DGB-BDA-Memorandum_2000.pdf [1]###1. Engartner, Tim (2018): Eckpfeiler sozioökonomischer Bildung - oder: Zur Bedeutsamkeit der Kontextualisierung ökonomischer Frage- und Problemstellungen. In: Engartner, Tim/Fridrich, Christian/Graupe, Silja/Hedtke, Reinhold/Tafner, Georg (Hrsg.): Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft. Entwicklungslinien und Perspektiven (Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft). Wiesbaden, S. 27-52. ###
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Ähnlich wie die neoklassische Standardökonomie als der vom wirtschaftsdidaktischen Mainstream identifizierte „Referenzrahmen" vernachlässigen die monoparadigmatischen Ansätze ökonomischer Bildung kulturelle, historische, politische, ethische und gesellschaftliche Einflüsse, obwohl die Bezüge für die Analyse ökonomischer Sachverhalte thematisch aufschlussreich, (fach)didaktisch naheliegend und lernpsychologisch überzeugend sind. Weitestgehend ungeachtet der intensiven Debatten über die Notwendigkeit multi-, inter- und transdisziplinärer Zugänge in der Volkswirtschaftslehre halten sich gerade im Lehrkontext viele wirtschaftswissenschaftliche „Semifiktionen" wie der homo oeconomicus unverändert -- insbesondere auch in der eigentlich auf Situations- und Lebenswelt- statt auf Disziplin- und Modellorientierung verpflichteten schulischen (ökonomischen) Bildung. Vor diesem Hintergrund soll der vorliegende Beitrag die erkenntnistheoretischen, bildungspolitischen und fachdidaktischen Mängel der neoklassisch geprägten Wirtschaftsdidaktik benennen, um sodann wissenschaftstheoretische Annahmen, fachdidaktische Prinzipien und bildungspolitische Implikationen einer sozioökonomischen Bildung zu skizzieren.
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Tim Engartner fasst in diesem Artikel die seit vielen Jahren virulente Debatte um die inhaltliche, konzeptionelle, curriculare und institutionelle Verankerung der ökonomischen Bildung zusammen -- auch in Reaktion auf die im Anschluss an die Sendung „Lobbyisten im Klassenzimmer" des Magazins Frontal 21 erneut aufgebrandete Auseinandersetzung zwischen Fürsprecherinnen und Fürsprechern eines Separatfaches Wirtschaft und Vertreterinnen und Vertretern der Sozioökonomischen Bildung, die dies ablehnen. Der Beitrag bietet einen Überblick über die Debatte, verweist dabei sowohl auf ältere relevante Beiträge als auch auf aktuelle Zusammenhänge wie beispielsweise die zunehmende Privatisierung öffentlicher Einrichtungen.
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In Reaktion auf die in der öffentlichen Debatte intensiv diskutierte Frage nach der curricularen Verankerung ökonomischer Bildung werden im vorliegenden Beitrag von Tim Engartner und Krisanthan balasundaram ausgewählte didaktische, methodische und inhaltliche Anknüpfungspunkte für eine Verzahnung politikwissenschaftlicher, soziologischer und wirtschaftswissenschaftlicher Zugänge benannt. Damit soll ein Kontrapunkt zu der mitunter zu beobachtenden „Engführung" der ökonomischen Bildung entlang der neoklassischen Standardökonomie gesetzt werden. Ziel ist es, einen perspektivischen Monismus im Stile eines „Ökonomismus" zu vermeiden und stattdessen heterodoxe und interdisziplinäre Inhalte zu befördern.
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Die Autorinnen und Autoren der „Initiative für eine bessere ökonomische Bildung" hinterfragen in diesem Beitrag die im Oktober 2010 veröffentlichten Bildungsstandards und Standards für die Lehrerbildung für ein neues Unterrichtsfach „Ökonomie" an allgemeinbildenden Schulen, herausgegeben vom Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft (GGW) und getragen von 15 großen Wirtschaftsverbänden. Sie verweisen darauf, dass das GGW-Gutachten politisch relevant sei, da wichtige wirtschaftliche Interessenverbände damit die Bildungspolitik beeinflussen wollten. Es sei aber auch wissenschaftlich bemerkenswert, weil es zeige, wie eine ökonomische Bildung an Schulen aussähe, die sich dominant der Denkschemata der Ökonomik bediene.
