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Startseite > Lehrer(aus)bildung und ökonomische Bildung > Beiträge 1 - Struktur und Perspektiven der Lehrer(aus)bildung > Terhart, Ewald (2002): Standards für die Lehrerbildung. Eine Expertise für die Kultusministerkonferenz > 7. Anhang

7. Anhang

 

7.1 Standards für die Lehrerbildung: Beispiele

OECD 1994: Teacher Quality

  • Wissen über das Fachcurriculum/die Fachcurricula und die Inhalte
  • Pädagogische Fähigkeiten, wobei dies die Fähigkeit zur Verwendung verschiedener Unterrichtsstrategien umfasst
  • Reflexionsfähigkeit und Selbstkritik – das Gütezeichen für Lehrerprofessionalität
  • Empathie und die Verpflichtung, die Würde des Anderen anzuerkennen
  • Management–Fähigkeiten, denn Lehrer müssen innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers organisatorische Verantwortung übernehmen

Cullingford (1995)

Integrität: Eine Eigenschaft, die besagt, dass jemand sein Bestes gibt, und zwar in bescheidener und unbefangener Manier. Kein Lehrer ist immer perfekt, aber jeder Lehrer kann versuchen, besser zu werden. Häufig sind wir besser als wir meinen.
Lernen: Eine Eigenschaft, die besagt, dass man sich am Lernen und am Sinn für Neugierde erfreut. Der Prozess des Lernens ähnelt sich auf allen Stufen, und der Lehrer ist in das Lernen eingebunden: Er unterrichtet, um Wissen und Einsicht zu vermitteln.
Organisation: Eine Eigenschaft, die besagt, dass man dazu in der Lage ist, den Klassenunterricht zu organisieren, mit guter Vorbereitung, klaren Regeln und Erwartungen, Aufmerksamkeit für Details, dem sinnvollen Gebrauch von didaktischem Material. Dies umfasst auch die Fähigkeit zur inneren Differenzierung.
Kommunikation: Die Eigenschaft, sich für andere Menschen zu interessieren, seien es Schüler oder Kollegen, und die Fähigkeit, dieses Interesse durch Ideen, Geschichten sowie auch durch geteilte Wertüberzeugungen zu demonstrieren.
Humor: Man braucht Humor, um zu überleben und um mögliche Überlastungen zu vermeiden.

 

Scriven 1994:

  1. Wissen im Unterrichtsfach
  • Spezialisierungen im Curriculum
  • fachübergreifende Fähigkeiten
  1. Didaktisch-methodische Fähigkeiten
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Klassenführung [/S. 58:]
  • Unterrichtsentwicklung
  • Unterrichtsevaluation
  1. Diagnose und Beurteilen
  • Testen
  • Notenbildung
  • Rückmeldungen
  1. Professionalismus
  • Professionsethik
  • Einstellungen
  • Dienstgesinnung
  • Wissen über die Pflichten
  • Wissen über die Schule und ihren sozialen Kontext
  1. Andere Leistungen für die Schulgemeinschaft

Das Berufsleitbild des Schweizer Lehrerverbandes (LCH 1993)

  1. Lehrerinnen und Lehrer gestalten gemeinsam mit allen an Erziehung und Bildung Beteiligten eine pädagogische Schule.
  2. Lehrerinnen und Lehrer sind Fachleute für das Lernen.
  3. Lehrerinnen und Lehrer verfügen über personale Stärken für die Ausübung ihres Berufs und für ihre berufliche Weiterentwicklung.
  4. Lehrerinnen und Lehrer arbeiten an einer geleiteten Schule mit eigenem Profil. Sie orientieren sich als Team am Schulauftrag und übernehmen Verantwortung für die situationsgerechte Übersetzung des Rahmenlehrplans und für die Lernorganisation am Ort.
  5. Lehrerinnen und Lehrer sehen in ihrer Verschiedenheit und in ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen eine Bereicherung. Sie entwickeln Perspektiven für ihre berufliche Laufbahn.
  6. Lehrerinnen und Lehrer leisten Arbeit im Rahmen ihres Amtsauftrages. Sie stehen in einem Anstellungsverhältnis, welches der Selbstverantwortung und der anspruchsvollen, vielschichtigen Aufgabe Rechnung trägt.
  7. Für Lehrerinnen und Lehrer sind Selbst- und Fremdbeurteilung ihrer Arbeit Bestandteil des Berufes. Sie nutzen vielfältige Beratungs- und Beurteilungsformen zur persönlichen Weiterentwicklung und zur Weiterentwicklung der Schule.
  8. Lehrerinnen und Lehrer aller Stufen verfügen über eine Allgemeinbildung auf Maturitätsniveau. Die Berufsausbildung weist Hochschulniveau auf und ist gleichwertig für alle.
  9. Lehrerinnen und Lehrer haben das Recht und die Pflicht, sich während der Dauer ihrer Berufsausübung im berufsspezifischen und im allgemeinbildenden Bereich fortzubilden.
  10. Lehrerinnen und Lehrer gestalten und bestimmen die Entwicklung des Schulwesens aktiv mit – als betroffene Unterrichtende, als Schulfachleute und als Bürgerinnen und Bürger. [/S. 59:]


Der sokratische Eid (v.Hentig 1985)

Als Lehrer und Erzieher verpflichte ich mich,

  • die Eigenart eines jeden Kindes zu achten und gegen jedermann zu verteidigen;
  • für seine körperliche und seelische Unversehrtheit einzustehen;
  • auf seine Regungen zu achten, ihm zuzuhören, es ernst zu nehmen;
  • zu allem, was ich seiner Person antue, seine Zustimmung zu suchen, wie ich es bei einem Erwachsenen täte;
  • das Gesetz seiner Entwicklung, soweit es erkennbar ist, zum Guten auszulegen und dem Kind zu ermöglichen, dieses Gesetz anzunehmen;
  • seine Anlagen herauszufordern und zu fördern;
  • seine Schwächen zu schützen, ihm bei der Überwindung von Angst und Schuld, Bosheit und Lüge, Zweifel und Misstrauen, Wehleidigkeit und Selbstsucht beizustehen, wo es das braucht;
  • seinen Willen nicht zu brechen – auch nicht, wo er unsinnig erscheint; ihm vielmehr dabei zu helfen, seinen Willen in die Herrschaft seiner Vernunft zu nehmen; es also den mündigen Verstandesgebrauch und die Kunst der Verständigung wie des Verstehen zu lehren;
  • es bereit zu machen, Verantwortung in der Gemeinschaft und für diese zu übernehmen;
  • es die Welt erfahren zu lassen, wie sie ist, ohne es der Welt zu unterwerfen, wie sie ist;
  • es erfahren zu lassen, was und wie das gemeinte gute Leben ist;
  • ihm eine Vision von der besseren Welt zu geben und die Zuversicht, dass sie erreichbar ist;
  • es Wahrhaftigkeit zu lehren, nicht die Wahrheit, denn » die ist bei Gott allein «.

