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Startseite > Lehrer(aus)bildung und ökonomische Bildung > Beiträge 1 - Struktur und Perspektiven der Lehrer(aus)bildung > Terhart, Ewald (2002): Standards für die Lehrerbildung. Eine Expertise für die Kultusministerkonferenz > 3. Standards für die Lehrerbildung als Kriterien der Evaluation

3. Standards für die Lehrerbildung als Kriterien der Evaluation

Im Folgenden wird nach Standards für ausgebildete Personen, Standards für Institutionen der Ausbildung sowie drittens Standards für dasjenige Steuerungssystem differenziert, das für Lehrerbildung zuständig ist. Für jede dieser drei Ebenen sind spezifische Standards zu formulieren; ebenso sind unterschiedliche Evaluationsinstrumente anzusetzen.

 

3.1 Standards für die ausgebildeten Lehrer (Absolventenstandards)

In der ersten, universitären Phase der Lehrerbildung sollten bei den Studierenden bzw. Absolventen folgende Ziele erreicht werden:

  • Wissensbasis für und über das spätere Berufsfeld,
  • Reflexionsfähigkeit über Sachthemen, aber auch über die eigene Person in Verbindung mit den Anforderungen des beruflichen Feldes,
  • Kommunikationsfähigkeit über Inhalte, Strukturen und Probleme des unterrichtsfachlichen, pädagogisch–didaktischen und schulbezogenen Bereichs, sowie
  • Urteilsfähigkeit angesichts pädagogischer Handlungsprobleme und Entscheidungsfragen.

Diese vier hier nur formal abgegrenzten Kompetenzen werden als aufeinander aufbauend betrachtet (Stufen–Modell).

Die zweite Phase im Studienseminar (Referendariat) baut hierauf auf und schließt sich an. Hinsichtlich der hierauf bezogenen Personenstandards lässt sich folgende Aufgabe formulieren:

Entwicklung und Erprobung der eigenen beruflichen Handlungs– und Reflexionsfähigkeit

  • bei der Planung, Durchführung und Auswertung des eigenen Unterrichts
  • bei der Erarbeitung eines breiten, fachbezogenen ebenso wie fachverbindenden Methodenrepertoirs
  • hinsichtlich der Erfassung spezifischer Lernbedürfnisse von Schülern
  • bei der Kooperation mit Kollegen zum Zweck der Unterrichts– und Schulentwicklung
  • bei der Kommunikation und Beratung von Eltern
  • bei der Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen [/S. 30:]
 

3.1.1 Am Ende der Ersten Phase

Für die 1. Phase sind (mit Blick auf Personenstandards) folgende vier Bereiche von Bedeutung:

(1) Ein solides systematisch, methodisch und wissenschaftsgeschichtlich gestütztes Wissen in den und über die Unterrichtsfächer(n) ist eine conditio sine qua non. Dies gilt für alle Lehrämter und alle Fächer – die Grundschullehrerbildung steht somit keineswegs zurück, da sie ebenfalls eine spezifische wissenschaftsbasierte Fachlichkeit aufweist. Dabei ist das Disziplinen– bzw. Fächerwissen, das die Universität an Lehramtsstudierende vermittelt, deutlicher als bisher auf die Horizonte der schulischen Lehrpläne zu beziehen. Zugleich sollte nicht nur ein solides Fachwissen innerhalb des jeweiligen Faches, sondern auch der Blick von außen auf die Disziplin und das Fach vollzogen werden (Geschichte und Entwicklung, grundlegende Erkenntnis- und Methodenprobleme, Verknüpfung mit anderen Disziplinen, gesellschaftliche Bedeutung und Vermittlung des Faches etc.); diese letztgenannten Punkte sind übrigens nicht nur für die Lehramtsstudierenden dieses Faches von Bedeutung, sondern für alle Studierende dieser Disziplin. Die Disziplinen bzw. Fächer selbst sollten sich viel stärker als bisher in die Diskussion um die Lehrerbildung und deren Inhalte und Standards einmischen. Dabei wäre es ein falscher Weg, wenn die Disziplinen/Fächer die Angebote für die zukünftigen Lehrer gänzlich aus dem Angebot für ihre Hauptfachstudierenden (Diplom, Magister etc.) ausgliedern, also gewissermaßen bereits in der Universität eine vereinfachte Variante bieten: Die lehramtsbezogenen Veranstaltungen sollen – auf der Basis einer Verständigung über das für den (jeweiligen) Fachunterricht Notwendige und Sinnvolle – in großen Teilen, insbesondere bei den Grundlagen, mit den Hauptfachstudiengängen verknüpft sein.

Es ist eines der schon traditionellen und ganz großen Defizite der Diskussion um die Lehrerbildung, dass die wissenschaftlichen Disziplinen bzw. die Schulfächer – beides ist natürlich nicht identisch – sich in dieser Debatte so stark zurückhalten. Sie sollten sich allerdings allmählich selbst fragen, wie lange sie sich dieses Schweigen noch leisten wollen und können. Dabei ist nicht nur an die Tatsache zu erinnern, dass in sehr vielen Universitätsdisziplinen bzw. Fachbereichen große Teile der Personalkapazität nur deshalb vorhanden sind, weil es Verpflichtungen in der Lehrerbildung gibt. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Disziplinen selbst – ganz unabhängig von der Lehrerbildung – sich dem Problem der Vermittlung ihrer Erkenntnisse, Probleme und Chancen in die Öffentlichkeit hinein mehr Aufmerksamkeit widmen sollten. Auch im Rahmen der Erprobung konsekutiver Lehrerbildung (Bachelor/Master–Strukturen) dürfen die Fächer nicht aus der Verantwortung für diese Aufgaben entlassen werden; sowohl in der Bachelor–Stufe sind deshalb Bereiche vorzusehen, die einen reflexiven Rückbezug auf [/S. 31:] Fächer und ihre Grenzen, auf fächerverbindende und fächerunabhängige Kompetenzen, auf Argumentations– und Vermittlungskompetenz etc. abzielen.