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Bettina Zurstrassen und Andreas Fischer skizzieren in dieser Einführung zu ihrem Sammelband „Sozioökonomische Bildung", die Genese des Begriffs ‚sozioökonomische Bildung', der in Abgrenzung zu ökonomischen Ansätzen des Mainstreams dadurch gekennzeichnet ist, dass ökonomische Situationen als gesellschaftlich und individuell interpretationsbedürftig und sinnhaltig verstanden werden, und dass damit nicht nur Interessen, sondern auch Kulturen und Werte relevant sind. Sie kontextualisieren die teils hitzig geführte Auseinandersetzung um ökonomische Bildung in Schule und Hochschule, indem Sie die zentralen Entwicklungsmomente nachzeichnen -- von den Anfängen der Fachdidaktik bis zur Debatte um Bildungsstandards, Kompetenzen und Domänen.
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In diesem Artikel werden Ergebnisse der Studie „Denkweisen der Globalisierung" vorgestellt. Sie bietet ein empirisches Fundament, um monodisziplinären Zugängen politischen und ökonomischen Lernens eine differenzierte und am normativen Ziel der Mündigkeit orientierte Herangehensweise entgegenzusetzen. Ausgehend davon werden fachdidaktische Implikationen für das ökonomische und politische Lernfeld erörtert. Die von Wirtschaftsunternehmen, Stiftungen und verschiedenen Interessensverbänden produzierten Bildungsangebote können den Kontroversitätsanforderungen politischer Bildung aufgrund ihrer inhaltlichen Schwerpunktsetzungen und interessengeleiteten Engführungen oftmals nicht gerecht werden (vgl. Hedtke 2008), weshalb die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung in diese Lücke vorstößt.
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Der Unterrichtsgegenstand Geographie und Wirtschaftskunde, welcher seit Jahrzehnten österreichweit und an den allgemeinbildenden Schulen durchgehend in der Stundentafel der gesamten Sekundarstufe verankert ist, ist das wichtigste Trägerfach sozioökonomischer Bildung in Österreich. Nach zwei Paradigmenwechseln wird Wirtschaft als gesellschaftlich eingebettet und gestaltbar verstanden: Im Zentrum steht der in gesellschaftlichen Kontexten räumlich und wirtschaftlich handelnde Mensch. Dies wird anhand von Entwicklungslinien dokumentiert. Zusätzlich werden -- aus einer größeren Studie exemplarisch -- empirische Ergebnisse über die schulische Umsetzungspraxis dieser sozioökonomischen Bildung im Hinblick auf Beliebtheit bei Lehrenden und auf Interesse bei Lernenden dargestellt. Die Ergebnisse werden ebenso wie die Sinnhaftigkeit dieses in sozialwissenschaftlicher Tradition der ökonomischen Bildung stehenden Integrationsfaches Geographie und Wirtschaftskunde diskutiert, was in ein klares Plädoyer für das Fach mündet.
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Die Autorinnen und Autoren verfolgen das Ziel einer Erweiterung der traditionellen funktionalistischen Kompetenzperspektive um die Analyse wirtschaftlicher Verstehensprozesse. Das Interesse richtet sich dabei explizit nicht auf das statische Ergebnis wirtschaftlicher Kompetenzen, sondern fragt danach, wie wirtschaftliches Verständnis in modernen Marktgesellschaften ausgebildet werden kann. Da moderne Gesellschaften marktwirtschaftliche, funktional differenzierte Gesellschaften seien, bedürfe es eines Sinn-Verstehens ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse. Entsprechend wird dem Begriff der ökonomischen Kompetenz das Konzept des wirtschaftlichen Verstehens an die Seite gestellt, das auf die reflexive Gestaltung der wirtschaftlichen Ordnung ausgerichtet ist.