Damit verpflichte ich mich auch,

  • so gut ich kann, selber vorzuleben, wie man mit den Schwierigkeiten, den Anfechtungen und Chancen unserer Welt und mit den eigenen immer begrenzten Gaben, mit der eigenen immer gegebenen Schuld zurechtkommt;
  • nach meinen Kräften dafür zu sorgen, dass die kommende Generation eine Welt vorfindet, in der es sich zu leben lohnt und in der die ererbten Lasten und Schwierigkeiten nicht deren Ideen und Möglichkeiten erdrücken;
  • meine Überzeugungen und Taten öffentlich zu begründen, mich der Kritik – insbesondere der Betroffenen und Sachkundigen – auszusetzen, meine Urteile gewissenhaft zu prüfen;
  • mich dann jedoch allen Personen und Verhältnissen zu widersetzen – dem Druck der öffentlichen Meinung, dem Verbandsinteresse, dem Beamtenstatus, der Dienstvorschrift -, wenn diese meine hier bekundeten Vorsätze behindern.
  • Ich bekräftige diese Verpflichtungen durch die Bereitschaft, mich jederzeit an den in ihr enthaltenen Maßstäben messen zu lassen.

Die Standesregeln des Schweizer Lehrerverbandes (1998)

  1. Erfüllung des Bildungsauftrags: Die Lehrperson sorgt für eine ausgewogene Förderung der Lernenden zu Sachkompetenz, Selbstverantwortung und Gemeinschaftsfähigkeit gemäß den Bildungsansprüchen des Lehrplans. [/S. 60:]
  2. Professionelle Unterrichtsführung: Die Lehrperson schafft Lernsituationen, welche anregen und individuelle Fortschritte auf die Bildungsziele hin möglich machen.
  3. Einhalten von Vorschriften: Die Lehrperson handelt nach den gesetzlichen Vorschriften und setzt sich nötigenfalls für deren Veränderung und Anpassung ein.
  4. Mitwirkung im Schulteam: Die Lehrperson beteiligt sich an Absprachen und Regelungen im Schulteam, an gemeinsamen Entwicklungsarbeiten und Weiterbildungen.
  5. Führung und Verantwortung: Die Lehrperson nimmt Führung und Verantwortung in der eigenen Schulklasse und in der ganzen Schule wahr.
  6. Zusammenarbeit mit den Partnern: Die Lehrperson arbeitet mit Erziehungsberechtigten, Spezialdiensten, Behörden und anderen an der Schule Beteiligten zusammen.
  7. Integrität und Vertraulichkeit: Die Lehrperson ist unbestechlich und behandelt Informationen, welche die Persönlichkeit, das Umfeld oder die Lernsituation des Kindes betreffen, vertraulich.
  8. Weiterbildung und Entwicklung: Die Lehrperson bildet sich während der ganzen Dauer der Berufsausübung in beruflichen und persönlichen Bereichen fort und engagiert sich für eine Schule, die ihre Qualität überprüft und weiterentwickelt.
  9. Unbedingte Respektierung der Menschenwürde: Die Lehrperson wahrt bei ihren beruflichen Handlungen die Menschenwürde, achtet die Persönlichkeit der Beteiligten, behandelt sie mit gleicher Sorgfalt und vermeidet Diskriminierungen.

National Board for Professional Teaching Standards (NBPTS):

  1. Lehrer fühlen sich ihren Schülern und deren Lernen verpflichtet.
  2. Lehrer kennen ihre Unterrichtsfächer und wissen, wie man sie unterrichtet.
  3. Lehrer sind für die Organisation und die Kontrolle (monitoring) des Lernens der Schüler verantwortlich.
  4. Lehrer reflektieren systematisch ihre berufliche Praxis und lernen aus ihren Erfahrungen.
  5. Lehrer sind Mitglieder von Lerngemeinschaften zum Zweck der Unterrichts– und Schulentwicklung.


National Council for the Accreditation of Teacher Education (NCATE)

I. Standards für Auszubildende

Standard 1: Wissen, Fähigkeiten und Dispositionen der Auszubildenden. Auszubildende(1), die sich auf eine Tätigkeit in der Schule als Lehrer oder in anderen Funktion vorbereiten, kennen die Inhalte ihres Feldes; demonstrieren professionelles und pädagogisches Wissen, Fähigkeiten und Haltungen. Sie wenden diese so an, dass alle Schüler lernen. Leistungsvergleichsstudien prüfen, inwieweit Auszubildende professionelle, staatliche und institutionelle(2) Standards treffen.

Standard 2: Programm und Institutionenevaluation. Die Einrichtung hat eine eigenes System der Qualitätskontrolle, dass die Qualifikationen von Bewerbern sowie die Leistung von Auszubildenden und Absolventen prüft; diese Leistungsdaten und andere Informationen werden zur Evaluation und Verbesserung des Programms verwendet. [/S. 61:]


II. Leistungen der Einrichtung

Standard 3: Praxiserfahrungen. Die Lehrerbildungseinrichtung und ihre Partnerschulen planen, implementieren und evaluieren Felderfahrungen und klinische Praxis, so dass die Kandidaten Wissen, Fähigkeiten und Haltungen entwickeln und demonstrieren, die darauf gerichtet sind, allen Schülern beim Lernen zu helfen.

Standard 4: Heterogenität Die Institution plant, implementiert und evaluiert das Curriculum und die Lernerfahrungen für Auszubildende so, dass sie Wissen, Fähigkeiten und Haltungen erwerben, die notwendig sind, damit sie allen Schülern beim Lernen helfen können. Diese Erfahrungen beinhalten auch Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Hochschuleinrichtungen, unterschiedlichen Kollegen, und unterschiedlichen und besonderen (exceptional) Schülern.