(2) Im Bereich des erziehungswissenschaftlichen und schulpädagogisch-didaktischen Wissens ist die tatsächlich erreichbare Wirkung immer vergleichsweise bescheiden anzusetzen; das erziehungswissenschaftliche Studium nimmt je nach Bundesland schließlich nur zwischen 5 % und ca. 20 % des Gesamtvolumens eines Lehramtsstudiengangs ein. Wenn es gelingt, als Ergebnis dieser teilweise nur 8 SWS, z.T. aber auch 32 und mehr SWS Absolventen zu bekommen, die etwas über Theorie und Geschichte der Schule wissen, die aktuelle bildungspolitische Kontroversen einzuordnen vermögen, die Lern–, Entwicklungs– und Sozialisationstheorien kennen, denen die Lern– und Entwicklungsprobleme von Kindern und Jugendlichen nicht fremd sind, die sich in den Didaktiken auskennen, um die Problematik der Leistungsbeurteilung wissen und mit Ergebnissen der empirischen Unterrichtsforschung etwas anfangen können – wenn alles dies regelmäßig tatsächlich erreicht werden könnte, wäre verglichen mit dem jetzigen Stand schon viel erreicht. Keineswegs jedoch kann man erwarten, dass das erziehungswissenschaftliche Studium innerhalb der universitären Lehrerbildung (1. Phase) den Absolventen gewissermaßen berufsfertig entlässt.

(3) Ein ganz wichtiger Standard universitärer Lehrerbildung lautet: Ein Absolvent muss fachdidaktisch analysieren und argumentieren können. Er muss dazu in der Lage sein, sein Fach bzw. seine Fächer unter dem Gesichtspunkt der Lehrbarkeit und Lernbarkeit – auch unter dem Gesichtspunkt von Lernschwierigkeiten bei Schülern sowie unter dem Gesichtspunkt der Fächergrenzen und deren Überwindung – zu erörtern. Während das fachbezogene Wissen sich lediglich auf zu vermittelnde Inhalte und deren Hintergründe bezieht, und das in die Lehrerbildung eingebaute erziehungswissenschaftliche Wissen ‚inhaltsneutral' und eher allgemein auf Probleme und Prozesse des Schulsystems, des Unterrichts und des Lehrerberufs abhebt, bietet das Feld der Fachdidaktik die Möglichkeit einer Verschränkung von inhalts– und prozessbezogener Perspektive. Genau dies ist ein zentrales Element innerhalb der Lehrerkompetenz.

Um dies in der 1. Phase anbahnen und erreichen zu können, muss die Fachdidaktik einen angemessenen Platz innerhalb des Lehrerbildungscurriculums erhalten (s.u.). Dies kann am Ende der ersten Phase noch nicht vollständig unterrichtspraktisch durchdekliniert sein; gleichwohl wird jede zukünftige Lehrerbildung diesen fachdidaktischen Standard ernster nehmen müssen als bislang. Auch dies gilt unabhängig von der Frage: konsekutiv oder grundständig!

(4) Schließlich: Ein Absolvent der 1.Phase sollte dazu in der Lage sein, seine Berufswahl auch vor dem Hintergrund von praktischen Erfahrungen während schulpraktischer Studien zu reflektieren und zu vertreten. Die Erfahrung der eigenen Person in der Schu– [/S. 32:]le, mit Kindern und Heranwachsenden, mit Eltern und Kollegen ist ein wichtiges Element innerhalb der studentischen Sozialisation. Schulpraktische Studienelemente sind dabei nicht schon ‚an sich' positiv – etwa in dem Sinne, dass diejenige Lehrerbildung die beste ist, die die meisten Praktika enthält: Es kommt nicht darauf an, schon im Studium das Einsozialisieren in bestehende Berufsroutinen und –kulturen anzubahnen oder zu ‚üben', sondern es muss darum gehen, neben der Erprobung der eigenen Person den kritisch–reflektierenden Blick sowohl auf die bislang im Studium vermittelten Inhalte wie auch auf die in der Praxis angetroffene Realität zu entwickeln. Zielperspektive kann das ‚forschende Lernen' sein. Inwieweit es tatsächlich dazu kommt, und inwieweit die Lehrenden in den Fachdidaktiken wie in den am erziehungswissenschaftlichen Studium beteiligten Disziplinen dies anzuleiten bereit und in der Lage sind – auch dies wird eine interessante Frage für die Evaluation sein.

Standards für die ausgebildeten Lehrer (Absolventenstandards):

Die Standards für die ausgebildeten Lehrer werden getrennt für die 1. und 2. Phase ausgewiesen. Sie orientieren sich einerseits an bestimmten inhaltlichen Bereichen (senkrechte Achse) und andererseits an unterschiedlichen Ebenen (Stufen) der Kompetenz (waagerechte Achse):

1. Phase:

Bereiche Wissen Reflexion Kommunikation Urteil
Unterrichtsfächer XXX XX XXX XX
Fachdidaktiken XXX XXX XXX XX
Erziehungswissenschaften XXX XXX xxx xx
Schulpraktische Studien xx xxx xxx xx

 

Für diese vier Bereiche (Unterrichtsfächer, Fachdidaktiken, Erziehungswissenschaften, Schulpraktische Studien) werden jeweils Standards formuliert: [/S. 33:]

 

10 Standards für die Unterrichtsfächer(17)

  1. Allgemeine Struktur der Disziplin
  2. Zentrale Konzepte und Inhalte der Disziplin
  3. Zusammenhänge und Querverbindungen der Inhalte
  4. Sich bewegen Können in den Strukturen/Inhalten der Disziplin
  5. Forschungsmethoden der Disziplin
  6. Ausgewählte Spezialisierungen/Vertiefungen
  7. Geschichte, Erkenntnisprobleme und Erkenntnisgrenzen der Disziplin
  8. Ausgewählte Themen und Probleme an der Forschungsfront der Disziplin
  9. Verbindungen zu anderen Disziplinen (Inter–/Transdisziplinarität)
  10. Bedeutung/Vermittlung der Disziplin für/an außerwissenschaftliche Kontexte

