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Startseite > Lehrer(aus)bildung und ökonomische Bildung > Beiträge 2 - Wirtschaftsdidaktische Beiträge zur Lehrer(aus)bildung > Loerwald, Dirk; Zoerner, Andreas (2006): Standards für die ökonomische Bildung in der gestuften Lehrerausbildung (BA/MA) > 2. Fachspezifische Besonderheiten für die Konzeption von Standards

2. Fachspezifische Besonderheiten für die Konzeption von Standards

 

2.1 Bildungsstandards ohne eigenes Fach?

Kompetenzmodelle und Bildungsstandards sind immer an ein bestimmtes Unterrichts– bzw. Studienfach gekoppelt, ganz gleich ob sie für Schülerinnen und Schüler oder für Lehramtsstudierende formuliert werden. So entwickelt bspw. die Geographiedidaktik Standards für den Erdkundeunterricht bzw. für das Lehramtsstudium im Fach Geographie. Gleiches gilt für die Mathematikdidaktik, die Didaktik des Faches Deutsch etc. Für die ökonomische Bildung gibt es aber an Schulen in der Regel kein eigenes Unterrichtsfach, nicht einmal ein einheitliches Ankerfach. Sie ist bundesweit in den unterschiedlichsten Schulfächern verankert. In einigen wenigen Bundesländern ist sie – vor allem in der Berufsbildung – in eher wirtschaftswissenschaftlich orientierten Fächern verankert. In der Regel wird sie aber – und dies gilt insbesondere für die allgemein bildenden Schulen – in sozialwissenschaftlich ausgerichtete Integrationsfächer eingebettet oder ist Bestandteil anderer gesellschaftswissenschaftlicher Unterrichtsfächer wie etwa Geschichte oder Erdkunde (vgl. ausführlich Schlösser, Weber 1999, S. 40 ff.). Dies birgt für die entsprechenden Lehramtsstudiengänge das Problem, dass die Stundendeputate, die der ökonomischen Bildung zugewiesen werden, von Fach zu Fach höchst unterschiedlich und in der Regel relativ gering sind (vgl. zur Situation in NRW Krol 2004, S. 60 f.).

Es stellt sich die Frage, wie angesichts unterschiedlicher und zum Teil fehlender fachlicher Verankerung einheitliche Standards für die ökonomische Bildung in der Lehrerausbildung konzipiert werden können, sodass sie als Richtschnur für die unterschiedlichen Lehramtsstudiengänge dienen können. Wir schlagen als Lösungsweg vor, Mindeststandards zu formulieren, die für alle Lehramtsstudiengänge gelten sollen, die das Label "Ökonomische Bildung" (mit–) tragen. Studiengangspezifische Ausgestaltungen vor Ort können darüber hinaus im Rahmen eines Wahlpflichtbereichs ermöglicht werden (vgl. ausführlich Abschnitte 3 und 4).

Das Fehlen eines Unterrichtsfaches für die ökonomische Bildung ist außerdem mit Konsequenzen für die fachdidaktische Forschung an den Universitäten verbunden. Ein einheitliches Verständnis ökonomischer Bildung oder zumindest eine konsensfähige Basis, die sich auf gemeinsam geteilte wissenschaftliche Kriterien beruft, existiert nicht. Im Folgenden wollen wir unsere Position und damit die theoretische Grundlage für die unter Punkt 3 dargestellten Standards skizzieren.

 

2.2 Die Ökonomik als fachwissenschaftlicher Bezugspunkt – was sonst?

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass sich wirtschafts- und gesellschaftsrelevantes Wissen als ein Instrument zur Beschreibung und Analyse der modernen Gesellschaft nicht allein durch Lebenserfahrung vermittelt. Angesichts der hier allgegenwärtigen Gefahr des Trugschlusses von Verallgemeinerungen stehen nicht hinterfragte Alltagstheorien unter latentem Ideologieverdacht. Ökonomische Bildung in der Schule verlangt daher eine solide fachwissenschaftliche und fachdidaktische Ausbildung der Lehrkräfte. Über Fragen der fachdidaktischen Anteile der Lehramtsausbildung z.B. in Bezug auf Lerntheorien oder den Einsatz handlungsorientierter Lehr–Lern–Methoden gibt es in der "scientific community" der ökonomischen Bildung kaum Differenzen. Kontrovers wird hingegen die Frage nach der fachwissenschaftlichen Grundlage einer ökonomischen Bildung diskutiert (vgl. z.B. sowi–onlinejournal 2001 [1]). Insbesondere wird der Stellenwert der Ökonomik als Bezugswissenschaft für die ökonomische Bildung unterschiedlich gewichtet. Auf der einen Seite gibt es zahlreiche Veröffentlichungen, die die Bildungsrelevanz des ökonomischen Denkansatzes darlegen (vgl. exemplarisch Krol 2001; Kruber 2000; oder Kaminski 2002). Auf der anderen Seite wird auch von manchen Fachdidaktikern gesellschaftswissenschaftlicher Disziplinen die Bedeutung der Ökonomik für den Fachunterricht mit Bezug auf den Integrationscharakter gesellschaftswissenschaftlicher Fächer in Frage gestellt. So behauptet z.B. Reinhold Hedtke als Vertreter der ökonomischen (und der politischen) Bildung in einer etwas merkwürdigen Dialektik, die Ökonomik könne nichts zur Ökonomisierung der Lebensbereiche sagen, da sie jegliches Handeln als ökonomisches Handeln interpretiere und somit den Unterschied zum nicht–ökonomischen Handeln nicht sehen könne (vgl. Hedtke 2005, S. 10).

Eine einheitliche, konsensfähige theoretische Basis der ökonomischen Bildung gibt es nicht (vgl. Retzmann 2005, S. 51 ff.) und deshalb muss auch im Rahmen dieses Papiers expliziert werden, welche Bezugswissenschaft für die Entwicklung der Lehrerbildungsstandards in der ökonomischen Bildung zugrunde gelegt wurde. Wir sehen ganz im Einklang mit den DeGöb–Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss (vgl. Retzmann 2005, S. 52) und im Anschluss an den wirtschaftsdidaktischen Mainstream im Forschungsprogramm der Ökonomik den zentralen fachwissenschaftlichen Bezugspunkt für die Konzeption von Bildungsstandards in der ökonomischen Bildung. Da Kompetenzen und Bildungsstandards an die Strukturen und Inhalte der jeweiligen Disziplin gekoppelt sind, für die sie formuliert werden, folgt daraus, dass sich Bildungsstandards in der ökonomischen Bildung – auch wenn sie in den meisten Bundesländern als Teil eines Integrationsfaches vermittelt wird – auf die originäre ökonomische Perspektive innerhalb dieser Integrationsfächer beziehen müssen.

 
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Quell-URL (modified on 14/01/2013 - 15:15): https://sowi-online.de/node/339

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[1] https://sowi-online.de/../../journal/2001-1/index.html