Standard 5: Leistung und Leistungsentwicklung des Personals in der Lehrerbildung. Das Personal stellt ein Vorbild für gute professionelle Praxis in Wissenschaftlichkeit, Dienstleistung und Lehre dar; dies schließt Selbst–Beurteilung der Effektivität und der Auswirkung auf die Leistung der Kandidaten ein. Das Lehrerbildungspersonal kooperiert mit den Kollegen in den Fächern/Disziplinen und den Schulen. Die Lehrerbildungseinrichtung evaluiert ihr eigenes Personal und fördert die berufliche Entwicklung.

Standard 6: Organisation und Finanzierung der Lehrerbildungseinrichtung. Die Einrichtung hat genau die Führung, die Autorität, die Finanzierung, das Personel, die Ressourcen – inklusive moderner Informationstechnologien – die sie braucht, um Auszubildende so vorzubereiten, dass sie professionelle, staatliche und institutionelle Standards erfüllen.

 

Interstate New Teacher Support and Assessment Consortium (INTASC 1992)

  • Prinzip 1: Ein Lehrer versteht die zentralen Begriffe, Forschungsinstrumente und Strukturen der Disziplin(en), die er unterrichtet. Er ist dazu in der Lage, solche Lernumwelten zu schaffen, die die Unterrichtsinhalte für die Schüler bedeutsam und verständlich werden lässt.
  • Prinzip 2: Ein Lehrer weiß, wie Kindern lernen und sich entwickeln und kann Lerngelegenheiten schaffen, die die intellektuelle, soziale und persönliche Entwicklung unterstützen.
  • Prinzip 3: Ein Lehrer weiß, wie die Schüler sich untereinander in ihren Zugängen zum Lernen unterscheiden; er ist dazu in der Lage, der Unterschiedlichkeit der Schüler im Unterricht gerecht zu werden.
  • Prinzip 4: Der Lehrer versteht und benutzt eine Vielzahl von Unterrichtsformen und –strategien, um die Schüler zu kritischem Denken, zu problemorientiertem Denken und zu Leistungen zu ermutigen.
  • Prinzip 5: Der Lehrer benutzt seine Kenntnisse über individuelle und gruppenbezogene Motivation und Handeln, um eine Lernumwelt zu schaffen, die zu positiver sozialer Interaktion ermutigt und die zu einem aktiven Engagement, zum Lernen und zur Selbstmotivierung beiträgt. [/S. 62:]
  • Prinzip 6: Der Lehrer nutzt seine Kenntnisse über effektives verbales und nonverbales Verhalten sowie von Mediensystemen, um eine aktiv-fragende, kooperative und unterstützende Interaktion im Klassenzimmer aufzubauen.
  • Prinzip 7: Der Lehrer bereitet seinen Unterricht auf der Basis der Kenntnisse des Unterrichtsfaches, der Schüler, der Gemeinde (community) und der Lehrplananforderungen vor.
  • Prinzip 8: Der Lehrer kennt und benutzt formale und informale Formen der Leistungsbeurteilung, um die kontinuierliche intellektuelle und soziale Entwicklung seiner Schüler zu beurteilen und sicherzustellen.
  • Prinzip 9: Der Lehrer ist ein reflektierender Praktiker (reflective practitioner), der kontinuierlich die Wirkungen seiner Entscheidungen und Handlungen auf andere (Schüler, Eltern, Kollegen) überprüft, und der sich aktiv um seine eigene berufliche Weiterentwicklung bemüht.
  • Prinzip 10: Der Lehrer fördert die Kooperation im Kollegium, mit den Eltern, sowie mit anderen Einrichtungen des Bildungs- und Sozialbereichs, um das Lernen und das Wohl seiner Schüler zu unterstützen. [/S. 63:]
 

7.2 Integriertes Kerncurriculum erziehungswiss. & fachdidaktische Studien in Lehramtsstudiengängen

(23)

Vier Themenblöcke
Aspekte

I Bildung, Erziehung, Gesellschaft

Dieses Modul besteht aus Veranstaltungen, in denen der historische und gesellschaftliche Kontext von Erziehung und Bildung sowie auch von Bildungsinstitutionen aufgearbeitet wird. Dies schließt die Auseinanderset-zung mit Menschenbildern sowie auch mit Fragen der Begründung normativer Orientierungen ein. Diese Themen sollen nicht nur allgemein, sondern auch im Blick auf die Geschichte, den Bildungsauftrag und das Selbstverständnis von schulischen und außerschulischen Institutionen und von Schulfächern, Lernbereichen und Berufsfeldern erörtert werden.Dieses Modul bietet auch einen Raum für die Einführung in die spezifische fachliche Perspektive und Systematik der hier relevanten Disziplinen Erziehungswissenschaft, Soziologie, Psychologie und Fachdidaktik (nach örtlichem Schwerpunkt), die bereits in diesem Studienabschnitt erfolgen sollte.

  • Lebenslauf, Bildung, Beruf
  • Gesellschaftliche Bedingungen allgemeinen und beruflichen Lernens
  • Klassische und moderne Bildungstheorien
  • Sozialisation und Erziehung in Schule und Beruf
  • Anthropologische Grundlg. von Erziehung & Bildung
  • Historische Dimensionen von Bildung und Erziehung
  • Fachbildung, Allgemeinbildung, Berufsbildung· Normenprobleme in der Erziehung
  • kulturelle und soziale Heterogenität
  • Normalität und Behinderung
  • Erziehungsverhältnisse im internationalenVergleich

[/S. 64:]

II. Lernen, Verstehen, Entwicklung

Dieses Modul besteht aus Veranstaltungen, in denen die individuellen Bedingungen von Schule und außerschulischen Lernorten sowie von Lehren und Lernen betrachtet werden. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Konzeptionen des Lernens, Erkennens und Verstehens sowie die Auseinandersetzung mit den Verläufen und Problemen der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Der Focus auf den ‚individuellen‘ Bedingungen und Prozessen umfasst auch den Zusammenhang zwischen Lernenden, Lehrenden und dem sozialen und kognitiven Kontext des Lernens. Auch hier ist die Verknüpfung mit den Fragen der Entwicklung des Lernens und Verstehens in den Fächern, Lernbereichen und Berufsfeldern wie auch wie auch Schulstufen, Schulformen und außerschulischen Institutionen herzustellen. Dieses Modul bietet Raum für die Einführung in die spezifische fachliche Perspektive und Systematik der relevanten Disziplinen Erziehungswissenschaft, Soziologie, Psychologie und Fachdidaktik (nach örtlichem Schwerpunkt), die bereits in diesem Studienabschnitt erfolgen sollte.