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Der Bielefelder Wirtschaftssoziologe Reinhold Hedtke erläutert ausführlich den sozioökonomischen Ansatz im Feld der Wirtschaftsdidaktik. Er stellt Traditionen und Konzeptionen sozioökonomischer Bildung vor, definiert ihr Verhältnis zu den Bezugswissenschaften und klärt überdies ihre Charakteristika inklusive dazugehöriger Themenfelder, Leitziele und Bildungsprinzipien. Darüber hinaus analysiert er die Kontroversen um die Gestaltung und Institutionalisierung ökonomischer Bildung, übersichtlich dargestellt unter anderem in Tabellenform zum direkten Vergleich konkurrierender Konzepte sozioökonomischer und ökonomistischer Bildung. Schließlich skizziert er die bildungstheoretische Begründung sozioökonomischer Bildung, basierend auf dem Subjekt und seinen sozioökonomischen Welt-, Selbst- und Fremdverhältnissen.
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Angesichts der zu beobachtenden Entpolitisierung der ökonomischen Bildung stellt das ‚Sozioökonomische Curriculum' einen wichtigen Gegenimpuls dar. Hiermit liegt erstmals eine konkrete Konzeption vor, die die (sozio)ökonomische Bildung umfassend und differenziert auf den gegenwärtigen Stand der sozialwissenschaftlichen Wirtschaftsforschung und der Fachdidaktikwissenschaft bezieht. Es verbindet Theorie und Empirie, Wissenschaft und Erfahrung, fachdidaktische Konzeption und unterrichtliche Praxis. Es erschließt den Gegenstandsbereich Wirtschaft, indem es Subjektorientierung systematisch mit Sozialwissenschaftsorientierung verknüpft. Das Curriculum bietet sowohl Lehrerinnen und Lehrern an Schulen als auch Lehrenden an Universitäten einen wichtigen Orientierungsrahmen für ihre Arbeit.
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In diesem Artikel kritisiert Hedtke das Projekt „Wirtschaft in die Schule", welches er auch als dezidiert politisches Projekt, getragen von Wirtschaftsverbänden, konservativen Stiftungen und Initiativen, bezeichnet und dabei dem IÖB seine Unterstützung, der von ihm so bezeichneten Kampagne für die Verankerung ökonomischer Bildung in Form eines eigenständigen Schulfachs Wirtschaft, vorwirft. Diese ökonomische Bildung stelle eine politische Parallelbildung dar, deren fortgeschrittene Implementierung er exemplarisch skizziert bspw. eine zunehmende Verbreitung von Unterrichtsmaterialien bereitgestellt von Wirtschafts- und Bankenverbänden, entsprechende Angebote zur Fort- und Weiterbildung, Curricularvorschläge und auch die Umverteilung von Stundentafelanteilen.
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Reinhold Hedtke stellt fest, dass die herkömmliche Theorie ökonomischer Bildung wirtschaftswissenschaftliches Wissen als weitgehend unstrittig betrachte. Kontroversen räume sie meist erst bei der Wirtschaftspolitik ein, wobei der wirtschaftsdidaktische und curriculare Klassiker die Kontroverse zwischen angebots- und nachfrageorientierter Politik sei. In vielen anderen Themenfeldern bleibe die wissenschaftliche Kontroversität vernachlässigt. Auch die wissenschaftliche Pluralität komme wirtschaftsdidaktisch zu kurz. Daher müsse zunächst an das Prinzip der Wissenschaftsorientierung erinnert werden, da Pluralität schon bei elementaren wissenschaftlichen Grundbegriffen herrsche, weshalb der Grundsatz wissenschaftlicher Multiperspektivität und Pluralität gelten und Kontroversität als Politikum verstanden werden müsse.
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Die 2016 in Frankfurt am Main ausgerichtete Tagung der GPJE stand unter der Fragestellung „Politische und ökonomische Bildung -- Integration oder Separation?" Die Fragestellung hat didaktische, insbesondere aber auch praktische Implikationen. In einer Podiumsdiskussion stellten die Professoren Dirk Loerwald, Oldenburg, und Reinhold Hedtke, Bielefeld, ihre Positionen dar und gegeneinander. Loerwald als Vertreter der Richtung „Ökonomische Bildung", mit der Idealvorstellung von zwei je eigenständigen Schulfächern Politik und Wirtschaft, Hedtke mit dem Postulat einer sozioökonomischen Bildung, die innerhalb eines Integrationsfaches unterrichtet werden sollte. Dieser Text stellt die verschriftlichte Debatte dar.