10 Standards für die Fachdidaktiken

  1. Verhältnis zwischen wissenschaftlicher Disziplin und Unterrichtsfach
  2. Legitimation und Bedeutung des Faches als Schulfach
  3. Geschichte des Schulfaches
  4. Aufbau und die Inhaltlichkeit des fachspezifischen Lehrplans
  5. Fachdidaktische Konzeptionen und fachdidaktische Lehr–Lern–Forschung
  6. Schulbücher/Unterrichtsmaterial/Informationstechnologien im Fach
  7. Lernen und Lernschwierigkeiten von Schülern in diesem Fach
  8. Leistungsbeurteilung und Lernförderung im Fach
  9. Methodische Formen/Lehr–Lern–Formen in diesem Fach
  10. Verknüpfung des Faches mit anderen Fächern

10 Standards für das erziehungswissenschaftliche Studium

  1. Menschenbilder/Bildungstheorien/Erziehungsprozesse
  2. Lernen, Entwicklung und Sozialisation im Kindes– und Jugendalter
  3. Schule und Schulsystem
  4. Unterricht als Vermittlungs– und Interaktionsprozess
  5. Lernstrategien und Lernmethoden für Schüler [/S. 34:]
  6. Lerndiagnostik und Lernförderung
  7. Lernschwierigkeiten, Heterogenität, Leistungsbeurteilung
  8. Kooperation mit: Kollegen, Eltern, außerschulischen Institutionen
  9. Schul- und Unterrichtsentwicklung
  10. Lehrerberuf und Professionalität

5 Standards für die schulpraktischen Studien
  1. Erfahrung der eigenen Person im schulischen/unterrichtlichen Kontext
  2. Reflektion auf die eigene Berufswahlentscheidung
  3. Verknüpfung von Studieninhalten und den Erfahrungen während der schulpraktischen Studien
  4. Grundformen und –methoden der Lehrerforschung (forschendes Lernen, teacher research)
  5. Einbringen der Erfahrungen aus schulpraktischen Studien in das weitere Lehrerstudium
 

3.1.2 Am Ende der Zweiten Phase

3.1.2 Am Ende der Zweiten Phase

Bereiche Wisen Reflexion Urteil Können
Kompetenz in den Unterrichtsfächern X XX XXX XXX
Kompetenz in fachdidaktischer Hinsicht X XX XXX XXX
Kompetenzen in pädagogischer Hinsicht X XX XXX XXX
Kompetenzen in Schul–/Unterrichtsentwicklung X XX XXX XXX

 

10 Standards für die Absolventen der 2. Phase:

  1. Unterrichts–/Klassenführung
  2. Unterrichtsplanung (Halbjahre, Unterrichtseinheiten, Stunden) [/S. 35:]
  3. Beurteilung, Diagnose und Förderung
  4. Einsatz eines breiten Methodenrepertoires
  5. Einsatz neuer Informationstechnologien
  6. Überprüfung der eigenen Arbeit (Selbstevaluation)
  7. Selbstbild und Selbstentwicklung als Lehrer
  8. Formelle und informelle Fort– und Weiterbildung
  9. Berufliche Belastung und ihre Bewältigung
  10. Kooperation mit Kollegen/Schulentwicklung
 

3.1.3 Möglichkeiten der Evaluation

Damit sind personenbezogene Standards benannt, die am Ende der ersten und zweiten Phase erfüllt sein sollten. Entscheidend ist, ob man Modalitäten des Evaluierens/Prüfens findet, die es erlauben, das Vorliegen bzw. auch den relativen Grad des Vorliegens dieser Standards zu ermitteln.

Hinsichtlich einer Erfassung der Ergebnisse der 1.Phase im Bereich der erziehungswissenschaftlichen Studien liegen einige wenige punktuelle Forschungen vor.(18) Eine (nicht repräsentative) Studie über die u.a. auf das erziehungswissenschaftliche Begleitstudium bezogenen Lesegewohnheiten von Wigger (2000; Keiner 2000) bringt eher deprimierende Ergebnisse. Befragungen von Absolventen zur Einschätzung der Qualität und des Wertes ihrer Ausbildung sind nicht unwichtig, unterliegen jedoch starken Verzerrungen. Evaluation von Ausbildung muss mehr sein als eine nachgängige Befragung von Absolventen zu Erfahrungen und Wert der Ausbildung: Die tatsächlich erworbenen Kompetenzen müssen – an Standards orientiert – erfasst werden.

Der aktuellste und am weitesten ausgearbeitete Versuch einer solchen Evaluation der erziehungswissenschaftlichen Studienanteile wird derzeit von A. Nolle an der Universität Dortmund (Institut für Schulentwicklungsforschung) durchgeführt (Dissertation): Erfasst werden Lehramtsstudierende der Universitäten Bremen (n=26), Dortmund (287), Leipzig (309) und Erlangen–Nürnberg und Bamberg (n=264). Somit lagen insgesamt 886 auswertbare Fragebögen vor. Einschränkend muss angemerkt werden, dass es [/S. 36:] sich um eine Befragung von Studierenden handelt; 508 der Befragten befanden sich noch im Grundstudium! Insofern kann man nicht von einer Analyse der Wirkungen des erziehungswissenschaftlichen Studiums sprechen; es handelt sich vielmehr um eine Befragung der Teilnehmer während des Prozesses der Lehrerbildung zum erziehungswissenschaftlichen Ausschnitt des Lehramtsstudiums. Darüber hinaus erfolgt diese Evaluation nicht mit Blick auf vorab definierte Standards (also gewissermaßen ‚lernzielorientiert'), sie erfolgt vielmehr als eine Erfassung des Zustandes, die erhaltene Verteilungen (Durchschnitte, Abweichungen etc.) zeigt (also gleichsam ‚durchschnittsorientiert').