  • Basismodelle des Lernens· Wissen, Denken, Problemlösen
  • Kindheit/Jugend/Erwachsenenalter
  • Entwicklung der Lernfähigkeit
  • Lernniveaus, Lernstile, Lernformen, Lernstörungen
  • lehrgangsbezogene und offene Lehr-Lern-Formen
  • Lernmedien· Soziales und kooperatives Lernen
  • Wissenschaften und (Fach)Sprache
  • Fachbezogene Lernprobleme/Inner- und überfachliche Vernetzungen

[/S. 65:]

III. Schule, Unterricht, Lehrerberuf

Dieses Modul ist auf das schulische Arbeitsfeld des Lehrers sowie auf die Erörterung der Bedeutung und Stellung des Lehrerberufs gerichtet. Dies umfasst Themen wie Schule als Organisation und Schulentwicklung, Schu-le als Erfahrungsraum; es geht um Kooperations- und Interaktionsbeziehungen in der Schule und mit außerschulischen Institutionen und Personen sowie um allgemeine Grundfragen des Unterrichts. Insbesondere in diesem Modul ist die Einbringung fachdidaktischer Perspektiven dringend notwendig, weil sich die Arbeit des Unterrichtens wie auch ein hoher Anteil der Kooperationsbeziehungen zwischen Lehrern auf den Fachunterricht und auf fächerübergreifende Kooperation bezieht.

  • Theorie der Schule / Konzepte der Schulentwicklung
  • Übergänge: zum / im Schulsystem, zum Berufssystem
  • Lehrer-Schüler-Interaktion· Zusammenarbeit in der Schule und mit vor- und außerschulischen Institutionen
  • Lehrpläne / Schulbücher /Arbeitsmittel / Neue Medien
  • Unterrichten als Beruf / Lehrerrolle / Professionalität
  • Belastungen / Belastungsbewältigung imLehrerberuf
  • Informations- und Kommunikationstechnologien
  • Unterrichtsqualität: fach- und berufsfeldbezogen /fächer- und berufsfeldübergreifend

[/S. 66:]

IV Lernplanung, Lerndiagnose, Beratung

Dieses Modul ist in einem stärker spezialisierten Sinne den Fragen des Planens und Gestaltens sowie des Beurteilens von Lehr-Lern-Prozessen gewidmet. Dies schließt inhaltlich-fachbezogenes, fächerverbindendes und fächerübergreifendes Lernen ein, ebenso aber auch die Vermittlung von Lernstrategien bzw. formalen Lernkompetenzen an Schüler. In diesen Kontext fällt auch die Beschäftigung mit Fragen der Lerndiagnose/ Leistungsbeurteilung von Schülern sowie der Beratung. Da schulisches Lernen immer auf bestimmten inhaltlichen Lernbereichen basiert und von dort aus problemerschließende, fächerübergreifende und metakognitive Ebenen ansteuert, ist in diesem Modul ein sehr hoher Anteil von fachdidaktischen Angeboten anzusiedeln.

  • Planung, Organisation und Evaluation von Unterricht, Unterweisung und Praktika, Projekte
  • Lerndiagnose und schülerunterstützendes Handeln
  • Beurteilung fachlicher / berufsfeldbezogener und fach-/ berufsfeldbezogener Schülerleistungen
  • Aufgabenkonstruktion und -beurteilung
  • fachliches / berufsfeldbezogens, fächerübergreifendes und fächerverbindendendes Lernen
  • Förderung selbstorganisierten Lernens
  • Schüler mit besonderen Lernbedürfnissen und -fähigkeiten in Schule und Berufsbildung

[/S. 67:]

 

7.3 Linda Darling-Hammond

Standards für den Lehrerberuf: Probleme und Streitfragen (24)

Obwohl derzeit die Unterstützung für die neuen Standards für Lehrerarbeit aus dem poeischen wie aus dem professionellen Raum groß ist, gibt es doch eine Reihe von vertrackten Problemen, die im Rahmen der Arbeit an diesen neuen Systemen gelöst werden müssen. Diese Probleme und Streitfragen reichen von eher technischen Messproblemen und praktischen Fragen der Implementation zu sozialen und politischen Fragen bezüglich der Machtbalance zwischen Staat und Profession. Einige dringende Probleme sollen im folgenden erörtert werden; zugleich soll deutlich gemacht werden, welche Forschungsfragen jeweils hieran geknüpft sind.

 

1. Standards und Beurteilungsverfahren richtig aufbauen

Eine erste Gruppe von Problemen ergibt sich aus der Frage, wie man die Technologien und Instrumente der neuen Standards und Beurteilungen (assessments) weiterentwickeln und verfeinern will: wie werden Validität und Reliabilität gegeneinander abgewogen, wie entwickelt und evaluiert man Beurteilungsstrategien, die sensibel sind für gutes Unterrichten in sehr unterschiedlichen Kontexten; und wie entwickelt man Beurteilungs– und Bewertungsverfahren, die weder Individuen noch Pädagogiken benachteiligen oder bevorzugen.

Eine Schlüsselfrage für den Einsatz von Standards und Evaluationen als Hebel der Reform liegt darin, ob die Standards und Beurteilungen "richtig" aufgebaut sind, also berücksichtigen, dass es viele mögliche Definitionen von Qualität gibt, dass diese von ihren jeweiligen Kontexten bestimmt sind, und dass es immer noch verbessert werden können. Trotz des großen Enthusiasmus gibt es noch zu wenig Forschung zu der Frage, ob durch Assessment–Verfahren (etwa des INTASC oder des National Board(25)) die tatsächlich bei ihren Schülern erfolgreichen Lehrer identifiziert werden, ob die Handlungsweisen von Lehrern, die in unterschiedlichen Kontexten erfolgreich sind, sich doch soweit ähneln, dass sie von den Standards und Beurteilungen abgedeckt (i.S.v. erfasst) werden, und ob die auf der Basis von Standards und Beurteilungen zustande kommenden Entscheidungen tatsächlich fair und ausgewogen (unbiased) sind und keine [/S. 69:] negativen Auswirkungen auf die Vielfalt der Lehrkräfte haben, indem etwa ein Punktesystem aufgebaut wird, das in keiner Relation zur Effektivität der Lehrer steht. Übliche Tests wie PRAXIS sind noch nicht daraufhin untersucht worden, in welchem Ausmaß sie denjenigen didaktischen Vorstellungen entsprechen, auf die die neuen Unterrichtskonzeptionen und Lehrerstandards gerichtet sind. Das heißt: In allen diesen Fällen vollziehen die Staaten (der USA) Entscheidungen auf der Basis von Beurteilungen, über die ein forschungsbasiertes Wissen hinsichtlich Reliabilität und Validität noch nicht vorliegt. Hier ist noch viel Forschungsarbeit notwendig, um sicherzustellen, dass Standards und Beurteilungen in einem maximalen Sinne valide sind, und zwar über Absolventen, Inhaltsbereich und Kontexte hinweg.

