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Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULE WIRTSCHAFT/ Gerrit Witschaß, Roland Delbos, Marion Hüchtermann, Ulrich Wiethaup: Berufsorientierung - ein Beitrag zur Lebensorientierung junger Menschen.

 

1. Bildungspolitische Einordnung

Die Jugendlichen von heute sehen sich mit schnelleren Entwicklungen und tief greifenden Veränderungen konfrontiert als frühere Generationen. Diese nachhaltigen Veränderungen bestimmen entscheidend ihr späteres (Berufs-)Leben.
Die rasant fortschreitende Entwicklung weg von der Industrie- hin zur Dienstleistungs-, Informations- und Kommunikationsgesellschaft gehört ebenso dazu wie die sich ausweitende Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft.

Einige Trends gegenwärtiger und zukünftiger Entwicklungen der Arbeitswelt seien deshalb hier kurz skizziert:

  • Die Globalisierung und die europäische Einigung haben Kommunikation und Arbeitsteilung in revolutionärer Weise intensiviert und den Austausch von Ideen und Know-how beflügelt. Im Zuge dieser Entwicklung sind die Leistungen von Unternehmen und Volkswirtschaften weltweit transparent geworden.
  • Auch wenn die zukünftige Arbeits- und Berufswelt heute noch nicht exakt voraussehbar ist, so wird sie in jedem Fall durch eine hohe Veränderungsgeschwindigkeit gekennzeichnet sein.
  • Eine Veränderung der Arbeitswelt und damit eine Veränderung der Anforderungsprofile entsteht auch durch die Entwicklung zu kleineren Einheiten. Arbeitsteilung wird zunehmend durch Gruppenarbeit ersetzt, indem Mitarbeiter (1) den Arbeitsprozess weitgehend selbst steuern. Damit verändern sich die Tätigkeitsprofile und Verantwortungsbereiche vieler Arbeitnehmer.
  • Unternehmerisches Denken und Handeln werden heute nicht mehr nur von den Unternehmern und Führungskräften, sondern auch von jedem Mitarbeiter erwartet.
  • Während des (Arbeits-) Lebens gilt es, mehrfach "Schulungs- und Qualifizierungsphasen" zu durchlaufen. "Lebenslanges Lernen" - sich flexibel zu orientieren und auf neue Situationen einzustellen - wird zur notwendigen Selbstverpflichtung des Einzelnen.
  • Die Individualisierung des Lernens, d. h. das selbst gesteuerte und eigenverantwortliche Lernen, der selbstständige Umgang mit Lehrstoff, die Bestimmung des Lerntempos rücken konsequent in den Mittelpunkt aller modernen Lernprozesse.

Mehr denn je sind Unternehmen heute und künftig sowohl von fachlich qualifizierten als auch leistungsfähigen, flexiblen und engagierten Mitarbeitern abhängig. Deshalb werden Persönlichkeit, Einstellungen und Werthaltungen der Mitarbeiter von den Unternehmen zunehmend in den Vordergrund gestellt: Bestimmend für die Effizienz aller Bereiche eines Unternehmens sind Wissen und Verhalten der Mitarbeiter. Der Erwerb von Sozial-, Methoden- und Handlungskompetenz, von Kommunikations- und Teamfähigkeit, Vernetzungs- und Organisationsfähigkeit, Problemlösungs- und Entscheidungsfähigkeit angesichts komplexer Situationen sowie die Fähigkeit, unternehmerisch zu denken und zu handeln, erhalten immer größeres Gewicht. Die Grundlagen dafür müssen bereits in Schule und Ausbildung gelegt werden.

Wir brauchen deshalb eines der besten Bildungs- und Ausbildungssysteme der Welt. Eine qualitativ hochwertige Bildung für alle, die nach den individuellen Begabungen und Fähigkeiten differenziert ist, muss das leitende Ziel sein. Lebenslanges Lernen wird in Zukunft mehr denn je von jedem gefordert sein. Schule, berufliche Bildung, Hochschule und Weiterbildung müssen so aufeinander abgestimmt und verknüpft werden, dass individuelle Begabung und Neigung ihre bestmögliche Entfaltung finden. Investitionen in die Qualifikation sind zukunftssichernde, sich auszahlende Investitionen.

In der Schule müssen die wesentlichen Grundlagen für Bildung und Qualifizierung jedes Einzelnen gelegt werden. Dies gilt sowohl für die Persönlichkeitsbildung als auch für die spätere berufliche Tätigkeit. Jugendliche zur praktischen Lebensbewältigung und zu verantwortungsbewusstem Handeln in Familie, Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu befähigen, ist Aufgabe der Schule. Schulische Bildung muss also aus der Sicht der Wirtschaft Wissensvermittlung, Werteerziehung, Qualifizierung und Handlungsorientierung gleichermaßen umfassen.

 

2. Berufsorientierung aus der Sicht der Wirtschaft

Seit geraumer Zeit weist die deutsche Wirtschaft darauf hin, dass es bei den Schulabgängern allzu oft an Ausbildungsfähigkeit und damit am erfolgreichen Einstieg in die Arbeits- und Berufswelt mangelt. So können häufig Lehrstellen mangels geeigneter Bewerber nicht besetzt werden. Die Ausbildungsfähigkeit ist daher ein zentrales Thema für die BDA-Bildungskampagne bda@bildung.de [1].

