Qualifizierung gepaart mit unternehmerischer Eigeninitiative ist der Schlüssel für die Zukunftssicherung im Handwerk. Auch wenn bestimmte Handwerksbranchen gegenwärtig ein konjunkturelles Tal durchschreiten: Das Handwerk ist ein dynamischer Wirtschaftsbereich und mit 850.000 Betrieben der Arbeitgeber für rund 6 Millionen Menschen. Qualitätsprodukte, maßgeschneiderte Dienstleistungen und vernetzte Verfahren sind die einzigen schlüssigen Antworten auf die Weiterentwicklung der Märkte. Die Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft fordert besondere Eigenschaften, die im Handwerk fest verankert sind: Kleine flexible Einheiten und ein hohes Qualifikationsniveau sind künftig mehr denn je die Schlüssel für wirtschaftlichen Erfolg.
Trotz der Wirtschaftskraft und Wandlungsfähigkeit hat das Handwerk aber zunehmend Schwierigkeiten Nachwuchskräfte zu gewinnen und langfristig an sich zu binden.
Lehrlinge werden in nicht allzu ferner Zukunft "Mangelware". Wie das Bundesinstitut für Berufsbildung [1] in Bonn in seiner Prognose über die mittelfristige Lehrstellennachfrage feststellte, wird - über alle Ausbildungsbereiche betrachtet - die Nachfrage bis 2006 zwar noch um etwa 30.000 Bewerber ansteigen, danach aber rapide sinken. 2015 werden sich rund 50.000 Jugendliche weniger als heute um eine Berufsausbildung bemühen.
Im Handwerk sind die Nachwuchsprobleme bereits heute Realität. Der Ausbildungsmarkt ist dabei gespalten: Während es für die Lehrstellenbewerber in den östlichen Bundesländern wie eine Botschaft vom 'anderen Stern' klingen muss, melden die Handwerkskammern im südlichen und westlichen Bundesgebiet eine steigende Zahl nicht besetzbarer Lehrstellen. Dort werden händeringend Lehrlinge und ausgebildete Fachkräfte gesucht.
Da die Zahl der Schulabgänger noch vier Jahre lang im Steigen begriffen sein wird und demografische Einbrüche erst danach zu erwarten sind, kann die gegenwärtig schon gestiegene Zahl unbesetzter Lehrstellen im Handwerk nicht allein aus der Demografie-Entwicklung erklärt werden. Andere Erklärungsansätze kommen hinzu. Es sind massive Eignungsprobleme der Schulabgänger (siehe dazu vgl. Kloas 2002) sowie Verschiebungen in der Ausbildungsplatz-Nachfrage zugunsten anderer Ausbildungsbereiche. Insbesondere die Attraktivität der meist im Industrie- und Handelsbereich angebotenen IT-Berufe zieht Jugendliche vom Handwerk ab.
Die Handwerksbetriebe und die Handwerksorganisation wollen dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel energisch entgegen wirken. Wegen der gestiegenen Berufsanforderungen, der Unternehmer-Nachfolge-Lücke und dem wachsenden Bedarf an angestellten Führungskräften in größeren Handwerksbetrieben müssen vor allem leistungsstarke Jugendliche für eine Ausbildung im Handwerk und die Fortsetzung ihres Karriereweges im Handwerk begeistert werden.
Das Werben um leistungsstarke Jugendliche ist dabei keine Abkehr von der handwerklichen Tradition und Selbstverpflichtung, sich auch weiterhin um solche Jugendliche zu kümmern, deren Lernerfolg in der Schule nicht gerade herausragend ist. Anders als z. B. bei Abiturienten muss das Handwerk diese Gruppe aber nicht umwerben. Es hat hier genügend Zulauf. Oder anders gesagt, während bei leistungsschwächeren Schulabgängern die Verbesserung der Förderpraxis in Schule, Berufsvorbereitung und Ausbildung im Vordergrund steht, hat bei leistungsstärkeren Jugendlichen die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit Priorität.
Besonders Abiturienten ist oft nicht bekannt, wie vielseitig und modern die
handwerklichen Berufe geworden sind und welche ausgezeichneten Karrieremöglichkeiten
bis hin zum Unternehmer sich im Handwerk bieten. Die Handwerkskammern, die
Fachverbände und der Zentralverband
des Deutschen Handwerks [2] haben sich deshalb zu einer groß angelegten
Informationskampagne entschlossen. Auftaktveranstaltung für diese bundesweite
Kampagne war die Fachtagung "Karriere nach der Lehre - Das Handwerk",
die Ende letzten Jahres vom Zentralverband des Deutschen Handwerks anlässlich
des 50-jährigen Jubiläums des Leistungswettbewerbs der Handwerksjugend
in Bremen durchgeführt wurde.
(Die Ergebnisse der Tagung werden im März 2002 in der Schriftenreihe
des Zentralverbands des Deutschen Handwerks veröffentlicht. Der Band
"Karriere nach der Lehre - Das Handwerk" kann bei der Marketing
Handwerk GmbH, Bestellservice, Ritterstr. 21, Fax: 0241/89493-29 bezogen werden.)
Es ist sicher nachvollziehbar, dass das Handwerk mit seiner 4,5 % -igen Abiturientenquote unter den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen unzufrieden ist. Hinter diesem bundesweiten Durchschnittswert verbergen sich aber auch regionale Spitzenwerte von bis zu 10 %. Dies zeigt, dass durchaus Handlungsspielraum besteht: Bei gezielter Ansprache und maßgeschneiderten Angeboten lassen sich messbare Fortschritte bei der Gewinnung von Abiturienten und Abiturientinnen für eine Berufsausbildung im Handwerk erzielen.
Die Betriebe des Handwerks, die Handwerkskammern, die Innungen und Fachverbände haben es dabei allerdings nicht leicht: Das wissenschafts- und studienorientierte Profil des allgemein bildenden Gymnasiums lässt keinen Platz für handwerksbezogene Orientierungen. Im Gegenteil: Mit diesem Profil, das das Studium an einer Universität als alles überragende Orientierungsgröße betont, ist fast zwangsläufig eine Abwertung praktischen Arbeitens, insbesondere aber handwerklicher Tätigkeit verbunden. Im Allgemeinen herrscht unter den Gymnasiasten der Eindruck vor, sie seien für Handwerksberufe "überqualifiziert", handwerkliche Arbeiten böten ihnen nur geringe Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten sowie zu wenig intellektuelle und kreative Herausforderungen.
Jeder Versuch, solche Jugendliche für handwerkliche Berufe zu gewinnen, muss daher an der Überwindung von Wissensdefiziten und Klischeevorstellungen ansetzen, und zwar in gemeinsamen Aufklärungsanstrengungen von Handwerk, Schule und Berufsberatung.