Obwohl diese Fragen situativ immer schon beantwortet werden müssen, sollten sie gleichwohl ständig in die Debatte um guten Unterricht und um geeignete Evaluationsinstrumente integriert werden. Soll man z.B. das Lehrerwissen und –handeln an denjenigen Anforderungen orientieren, die gegenwärtigen in den Schulen vorherrschen, in Schulen also, in denen sich die Rolle und manchmal auch das Selbstverständnis der Lehrer noch dominant auf den ‚Stundenhalter' beschränkt ist? Oder soll man in der Lehrerbildung auf eine reformierte, veränderte Schule abzielen, in der den Lehrern eine breitere Rolle zukommt (Lehrplangestalter, kollegiale Weiterbildner, Schulentwickler).

Sollte man sich bei den Standards für "guten Unterricht" an traditionellen, weitverbreiteten Unterrichtsformen orientieren, die aber nicht den Stand der didaktischen Forschung widerspiegeln? Will man neuen pädagogischen Ansätzen Glauben schenken – oder sollte man Mischungen favorisieren? Sind Standards und Evaluationen für "guten Unterricht" in "weißen" Gegenden auch tauglich für "multikulturelle" Kontexte?

Sykes (1990, S. 19) hat das Problem in seiner Erörterung der Legitimation von didaktischen Präferenzen folgendermaßen formuliert: "Es gibt keine einfache und vollständig faire Antwort auf diese Frage ‚Warum sollte ein Lehrer gerade dies wissen?' Hier müssen mutige Entscheidungen gefällt werden, die dann aber von umfangreichen Beratungen und vorsichtigen Implementationen gefolgt sein müssen".

 

2. Lehrer darauf vorbereiten, die Standards zu erfüllen

Ebenso treten gravierende Probleme auf, wenn man daran denkt, wie die Lehrer auf diese anspruchsvollen Standards vorbereitet werden sollen. Gegenwärtig liegt noch wenig Wissen darüber vor, welche Lernumgebungen in der Erstausbildung, während der Berufseingangsphase, während der Berufsbiographie und im Kontext von Schulentwicklungsprozessen den deutlichsten Erfolg bewirkt im Hinblick auf die Erfüllung der Standards. Wilson, Ball (1996, S. 122) schreiben:

"Die neuen Verfahren der Beurteilung von Lehrern sind für Lehrer das, was die neuen Formen der Schülerbeurteilung für die Schüler sind. An diesen Standards muss sich die Lehrerbildung orientieren. Reformer hoffen darauf, dass ein Wechsel des Prüfungs- und Zulassungsverfahrens sich auf die Art der Lehrerbildung (als Vorbereitung auf diese Prüfung) auswirkt. Weniger deutlich sind jedoch bildslang die Herausforderungen, die dies für die Lehrerbildner (d.h. das Personal in der Lehrerbildung) darstellt, die neue Wege der Qualifizierung von angehenden Lehrern finden müssen, damit die ausgebildeten Lehrkräfte die leistungsbasierenden Evaluationen erfolgreich bestehen". [/S. 70:]

Diese Herausforderung wird noch größer durch die Tatsache, dass Schul- und Unterrichtsreformen die Kluft "zwischen dem Ausgangspunkt der angehenden Lehrer und dem angestrebten Qualifikationsziel noch vergrößern" (ibid., S. 122). D.h. mehr denn je ist das aus der Schule mitgebrachte pädagogisch–didaktische Alltagswissen von Lehramtsstudierenden inadäquat mit Blick auf die angestrebten Reformen, mehr denn je müssen angehende Lehrer umlernen und dazulernen. Insbesondere ein an kritischem Denken und verstehendem Lernen orientiertes Unterrichten ist sehr schwer zu entwickeln, da es sehr flexibles Handeln erfordert und nicht anhand einfacher Anweisungen umgesetzt werden kann. Wenn man Schüler zum selbstständigen Denken bringen will und auch tatsächlich bringt, so lassen sich die weiteren Abläufe eben nicht präzise voraussagen.

Das Wissen über effektive Unterrichtsstrategien der Vorbereitung von Lehrer auf diese anspruchsvolle, am Sachverstehen orientierte Qualität von Unterricht entsteht erst allmählich. Wir müssen noch sehr viel über die Effizienz und Wirkung der verschiedenen Strategien zum Aufbau anspruchsvoller, multidimensionaler Praxisformen lernen. Wilson, Ball (1996) meinen, dass solche Strategien die Erfindung neuer Unterrichtskonzepte durch schulinterne Entwicklungsarbeit von reformorientierten Lehrern mit umfasst, durch Curriculum-Materialien wie Fallstudien, Video-Dokumenten, Datenbanken mit Mustern für Unterricht, die auch weitere Forschungen ermöglichen sowie durch eine Realisierung der in den Lehrerstandards ausgedrückten Pädagogik in der Praxis der Lehrerbildung selbst. (…)

Wenngleich es Indizien dafür gibt, dass solche Instrumente wirksam sind, wissen wir nicht, welche Kombinationen von Maßnahmen zur Steigerung der Lehrerkompetenz unter welchen Schulbedingungen am ehesten zu einher Steigerung der Qualität von Unterricht im Sinne der neuen Lehrerstandards und insofern dann auch zu erhöhten Lernerfolgen der Schüler beitragen. Ebenso wissen wir nichts über das Verhältnis von Aufwand und Ertrag solcher Maßnahmen, ob sie in verschiedenen Kontexten unterschiedlich wirken, ob man dabei nicht auch die berufliche Entwicklungsphase der Lehrer berücksichtigen muss usw. Diese Fragen müssen im Zusammenhang mit Reformmodellen zur Lehrererstausbildung sowie zur Lehrerfort– und –weiterbildung untersucht werden. Und schließlich: Obwohl vieles dafür spricht, dass Lehrer allein schon durch die Teilnahme an berufsbezogenen Evaluationen berufsbezogen lernen, wissen wir nicht genau, welche Art von Lernen dabei stattfindet, wie wechselnde Bedingungen sich auf das berufsbezogenen Lernen auswirken, und wie weit dieses Lernen für organisiere Lehrerfortbildung nutzbar gemacht werden kann.