Nach den Erfahrungen der Unternehmen sind junge Menschen dann ausbildungsfähig, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:

  • Die Jugendlichen verfügen über allgemeines Grundwissen in Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften, Politik und Ökonomie.
  • Die Jugendlichen weisen grundlegende personale, soziale und methodische Kompetenzen auf.
  • Die Jugendlichen nutzen Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Entwicklung von Problemlösungsstrategien sowie zur Ausbildung von Entscheidungs- und Handlungskompetenz.
Mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit konzentrieren sich aus der Sicht der Wirtschaft auf vier Bereiche:
  1. Beseitigung von Wissensdefiziten und Erhöhung der Leistungsbereitschaft,
  2. Ausweitung des Arbeitsweltbezugs im Unterricht,
  3. Systematisierung und Vernetzung berufsorientierender Maßnahmen,
  4. Regionale Kooperation Schule/ Wirtschaft/ Arbeitsamt/ Eltern.

Hier muss die Berufsorientierung ansetzen - zum einen als eine allgemeine Orientierung über Berufs- und Bildungsmöglichkeiten, andererseits als Auseinandersetzung mit den jeweiligen Interessen und Fähigkeiten des Individuums und dem Problemfeld "Arbeits- und Berufswelt".

Die Wirtschaft betrachtet das Thema Berufsorientierung im folgenden Kontext:

  • Berufsorientierung ist ein gesellschaftlicher Bildungsauftrag,
  • Berufsorientierung ist ein wesentlicher Bestandteil der Allgemeinbildung,
  • Berufsorientierung bedarf der Unterstützung und Zusammenarbeit (Schule, Eltern, Unternehmen, Arbeitsamt),
  • Berufsorientierung braucht Realbegegnungen,
  • Berufsorientierung braucht Kompetenzanalysen (Stärken-Schwächen-Analyse),
  • Berufsorientierung vermindert Brüche in den Bildungsbiografien.

Um Berufsorientierung nachhaltig zum festen Bestandteil der schulischen Arbeit werden zu lassen, ist es notwendig, sie in das Schulprogramm aufzunehmen. Das systematische Herangehen schafft Verbindlichkeit und nimmt alle Lehrkräfte einer Schule in die Verantwortung. Durch das Hinzuziehen weiterer Akteure wie Eltern, Berufsberater des Arbeitsamtes und Unternehmen der Region wird eine praxisorientierte Berufsorientierung nachhaltig gesichert.

Die direkte Zusammenarbeit von Schulen und Unternehmen verbessert den Übergang der Schüler vom Bildungs- ins Beschäftigungssystem erheblich. Systematische und kontinuierliche Einblicke in das Arbeitsleben ermöglichen den jungen Menschen eine aktive Auseinandersetzung mit Berufsbildern und betrieblichen Abläufen. Diese Reflexionen als Bestandteil des Schulprogramms verbessern die Berufsvorbereitung und Studienorientierung maßgeblich und tragen somit auch zur Qualitätsverbesserung von Schule bei.

 

3. Beitrag der Wirtschaft zur Verbesserung von Berufsorientierung und Ausbildungsfähigkeit

Die Wirtschaft stellt aber nicht nur Forderungen, sondern trägt auch aktiv zur Optimierung der Ausbildungssituation bei. Neben ihrem Engagement im "klassischen" Bereich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung kooperieren die Unternehmen vielfach auch mit Schulen und Hochschulen, um die Arbeitsmarktchancen der jungen Menschen zu verbessern. Diese umfangreichen Aktivitäten werden insbesondere in der Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULE WIRTSCHAFT [2] gefördert. Aber auch bundesweite Projekte wie "JUNIOR" [3] oder "TRANS-JOB" [4] leisten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung moderner Methoden zur Berufsorientierung. Die Initiative Hauptschule fördert gerade in dieser Schulform innovative Ideen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULE WIRTSCHAFT, getragen von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) [5] und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) [6], setzt sich seit fast 40 Jahren für den partnerschaftlichen Dialog und die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft ein. Die Arbeit basiert auf dem Engagement von 450 regionalen Arbeitskreisen SCHULE WIRTSCHAFT, in denen rund 20.000 Lehrkräfte kontinuierlich mitarbeiten. Auf der Länderebene werden die Aktivitäten der Arbeitskreise von 15 Studienkreisen und Landesarbeitsgemeinschaften betreut, die organisatorisch in die Landesarbeitgeberverbände oder Bildungswerke der Wirtschaft eingebunden sind. Durch dieses bundesweite Netzwerk werden jährlich direkt 80.000 Lehrkräfte, Schulleiter, Schulaufsichtsbeamte, Wirtschaftsvertreter, Schüler und Azubis angesprochen. Viele Innovationen wurden angestoßen, die mittlerweile fest zum Schulleben gehören, wie z. B. Betriebspraktika und Betriebserkundungen für Schüler und Lehrer, Konzepte zur Berufsorientierung oder Schülerfirmen. Alle Maßnahmen ermöglichen Einblicke sowohl in die schulische als auch in die wirtschaftliche Praxis und geben Anlass zum Dialog und zum Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Schul- und Unternehmensvertretern.