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Der Artikel zeigt am Schlüsselproblem „Ökonomische Entwicklung", wie elementare ökonomische und politische Basis-Kategorien problemorientiert und integrativ miteinander verknüpft werden können, um grundlegende Interdependenzen zwischen politischer und wirtschaftlicher Ordnung systematisch herauszuarbeiten und kontrovers unter Bezug auf zwei interdisziplinäre Forschungstheorien zu diskutieren. Hippe begegnet damit auch der Behauptung einiger Vertreterinnen und Vertreter der Fachdidaktik, dass Politik und Wirtschaft kaum integrativ zu unterrichten seien, indem er die Interdependenz von Staat und Wirtschaft in Bezug auf ökonomische Entwicklung analysiert und dabei feststellt, dass Wirtschaft ohne Politik nicht verstanden werden könne.
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Kahsnitz fragt, was Jugendliche in Bezug auf die Arbeits- und Wirtschaftswelt lernen sollen. Sollen sie über das bestehende Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialsystem, über dessen Bedeutung für ihre Lebensführung, für die Realisierung ihrer individuellen Interessen und Wertvorstellungen sowie über ihre Handlungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten aufgeklärt werden? Oder sollen vor allem wirtschaftswissenschaftliche Grundkenntnisse vermittelt und Lernende insbesondere mit volkswirtschaftlichen Modellen vertraut gemacht werden, die meist auf dem Verhaltensmodell des homo oeconomicus beruhen? Ziele und Inhalte sozioökonomischer Bildung werden am Beispiel der Bedeutung der Erwerbsarbeit für die Persönlichkeits- bzw. Identitätsbildung konkretisiert.
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In der Debatte um die curriculare und institutionelle Verankerung eines Faches Wirtschaft erläutert Kaminski als wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer des Instituts für Ökonomische Bildung (IÖB) der Universität Oldenburg seine Position und reagiert damit auch auf den Beitrag Hedtkes unter dem Titel „Wirtschaft in die Schule -- Ökonomische Bildung als politisches Projekt". Kaminski begründet die Forderungen nach mehr ökonomischer Bildung mit der Notwendigkeit, ökonomische Bildung nach der Eigenlogik des Ökonomischen zu erfassen, um diese dann in Beziehung zu anderen gesellschaftlichen Subsystemen setzen zu können. Dabei müsse das Institutionen- und Regelsystem der jeweiligen Wirtschaftsordnung der Ausgangspunkt für ein Orientierungswissen sein, mit dem sich wirtschaftliche Phänomene einordnen und bewerten lassen. *
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Im vorliegenden Text wird zunächst der Stellenwert ökonomischer Bildung innerhalb der Sachunterrichtsdidaktik nachgezeichnet. Es werden ausgehend vom Anspruch sozioökonomischer Bildung die Beobachtungen an Curricula, Unterrichtsmaterialien und fachdidaktischen Diskursbeiträgen illustriert, um dann die Ausweitung ökonomischer hin zu sozioökonomischer Bildung vorzuschlagen. Aus Sicht der Autorinnen und Autoren lassen sich die ausgewiesenen Defizite nur überwinden, wenn sich Sachunterricht bzw. Sachunterrichtsdidaktik durchgängig als sozioökonomische Bildung verstehen und entwickeln, weil wirtschaftliche Phänomene nie unabhängig von gesellschaftlichen Kontexten verstanden werden könnten. Erste Vorschläge zu einem „sozioökonomischen Sachunterricht" und die Ausweisung von Forschungsdesideraten beschließen den Beitrag.
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Dieses als konstruktive Kritik bisheriger Ansätze einer interdisziplinären sozioökonomischen Bildung dargebotene Konzept einer problemorientierten, lerntheoretisch und fachlich fundierten ökonomischen Bildung basiert auf vier Kernpunkten: Erstens, die ökonomische und politische Bildung verfolgten die gleichen Ziele, nämlich die Förderung der Mündigkeit, auch der Tüchtigkeit und die individuelle Selbstentfaltung in sozialer Verantwortung. Die ökonomische Bildung sei, zweitens, problemorientiert und keine curriculare Abbildung von Fachsystematik, sondern ziele auf einen spezifischen Erkenntnis- und Kompetenzgewinn in der Auseinandersetzung mit ökonomisch geprägten Lebenssituationen unter Einbeziehung einer ökonomischen Perspektive, die drittens auf einer kategorialen Anbindung fachspezifischer Unterrichtsgegenstände und fachmethodischer Auseinandersetzungen einer Bezugsdisziplin basiert, um einen domänenspezifischen Kompetenzerwerb zu sichern. Viertens, diene die Ökonomik als Selektionskriterium für die Perspektivierung ohne dabei einen Ausschluss anderer Bezüge vorzunehmen.