Hinsichtlich der Vorgehensweisen bei der Überprüfung des Grades der Erreichung von Standards sind – bei der Personenevaluation – verschiedene Formen praktikabel und praktiziert worden:

Vier Stufen einer an Standards orientierten Evaluation
  1. Selbsteinschätzung: Die Personen geben selbst an, wie weit sie ihrer Selbsteinschätzung zufolge die Standards erfüllen. Vorteil: Einfache Durchführung; Nachteil: äußerst unsichere Informationsbasis
  2. Testverfahren: Die Personen werden durch geeignete diagnostische Instrumente hinsichtlich ihrer Wissens–, Reflexions– und Urteilskompetenzen erfasst. Vorteil: Unabhängigkeit der Information von der Selbstdeutung; Nachteil: hoher testdiagnostischer Aufwand in Vorbereitung, Durchführung und Auswertung; in Deutschland praktisch keine Vorerfahrung.
  3. Beobachtung und Beurteilung: Die Personen werden in ihrem beruflichen Handeln von Schulleitern, Ausbildern, Kollegen (peers) o.ä. beobachtet und beurteilt, inwieweit sie Standards erfüllen. Hierbei sollten auch von den zu evaluierenden Personen erstellte Portfolios Berücksichtigung finden.
  4. Lernleistung/Erfahrung der Schüler: Anhand der Befragung von Schülern und/oder der Ermittlung von Schülerleistungen wird ermittelt, welche Lehrer die Standards am deutlichsten erfüllen. Allerdings: Unsichere Wirkungskette zwischen Lehrerkompetenz, Lehrerhandeln und Schülerlernen/ Schülererfahrung. Wie erwähnt wird in dieser Expertise diese Evaluationsform noch nicht anvisiert.

Diese vier Formen einer an Standards orientierten Evaluation (auf der Personenebene) sind auf einer Skala von einfach/wenig aussagekräftig bis anspruchsvoll/sehr aussagekräftig anzuordnen; sie stellen Stufen dar. Die Selbsteinschätzung, die bislang dominierte, auch noch in der Schweizer Studie, sollte in dem angestrebten Evaluationen keines– [/S. 37:] wegs die alleinige Basis sein – sie sollte sogar weitgehend minimiert werden. Die zweite Stufe – testdiagnostische Verfahren (Papier und Bleistift) sollte dominieren, da mit ihr aussagekräftigere Informationen gewonnen werden können. Sie sollte aber – zumindest punktuell – durch Beobachtungs–/Beurteilungsverfahren mit Blick auf das berufliche Handeln ergänzt werden; dies in einem quantitativ begrenzten Rahmen. Die vierte Stufe – Erfassung der Wirkungen bei Schülern – halte ich, wie oben bereits dargelegt, angesichts der immensen theoretischen und methodischen Probleme, des sehr hohen Aufwandes und der am Ende nicht präzise zu ermittelnden Zusammenhänge zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht opportun: Der ungewöhnlich hohe Aufwand stünde in keinem Verhältnis zum unsicheren Ertrag.

Insofern besteht die Aufgabe bei der Personenevaluation darin, die Standards weiter zu konkretisieren und auf dieser Basis dann sowohl geeignete diagnostische Instrumente zu entwickeln wie auch entsprechende ergänzende Beobachtungsverfahren. Wenn sich dann etwa zeigen ließe, dass – richtig konstruiert und durchgeführt – diagnostische Verfahren zuverlässig zu ähnlichen Ergebnissen kommen wie Beobachtungsverfahren, so könnte man auf letztere – da aufwendig – verzichten. Genau dies aber muss vorher erprobt werden.

 

3.2 Standards für Ausbildungsinstitutionen

Standards betreffen nicht nur auszubildende Personen, sondern auch diejenigen Institutionen, die deren Ausbildung zu organisieren haben. Ich differenziere dabei nach

  1. Institutionen der 1. Phase
  2. Institutionen der 2. Phase
  3. Prüfungs– und Einstellungsmodalitäten
 

3.2.1 Institutionen der Ersten Phase

Eine Universität, in der Lehrerbildung stattfindet, sollte folgende Standards erfüllen (vgl. dazu bereits die "Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland"; Terhart 2000):

  • Sie benötigt ein institutionell möglichst hoch angesiedeltes Zentrum für Lehrerbildung, in dem die Belange der Lehrerbildung quer über die Fakultäten hinweg zentral vertreten und organisiert werden und in dem – neben anderen Aufgaben – auch die Unterstützung von Forschung in der bzw. zur Lehrerbildung erfolgt. Ein solches Zentrum kann unterschiedlich benannt sein – es sollte jedoch immer der gesamtuniversitären Aufgabe der Lehrerbildung eine organisatorische Absicherung (Quer– [/S. 38:] struktur) geben. In einem solchen Zentrum sollten v.a. auch Vertreter der Fächer/Fachdidaktiken möglichst breit und massiv vertreten sein. Die am erziehungswissenschaftlichen Studium beteiligten Disziplinen sollten natürlich ebenfalls vertreten sein – das Hauptgewicht sollten aber die Fächer und Fachdidaktiken bilden – eben weil ihnen das Hauptgewicht in der Lehrerbildung zukommt.
  • Sie benötigt in den Fakultäten, die die Ausbildung in den Fachwissenschaften wahrnehmen, eine Entscheidungsinstanz, die semesterweise die Studierbarkeit des jeweiligen Lehramtsfaches am Lehrangebot prüft und gegebenenfalls auf Defizite aufmerksam macht. Existiert in den Fakultäten/Fachbereichen eine allgemeine Lehrplankommission, so hat diese gesondert und neben der Prüfung der Angebote für die nicht–lehramtsbezogenen (Hauptfach)Studiengänge das Lehrangebot im Lehramtsstudiengang bzw. in den Lehramtsstudiengängen zu prüfen.
  • Da unterschiedliche Disziplinen am erziehungswissenschaftlichen Studium beteiligt sind, benötigt eine Universität mit Lehrerbildung eine analoge Entscheidungsinstanz für das erziehungswissenschaftliche Studium, damit dort ein klares Curriculum entsteht und von Lehrenden wie Lernenden eingehalten wird. Die Lehrplankommission für das erziehungswissenschaftliche Studium besteht zur Hälfte aus Mitgliedern des Faches Erziehungswissenschaft.
  • Sie benötigt eine hinreichende Zahl von Fachdidaktikprofessuren zur Sicherstellung einer forschenden Fachdidaktik, die über Unterrichtslehre hinauszugehen hat. In sehr kleinen Fächern können fächerübergreifende Professuren eingerichtet werden; in solchen Fällen sind Kooperationen zwischen geeigneten Universitätsstandorten ebenfalls denkbar.
  • Sie benötigt ein verabredetes und mit den sog. "Hauptfachstudiengängen" (Diplom, Magister) verzahntes Kerncurriculum für die Lehrerbildung. In diesem sind zusammenhängende größere Studieneinheiten (Module) definiert, die kreditiert und zertifiziert werden. Hiermit kommt auf alle an der Lehrerbildung beteiligten Disziplinen eine äußerst schwierige Aufgabe zu: Es müssen sowohl die Gemeinsamkeiten aller Studierenden dieser Disziplinen (unabhängig von ihrem Studiengang/ Berufsziel) als auch – auf einer gemeinsamen (polyvalenten) Basis – die berufsfeldspezifischen (professionellen) Differenzen markiert und in curriculare lehrerbildung gebracht werden. Ein m.E. wichtiger Qualitätsstandard für ein Kerncurriculum Lehrerbildung ist es, dass erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Lehrangebote in Module miteinander teils integrativ, teils kooperativ–ergänzend organisiert werden. Institutionell sollten die Fachdidaktiken jedoch weiterhin bei ihrer jeweiligen Bezugsdisziplin angesiedelt bleiben.
  • Sie benötigt eine Verabredung, auf deren Basis die Aufgaben, Belastungen etc. der Lehrerbildung im universitätsinternen System der Mittelallokation (kriterienorientierte Mittelvergabe) angemessen berücksichtigt werden. Damit ließe sich verhin– [/S. 39:] dern, dass Universitäten und Fakultäten zwar Geld für Lehrerbildung und Lehramtsstudierende bekommen, dieses Geld aber nicht dort ‚ankommt‘.