Den Schülern muss die große Vielfalt handwerklicher Berufe aufgezeigt werden. Vor allem muss ihnen bewusst gemacht werden, in welchem Ausmaß moderne Handwerksberufe Kreativität, Selbstständigkeit, Sozial-, Planungs- und Entscheidungskompetenz fordern. Nur so kann das Vorurteil überwunden werden, Handwerksarbeit sei ausschließlich manuelle Tätigkeit ohne besondere intellektuelle Herausforderungen. Auch sollte der falschen Vorstellung, handwerkliche Tätigkeiten seien durchweg schlecht bezahlte Tätigkeiten, durch Aufklärung über berufliche Entwicklungs-, Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten und die Chance der Selbstständigkeit entgegengewirkt werden.
Was für junge Berufseinsteiger zählt, ist die Antwort auf die Frage, inwieweit sie ihre Bedürfnisse nach existenzieller Absicherung, kreativer und interessanter Arbeit, nach Verantwortungsübernahme und Aufstiegsmöglichkeiten befriedigen können. Und hier bietet das Handwerk eine ganze Menge:
Die auftragsbezogene, ganzheitlich orientierte Ausbildung im Handwerk mit ihren vielfältigen Vorteilen für die Qualifizierung, Persönlichkeitsentwicklung und berufliche Identifikation ist, wenn man so will, das Karriere-Sprungbrett im Handwerk. An die 130 Ausbildungsberufe stehen zur Wahl, von A - wie Augenoptiker bis Z - wie Zweiradmechaniker. Das breite Spektrum umfasst Hightech-Berufe ebenso wie Tätigkeiten, die kaufmännisches oder künstlerisches Können erfordern. Wer einen abwechslungsreichen Beruf mit guten Perspektiven sucht, in dem Kopf und Hand, Kreativität und Können, Teamarbeit und Kundenkontakt gefragt sind, der ist im Handwerk richtig.
Das Handwerk wird immer mehr zu einem Hightech-Wirtschaftszweig. Mittlerweile spielen informations- und kommunikationstechnische Qualifikationen hier eine ebenso große Rolle wie das Beherrschen von gewerblich-technischen, kaufmännischen und künstlerischen Fertigkeiten.
Bereits in der Ausbildung werden in fast allen Handwerksberufen IuK-Grundqualifikationen vermittelt. Mit dem Informationselektroniker hat das Handwerk einen attraktiven eigenständigen Beruf in diesem Bereich geschaffen.
Hinsichtlich des an das Handwerk gerichteten Vorwurfs, es würde - gemessen an der schnellen Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik - zu wenig neue Ausbildungsberufe in diesem Bereich entwickeln, muss berücksichtigt werden, dass solche neuen Tätigkeiten im Handwerk nur im Ausnahmefall in "Reinform" auftreten. Anders als beispielsweise in der Industrie, wo die Tätigkeitsbereiche stärker arbeitsteilig organisiert sind, besteht im Handwerk nur im seltensten Fall ein Bedarf an ausschließlicher Hard- oder Softwareproduktion, ausschließlicher kaufmännischer Abwicklung oder ausschließlicher Beratung und Logistik im Bereich der IuK-Technik. Deshalb werden hier in der Regel keine gesonderten Berufe sondern Querschnittsqualifikationen entwickelt.
Bei der Fortbildung steht der Umgang mit IuK-Technik häufig sogar im Mittelpunkt -und dies in beinahe allen Handwerksbranchen: Von der Schneiderin, die Schnittmuster am Computer entwirft bis zu den Metall- und Elektrohandwerkern, die hoch entwickelte Messelektronik einsetzen und industriell entwickelte Produkte warten und instand halten.
Der Handwerksmeister setzt die IuK-Technik natürlich auch im Büro seines Unternehmens und zur Vermarktung seiner Leistungen ein. Dass die Vermittlung von IuK-Qualifikationen ein Schwerpunkt der Qualifizierungsaktivitäten des Handwerks ist, lässt sich beispielsweise an der Entwicklung neuer Fortbildungsgänge, etwa zum Netzwerkservicetechniker und zum Betriebsinformatiker, ablesen.
Die Ausbildung im Handwerk ist anspruchsvoller und vielseitiger geworden als sich mancher vorstellt - und sie lässt sich im Sinne des Prinzips "lebenslanges Lernen" ganz gezielt und sinnvoll ergänzen. Schon während der Lehre bestehen für junge Handwerker und Handwerkerinnen umfassende Möglichkeiten zum Erwerb von Zusatzqualifikationen. Nach der Gesellenprüfung können sie dank einer großen Bandbreite von Weiterbildungsmöglichkeiten systematisch ihre individuelle Karriere aufbauen. Insbesondere winkt die Möglichkeit, die Meisterprüfung abzulegen und sich dann selbstständig zu machen. Den frisch gebackenen Meisterinnen und Meistern eröffnen sich gute berufliche Aussichten, zumal in den nächsten Jahren in vielen Handwerksbetrieben Nachfolger gesucht werden.
Mit dem Meisterbrief werden nicht nur gewerblich technische Kompetenzen erweitert, sondern vor allem auch das notwendige betriebswirtschaftliche Managementwissen und das pädagogische Know-how vermittelt, um ein Unternehmen mit Erfolg zu führen. Keine andere Qualifikation bereitet so optimal auf die Selbstständigkeit vor. Der Meisterbrief ist nicht nur der Garant für eine hohe persönliche Qualifikation des Handwerkers. Er steht auch für die gute Qualität handwerklicher Produkte und Dienstleistungen sowie die Fähigkeit, selbst wieder Nachwuchskräfte auszubilden. Die Meisterqualifikation ist ein unverzichtbares Instrument zur Bewältigung des wirtschaftlichen Strukturwandels.
Der Strukturwandel ist sowohl durch anspruchsvoller werdende Verbraucher, die individuelle Dienstleistungen aus einer Hand erwarten, als auch durch die überregionale Ausbreitung der Märkte gekennzeichnet. Die Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen im Handwerk wird dabei häufig unterschätzt. Heute hat bereits nahezu jeder fünfte Handwerksbetrieb Wirtschaftskontakte mit dem Ausland. Vor diesem Hintergrund stellt der Sprachenerwerb, das Kennenlernen anderer Kulturen und Arbeitsweisen sowie die Mobilität der jungen Menschen in Europa ein wichtiges Ziel dar. Um dieses Ziel zu erreichen, unterstützt das Handwerk beispielsweise während oder nach der Ausbildung Auslandsaufenthalte der Mitarbeiter. Fast alle Handwerkskammern bieten inzwischen Austauschprogramme mit verschiedenen Ländern an.