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Kruber stellt hier seine Konzeption einer ökonomischen Bildung dar, die ihre Stoffauswahl anhand von wirtschaftswissenschaftlichen Kategorien bestimmt, die wiederum in Form von didaktischen Leitfragen den Unterricht strukturieren. Kruber erläutert beides im vorliegenden Text ausführlich. Dabei sei es von zweitrangiger Bedeutung ob dies in einem eigene Fach Wirtschaft geschehe; dies gelte umso mehr, als allein das ‚Etikett' Wirtschaft die Leistungsfähigkeit des Faches für ökonomische Bildung nicht garantiere. Entscheidender sei, dass Wirtschaftsunterricht in allen Schularten und Schulstufen angemessen vertreten und dass eine fachwissenschaftlich und fachdidaktisch fundierte Lehrerausbildung und -weiterbildung gewährleistet wird.
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Die Lebensweltorientierung wird in unterschiedlichen Fachdidaktiken zu einem zentralen Prinzip erklärt, bleibt dabei aber oft unhinterfragt. Der Aufsatz fasst den aktuellen Stand der Diskussion zum Prinzip der Lebensweltorientierung zusammen, um sich anschließend darauf zu fokussieren, welchen Bildungswert diese für die sozioökonomische Bildung hat. Dazu wird ein Einblick in Vorstellungen zu den Begriffen der Lebenswelt und des Bildungswertes gegeben, hierbei wird zum vertiefenden Verständnis auch explizit auf politikdidaktische Perspektiven zurückgegriffen. Da sich Lebensweltorientierung erst im Unterricht verwirklicht, wird abschließend der Bogen von der Theorie in die Praxis geschlagen und anhand von zwei Beispiel-Lernaufgaben verdeutlicht, dass „Lebensweltorientierung" oftmals nur ein Etikett darstellt.
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Sozioökonomische Bildung ist die Summe aus mehreren Summanden. Ökonomische Bildung und Moralerziehung stehen im Mittelpunkt des Beitrags. Es werden zwei Fragen beantwortet: Erstens, welche Probleme stehen in einer sozioökonomischen Betrachtung im Vordergrund, zweitens, welche Gesichtspunkte sollen in die sozioökonomische Bildung aufgenommen werden. Es werden Dimensionen der Wirtschaftspädagogik dargelegt und es wird erarbeitet, dass die Ökonomie in die Gesellschaft eingebettet ist. Anschließend wird die Frage aufgeworfen, was Erziehung heute bedeuten kann und wie das Verhältnis zur Bildung zu verstehen ist. Schließlich werden die Konsequenzen für die sozioökonomische Bildung zusammengefasst.
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Weber entwirft ein fachdidaktisches Modell für eine subjekt- und lebensweltorientierte, sozioökonomische Bildung und skizziert eine curriculare Matrix, die sie entlang der drei Systemebenen sowie den Kategorien Subjekt, Lebenswelt, Wissenschaft und Verantwortung inhaltlich füllt. Für Weber ist eine wichtige Aufgabe der sozioökonomischen Bildung über ökonomisch geprägte Lebenssituationen aufzuklären. Zugleich seien relevante ökonomische Kategorien zu ermitteln, kritisch zu reflektieren und nicht nur zu legitimieren. Dies sei möglich, indem alternative ökonomische und sozialwissenschaftliche Denkansätze und Wirtschaftsformen einbezogen würden. Weber stellt in ihrem Beitrag daher verschiedene fachdidaktische Konzepte und ihre Hauptvertreterinnen und -vertreter vor.
