Dieser Aufsatz basiert auf Vorarbeiten, die der Verfasser gemeinsam mit Jürgen Simoleit und Jürgen Feldhoff (Projektleiter) im Forschungsprojekt "Berufsorientierung für eine neue Ausbildung im Betrieb" am Forschungsschwerpunkt "Zukunft der Arbeit", Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld, durchgeführt hat. Das gilt insbesondere für die unten angeführten empirischen Befunde. Das Projekt wurde von der Hans-Böckler-Stiftung und dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung NRW gefördert.

1) Mit den genannten Ansätzen gehen sehr unterschiedliche Vorstellungen von der arbeitspolitischen Stellung der Beschäftigten in modernisierten Arbeitsprozessen einher. Die Pole bilden hier die "Neuen Produktionskonzepte" (Kern/Schumann 1984) und die "Lean-Production". Erstere schließen - jedenfalls in der von Kern/Schumann favorisierten Variante - an die Debatten um die Humanisierung der Arbeit an, während letztere - trotz der Forderung nach flacheren Hierarchien und Gruppenarbeit - die Arbeitskraft eher als Größe behandelt, die auf neue Weise fungibel ist.

2) Nach einer Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) aus dem Jahr 1991 werden in ca. 60% der Ausbildungsbetriebe überwiegend traditionelle Ausbildungsmethoden angewandt (Vormachen - Nachmachen, Frontalunterricht; vgl. Berufsbildungsbericht 1993). Eindeutig dem reformerischen Spektrum der Ausbildung neigen nur ca. 7,5% der Betriebe zu (Projektmethode, Gruppenarbeit, Leittext), während die mit ca. 33% stark vertretene Methode "auftragsbezogenes Lernen" nach Erfahrungen aus dem Projekt "Berufsorientierung" nicht eindeutig zuzuordnen ist. Zumindest ein Korrelat hat die Vorstellung von einer beruflichen Bildung in größeren Unternehmen allerdings bereits. Hier gibt es inzwischen - so der Eindruck aus den Projektarbeiten - kaum noch Ausbildungsabteilungen oder -werkstätten, sondern nur noch "Betriebliche Bildungswesen".

3) Zu einer ausführlichen Kritik an Lehner/Widmaier vgl. Jacke/Simoleit/Lemmermöhle-Thüsing/Feldhoff (1993).

4) Dies gilt nicht nur für Positionen, die mit ökonomischen Argumenten eine Bildungsreform vorantreiben wollen, sondern in gleichem Maße für die populärere, aber einem ähnlichen Grundmuster verpflichtete Sichtweise, die Bildung vornehmlich unter Kostengesichtspunkten behandelt.

5) Zu den analytischen Dimensionen von Abstimmungsprozessen zwischen Bildungssystem und Beschäftigungssystem vgl. Timmermann 1988.

6) Einen ähnlichen Zusammenhang haben offenbar auch Lehner/Widmaier mit ihrer durchaus unterstützenswerten Forderung nach einer Enthierarchisierung des Bildungssystems vor Augen (vgl. Lehner/Widmaier 1992: 100).

7) Auch einige der im Rahmen des Projektes "Berufsorientierung" befragten AusbildungsleiterInnen sehen die Reformtendenzen in der Berufsausbildung nicht nur als Reaktion auf veränderte Qualifikationsanforderungen der Betriebe, sondern auch als Ergebnis eines Wandels arbeitsbezogener Wertvorstellungen, dem mit erhöhter Kooperation und erweiterten Autonomiespielräumen Rechnung getragen werde.

8) Selbst tayloristische Formen der Arbeitsorganisation könnten nicht funktionieren, "wenn die Individuen darin nicht ein illegales Ausmaß an Eigeninitiative" an den Tag legten (Volpert 1987: 147; s. a. Schuchardt 1985: 31).

9) Dieses zeigte sich z. B. in Beteiligungsprojekten: "Wird die Gestaltung vorrangig von der Anschauung der bisherigen Arbeitsabläufe der BenutzerInnen bestimmt, so werden die herkömmlichen Formen der Informationsverwaltung, z. B. Formblätter, unverändert in automatisierte Strukturen übersetzt" (Mehl u. a. 1989: 127).

10) Eine umfassende Darstellung des Untersuchungsansatzes und der Ergebnisse wird im Sommer 1994 vorliegen; zur theoretischen Konzeption vgl. Simoleit/Jacke/Feldhoff 1994.

11) Ein Teil der lang gedienten AusbilderInnen zeigt sich hier allerdings reserviert. Bei ihnen dominieren Ängste vor dem Störpotenzial subjektiver Orientierungen für einen geregelten Ablauf von Arbeits- und Ausbildungsprozessen.

12) Die hier behauptete Fixierung auf Autoritäten und vorgefundene Strukturen mag als Widerspruch zu Untersuchungsergebnissen erscheinen, wonach jugendliche ArbeitnehmerInnen hohe kommunikative und arbeitsinhaltliche Ansprüche an die Arbeit stellen (vgl. Baethge u. a. 1988) und ihre Ansprüche durch die expansive Nutzung von Regelungs- und Kontrolllücken teilweise realisieren (s. o.). Die Ergebnisse des Projektes "Berufsorientierung" widersprechen dem jedoch nicht. Die Jugendlichen formulieren in der Tat hohe Ansprüche an die Arbeit, verfolgen sie jedoch ganz überwiegend nach gesellschaftlich vorgezeichneten, individualisierten Mustern. Sie streben vor allem eine formale Weiterbildung oder ein Studium an.

13) Diese Haltung zeigt sich nicht nur gegenüber betrieblichen Strukturen, sondern paradoxerweise auch bei Fragen zu Veränderungsmöglichkeiten der Unterrichtspraxis in allgemein bildenden Schulen. Obwohl die Schulkritik überraschend einmütig ist (s. u.), ist ein Teil der Auszubildenden nicht in der Lage, auch nur minimale Veränderungsvorstellungen zu formulieren.

14) In diesem Zusammenhang ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die positive Einschätzung der Ausbildung nicht in gleicher Weise für die anschließende Berufspraxis gilt. Die Ausbildung befindet sich zumeist in einer Vorreiterfunktion für betriebliche Umstrukturierungen. Daraus resultierende Übergangsprobleme von der Ausbildung in ein Beschäftigungsverhältnis werden von den Ausbildungsverantwortlichen nicht nur in Kauf genommen, sondern sind bis zu einem gewissen Grade erwünscht, weil sie den Veränderungsdruck auf tradierte betriebliche Stuckaturen erhöhen. Hier wird in gewisser Weise mit Ausbildungskonzeptionen Arbeitspolitik im Betrieb gemacht, ohne dass deren Richtung von den Unternehmensleitungen eindeutig festgelegt ist. Die Ausbildungsabteilungen sind in der Auswahl von Inhalten, Methoden und Organisationsformen der Ausbildung relativ autonom.