Die Unternehmer und die Beschäftigten im Handwerk müssen nicht nur veränderte Kundenbedürfnisse und Globalisierungserfordernisse im Blick haben. Eine immer wichtigere Rolle für die Organisation im Betrieb sowie die Kooperation mit Partnern spielt der Ausbau des Dienstleistungsangebotes im Internet: Multimedia, Elektronik, E-Commerce und E-Learning gehören die Zukunft. Hier leistet der Zentralverband des Deutschen Handwerks [2] intensive Hilfe zur Selbsthilfe - unter anderem durch den Aufbau der Domäne www.handwerk.de [3] als gemeinsames Dach für die Internetauftritte der Handwerksbetriebe und der Handwerksorganisationen in Deutschland.
Zwar ist das Handwerk vielen als "Ausbilder der Nation" bekannt. In der Öffentlichkeit kaum bewusst ist dagegen, dass es mit über 500 Bildungs- und Technologiezentren auch zu den größten Weiterbildungsanbietern in Deutschland rechnet. Diese Zentren runden nicht nur während der Ausbildung die Qualifizierung in den Handwerksbetrieben und Berufsschulen durch überbetriebliche Lehrgänge ab. Sie sind in zunehmendem Maße in der Weiterbildung aktiv.
Weiterbildung beginnt heute schon während der Ausbildung, indem gerade für leistungsstärkere Jugendliche ergänzende, d. h. über die allgemeinen Ausbildungsanforderungen hinausgehende Zusatzqualifikationen angeboten werden. Besonders nachgefragt sind hier doppelt qualifizierende Bildungsgänge, mit denen sich neben dem Lehrabschluss noch ein weiterer Abschluss erreichen lässt.
Immer mehr Auszubildende mit besonderer Motivation und Engagement wählen solche doppelqualifizierenden Lehrgänge. Sie erwerben neben dem Lehrabschluss zum Beispiel über den Fortbildungsabschluss "Technischer Fachwirt" die Voraussetzungen für den betriebswirtschaftlichen Teil der Meisterprüfung. Wieder andere wählen, wenn sie die Fachhochschul- oder Hochschulreife besitzen, Kombinationsmodelle von Handwerkslehre plus Studium an Fachhochschulen oder Berufs- und Wirtschaftsakademien. Wenn die Fachhochschulreife noch nicht vorliegt, kann sie ebenfalls in Verbindung mit einem Lehrabschluss im Handwerk erworben werden.
Da heute alle nach Wegen suchen, wie sich Bildungsziele in kürzerer Zeit erreichen lassen - sei es das Abitur oder der Studienabschluss - überrascht es nicht, wenn auch das Handwerk Modelle entwickelt hat, wie der Meisterbrief als "Eintrittskarte in die Selbstständigkeit" in kürzerer Zeit erreicht werden kann.
So besteht für Hochschul- und Fachhochschulberechtigte in einzelnen Kammerbezirken die Möglichkeit, den bisher längeren Weg über Lehre, Praxis und Meisterschule auf 4 ½ Jahre zu komprimieren. Dieser "Express-Weg" zum Meister bzw. zur Meisterin mit integrierter Gesellenprüfung und integriertem Fortbildungsabschluss als Technischer Fachwirt wird sowohl den Ansprüchen an eine handwerkliche Ausbildung als auch den tiefergehenden Anforderungen der Meistervorbereitung und der betrieblichen Praxiserfahrung gerecht.
Das Handwerk ist dabei, den Weg zur Meisterprüfung auch durch einen modularen Aufbau der Weiterbildung gangbarer zu machen: Zwischen dem Gesellen und dem Meister werden neue Fortbildungsabschlüsse etabliert, die für sich genommen schon für eine mittlere Führungsposition im Handwerksbetrieb befähigen, aber gleichzeitig auch auf einen oder zwei der vier Teile der Meisterprüfung anrechenbar sind.
Durch das Modularprinzip wird die Weiterbildung sozusagen in "kleineren Portionen" aufgeteilt um den "große Brocken" Meisterprüfung leichter zu bewältigen. Als Beispiele seien hier der Kfz-Servicetechniker, der bereits erwähnte Technische Fachwirt (HWK) und die Kaufmännische Fachwirtin (HWK) genannt.
Die beiden Fachwirt-Regelungen mit ihren betriebswirtschaftlichen Managementqualifikationen werden von immer mehr Berufsbildungszentren und Kammern angeboten. Bei der Umsetzung des Ziels, auf der Ebene zwischen Geselle und Meister solche "mittleren" Fortbildungsabschlüsse generell zu etablieren, konnten in der branchenübergreifenden Weiterbildung schon große Fortschritte erzielt werden. Bei den branchenspeziellen Weiterbildungsgängen besteht demgegenüber noch Nachholbedarf.
Weiterbildung endet natürlich nicht mit der Meisterprüfung. Das Handwerk baut deshalb das bereits lang eingeführte Weiterbildungsangebot für Meister und Meisterinnen - zum Beispiel im Bereich der Gestaltung, der Restauration, der Betriebswirtschaft, der Energieberatung und der Qualitätssicherung - weiter aus.
Diese Aktivitäten richten sich nicht nur auf die Erweiterung des Fortbildungsangebots der Bildungs- und Technologiezentren des Handwerks. Auch die Studierfähigkeit von Meistern, die zwar über weitreichende Kompetenzen und Erfahrungen verfügen aber in der allgemein bildenden Schule nicht die Hochschulberechtigung erworben haben, muss verbessert werden. Zu begrüßen ist, dass das "Studium ohne Abitur" mittlerweile in allen Bundesländern möglich ist. Allerdings sind hier noch einheitlichere und transparentere Regelungen des Zugangs zu den Hochschulen und mehr studienunterstützende Angebote für Berufspraktiker zu entwickeln.
Das Handwerk wendet sich mit seiner Nachwuchskampagne bewusst auch an junge Frauen. Sie verfügen über die vergleichsweise besseren Schulabschlüsse und sind nicht nur in den frauentypischen Berufen des Handwerks sehr erfolgreich. Gerade im Handwerk besteht ein breites Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten, die speziell auf die Berufsinteressen von Frauen - etwa im Bereich der kaufmännischen Betriebsführung, der Informations- und Kommunikationstechnik und der Gestaltung - gerichtet sind. Daneben existieren spezielle Angebote für Berufsrückkehrerinnen. Das Vorurteil, dass das Handwerk eine reine Männerwelt sei, ist längst widerlegt. Schon ein Blick in die Statistik macht deutlich, dass dem nicht so ist, auch nicht in den Führungsebenen.