Ebenso wichtig wird es sein, die Effektivität der neuen Standards zu prüfen, d.h. zu fragen, wie weit sie die erwünschten Ziele erreichen. Also tatsächlich zu einer veränderten Unterrichtswirklichkeit und zu einem erweiterten professionellen Wissen führen. Wenngleich Enthusiasmus und augenscheinliche breite Zustimmung in der Schul- und Lehrerszene einerseits vielversprechend sind, ist doch über die konkreten Maßnahmen in Lehrerbildungsinstitutionen, Schulverwaltungen, Schulen, Ministerialbürokratien wenig systematisch bekannt. Um die Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen bemessen zu können, sollte dieser Wandlungsprozess kontinuierlich beobachtet werden.

Während die Lehrerbildungsszene an einer Verbesserung der Programme arbeitet, darf sie jedoch bestimmte widerständige Rahmenfaktoren nicht außer Acht lassen. [/S. 71:]

 

3. Dauerprobleme: Lehrerzyklen, Standards und Ungleichheit

Im Vollzug der Reformen wird die Lehrerbildung von ‚ewigen' Problemen eingeholt: Besoldungsunterschiede und differierende Arbeitsbedingungen haben zu einem Lehrermangel in den Innenstadtzonen und in ärmeren ländlichen Gebieten geführt. Und aus unterschiedlichen Gründen gehen Landes– und Kommunalbehörden dazu über, die Standards für den Eintritt in den Lehrerberuf abzusenken anstatt umgekehrt Anreize zu schaffen, die eine hinreichende Lehrerversorgung sicherstellen könnten. Dies hat zur Konsequenz, dass sich gegenwärtig eine scharfe Trennungslinie im Gesamt–Lehrkörper der Nation aufbaut, die schärfer nie war: Während einige Kinder und Jugendliche von Lehrern unterrichtet werden, deren Qualität sehr viel besser ist als in der Vergangenheit, wird eine wachsende Zahl von Kindern aus armen Bevölkerungskreisen und aus Minderheiten von Lehrern unterrichtet, die für ihre Aufgabe eigentlich nicht vorbereitet sind. Diese Unterqualifizierung so vieler neu eingestellter Lehrer bringt das Risiko der Zunahme von Ungleichheit der Bildungschancen und Bildungsergebnissen mit sich – mit all den sozialen und gesellschaftlichen Folgeproblemen, die damit verbunden sind. Und das in einer Zeit, in der man von der heraufziehenden Wissensgesellschaft spricht.

Es ist sicher legitim zu fragen, ob nicht die Erhöhung der Standards für den Eintritt in den Lehrerberuf zu einem nachlassenden Interesse von potentiellen Interessenten und schließlich zu Lehrermangel führt. Ebenso kann man fragen, ob mit höheren Standards nicht auch der Zugang von Lehrern aus Minoritätengruppen reduziert wird (wie dies historisch bei der Professionalisierung des Medizinerberufs zu beobachten war). Seltsamerweise ist – historisch gesehen – beim Lehrerberuf jedoch das Umgekehrte der Fall. Sedlak, Schloßman (1986, S. 39) schreiben:

"Es war möglich, auch in Perioden des Lehrermangels die Standards zu erhöhen. Nicht nur hat die Erhöhung von Standards den Lehrermangel nicht vergrößert. Sie hat vielleicht sogar zur Verringerung des Lehrermangels beigetragen – v.a. wenn sie mit Gehaltsanhebungen verbunden war–, und zugleich das öffentliche Ansehen des Lehrerberufs gesteigert".

In den Phasen der Erhöhung der Standards und der Gehälter blieb der Frauen– und Minoritätenanteil in der Lehrerschaft konstant oder wuchs gar. Der Anteil von Berufsanfängern aus Minoritäten ging in den 1970er und 1980er Jahren zurück, und zwar deshalb, weil andere Berufe, die bisher für Minoritäten verschlossen waren, sich öffneten, die Lehrergehälter sanken und schließlich: weil sehr leistungsfähige Studenten sich aus den Lehramtsstudiengängen zurückzogen. (Darling–Hammond, Pittmann, Ottinger 1988). Unterschiedlich hohe Durchfallquoten bei Lehramtsprüfungen (teacher licensing tests) zuungunsten von Minoritätsangehörigen waren teilweise eine Folge der Tatsache, dass sich die fähigeren Studierenden aus Minoritätengruppen besser bezahlten Berufsfelder zuwandten. Als in den späten 1980 und den 1990er Jahren die Lehrergehälter wieder anzogen, ist auch die Zahl der Berufsanfänger aus Minoritäten wieder gestiegen, wenngleich nicht bis zu dem Anteil, den farbige Schüler in unseren Schulen ausmachen (Darling–Hammond 1997).

Derzeit gibt es zwar keinen generellen Lehrermangel, aber doch einen Lehrermangel in spezifischen Bereichen und Feldern. Faktisch werden in den USA Jahr für Jahr insgesamt viel mehr Lehrer ausgebildet als tatsächlich dann auch in den Beruf eintreten. Bereichsspezifischer, punktueller Lehrermangel (spot shortages) entsteht aufgrund von [/S. 72:] Gehaltsunterschieden und Unterschieden in den Arbeitsbedingungen: fehlende Planung, unzureichende nationale, landesbezogene und regionalspezifische Informationen über ausscheidende Lehrer, unabgestimmte Zulassungsbedingungen in den einzelnen Bundesstaaten, inadäquate Anreize für Lehrer in denjenigen Bereichen und Feldern, in denen sie gebraucht werden (NCTAF 1996). Hinzu kommt, dass beinahe 30 % der neu eingestellten Lehrer den Beruf innerhalb der ersten fünf Jahre wieder verlassen (insbesondere in den sozialen Brennpunkten). Die führt dazu, dass ständig nach neuen Lehrkräften gesucht werden muss. Bundesstaaten und Kommunen, die diesen Trend umgekehrt haben, haben dies erreicht, indem sie Gehälter und Arbeitsplatzbedingungen angeglichen, eine vorausschauende Einstellungspolitik und entsprechend ausgerichtete Berufseingangsphasen (induction programs) betrieben und sich insbesondere um die Lehrerversorgung in sozialen Brennpunkten gekümmert haben. Die Schlüsselfrage lautet, ob auch andere Bundesstaaten und Kommunen bereit sind, in solche Strategien zu investieren – oder ob sie statt dessen schlicht und einfach die Standards der Lehrer für die gefährdetsten Kinder aus den machtlosesten Bevölkerungsteilen absenken.