Solche Qualitätsmerkmale für Lehrerbildungsinstitutionen (hier: 1. Phase) werden aber vermutlich nur entwickelt werden und lassen sich hinsichtlich ihrer Erfüllung nur evaluieren, wenn auch die leitende Instanz für das Gesamtsystem Lehrerbildung spezifische Standards erfüllt. Das bedeutet schlicht: Auch Bildungsministerien bzw. hier: die in ihnen für Lehrerbildung verantwortlichen Abteilungen und Gruppen müssen selbst Standards erfüllen (s.u.)!

Fragen an die Institutionen der 1. Phase:

  1. Hat die Universität eine Querstruktur aufgebaut, die die Belange der Lehrerbildung inneruniversitär und nach außen vertritt?
  2. Existiert ein Zentrum für Lehrerbildung (oder Äquivalent)?
    1. in welcher Personalstärke?
    2. in welcher inhaltlichen Ausgabe?
    3. in welcher rechtlichen Konstruktion?
  3. Wird inneruniversitär und/oder in den Fachbereichen deutlich gemacht,
    1. wie hoch der Anteil an Lehramtsstudierenden ist?
    2. welcher Anteil des Personals/der Lehrkapazität sich dem Vorhandensein von Lehrerbildung verdankt?
  4. Wie hoch ist die Abbrecherquote innerhalb der einzelnen Lehramtsstudiengänge?
    1. Werden die Gründe erfasst?
    2. Welche Gründe gibt es für diese Quote?
  5. Sind Kerncurricula für die Lehrerbildung
    1. in den Fächern/und der Fachdidaktik
    2. im erziehungswissenschaftlichen Studium
    erarbeitet worden?
  6. Wird in den Fachbereichen geprüft, ob das Angebot den im Kerncurriculum ausgewiesenen Anforderungen entspricht?
  7. Wie sieht der Verfahrensweg aus,
    1. wenn Angebote geändert werden müssen?
    2. wenn es in diesem Kontext Konflikte gibt?
  8. Liegen Praktikumsordnungen vor?
  9. Legt das Praktikumsbüro regelmäßig Berichte vor?
  10. Wie wird die Eingliederung schulpraktischer Studien in den Studienverlauf sichergestellt? [/S. 40:]
  11. Existieren Einführungen in Methoden der schulnahen Lehrerforschung (teacher research)?
  12. Werden aus Seminaren heraus je individuelle Explorations– und Forschungsaufgaben für schulpraktische Studien entwickelt?
  13. Werden Praktikumsportfolios/Praktikumsberichte erstellt?
  14. Werden Schulpraktiker (Lehrkräfte, Schulleiter) an den schulpraktischen Studien begleitend mitbeteiligt?
  15. Werden gemeinsame Auswertungen zwischen Praktikant, schulischem und universitärem Betreuer durchgeführt?
  16. Gibt es eine Studienberatung auf der Basis der Praktikumserfahrungen und –ergebnissen? Existiert eine spezielle Prüfungsberatung (ggf. in Verbindung mit Examenscolloquia)?
  17. Gibt es Ansätze für eine Weiterbildung des Personals innerhalb der Lehrerbildung?
  18. Existiert ein System der internen und externen Evaluation in den Fachbereichen für die Lehrerbildung insgesamt?
  19. Wie steht es um die Kooperation mit dem Staatl. Prüfungsamt?
  20. Wie steht es um die Kooperation mit Institutionen der 2. Phase?
  21. Wird den Hintergründen/Ursachen für Studienabbruch nachgegangen?
  22. Wird die Belastung und Leistung innerhalb der Lehrerbildung bei der kriterienorientierten Mittelvergabe mitberücksichtigt?
  23. Wenn ja: in welcher Weise/mit welchem Gewicht ?
  24. Werden die Absolventen von Lehramtsstudiengänge (I. Staatsexamen) in irgendeiner Weise erfasst? Wird eine Entlassungsfeier durchgeführt?
  25. Wie groß ist die Beachtung, die der Lehrerbildung de facto innerhalb der Universität zukommt?
 