Die Qualifizierungsoffensive und die Informationskampagne richten sich nicht nur darauf, eine ausreichende Zahl an Schulabgängern als Lehrlinge zu gewinnen. Ziel ist auch die Abwanderung ausgebildeter Fachkräfte zu stoppen, indem das Handwerk selbst mit attraktiven Weiterbildungsangeboten und Karrieremöglichkeiten bessere Alternativen schafft.
Das Handwerk hat für motivierte, engagierte und leistungsstarke junge Menschen den "roten Teppich" ausgebreitet. Es braucht aber auch Unterstützung von außen. Bekannt ist, dass auch die Hochschulen, die großen Industriebetriebe, der Handel und andere Wirtschaftsbereiche leistungsstarke Jugendliche umwerben. Deshalb kommt es in besonderem Maße darauf an, dass unter den vielen ausgelegten roten Teppichen, der des Handwerks entdeckt wird. Lehrer, Berufsberater, Journalisten und andere "Multiplikatoren" sind dazu aufgefordert mit dazu beizutragen, dass die Informationen über das neue, über das moderne Handwerk bei den jungen Leuten ankommen.
Die Diskussion um die Notwendigkeit einer beruflichen Grundbildung war in der Bundesrepublik gekoppelt mit der Einführung der Stufenausbildungsmodelle. Sie stand damit in engem Zusammenhang mit den veränderten Arbeitsanforderungen der Großbetriebe. Die Grundbildung sollte die Mobilität der Arbeitskräfte erhöhen und Grundlage für die Fachbildung einer Vielzahl von verwandten Ausbildungsberufen sein.
Grundbildung wurde bestimmt als Gelenkfunktion zwischen Schule und Beruf. Bereits nach 1945 war die Diskussion zur Neuordnung der Berufe weit gehend eine Diskussion um die Einführung der Stufenausbildung.
Bis in die sechziger Jahre wurde auch eine Reihe von Modellen zur Stufenausbildung entwickelt (Braunschweiger Plan, Krupp Stufenplan bis zu einem Stufenplan der IG Metall [4]). Von Seiten der Gewerkschaften wurden über die Stufenausbildung "Modernisierungswirkungen" erwartet, die auch in den Darstellungen der Unternehmerverbände geteilt wurden:
1972 erfolgte die Neuordnung der Elektroberufe mit Zustimmung der Gewerkschaften in gestufter Form. Jedoch führte die Praxis der Stufenausbildung zu einer Vielzahl von Problemen und heftigen betrieblichen Auseinandersetzungen. Die erwarteten Modernisierungswirkungen wurden nicht erreicht. Hauptkonfliktpunkt war die Tatsache, dass kein Anspruch auf Übernahme in die zweite Stufe für die Jugendlichen bestand. Die Stufenausbildung wurde dadurch zu einem Instrument der selektiven Anpassung und zu einem Mittel der Disziplinierung. Vor allem kam es auch zu heftigen Auseinandersetzungen bei der tariflichen Eingruppierung nach Abschluss der ersten Stufe. Viele Unternehmer gingen davon aus, dass der Abschluss der ersten Stufe keine Facharbeiterqualifikation vermittelt. Die Unternehmerverbände verlangten von der Bundesregierung, den Übergang von der ersten in die zweite Stufe von einer Durchschnittsnote abhängig zu machen.
1972 lehnten schließlich die Delegierten des Gewerkschaftstages der IG Metall weitere Ausbildungsordnungen in gestufter Form ab. Sie forderten, die bestehende Stufenausbildung in der Elektroindustrie durch eine neue Ausbildungsordnung zu ersetzen und den Stufenplan für die gewerbliche Ausbildung Metall, der 1966 dem Bundesminister für Wirtschaft vorgelegt worden war, zurückzuziehen.
Ein weiterer Lösungsansatz, um das Ziel einer breiten Grundausbildung dennoch durchzusetzen, wurde in der Einführung schulischer Berufsgrundbildungsjahre und parallel dazu in der verstärkten Übernahme von Ausbildungsinhalten durch die Berufsschule gesehen. Für die Bundesregierung hatte die Einführung des schulischen Berufsgrundbildungsjahres im Zusammenhang mit der beabsichtigten Reform der beruflichen Bildung eine hohe Priorität. Übergeordnete Reformziele waren: Chancengleichheit, mehr berufliche Mobilität, größere Durchlässigkeit des Bildungssystems, Integration allgemeiner und beruflicher Bildung. Für das BGJ wurden folgende Leitziele abgeleitet:
Über diese Ziele bestand bei allen "reformwilligen" Gruppen Übereinstimmung. Vom Konzept her wurde als Vorteil des schulischen Berufsgrundbildungsjahres gesehen, eine Reform der Inhalte der Berufsausbildung mit einer Reform der institutionellen Voraussetzungen (Lernorte) zu verbinden: Das BGJ sollte als 11. Bildungsjahr für alle Jugendlichen, die eine Berufsausbildung beginnen, obligatorisch sein. Um eine breite Grundbildung auf Berufsfeldbreite zu ermöglichen, sollte das BGJ grundsätzlich von der Produktion getrennt durchgeführt werden. Von der inhaltlichen Gestaltung her sollte der didaktische Zusammenhang von vorberuflicher Bildung und anschließender beruflicher Fachbildung beachtet werden.
Aufgrund der getrennten Zuständigkeit für allgemeine und berufliche Bildung in Deutschland beschränkte sich die Zuständigkeit des Bundes auf die Möglichkeit, durch den Bundesminister für Wirtschaft die Anrechnung des BGJ`s auf die Dauer der beruflichen Erstausbildung zu verfügen.
Diese Anrechnungsverordnung wurde 1972 erlassen, und bald darauf zeigten sich auch die Schwächen und Probleme des Reformkonzeptes BGJ, die von den negativen Entwicklungen in der Praxis noch übertroffen wurden:
Da sich die Unternehmer weigerten, den Besuch des schulischen BGJ`s auf die Berufsausbildung anzurechnen, wurde es zum Aufbewahrungsort für Jugendliche, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz erhalten konnten. Es wurde zur "Restschule" und erhielt bundesweit ein negatives Image und damit den Charakter einer Notlösung.
Daran konnten die Unternehmerverbände mit ihrer Ablehnung des schulischen BGJ`s anknüpfen. 1975 forderten die Spitzenverbände der Wirtschaft vom Bundeskanzler die Aufhebung der Anrechnungsverordnung. Wegen des Widerstandes der Gewerkschaften und des Einspruches des Bundesausschusses für Berufsbildung blieb die Forderung zunächst erfolglos.