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Dieser Artikel diskutiert Unterschiede und Gemeinsamkeiten der ökonomischen und politischen Bildung, wobei die Hauptdifferenzen in der Frage nach der Referenzdisziplin liegen. Weber zeigt aber, dass vor allem die Diffusität sozialwissenschaftlicher Bildung in den Stundentafeln, die mangelnde Lehrerprofessionalisierung, der häufig fachfremde Unterricht und die Einflussnahme von Wirtschaftsverbänden ein Problem darstellen. Sie schlägt vor, sich auf Gemeinsamkeiten beider Teildisziplinen zu konzentrieren, zeigt Interdependenzen auf, welche in einem Modell zur curricularen Verankerung veranschaulicht werden. Weber plädiert gegen Zerrbilder durch getrennte Fächer und für eine Integration sozialwissenschaftlicher Disziplinen in einem Fach.
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Dieses Memorandum skizziert eine bildungstheoretische Begründung sowie Bildungsziele der sozioökonomischen Bildung, plädiert für ein eigenständiges Unterrichtsfach Wirtschaft, in dem es um die "interdisziplinäre Behandlung ökonomischer, sozialer, politischer, rechtlicher, ökologischer und technischer Zusammenhänge des Wirtschafts- und Beschäftigungssystems" geht. Es fordert eine interdisziplinäre, wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte für dieses Fach.
wmk-kmk-bda-bdi-dihk-zdh-dgb_kerncurriculum-wirtschaft-2003.pdf [27]
Die Empfehlungen verlangen, dass ein Kerncurriculum Wirtschaft ökonomische, soziale, ethische, politische, rechtliche, ökologische und technische Zusammenhänge von Arbeit und Wirtschaft behandelt. Sie betonen u. a. das Überwältigungsverbot, das Kontroversitätsprinzip und die Erschließung der eigenen Interessenlagen.
Tim Engartner
„Die Schüler sollen bevorzugt die Auffassung der Wirtschaft lernen, und die liefert unermüdlich Massen von Material, begleitet von großzügig finanzierten PR-Aktionen. Die Lobby ist im Klassenzimmer längst angekommen.“ Mit dieser Feststellung schloss die am 30. April dieses Jahres unter dem Titel „Lobbyisten im Klassenzimmer“ im ZDF-Magazin Frontal 21* ausgestrahlte Reportage, in der über die Wirkmächtigkeit von Wirtschaftsvertretern in Schulen berichtet wurde.
In diesem Kontext wurde auch Moritz-Peter Haarmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Didaktik der Politischen Bildung am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Hannover, interviewt. Dieser hatte kritisch angemerkt, dass das Kapitel „Unternehmen“ in dem Schulbuch „Kompetenz Politik - Wirtschaft“ (Kaminski 2007) einseitig die Arbeitgeberperspektive einnehme (Haarmann 2013). Herausgeber des Schulbuches ist Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Kaminski, Institutsdirektor und Geschäftsführer des Instituts für Ökonomische Bildung (IÖB) an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Nur zwei Tage später sah sich die Redaktion mit massiven Vorwürfen seitens des an mehreren Stellen der Reportage erwähnten Instituts konfrontiert. Die Geschäftsführung des IÖB sah es in ihrer „Richtigstellung“* u.a. als erwiesen an, dass die Journalisten auf das (Stil-) Mittel unzulässiger Verkürzungen zurückgegriffen hätten: „Bei genauer Betrachtung stellt sich der Eindruck ein, dass es hier eben nicht um die ,kritisch investigative‘ Analyse eines gesellschaftlich relevanten Sachverhaltes geht, sondern vielmehr um die Suche nach Belegen für die der Sendung zugrundeliegende These einer Manipulation von Schülerinnen und Schülern durch Wirtschaftsvertreter und sonstige Institutionen“ (Institut für ökonomische Bildung IÖB 2013, 1). Die Stellungnahme schließt mit der Feststellung, dass „an diesem Dienstagabend eine einseitige Auffassung zur wirtschaftlichen Bildung in der Schule in deutschen Wohnzimmern angekommen“ sei (ebd., 7).
