einbeziehung der Oral-History-Methode. Es ist an der Zeit, die additiv nebeneinander stehenden neuen Themen in einem neu zu konzipierenden offenen Curriculum zusammenzufügen und die sich daraus ergebenden weiterführenden Möglichkeiten für eine Kooperation mit dem Unterrichtsfach Politik auszuloten.

 

Literatur

Behrmann, Günter C. [1]; Jeismann, Karl-Ernst; Süssmuth, Hans (1978): Geschichte und Politik. Didaktische Grundlegung eines kooperativen Unterrichts. Paderborn: F. Schöningh.

Behrmann, Günter C. [1] u. a. (Hg.) (1976 ff.): Geschichte. Politik. Unterrichtseinheiten für ein Curriculum. Paderborn: F. Schöningh.

Bergmann, Klaus; Schneider, Gerhard (Hg.) (1980): Gesellschaft, Staat, Geschichtsunterricht 1500-1980. Düsseldorf: Schwann.

Bergmann, Klaus; Kuhn, Annette; Rüsen, Jörn [2]; Schneider, Gerhard (Hg.) (1985): Handbuch der Geschichtsdidaktik. Düsseldorf : Schwann.

Cobet, Justus [3]; Maek-Gérard, Eva; Muhlack, Ulrich; Zitzlaff, Dietrich (1974): Zur Rolle der Geschichte in der Gesellschaftslehre: Das Beispiel der hessischen Rahmenrichtlinien. Stuttgart: Klett [4].

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Faber, Karl-Georg (1971): Theorie der Geschichtswissenschaft. München: Beck.

Forndran, Erhard [7]; Hummell, Hans J.; Süssmuth, Hans (Hg.) (1978): Studiengang Sozialwissenschaften. Düsseldorf: Schwann.

Gies, Horst; Spanik, S. (1983): Bibliographie zur Didaktik des Geschichtsunterrichts. Weinheim: Beltz [8].

"Historikerstreit". Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung. München 1987.

Hoffmann, Hilmar (Hg.) (1987): Gegen den Versuch, Vergangenheit zu verbiegen. Frankfurt: Athenäum.

Iggers, Georg (1978): Neue Geschichtswissenschaft. Vom Historismus zur Historischen Sozialwissenschaft. München: dtv.

Kirchhoff, Hans Georg (Hg.) (1986): Neue Beiträge zur Geschichtsdidaktik. Bochum: Studienverlag Brockmeyer.

Kocka, Jürgen [9]; Repgen, Konrad; Quandt, Siegfried (1982): Theoriedebatte und Geschichtsunterricht. Sonderheft 3 von Geschichte, Politik und ihre Didaktik. Paderborn: Schöningh.

Kröll, Ulrich (1983): Bibliographie zur neueren Geschichtsdidaktik. Münster: Regensberg.

Kühnl, Reinhard (Hg.) (1987): Vergangenheit, die nicht vergeht. Die "Historiker-Debatte". Dokumentation, Darstellung und Kritik. Köln: Pahl-Rugenstein.

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Uffelmann, Uwe (1986): Didaktik der Geschichte. Aus der Arbeit der Pädagogischen Hochschulen BadenWürttembergs. Villingen-Schwenningen: Neckar.

 
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Links
[1] http://www.uni-potsdam.de/u/LpB/Mitarbeiter/Behrmann/behrmann.htm
[2] http://www.kulturwissenschaftliches-institut.de/bio/joern_ruesen.htm
[3] http://www.uni-essen.de/geschichte/alte_seite/111-Cobet.htm
[4] http://www.klett-cotta.de
[5] http://www.uni-mainz.de/Organisationen/israel-ag/symp2000_refbio_diner.htm
[6] http://www.fischerverlage.de/
[7] http://www.uni-magdeburg.de/ipw/person/fd.html
[8] http://www.beltz.de/
[9] http://www.single-generation.de/sozialstaat/juergen_kocka.htm
[10] http://staff-www.uni-marburg.de/%7Eluedtkeh/Home.htm
[11] http://www.ehrenwirth.de
[12] http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/zeitschr/gwu/gwuindx.htm
[13] http://www.ku-eichstaett.de/ECTS/faecher/politik/fachrichtungen/erziehung/sutor
[14] http://www.bpb.de/publikationen/BKRM30,0,0,Aus_Politik_und_Zeitgeschichte.html