Allerdings wurde dem Willen der Unternehmerverbände dadurch Rechnung getragen, dass in die offiziellen Plandaten der Bund-Länder-Kommission [5] der gleichberechtigte Ausbau eines kooperativen Berufsgrundbildungsjahres (das heißt in den Betrieben) mit dem schulischen BGJ aufgenommen wurde. Die erneute Überantwortung der beruflichen Grundbildung an den Betrieb waren erste Abstriche an den Reformanspruch des Berufsgrundbildungsjahres.
Parallel dazu wurde die bildungspolitische Begründung der Einführung des schulischen BGJ`s zunehmend arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Erfordernissen untergeordnet. Auf das unzureichende betriebliche Ausbildungsangebot der Betriebe reagierte der Staat mit einer Ausweitung schulischer Angebote speziell für diejenigen Jugendlichen der geburtenstarken Jahrgänge, die aufgrund der Marktlage keinen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz finden konnten. Vorangetrieben wurde vor allem der Ausbau von Sonderformen des Berufsgrundbildungsjahres. Diese Sonderformen waren von der Verpflichtung zur Anrechnung auf ein Ausbildungsverhältnis ausgenommen.
Und ihr Besuch galt in vielen Ländern als ausreichende Voraussetzung zur Aufhebung der Berufsschulpflicht. Die Abwertung des Berufsgrundbildungsjahres - ob in schulischer oder kooperativer Form - zur einjährigen Anlernmaßnahme war damit vollzogen.
Vor diesem Hintergrund bedeutete der Ausbau des schulischen BGJ`s eine neue Form der Stufenausbildung. Nach Meinung der Gewerkschaften wurde der Verzicht auf den mit dem BGJ verbundenen Reformanspruch, mit der Änderung der Anrechnungsverordnung Ende der siebziger Jahre besiegelt. Mit ihr wurde die Fachpraxis zu Lasten der allgemein bildenden Inhalte erhöht, im zweiten Halbjahr wurden Schwerpunkte eingerichtet, so dass nur noch ein halbes Jahr lang auf Berufsfeldbreite ausgebildet werden musste. Bei zweijährigen Berufen brauchte der Besuch des BGJ`s überhaupt nicht mehr und in zahlenmäßig stark besetzten Berufen des Handwerks nur noch mit einem halben Jahr angerechnet werden. Außerdem konnten BGJ-Absolventen ohne einen anschließenden Ausbildungsvertrag von der Berufsschulpflicht befreit werden.
In der Praxis konnte also von breiter Grundbildung und Verbesserung der Berufswahlmöglichkeiten keine Rede mehr sein. Unter dem Druck des Ausbildungsstellenmangels wurden ursprüngliche Reformziele des schulischen BGJ`s den Bedingungen der Unternehmerverbände untergeordnet. Materielle Nachteile für BGJ-Schüler kamen hinzu, da diese auf die Ausbildungsvergütung im ersten Jahr verzichtet mussten. Somit wurden lediglich die Unternehmer von den Kosten der Ausbildung im ersten Jahr entlastet, während die Inhalte des ersten Ausbildungsjahres verstärkt an den betrieblichen Interessen nach Spezialisierung ausgerichtet wurden.
Vor diesem Hintergrund lehnten die Delegierten des Gewerkschaftstages der IG Metall im Jahr 1980 den weiteren Ausbau des flächendeckenden schulischen BGJ`s ab.
Die Zielvorstellung einer breiten Grundausbildung wurde jedoch bei der Neuordnung der Metallberufe in den darauf folgenden Jahren von der IG Metall [4] verstärkt in den Vordergrund gestellt.
Die Auseinandersetzung über Ausmaß und Tiefe von Grundbildung im Verhältnis zu spezialisierten Inhalten setzte sich bei den konkreten Verhandlungen um das Neuordnungskonzept fort. Bei Interpretation der Eckdaten gingen die Arbeitgeber von der Erfordernis eines flexiblen Personaleinsatzes im Betrieb und der verstärkten Notwendigkeit von planenden und analytischen Fähigkeiten aufgrund veränderter betrieblicher Anforderungen aus.
Diese veränderten Anforderungen waren auch Bezugspunkt für die IG Metall [4]. Darüber hinaus ging es den Gewerkschaften aber vor allem darum, Ausbildungsinhalte durchzusetzen, die den Beschäftigten eine langfristige Verwertbarkeit ihrer Ausbildung ermöglichten. Von daher war gewerkschaftliche Zielsetzung die Erarbeitung von Grundberufen, in der jede Spezialisierung möglichst weit gehend vermieden werden sollte.
Auf der Grundlage einer einheitlichen berufsfeldbreiten Ausbildung für alle Berufsfelder (feinschlosserisch, grobschlosserisch, werkzeugmaschinenorientiert) strebten sie die weitest gehende Zusammenfassung in Grundberufen an. Gesamtmetall zielte vor allem auf die Befähigung zur Ausübung des Berufes unmittelbar nach Abschluss der Ausbildung durch entsprechende Spezialisierungen ab.
Als Kompromiss wurde das Fachrichtungsmodell erarbeitet. Anstelle von 37 bis dahin vorhandener Metallberufe wurden sechs neue Ausbildungsberufe mit insgesamt 17 Fachrichtungen vereinbart. Alle Berufe bauen auf einer gemeinsamen Grundbildung auf. Dieser schließt sich eine berufsgruppenspezifische Fachbildung an, die für zwei Berufe (Industriemechaniker, Werkzeugmechaniker) jeweils ein weiteres halbes Jahr gemeinsame Inhalte vorsieht. Die Trennung in Fachrichtungen erfolgt erst im dritten Jahr, wobei auch dann zwischen den Fachrichtungen durchaus noch identische Inhalte bestehen. Geordnet wurden nicht Einzelberufe, sondern Technikbereiche.
Wichtig vor allem:
Die zu erlernenden Qualifikationen werden nicht nur als Fertigkeiten und Kenntnisse begriffen. Vielmehr wurde ein Qualifikationsbegriff vereinbart, der darauf abzielt, individuelle Handlungsfähigkeit zu vermitteln, die selbstständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren von Arbeitsgängen ermöglicht. Im Prinzip wurde damit die Aufspaltung in Theorie und Praxis überwunden.
In der Darstellung der Ergebnisse durch Arbeitgeber bzw. Gewerkschaft kommt die unterschiedliche Auffassung nach wie vor zum Ausdruck. Gewerkschaftliche Veröffentlichungen betonen den Charakter von Grundberufen mit Fachrichtungen oder Berufsprofilen. Dagegen sprechen die Arbeitgeber von Berufsabschlüssen, spezialisiert in Fachrichtungen.