Will man die dieser Kontroverse zu Grunde liegenden Argumentationsmuster ergründen, empfiehlt es sich, den auf die inhaltliche Ausrichtung sowie die curriculare Verortung der ökonomischen Bildung zielenden Diskurs der vergangenen Jahre in den Blick zu nehmen. So wird die Debatte um die Frage nach dem rechten Maß an ökonomischer Bildung von der Sorge getrieben, die Schüler/innen könnten im Rahmen ihrer Bildungsbiographie „auf einen relevanten Aspekt gesellschaftlicher Realität unzureichend vorbereitet werden und so quasi hilflos und chancenlos sein gegenüber dem neuen Universum ökonomisch geprägter Medien- und Berufswelten“ (Sturm 2000, 407). Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche „Bildungs- und Lernpartnerschaften“ etabliert, bei denen Schule und Wirtschaft eine mitunter intrikate Symbiose eingegangen sind (vgl. Gericke 2012). Weiterhin bieten inzwischen allein 15 der 20 umsatzstärksten deutschen Unternehmen Gratis-Materialien an (vgl. Mathes 2013, 25) – nicht selten im Feld der ökonomischen Bildung, dem sich bundesweit ca. 240 Initiativen widmen. Überdies stellte eine Forschergruppe der Universität Augsburg* im vergangenen Jahr fest, dass die Zahl kostenlos zur Verfügung gestellter Unterrichtsmaterialien seit Jahren rasant wächst (allein von 2011 auf 2012 um + 74,6 %) (Verband Bildungsmedien 2013, 1).
Die derzeitige Debatte weist frappierende Parallelen zu der Diskussion auf, die in Reaktion auf das im Jahre 1999 vom Deutschen Aktieninstitut (DAI) herausgegebene „Memorandum zur ökonomischen Bildung“ entbrannte. Das mit der Unterüberschrift „Ein Ansatz zur Einführung des Schulfaches Ökonomie an allgemeinbildenden Schulen“ versehene Papier ging nach eigenem Bekunden „weit über die bisherigen Aktivitäten des Deutschen Aktieninstituts hinaus, dessen primäres Ziel die Stärkung der Aktienakzeptanz bei Unternehmen und Anlegern ist“ (DAI, 3). Im Bewusstsein dessen, dass „Wirtschaftsfragen das gesamte Leben eines Menschen begleiten“, wurden grundlegende Kenntnisse der ökonomischen Zusammenhänge für „wichtiger denn je“ erklärt (ebd.). Mit dem Memorandum zielte das DAI auf eine Diskussion, „an deren Ende im einzel- wie im gesamtwirtschaftlichen Interesse die Einführung eines Schulfaches Ökonomie stehen muss“ (ebd.). Frühzeitig leiteten diejenigen, die eine institutionelle Ausweitung ökonomischer Bildung befürworten, aus dem von ihnen diagnostizierten Mangel an ökonomischem Grundwissen die Notwendigkeit ab, ein separates Unterrichtsfach „Wirtschaft“ einzuführen. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftswissenschaften zwar die zentralen Bezugsdisziplinen für ökonomische Bildung seien, die benachbarten sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen – namentlich: Soziologie und Politologie – indes nicht ausgeblendet werden dürften.
Nur wenige Monate nach dem ersten bedeutenden Vorstoß in Richtung „Mehr ökonomische Bildung“ erschien das von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zusammen mit Eltern- und Lehrerverbänden in die Öffentlichkeit getragene Grundsatzpapier „Wirtschaft – notwendig für schulische Allgemeinbildung“ (2000). Auch darin wird die Politik aufgefordert, ein Unterrichtsfach „Wirtschaft“ in den allgemeinbildenden Schulen einzuführen, wenngleich es zu betonen gilt, dass die Forderung noch explizit auf eine (wie auch immer geartete) sozioökonomische Bildung abzielte: „Die materielle Basis der Gesellschaft – Arbeit und Erholung, Produktion und Konsum, Unternehmertum und Mitbestimmung – muss deshalb eine stärkere Rolle in den allgemeinbildenden Schulen spielen“ (BDA/DGB 2000, 2). Die Hoffnung, dass im Kontext der seinerzeit propagierten sozioökonomischen Bildung auch solche Positionen vermittelt würden, die der „Fürsprache des Marktes“ Argumente entgegensetzen, indem die Grammatik einer Gesellschaft gelesen und deren politische Konstitution gedeutet wird, erfüllte sich indes nicht (vgl. Engartner/Krisanthan 2013). Nach Erscheinen der beiden Memoranden wurde – ganz im Sinne der Initiatoren – nicht nur intensiv über die inhaltliche Ausrichtung der (sozio)ökonomischen Bildung diskutiert, sondern auch über deren curriculare Verortung.