3.2.2 Institutionen der Zweiten Phase

Die Institutionen und Programme der zweiten Phase unterliegen einer ähnlich starken Kritik wie diejenigen der ersten Phase; jedenfalls wäre es inadäquat, bei der Evaluation von Lehrerbildung immer nur die Universitäten im Blick zu nehmen. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Aufgaben müssen die Anforderungen an Institutionen der zweiten [/S. 41:] Phase anders geartet sein als diejenigen für die erste Phase. Wendet man die Kritik an der zweiten Phase konstruktiv, so lassen sich folgende Anforderungen benennen (vgl. dazu auch die "Perspektiven der Lehrerbildung in Deutschland"; Terhart 2000):

  • Die Lehr– und Lernformen innerhalb der Studienseminare müssen einen höheren Anteil an selbstständigem und selbstorganisiertem Lernen beinhalten. Die Prinzipien des beruflichen Lernens von Erwachsenen müssen stärker zum Zuge kommen.
  • Die inhaltliche und personelle Verknüpfung zwischen dem Lernort Studienseminar und dem Lernort Schule muss intensiviert werden.
  • Die zweite Phase muss den Erstfallsituationen bzw. –perioden schaffen (eigenverantwortlicher Unterricht); eine allzu weitgehende Belastung durch eine Verrechnung dieses Unterrichts als "bedarfsdeckend" sollte jedoch vermieden werden. Falls dies nicht erreicht bzw. der bedarfsdeckende Einsatz noch ausgeweitet wird, sollte man ehrlicherweise statt vom Referendariat von einer "Berufseingangsphase" (früher: "Junglehrer" o.ä.) sprechen.
  • Die Qualifizierung, Rekrutierung und Weiterbildung des Ausbildungspersonals sollte dringend verbessert werden. Ausbilder müssen aus– und weitergebildet sein; diese Positionen sollten sowohl attraktiv gestaltet wie auch (zunächst) immer nur auf Zeit vergeben werden. Quereinsteigern aus anderen Berufsfeldern als der Schule sollte ein Zugang ermöglicht werden.
  • Die Beurteilung der Entwicklung von Referendaren sollte während des Referendariats kontinuierlich dokumentiert werden; am Ende sollten – zusätzlich zur Examensnote – personenbezogene Stärken/Schwächen–Profile erstellt werden.
  • Institutionen der Zweiten Phase sollten eine kontinuierliche Selbstevaluation betreiben.

Fragen an die Institutionen der 2. Phase:

  1. Gibt es zu Beginn Einführungsveranstaltungen?
  2. Wird den Referendaren ein detaillierter Ausbildungsplan vorgelegt?
  3. Wie erfolgt die Zuordnung zu Schulen/Mentoren?
  4. Wie ist die Zusammenarbeit Schule/Seminar organisiert?
  5. Sind Beurteilungskriterien transparent?
  6. Gibt es klare Absprachen über Standards zwischen den beurteilenden Personen?
  7. Wie ist das Verhältnis von individueller/kollektiver Beratung?
  8. Werden Referendare in die Entscheidungen des Seminars mit einbezogen?
  9. Gibt es Lösungen für spezifische (persönliche) Problemfälle? [/S. 42:]
  10. Was geschieht bei Konflikten zwischen Beteiligten?
  11. Welche Formen der Selbstorganisation der Referendare gibt es?
  12. Welche Kontakte zur 1. Phase bestehen?
  13. Welche Kontakte zur 3. Phase bestehen?
  14. Wie sieht die Rekrutierung der Seminar– und Fachleiter sowie der betreuenden Lehrer (Mentoren) aus?
  15. Wie sieht es mit der Weiterbildung der Seminar- und Fachleiter sowie der betreuenden Lehrer (Mentoren) aus?
  16. Werden Quereinsteiger aus anderen Bildungsbereichen als Ausbilder eingesetzt?
  17. Existiert ein internes Monitoring/Evaluationsverfahren?
 

3.2.3 Prüfungen und Einstellungen

Prüfungen: Die Praxis der Lehramtsprüfungen ist bislang vollkommen unerforscht. Ebenso sind die Einstellungsmodalitäten noch keiner genaueren Analyse unterzogen worden. Dies mag einerseits erstaunlich vorkommen – andererseits werden diese Bereiche/Stationen innerhalb der Berufsbiographie von Lehrern als administrative Schaltstellen betrachtet, denen man eine rechtliche Form und einen Verwaltungsablauf zuordnen muss. Das ‚Wissen' über diese Prozeduren, ihre alltäglichen Abläufe, ihre Konflikte und Kuriositäten steht gewissermaßen in den Wissenschaftlichen Landesprüfungsämtern für die Lehrämter (wohl eher implizit) zur Verfügung. Am Ende der 1. Phase prüfen Universitätsangehörige (im Beisein von Vertretern der Schuladministration) in ihrer Rolle als ernannte Mitglieder des Prüfungsamtes. Am Ende der 2.Phase prüfen Fachleiter, Seminarleiter, Ausbildungslehrer und (z.T.) Schulleiter. Art, Zahl, Umfang, Reihenfolge und Gewichtung der verschiedenen Prüfungselemente bei den beiden Staatsexamina variieren in den Bundesländern. Die Note(n) aus beiden Staatsexamina sowie z.T. weitere personenbezogene Faktoren gehen in die Berechnung von Punktzahlen (o.ä.) ein, die dann wiederum (ausschließlich oder in Kombination mit anderen Elementen) die Voraussetzung für die Einstellung sind. Ihr prognostischer Wert für den späteren Berufserfolg bzw. –misserfolg ist bislang noch nicht empirisch überprüft worden. Die in dieser Expertise empfohlene Evaluation anhand von Standards kann auch dazu dienen, die Examensnoten der evaluierten Personen an einem Außenkriterium (den Standards) zu validieren.