Ein weiterer Kompromiss wurde bezogen auf die letzten 12 Wochen des ersten Ausbildungsjahres geschlossen. In dieser Zeit sollen die Ausbildungsinhalte unter Berücksichtigung der betriebsbedingten Schwerpunkte sowie des individuellen Lernfortschrittes vertieft vermittelt werden. Durch die Art der Vertiefung könnte bereits im ersten Jahr eine betriebsspezifische Spezialisierung erfolgen, was natürlich nicht das Ziel der Gewerkschaften ist.
Nach Auffassung der IG Metall muss auch in der Vertiefungsphase dem Grundgedanken der berufsfeldbreiten Grundbildung Rechnung getragen werden. Insofern orientiert sich die Gewerkschaft auf die Möglichkeit, aufgrund der Formulierung in der Ausbildungsordnung besondere Fördermöglichkeiten für einzelne Auszubildende vorzusehen, damit die Vollständigkeit der Grundbildung für alle sichergestellt wird.
Aufgrund der unterschiedlichen Interpretation der Ergebnisse war für die IG Metall von vornherein klar, dass der Prüfstein für den Erfolg des Neuordnungskonzeptes in der Praxis der betrieblichen Umsetzung liegen wird.
Entgegen den Forderungen der Gewerkschaft wurde eine umfassende, flächendeckende Evaluierung der neuen Berufe nicht vorgenommen. Erster Hinweis auf betriebliche Reaktionen unmittelbar nach Einführung der neu geordneten Berufe war ein überproportional hoher Rückgang der Ausbildungszahlen.
Mit eine wichtige Ursache dafür lag sicher im demografisch bedingten Rückgang der Bewerberzahlen für betriebliche Berufsausbildung in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre.
In den Vorjahren hatten sich die Betriebe daran gewöhnt, unter einer großen Anzahl von Bewerbern auswählen zu können und wählten entsprechend Jugendliche mit den schulischen und sozialen Voraussetzungen, die ihren Vorstellungen entsprachen. Diese Situation änderte sich exakt zum Zeitpunkt der Einführung der neu geordneten Berufe. Gerade jetzt aber hätten viele Betriebe die mit der Einführung der neuen Berufe verbundenen Unsicherheiten und Risiken sehr gern auf die Auszubildenden abgewälzt - zum Beispiel indem sie im besonderen Maße Jugendliche für die Ausbildung auswählten, die ihnen aufgrund ihrer besseren Schulabschlüsse für eine theoretisch fundierte Ausbildung und das Lernen in Zusammenhängen hinreichend vorbereitet erschienen. Da dies nicht gelang, verzichtete eine Reihe von Betrieben auf eine Ausbildung in den neuen Metallberufen.
Nicht wenige allerdings stellten sich auf die neuen Anforderungen ein, und sie führten Schulungen für Ausbildungspersonal durch und veränderten zum Teil auch ihre Ausbildungsorganisation. Denn eine wichtige Erfahrung bei der Umsetzung der neuen Ausbildungsberufe war auch, dass das vorherrschende arbeitsteilige Kursprinzip in der betrieblichen Berufsausbildung nicht mit der Zielvorstellung des selbstständig planenden und handelnden Auszubildenden zu vereinbaren war. Gerade die Vermittlung von Selbstständigkeit ist eine entscheidende Reformperspektive der neuen Berufe und ein wichtiger Ansatz zur qualitativen Verbesserung der betrieblichen Ausbildung.
Der Verwirklichung standen jedoch die überwiegend praktizierten Ausbildungsmethoden (Kursmodell) entgegen. Eine entsprechende Veränderung der Ausbildungsorganisation stellte aber für viele Betriebe eine sehr große Hürde dar - besonders aus Kostengründen.
Insgesamt kann sicher festgestellt werden, dass in vielen Betrieben aufgrund der neuen Anforderungen wichtige Impulse und Ansätze zur konkreten Verbesserung der Ausbildungsqualität durchgesetzt wurden. Nach Meinung der betrieblichen Experten sind diese Prozesse auch heute noch längst nicht in allen Betrieben abgeschlossen.
Zur positiven Bilanz gehört auf jeden Fall, dass mit den neuen Ausbildungsordnungen das formal festgeschriebene Anspruchsniveau junger Menschen an die Ausbildung weit reichend verbessert wurde. Der qualitative Anspruch, dass eine Ausbildung zur sachgerechten Anwendung beruflichen Wissens und Könnens bei der Lösung komplexer Aufgaben in unterschiedlichen Situationen befähigt und nicht lediglich die Beherrschung einzelner Fertigkeiten vermittelt, ist zur Mindestanforderung an berufliche Ausbildung und damit - auf der normativen Ebene - allgemein verbindlich geworden.
Ferner wurde über den erzwungenen Konsens zwischen den Tarifvertragsparteien für mehrere Jahre eine Stabilisierung des Konsensprinzips beim Prozess der Entstehung von Ausbildungsordnungen erreicht. Es wurden auch wichtige Grundlagen zur Vorbereitung und Beschleunigung von Neuordnungsverfahren in anderen Branchen und Bereichen getroffen.
Die langjährigen Auseinandersetzungen bei der Bearbeitung und Umsetzung neuer Ausbildungsordnungen bestätigen die Notwendigkeit grundlegender Reformen der politischen Rahmenbedingungen beruflicher Bildung: Dazu gehört die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung ebenso wie verbindlich geregelte Weiterbildungsrechte und Weiterbildungsberufe für "dual" ausgebildete Beschäftigte.
Für die IG Metall [4] geht es dabei um tragfähige neue Konzepte; um ein Stück Reform bei jedem Beruf und um solide Qualität.
In den letzten Jahren wurde einiges vereinbart, das zukunftsweisenden Charakter hat.
Das gilt für
Und bei den Metall- und Elektroberufen werden wir ebenfalls versuchen, Bildungsansprüche von Jugendlichen zu stärken. Der Erwerb eines Berufes - das Berufsprinzip - bleibt eine Lebenskategorie, zu der es keine Alternative gibt. Dabei geht die IG Metall davon aus, dass mit dem einmaligen Erlernen eines Berufes der notwendige Qualifikationsbedarf von Arbeitnehmern nicht abschließend vermittelt ist.
Die erste berufliche Ausbildungsphase verhilft in der Regel zum Berufseinstieg. Und die Absicherung der Übernahme in Tarifverträgen hat ganz konkret erste Beschäftigungsperspektiven verschafft. Eine hinreichende Qualifikationssicherung für die Dauer eines Berufslebens ist dies allerdings schon lange nicht mehr. Denn es kommt hinzu: Berufsbiografien verlaufen zunehmend weniger gradlinig.