Mit dem Projekt JUNIOR [3] will das Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Rahmen der SCHULE WIRTSCHAFT-Arbeit Jugendlichen die unternehmerische Selbstständigkeit als eine spätere Berufsperspektive aufzeigen. Schülerinnen und Schüler werden bei der Gründung eines Miniunternehmens unterstützt und ein Schuljahr lang betreut; sie erfahren und erleben somit wirtschaftliche Prozesse hautnah, im (Berufs-) Leben wichtige Qualifikationen wie Team- und Kommunikationsfähigkeit werden gefördert. Durch die Arbeit in den verschiedenen Abteilungen des Unternehmens erhalten die Schüler außerdem auch praxisnahe Einblicke in verschiedene Berufsfelder.

Die BDA-nahe Stiftung der Deutschen Wirtschaft geht im Bereich SCHULE WIRTSCHAFT innovative Wege zur Verbesserung der Berufs- und Studierfähigkeit junger Menschen. Durch die engere Verzahnung des Bildungs- und Beschäftigungssystems setzt sie zielgerichtet eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Unternehmen um.

Das bundesweite Projekt TRANS - JOB [4], das seit August 1999 läuft, ist Bestandteil des Programms "Schule - Wirtschaft/ Arbeitsleben" [7] des Bundesministeriums für Bildung und Forschung [8]. Ziel ist es, auf der Grundlage von Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen Schülerinnen und Schüler praxisnahe und systematische Einblicke in die Arbeitswelt zu ermöglichen und dadurch bessere Voraussetzungen für den Übergang von der Schule in den Beruf zu schaffen.

Im Rahmen der Kooperationsprojekte zwischen den Schulen und Unternehmen haben sich folgende Maßnahmen bewährt:

  • Berufsweltorientierende Schülerbetriebspraktika,
  • Berufserkundungen,
  • Bewerbertrainings,
  • Gemeinsame Projektarbeit zwischen Schülern und Azubis (Schüler-Azubi-Firmen),
  • "Azubimentoren" im Rahmen der Berufsorientierung,
  • Berufsinformationstage/ -messen über Berufsbilder, Ausbildungsmöglichkeiten,
    Ausbildungsgänge und Berufschancen und
  • Ehemalige Schülerinnen und Schüler als "Experten" im Unterricht.

Die Initiative Hauptschule [9] unter Vorsitz der BDA [5] unterstützt diese Schulform, indem u. a. innovative Konzepte zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages durch einen Preis ausgezeichnet und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Vertreter aus den Bereichen der Lehrerverbände, der Elternverbände, der Politik, der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens leisten durch die Zusammenarbeit einen entscheidenden Beitrag zur Verbreitung beispielhafter Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Hauptschule.

Die Hauptschule legt die Grundlagen für das erfolgreiche System der dualen Ausbildung. Alle Erfahrungen zeigen immer wieder, dass sich die Kooperation zwischen Hauptschule, Berufsschule und Betrieb positiv auf die Arbeitsleistungen der Hauptschüler auswirkt. Mit der Herausstellung guter Beispiele sollen Hauptschulen angeregt und zu besonderem Engagement ermutigt werden.

Ein Teil der Schüler braucht einen Unterricht, der nicht abstrakt-theoretisch, sondern anschaulich und praxisorientiert abläuft. Gerade für solche Schüler ist die Hauptschule oft der einzige Weg zu einem Schulabschluss und darauf aufbauend zu einem Ausbildungsplatz. Zahlreiche Beispiele belegen, wie der Übergang von der Schule in die Ausbildung durch direkte Kooperation von Hauptschulen und Betrieben verbessert werden kann.

 

Anmerkungen

Im Folgenden sind mit dem Oberbegriff "Mitarbeiter" sowohl Mitarbeiter als auch Mitarbeiterinnen gemeint, gleiches gilt auch für "Arbeitnehmer", "Lehrer", "Schüler" usw.

Kontakt:

www.schule-wirtschaft.de [2]

www.sdw.org [10]

www.bda-online.de [5]

www.iwkoeln.de [6]

www.lehrerverband.de/ihstart.htm [9]

 
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Quell-URL (modified on 14/01/2013 - 15:15): https://sowi-online.de/node/611

Links
[1] mailto:bda@bildung.de
[2] http://www.schule-wirtschaft.de/
[3] http://www.iw-junior.de/default_projekt.htm
[4] http://www.sdw.org/SDW/SDWCMS.nsf/ID/Einstiegsseite%20TRANS%20-%20JOB
[5] http://www.bda-online.de/
[6] http://www.iwkoeln.de/
[7] http://www.swa-programm.de/
[8] http://www.bmbf.de/
[9] http://www.lehrerverband.de/ihstart.htm
[10] http://www.sdw.org/