Das vielleicht wichtigste Anliegen der neuen Standards für die Lehrer und die Lehrerbildung liegt darin, dass sich sowohl Lehrerstudenten wie auch Lehrerbildungseinrichtungen an ihnen orientieren können. Der Sinn von Standards liegt ja nicht darin, die Durchfallquote zu erhöhen, sondern die Qualität der Ausbildungs- und Vorbereitungsprogramms zu steigern. Einer der wichtigsten Aspekte der neuen Standards liegt darin, dass sie die Ansprüche an Lehrerkompetenzen klar benennen, indem sie sich auf zentrale Unterrichtsaufgaben konzentrieren. Es geht also nicht länger um die Zusammenstellung von Themenlisten, Inhaltskatalogen und Kursprogrammen, die man absolviert haben muss, und auch nicht um die Überprüfung von abgehobenem Wissen jenseits seines Verwendungskontexts. Die Tatsache, dass Lehramtsstudierende nach eigenen Aussagen von den neuen Standards lernen und dass die Beurteilungen ihnen dabei helfen, ihre beruflichen Handlungsformen (skills) zu entwickeln und zu verfeinern, kann zu einer Steigerung der Qualität von Lehrerarbeit auf breiter Front beitragen.

 

4. Politik, Verwaltung und Steuerung

Eine zusätzliches Hindernis für einen flächendeckenden Gebrauch von Standards und einer Lösung der Probleme am Lehrerarbeitsmarkt ist die dezentrale, flickendeckenartige (crazy–quilt) Struktur der Bildungssystems und der Bildungsverwaltung in den USA. Die gesamte Struktur, alle beteiligten Institutionen und Gruppen, die das System der Lehrerbildung und der Lehrerversorgung überwachen und managen sowie einen Konsens über der Standards für die Akkreditierung, Lizensierung und der weitergehenden beruflichen Qualifizierung bilden müssten, sind balkanisiert. Verschiedene Regierungsorganisationen (sowohl legislative wie exekutive) auf unterschiedlichen Ebenen (Bund, Staat, Kommune) sind an der Etablierung von Standards sowie an der Entscheidung über Ausbildung und Einstellung beteiligt. Hinzu kommen Berufsverbände (Lehrerverbände, Fachgruppen) und nicht–organisierte Berufsinhaber. Alles, was in einem Bereich des Systems getan wird, kann in einem anderen Bereich sehr leicht wieder aufgehoben werden. Diese Situation erschwert jeden Prozess der Konsensbildung.

Wirksame Standards können unbequem sein, denn sie rücken Unzulänglichkeiten der gegebenen Praxis ins Licht; solche Standards zu erfüllen setzt Veränderungen voraus. Dies führt dazu, dass als Folge einer Erhöhung der Standards Schlupflöcher konstruiert [/S. 73:] werden. In einer Reihe von Staaten (der USA), in denen die Standards für die Zulassung/Lizensierung von Lehrern erhöht worden sind, ist dies eingetreten: Die strengeren Standards gingen zeitgleich einher mit dem Aufkommen temporärer oder alternativer Zugangswege, die es vielen Kandidaten ermöglichte, sich eben nicht an den neuen Standards messen zu lassen. In praktisch jedem Fall werden dann die am schlechtesten vorbereiteten Lehrkräfte für die Arbeit mit den am stärksten benachteiligten Kindern eingesetzt – wodurch eben diesen die Vorteile der Reform und Qualitätssteigerung vorenthalten werden. Umgekehrt haben einige Staaten (der USA) Anreize und Entwicklungsmöglichgkeiten geboten und gleichzeitig Standards erhöht. Auf diese Weise wurde sowohl die Qualität des Unterrichts wie auch die Chancengleichheit erhöht (NCTAF 1996).

Ähnlich unterschiedliche Reaktionen auf die Anstrengungen und Unbequemlichkeiten einer Reform waren im Kontext der Einführung höherer Standards für Lehrerbildungsprogramme zu beobachten: Sobald die NCATE die Standards höher gelegt hatte, wurden alternative Zugangswege installiert, die es dann ermöglichten, dass Schulen ihre bisherige Praxis fortsetzen konnten, ohne sich einer externen Kontrolle anhand professionelle Standards zu unterziehen. Einige Lehrerbildungsinstitutionen haben gemeint, sie könnten ihre je eigenen Standards definieren – und zwar in terms ihrer gegenwärtigen Praxis. Anderer dagegen haben ihre Studiengänge, ihr Personal sowie ihre Lehre aufgewertet und anspruchsvoller gestaltet, um bundesweit gültige Standards zu erfüllen. Letzteres geschah immer dort, wo die jeweiligen Staaten (der USA) darauf insistierten, dass genau dies geschehen müsse.

Eine Umstrukturierung von Rollemustern sowie eine Umverteilung von Ressourcen kann ebenfalls zu Widerständen gegenüber an Standards orientierten Modelle der Lehrerweiterbildung führen, denn "der Versuch, Lehrerweiterbildung an professionellen Standards zu orientieren wurde einen grundsätzlichen Wandel der Balance der Autorität und Kontrolle über die Arbeit von Lehrern und deren Evaluation bedeuten. Es würde auch die traditionellen Methoden der Verteilung von Mitteln für die berufliche Weiterentwicklung verändern" (Ingvarson 1997, S. 6).

Ingvarson nimmt an, dass Arbeitgeber und Universitäten, die traditionell die Mittel und die Entscheidungsgewalt über "professional development" kontrollierten, zunächst sehr zögerlich sein würden bei der Übergabe dieser Mitteln und Entscheidungskompetenz an die Profession selbst. Auch staatliche Stellen würden einer solchen Verlagerung von Entscheidungskompetenz an die Profession selbst kritisch gegenüber stehen. So hat etwa das Council of Chief State School Officers (etwa: Kommission der Obersten Schulbeamten der Bundesstaaten ? –ET) allen Versuchen einzelstaatlicher Institutionen die Unterstützung verweigert, die darauf hinauslaufen, der Profession selbst zur Formulierung von Standards für sich selbst zu autorisieren.