Insoweit ist die schulische und berufliche Grundbildung allein auch überfordert, auf Dauer marktgerechte Qualifikationen anzubieten. Daraus kurzerhand zu schließen, das Berufsprinzip sei überholt, ist ein Kurzschluss und führt in der Konsequenz zu verhängnisvollen Ergebnissen. Die weit gehend in Berufen organisierte Form von Arbeit sichert die Grundlage der Beruflichkeit.
Gerade die neuen Arbeitskonzepte in der Industrie setzen auf berufliche Identitäten und Fachkompetenz. Nicht das Ende des Berufes steht zur Debatte, sondern vielmehr die Renaissance von qualifizierter Arbeit auf der Basis von Berufen. Deshalb setzen die Gewerkschaften auf die Erneuerung des Berufskonzeptes - nicht auf dessen Abschaffung.
Dabei sind es drei konkrete Ansätze zur Sicherung und Weiterentwicklung des Berufskonzeptes, an denen sich gewerkschaftliche Berufsbildungspolitik orientiert:
Im Mittelpunkt der gegenwärtigen Diskussion um die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer für das berufsbildende Schulwesen stehen folgende vier Aspekte:
BLBS [6], VLW [7] und die Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der DGfE [8] sehen die Gefahr, dass - angesichts des gegenwärtigen Problemdrucks - die langjährig bewährten und einen hohen Qualitätsstandard gewährleistenden universitären Studiengangmodelle und Studienstrukturen aufgegeben werden, ohne dass für einen adäquaten Ersatz gesorgt würde. Die Verbände fordern daher die Kultusminister der Länder auf, die folgenden Eckpunkte bei der Gestaltung des Studiums ohne Abstriche umzusetzen.
Die Nachwuchssituation bei den Lehrkräften für das berufsbildende Schulwesen ist seit einigen Jahren in der Mehrzahl der Bundesländer schwierig und wird sich in den kommenden Jahren, falls sich die Zahl der Studierenden nicht wesentlich erhöht, insbesondere aufgrund der anstehenden Pensionierungswelle noch weiter verschärfen. Daher sind die Kultusministerien der Länder in der Pflicht, nachhaltige Maßnahmen zur Sicherung der quantitativen Unterrichtsversorgung an den berufsbildenden Schulen zu ergreifen, ohne dabei gleichzeitig die notwendigen Qualifikationsanforderungen zu vernachlässigen. Die Situation ist vor allem in den großen gewerblich-technischen Berufsfeldern (insbesondere Elektro- und Metalltechnik), in den informationswirtschaftlichen und -technischen Berufen sowie im Bereich Wirtschaft und Verwaltung brisant. Die von mehreren Ländern bereits eingeleiteten Quer- und Seiteneinsteiger-Programme, die darauf abzielen, im gewerblich-technischen Bereich Diplom-Ingenieure und im wirtschaftsberuflichen Schulwesen Diplom-Kaufleute, Diplom-Volkswirte und Diplom-Wirtschaftsinformatiker als Quereinsteiger direkt in den Schuldienst oder als Seiteneinsteiger in das Referendariat einzustellen, können mittel- bis langfristig nicht als zielführender Weg zur Verbesserung der Nachwuchssituation gesehen werden. Darüber hinaus gehen von solchen Maßnahmen Signale an die Studierenden aus, die keineswegs geeignet sind, sich für die Aufnahme eines grundständigen berufs- und wirtschaftspädagogischen Studienganges zu entscheiden. Hier sind vielmehr Konzepte gefordert, die für interessierte Studienanfänger und Studierende das Arbeitsfeld "Berufsbildende Schule" attraktiv machen. Dazu gehören u. a. bessere Arbeitsbedingungen und Aufstiegschancen, wie auch eine Anhebung der Referendarbezüge auf ein Niveau, das mit den Gehältern von Trainees in der Wirtschaft vergleichbar ist.
Für viele der gegenwärtig bereits eingerichteten Quer- und Seiteneinsteiger-Programme gilt, dass sie den berufs- und wirtschaftspädagogischen Qualitätsstandard eines grundständigen universitären Studiums deutlich unterschreiten. Angesichts des Wandels der Arbeitswelt sowie im Zeichen einer globalisierten Wirtschaft steigen die Qualifikationsanforderungen ständig, so dass solche "Notmaßnahmen" sich als kontraproduktiv erweisen. Es ist daher sicherzustellen, dass in den zur Abdeckung des kurzfristigen Bedarfs eingerichteten Quer- und Seiteneinsteiger-Programmen eine fundierte berufs- und wirtschaftspädagogische Ausbildung integriert und in den entsprechenden Curricula fest verankert wird. Die Gestaltung und Durchführung der Programmelemente sollte von den universitären Lehr- und Forschungseinrichtungen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik in Verbindung mit den Studienseminaren der zweiten Phase verantwortet werden.
Die Berufs- und Wirtschaftspädagogik ist die profilbildende wissenschaftliche Disziplin im Studium künftiger Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen, denn sie konzentriert sich in Forschung und Lehre vor allem auf die Untersuchung von Lehr-/ Lernprozessen im Rahmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung in berufsbildenden Schulen, Betrieben und sonstigen Berufsbildungseinrichtungen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen Fragen der Ziel- und Inhaltsbestimmung von beruflichen Bildungsgängen, der Gestaltung von berufsbezogenem Unterricht und der Ermöglichung von Lern- und Bildungsprozessen. Hinzu kommen die Ermittlung und Beurteilung personaler Lern- und Bildungsvoraussetzungen sowie die Entwicklung der organisatorischen, institutionellen, rechtlichen, politischen und personellen Rahmenbedingungen der Berufsbildung. Im Studium werden die Studierenden mit diesen Kernbereichen der Berufs- und Wirtschaftspädagogik so weit vertraut gemacht, dass sie auf der Basis der erworbenen grundlegenden Erkenntnisse in der Lage sind, praktische Fragen und Probleme in den genannten Tätigkeitsfeldern theoriegeleitet zu reflektieren und rational begründete, auf individuelle und kollektive Bedürfnisse abgestimmte Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Die Umsetzung dieser Leitidee erfolgt im Studium in aufeinander bezogenen Lehrveranstaltungen im Umfang von etwa 30 Semesterwochenstunden (SWS) im Verlaufe von neun Semestern, wobei weitere 10 SWS für individuelle Profilbildungen der einzelnen Lehr- und Forschungseinrichtungen zur Verfügung stehen.
Durch die Ausformulierung eines Kerncurriculums für diesen Studienteil
von 30 SWS soll der Grad an Übereinstimmung zwischen den einzelnen Hochschulstandorten
erhöht und die inhaltliche Abstimmung zwischen dem Studium an der Universität
und der Ausbildung am Studienseminar optimiert werden. Gleichzeitig würde
auch ein Beitrag zur Attraktivitätssteigerung des Studiums geleistet
werden. Zudem soll durch ein solches Kerncurriculum ein nicht zu unterschreitender
Qualitätsstandard für berufs- und wirtschaftspädagogische Studiengänge
erreicht werden, der auch - wie bereits betont - für Quer-
und Seiteneinsteiger-Programme gelten muss.