Fragen an das Prüfungsverfahren:

  1. Wie groß ist der Anteil studien– bzw. ausbildungsbegleitender Prüfungselemente im Verhältnis zu abschließenden Prüfungselementen? [/S. 43:]
  2. Wie ist das Verhältnis der verschiedenen Prüfungselemente (Klausur, mündliche Prüfung, Examensarbeit) ?
  3. Wie stark ist der Inhalt der Prüfungen an den individuellen, faktischen Studienverlauf angekoppelt – und wie stark ist er angekoppelt an allgemeine Standards?
  4. Welche Kompetenzebenen sollen – der Idee nach – in den schriftlichen und mündlichen Prüfungen des 1. Staatsexamens erreicht und überprüft werden?
  5. Welche Kompetenzebenen werden – der praktischen Erfahrung nach – durchschnittlich erreicht bzw. überprüft?
  6. Wie stark ist der Kontakt zwischen Prüfungsamt und den Fachbereichen/Fakultäten, in denen Lehrerbildung stattfindet?
  7. Welche Möglichkeiten bestehen für das Prüfungsamt, folgenreich auf Defizite im Lehrangebot oder in der Prüfungspraxis hinzuweisen?
  8. Wie ist das Verhältnis zwischen dem Gewicht der Benotung durch die Fach–/Seminarleiter einerseits und dem Mentor/Schulleiter andererseits?
  9. Welche unterschiedlichen Kompetenzebenen sollen im 2.Staastexamen erreicht und geprüft werden – und welche werden der praktischen Erfahrung nach erreicht und geprüft?
  10. Werden als Ergebnis des 2. Staatsexamens personenspezifische Entwicklungspotentiale und/oder Stärken/Schwächen-Berichte festgehalten?
  11. Gehen solche individuellen Beurteilungen zu Entwicklungspotentialen und Qualitätsprofilen in die Einstellungsprozedur ein?
  12. Wie hoch ist die durchschnittliche Studiendauer in den Lehramtsstudiengängen?
  13. Wie sehen die Notendurchschnitte in den einzelnen Lehrämtern/Prüfungsfächern aus?
  14. Wie hoch ist die Durchfallquote?

Einstellungen: Die Zuweisung von Bewerbern zu Regionen, Schulformen/–stufen und schließlich: zu Schulen erfolgt in einem sehr komplexen, mehrstufigen Verfahren, das in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt wird. Details brauchen hier nicht dargelegt zu werden – entscheidend ist, dass die Einstellung selbst zu arbeitsrechtlich unterschiedlichen Positionierungen führen kann (Angestellte oder Beamte mit ganzer oder reduzierter Stelle/Stundenzahl). Formal gibt es Probezeiten – die jedoch de facto kaum jemals unmittelbar negativ enden. Lebenszeitverbeamtung kann ggf. nach einer formalen Revision drei Jahre später ausgesprochen werden. Die Praxis der Einstellungsprozedur ist sehr stark vom Schwanken der Relation zwischen Bewerberangebot und der Art und Zahl der zu besetzenden Stellen bestimmt. Historisch wie auch aktuell werden Zulassungswege gekürzt und Zulassungsbarrieren gesenkt, wenn die Bewerberzahl geringer wird oder zu gering ist – und umgekehrt.

Eine systematische Untersuchung der Auswirkungen einer (bei Bewerberüberhang) sehr rigiden An– und Einstellungspolitik bzw. einer bei Bewerbermangel notwendigen, übli– [/S. 44:] che Standards unterschreitenden Einstellungspolitik(19) sind bislang nie unternommen worden.

Fragen an den Einstellungsprozess:

  1. Werden alle potentiellen Bewerber erfasst?
  2. Welche über die formale Lehrerqualifikation hinausgehenden Qualifikationen/Kompetenzen werden mit erfasst ?
  3. Wie ist das Verhältnis von formellen und anderen Qualifikationen?
  4. Wie stark wird auf (welche?) Einsatzwünsche von Bewerbern eingegangen?
  5. Wie stark ist die dirigierende Kompetenz der Einstellungsbehörde?
  6. Auf welchen Ebenen der Schuladministration wird das Verfahren abgewickelt?
  7. Wie groß ist das Mitspracherecht der Schulen bei der Definition dessen, was sie brauchen?
  8. Wie groß ist das Mitspracherecht der Schulen bei der Auswahl des geeignetsten Bewerbers?
  9. Wie sind Konfliktfälle geregelt?
  10. Wie wirken sich schulgenaue Ausschreibungen sowie in der Schule durchgeführte Bewerbergespräche aus?
  11. Wie ist das herkömmliche Listenverfahren mit dem schulgenauen Ausschreibungs–/Besetzungsverfahren verbunden?
  12. Welche Erfahrungen und Wirkungen hat die Mitbestimmung von Schulen bei der Einstellung neuer Lehrer aus der Sicht der Schulleiter, des Kollegiums, der eingestellten Person?(20)
  13. Lassen sich hinsichtlich der späteren Lehrerkompetenzen (Zusammenarbeit im Kollegium/Schulprofil etc.) Unterschiede feststellen zwischen den Auswirkungen von Lehrereinstellung durch Liste oder durch Ausschreibung?
  14. Wie ist es um die schnelle Korrektur von offensichtlichen Fehlplatzierungen bestellt?
  15. Wie ist es um die mittelfristige Korrektur von Fehlentscheidungen bestellt?
Hinsichtlich der Möglichkeiten einer Evaluation der Institutionen und Programme der Lehrerbildung lassen sich die folgenden vier Modalitäten nennen:
  1. Selbstberichte: Die Institutionen legen Berichte über ihre Regularien zur Lehrerbildung vor. Anhand eines vorab definierten Katalogs von Standards werden auf [/S. 45:] dieser Basis Punkte zugewiesen. Vorteil: Kostengünstig. Nachteil: Die Selbstberichte sagen noch nichts über die tatsächliche Realität in den Institutionen aus.
  2. Selbstberichte plus Evaluationen vor Ort durch Kommissionen: Auf diese Weise kann eine direktere Informationsgewinnung vollzogen werden als bei den Selbstberichten allein. Nachteile: großer Aufwand, punktuelle Inspektion.
  3. Teilnehmende Beobachtung & Beurteilung über einen Zeitraum hinweg: Vorteil: Auf diese Weise können zuverlässigere Informationen über die Realität in der Institution gesammelt werden. Nachteil: großer Aufwand, nur Stichproben möglich
  4. Erfassung des Urteils der Ausgebildeten oder sogar der Kompetenzen der Ausgebildeten (s.o.: Personenevaluation). Vorteil: Verknüpfung von Institutionen- und Personenevaluation; Herstellung von Zusammenhängen zwischen dem Niveau der Institution und dem Niveau der von ihr ausgebildeten Personen.
 