Gleichwohl gibt es Indizien dafür, dass genau dies beginnt. Parallel zu intensiven Bemühungen der Einzelstaaten (der USA) um Standards für die Lehrerbildung zeigen Studien, dass auch das Engagement der Lehrer in Sachen ‚Standards für die eigene Arbeit' zugenommen hat (Darling–Hammond 1997). Bemerkenswerterweise ist das Interesse von Lehrern an Universitätsseminaren zwischen 1994 und 1996 deutlich zurückgegangen, wohingegen die Teilnahme an Lehrerfortbildungen, die auf eine erweiterte Zertifizierung zielten, deutlich gestiegen ist (NEA 1997). Gleichzeitig wurden neuen Formen der Lehrerweiterbildung bzw. der berufsbezogenen Kompetenzsteigerung zwischen Universitäten Schulbezirken und Lehrerverbänden ausgearbeitet, die vielleicht die An– [/S. 74:] zeichen für eine produktivere, synergetische Zukunft des beruflichen Lernens von Lehrern sind.

Eine letzte Barriere sind schließlich die politischen und programmatischen Realitäten, die die gegenwärtigen Praxis stabilisieren. Zu diese Realitäten gehört auch eine geradezu geologische Aufschichtung von Traditionen, die den Lehrplan und das Unterrichten ebenso bestimmen wie auch die Normalitätserwartungen an Unterrichtsprogramme, Absolventen von Lehrerbildung und erfahrene Lehrer. Wenn neue Konzepte und Programme auftauchen, werden nur in den seltensten Fällen alte offiziell und wirklich beendet. Diese widerstrebenden und widerständigen Kräfte müssen zunächst identifiziert werden, bevor man sie angehen kann; nur durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten ist die festgefahrene Struktur zu ändern.

 

5. Zusammenfassung

Neuere Standards für das Unterrichten versprechen die Aussicht auf eine Reform der Laufbahn von Lehrern und können dazu beitragen, das Lernen im Beruf neu zu ordnen. Der Wert professioneller Standards liegt zum einen in ihrer Authentizität – d.h. in ihrer Fähigkeit, der Komplexität der Interaktionsgeschehens zwischen Lehrern und Schülern, zwischen Inhalten und Kontexten gerecht zu werden. Zum anderen befördert die partizipatorische Struktur der dazugehörigen Beurteilungssysteme eine breitere Wissensentwicklung innerhalb der Profession. Generell wird dadurch die Etablierung von allgemein geteilten Normen gefördert, weil Unterrichten damit öffentlich und kollegial wird (anstatt wie bisher geheim/abgeschottet und individualisiert/vereinzelt durchgeführt zu werden). Standards für das Unterrichten in Verbindung mit Standards für die Lehrerbildung könnten schließlich eine gewisse Struktur und Kohärenz in das fragmentierte, chaotische System des gegenwärtige wohl eher zufälligen beruflichen Lernens von Lehrern bringen.

Standards für den Lehrerberuf sind kein Wundermittel. Sie können nicht die Probleme dysfunktionaler Schulorganisation, überalterter Lehrpläne, ungleichgewichtiger Ressourcenallokation oder fehlender sozialer Unterstützung von Kindern und Jugendlichen lösen. Wie alle Reformen, so bergen darüber hinaus auch Standards bestimmte Gefahren. Die Definition von Standards in allen Professionen muss der Gefahr begegnen, dass die berufliche Praxis durch die Kodifizierung von Wissen eingeschränkt wird und dadurch legitime Diversität im Feld sowie auch neue Erkenntnisse unterdrückt werden, dass die Zugänge zum Beruf über Gebühr durch Faktoren erschwert werden, die mit der beruflichen Kompetenz selbst nichts zu tun haben, oder dass schließlich die Voraussetzungen und Chancen zur Erfüllung dieser Standards ungleich verteilt sind. Obwohl zahlreiche Dilemmata existieren und manche Barriere überwunden werden muss, geben die entsprechenden Anstrengungen von Pädagogik und Bildungsadministration Anlass zu der Hoffnung, dass die neuen Standards für das Unterrichten einen wichtigen Beitrag für die Erziehung der Erzieher leisten – für solche Erzieher, die auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereitet sind. [/S. 75:]

 

Anmerkungen zum Anhang

(1) Die Bezeichnung Auszubildende bezieht sich auf Personen,
die Lehrer werden wollen, auf Lehrer, die sich beruflich weiterentwickeln wollen,
und auf solche Personen, die sich auf neue Funktionen im Schulbereich vorbereiten,
wie Schulleiter, Schulpsychologen, Spezialisten für Medien in Schulen etc.

(2) Institutionenstandards werden im Programm der Einrichtung
dargelegt und begründet und schliessen die Ergebnisse/Leistungen von Auszubildenden
ein.

 

Literatur zum Anhang

Darling-Hammond, L. (1997): Doing what matters most: Investing in Quality Teaching. New York: National Commission on Teaching and America's Future.

Darling-Hammond, L./Pittmann, K.J./Ottinger, C. (1988): Carreer Choices for Minorities: Who will teach? Paper prepeared for the National Education Association/Chief State School Officers Task force on Minorities in Teaching.

Ingvarson, L.(1997): Teaching Standards: Foundations for Professional Development Reform. Clayton, Victoria, Australia: Monash University.

NCTAF = National Commission on Teaching and America's Future (1996): What matters most: Teaching for America's Future. New York: Teachers College, Columbia University.

NEA = National Educational Association (1997): Status of the American Public School teacher, 1995-96. Washington, D.C.

Sedlak, M./Schlossman, S. (1986, Nov.): Who will teach? Historical perspectives on the changing Appeal of Teaching as a Profession (R-3472). Santa Monica, CA: The RAND Corporation.

Sykes, G. (1990): Sources of Justification for Knowledge Claims in Teaching. In: The Assessment of Teaching: Selected Topics. Amherst, MA: National Evaluation Systems, S. 11-29.

Wilson, S.M/Ball, D.L. (1996): Helping Teachers meet the Standards: New Challenges for Teacher Education. In: The Elementary School Journal 97(1996), S. 121-138.

 
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