Die Ziel- und Inhaltsbestimmung von Bildungsgängen und die Planung, Konstruktion, Durchführung und Evaluation von Lehr-/ Lernprozessen zählen zu den wesentlichen Aufgaben einer jeden Lehrkraft. Insofern ist es unverzichtbar, dass zukünftige Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen bereits im Studium Expertenwissen im Bereich der Didaktik beruflichen Lehrens und Lernens erwerben, und zwar sowohl auf dem Felde der von ihnen gewählten beruflichen Fachrichtung als auch auf dem Felde des von ihnen gegebenenfalls gewählten weiteren nicht-berufsbezogenen Unterrichtsfaches oder einer berufsbezogenen Vertiefungsrichtung. Daher wird didaktischen Fragen auch im Kerncurriculum ein breiter Raum gegeben.
Der hohen Bedeutung fachdidaktischer Forschung und Lehre für den Professionalisierungsprozess
zukünftiger Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen steht jedoch gegenwärtig
ein mangelhafter Ausbau der fachdidaktischen Lehr- und Forschungseinrichtungen
an einer Vielzahl von Universitäten gegenüber. Häufig sind
für die Fachdidaktiken keine Professuren eingerichtet, oder es fehlt
an einer sachlichen und personalen Mindestausstattung, so dass eine kontinuierliche
fachdidaktische Forschung als wichtige Grundlage für eine fundierte Lehre
nicht gewährleistet ist. Hierunter leidet nicht allein die Qualität
der Lehre, sondern insbesondere auch die Ausbildung des wissenschaftlichen
Nachwuchses in den Fachdidaktiken. Um die Qualität des Studiums zu erhalten
und weiter zu verbessern, ist ein schneller und umfassender Ausbau der beruflichen
Fachdidaktiken - vor allem im gewerblich-technischen Bereich -
in enger Verbindung mit den berufs- und wirtschaftspädagogischen Lehr-
und Forschungseinrichtungen daher unverzichtbar.
Während aus der Sicht der veranstaltenden Verbände die Erhöhung der Attraktivität und die Sicherung des Studiums durch die bisher genannten Maßnahmen im Vordergrund der Diskussion um die Veränderung der universitären Phase stehen müssten, wird diese gegenwärtig von formal-organisatorischen Aspekten dominiert. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung neuer Modelle für die Gestaltung der berufs- und wirtschaftspädagogischen Studiengänge. Dabei handelt es sich um konsekutive BA- und MA-Studiengänge, welche die etablierten Diplom- bzw. Staatsexamensstudiengänge ablösen sollen. Wenn zukünftig Lehrkräfte für die berufsbildenden Schulen in solchen Studiengängen ausgebildet werden sollen, müssen mindestens die bisher erreichten Qualitätsstandards des Diplom- bzw. Staatsexamensstudiengangs sichergestellt werden. Dieses Ziel könnte erreicht werden, wenn nach einem sechssemestrigen Studium mit dem Bachelor ein erster Abschluss verliehen werden könnte, der für außerschulische Tätigkeiten, z. B. im Bereich der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, arbeitsmarktfähig ist, der allerdings noch nicht zur Einstellung als Lehrkraft für das berufsbildende Schulwesen berechtigt. Erst weitere erziehungswissenschaftliche, fachdidaktische und vertiefte fachwissenschaftliche Studien in viersemestrigen MA-Studiengängen können zu der Qualifizierung führen, die von den angehenden Lehrkräften beim Eintritt in das Referendariat für das Lehramt an berufsbildenden Schulen erwartet werden.
BLBS [6], VLW [7] und die Sektion für Berufs- und Wirtschaftspädagogik [8] sehen eine Umstrukturierung des Studiums auf das BA-/MA-Studiengangkonzept nur dann mit Aussicht auf Erfolg realisierbar, wenn die übrigen wirtschafts- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge als fachwissenschaftliche Bezugsdisziplin ebenfalls in dieser Form organisiert werden. Darüber hinaus muss die Integration des Studiums eines zur gewählten beruflichen Fachrichtung nicht affinen Wahlbereichs in ein konsekutives Studiengangsmodell in befriedigender Weise gelingen und eine grundständige berufs- und wirtschaftspädagogische Ausbildung im Sinne der Qualitätsstandards des Kerncurriculums garantiert sein.
Dagegen wird die von mehreren Bundesländern beabsichtigte partielle Verlagerung des Studiums an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen eindeutig abgelehnt. Diese Modelle werden den an die Lehrkräfte gestellten hohen Qualifikationsanforderungen nicht gerecht. Sie stehen zudem im Gegensatz zu internationalen Entwicklungen, die grundsätzlich auf eine volluniversitäre Ausbildung der Lehrkräfte für berufsbildende Schulen hin ausgerichtet sind.
BLBS, VLW und die Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der
DGfE sind überzeugt, dass die Umsetzung dieser Eckpunkte zur qualitativen
Weiterentwicklung der Ausbildung der Lehrkräfte für berufsbildende
Schulen erforderlich ist, um den wachsenden gesellschaftlichen Anforderungen
an das Berufsbildungssystem entsprechen zu können.
Bundesverband der Lehrerinnen
und Lehrer an beruflichen Schulen e.V. (BLBS) [6]
Bundesgeschäftsstelle: Friedrichstraße 169/170; 10117 Berlin
Bundesvorsitzender Dipl.-Ing. Günter Besenfelder
Bundesverband der Lehrerinnen
und Lehrer an Wirtschaftsschulen e.V: (VLW) [7]
Bundesgeschäftsstelle: Wehlauer Straße 170; 76139 Karlsruhe
Bundesvorsitzender Dipl.rer.pol. (techn.) Manfred Weichhold
Sektion
Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Deutschen Gesellschaft für
Erziehungswissenschaft (DGfE) [8]
Kontakt zum Vorstand: Carl-Zeiss-Str. 3; 07740 Jena
Vorsitzender Sektion BWP Prof. Dr. Holger Reinisch
Links
[1] http://www.bibb.de/
[2] http://www.zdh.de/servlet/ContentServer?pagename=zdh/RenderPage
[3] http://www.handwerk.de/
[4] http://www.igmetall.de/index.html
[5] http://www.blk-bonn.de/
[6] http://www.blbs.de/
[7] http://www.vlw.de/
[8] http://www.ibw.uni-hamburg.de/bwp-dgfe/sektion/index.html