3.3 Standards für das Steuerungssystem der Lehrerbildung

Das Gesamtsystem Lehrerbildung wird m.E. derzeit nicht wirklich an einer Stelle zentral und aus einem Gedanken heraus organisiert und kontrolliert; es fehlt so etwas wie "governance" für Lehrerbildung als Gesamtaufgabe (vgl. Clark, McNergney 1990). Die Kompetenzen auf Bundesebene (KMK–Vereinbarungen etc.) sind begrenzt; in den Bundesländern erfolgt eine Organisation und Kontrolle durch die zuständigen Landesministerien. Auf Bundes– wie auf Landesebene ist die Verantwortung sehr verteilt, ja beinahe zersplittert, sodass sich auch am Ende niemand wirklich verantwortlich fühlt noch verantwortlich gemacht werden kann. Hinzu kommen unterschiedliche Sichtweisen und Interessen der beteiligten Instanzen: Erwähnt sei nur die sehr differente Sicht der Lehrerbildung durch die Wissenschaftsseite einerseits und die Kultus– und Schulseite andererseits; dies gilt bundesweit auf der allgemeinen Ebene der Diskussion wie auch dort, wo in einem Bundesland in einem Ministerium Wissenschafts– und Schulabteilung für Lehrerbildung zuständig sind. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang auch die beiden Phasen der Lehrerbildung, die ja immer noch weithin getrennte Welten sind.

Man kann sich auch des Eindrucks nicht erwehren, dass in den Ministerien und auch in den unterschiedlichen Experten– und Evaluationskommissionen häufig nur sehr punktuelle, an persönliche Eindrücke gebundene und z.T. auch veraltete Informationen über den tatsächlichen Zustand der Lehrerbildung an den einzelnen Standorten und dort in den einzelnen Fächern vorliegen. Dies ist umso misslicher, weil auch weiterhin eine gewisse klassische Systemsteuerung durch Lehrerausbildungsgesetz, durch Lehramtsprüfungsordnung, durch Hinweise für Studienordnungen, durch die staatlichen Prüfungsämter ebenso unvermeidlich wie notwendig sein wird. Und auf dieser Lenkungs– [/S. 46:] ebene sollten möglichst ausführliche, präzise und aktuelle Informationen über die Realität der Lehrerbildung an den verschiedenen Hochschulen vorliegen. Es ist also für die Ebene der Systemsteuerung der Lehrerbildung von entscheidender Bedeutung, sich selbst Klarheit darüber zu verschaffen, wie viel man eigentlich wirklich über denjenigen Bereich weiß, den man zu organisieren hat – und woher man dies weiß.

Über die klassischen Steuerungsinstrumente wie Lehrerbildungsgesetze, Lehramtsprüfungsordnungen, dem Recht der Genehmigung von Studienordnungen, der Aufsicht über staatliche Prüfungsämter etc. hinaus (klassisches bürokratische Steuerung) sollte als ein neues Instrument die Erarbeitung eines Rahmens (!) für Kerncurricula in der Lehrerbildung oder zumindest eines Verfahrens zur Erarbeitung dieser Curricula in Angriff genommen werden.(21) Die bisherigen Themenkataloge in den Fächern und in Erziehungswissenschaft können dafür einen Ausgangspunkt bilden, sie sollten jedoch aktualisiert, stärker lehrplanbezogen formuliert und v.a. unter Einbezug von Kompetenzen reformuliert werden. International spricht man in diesem Zusammenhang von einem Trend weg von contents zu competencies. Mit Blick auf das deutsche, zweiphasige System der Lehrerbildung wird man das Verhältnis von content und competencies natürlich phasenspezifisch ausgestalten müssen, d.h. die 1. Phase wird noch stärker wissensorientiert sein bzw. auf den Umgang mit Wissen ausgerichtete Kompetenzen aufzubauen haben, wohingegen die 2. Phase auf dieser Basis stärker in Richtung auf den Aufbau von zwar wissensbasierten, aber dann doch praktisch–beruflichen Kompetenzen zu arbeiten hat.

Der entscheidende Punkt aber ist: Ein Lehrerbildungssystem hat als einen wichtigen Standard einen solchen inhaltlichen oder doch zumindest verfahrensbezogenen Rahmen für Kerncurricula in der Lehrerbildung auszuweisen.

Damit aber ist es natürlich nicht getan: Denn nun muss – siehe oben den Hinweis auf die Notwendigkeit zuverlässiger Informationsbeschaffung – geprüft werden, inwieweit die Lehrerbildungsinstitutionen diese ihnen übertragenen Aufgaben sowie den Rahmen der Kerncurricula auch tatsächlich erfüllen. Es ist ja in der Tat erstaunlich: als Ergebnis der Lehrerbildung liegen zahllose Noten vor – bis auf zwei Stellen hinter dem Komma scharf, individualbiographisch von höchster Relevanz, und bundesweit zunehmend besser werdend! Was aber die ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer wirklich wissen und [/S. 47:] können, wissen wir nicht. Ein immerhin positiver Nebeneffekt der Modellversuche zur gestuften Lehrerbildung wird sein, dass man vergleichend diese Modelle evaluiert, und zwar intern wie extern. Wenn dies wirklich ernst gemeint ist, wird man die Wirkung von Modellversuchen bzw. von herkömmlicher Lehrerbildung unter Bezugnahme auf die Fähigkeiten der Ausgebildeten empirisch vergleichen müssen – eine wirklich interessante forschungsmethodische Aufgabe. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein.(22)

Fragen an das Steuerungssystem:

  • Wie groß ist die Personalstärke ?
  • Wie sieht es mit der Rekrutierung aus?
  • Wie werden Informationen über den Zustand des Lehrerbildungssystems gesammelt und intern verarbeitet?
  • Wie häufig/in welcher Form finden Treffen zwischen Ministerium und Universitäten in Sachen Lehrerbildung statt?
  • Ausmaß der personellen Verflechtung zwischen Uni/Schulverwaltung/Ministerium?
  • Wie wird systemintern die eigene Arbeit der Lehrerbildungsabteilungen beobachtet?
  • Wie hoch ist die Regelungsdichte vom Ministerium
    • auf die Universitäten
    • In Richtung auf die 2.Phase
    • In Richtung auf die Prüfungsämter ? [/S. 48:]
 
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