2001 legte ein Autorenquartett unter Federführung des Direktors des Oldenburger IÖB, Prof. Hans Kaminski, das aus der Initiative „Schule und Wirtschaft“ der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hervorgegangene und von ihr geförderte Papier „Soziale Marktwirtschaft stärken – Kerncurriculum ökonomische Bildung“ vor (Kaminski u. a. 2001). Sieben Jahre später folgte dann die vom Bundesverband deutscher Banken (BdB) initiierte und finanzierte „Konzeption für die ökonomische Bildung als Allgemeinbildung von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II“, mit der erstmals ein Kompetenzmodell vorgelegt wurde (Kaminski u. a. 2008).
Zum Jahresende 2008 befeuerte Reinhold Hedtke, Inhaber der Professur für Didaktik der Sozialwissenschaften und Wirtschaftssoziologe an der Universität Bielefeld, dann mit dem in der GWP erschienenen Beitrag „Wirtschaft in die Schule?! Ökonomische Bildung als politisches Projekt“ die Debatte, indem er folgender Kernthese nachging: „,Wirtschaft in die Schule!‘ genannt ,Ökonomische Bildung‘ ist ein dezidiert politisches Projekt. Seit einem Jahrzehnt führen Wirtschaftsverbände sowie konservative Stiftungen und Initiativen eine Kampagne für die Verankerung ökonomischer Bildung an allgemein bildenden Schulen“ (Hedtke 2008, 455). Die Forderungen nach einem eigenständigen Schulfach „Wirtschaft“ konnte er dabei schon nur noch arbeitgebernahen Einrichtungen wie der Ludwig-Erhard-Stiftung, der BertelsmannStiftung, der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) sowie dem Oldenburger IÖB zuschreiben. Daraus leitete Hedtke seine Schlussfolgerung ab, dass die Kampagne „Wirtschaft in die Schule“ im Wesentlichen darauf abziele, „der Legitimationskrise von Marktwirtschaft und Kapitalismus entgegenzutreten, indem man Kinder und Jugendliche zum Glauben an die grundsätzliche Überlegenheit von kapitalistischer Gesinnung, Privatunternehmen, Markt und Wettbewerb erzieht“ (ebd., 457). Unlängst folgten einige weitere auf diese Inhalte ausgerichtete Analysen der Bielefelder Didaktiker/innen, darunter die viel beachtete Netzwerkstudie „Wem gehört die ökonomische Bildung?“ (Hedtke/Möller 2011). Darin kommen die Autoren zu dem Schluss, dass hinter der bildungspolitischen Forderung, ökonomische Bildung durch ein Schulfach „Wirtschaft“ auszuweiten, „ein einflussreiches Netzwerk von Wirtschaftsverbänden, privaten Großunternehmen und wirtschaftsliberal-konservativen Einrichtungen“ stehe (ebd., 5). Mit dem Working Paper „Die Wirtschaft in der Schule. Agendasetting, Akteure, Aktivitäten“ sollte schließlich der Nachweis erbracht werden, dass ein separates Schulfach „Wirtschaft“ nahezu ausschließlich die „wirtschafts- und gesellschaftspolitische[n] Interessenlagen und parteipolitische[n] Strukturen“ von Großunternehmen sowie Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden sowie ihnen nahestehenden Stiftungen und Forschungseinrichtungen spiegeln (Hedtke 2012, 1).
Eine für die fachdidaktische Debatte bedeutsame Klimax erreichte die Diskussion mit der kontrovers erörterten Frage nach den in der ökonomischen Bildung zu vermittelnden Kompetenzen. Zwar lag schon dem im Auftrag der BdA vorgelegten Kompetenzmodell die Annahme zu Grunde, dass ökonomische Bildung als Allgemeinbildung ab der ersten Jahrgangsstufe zu begreifen sei, aber erst das im Auftrag des Gemeinschaftsausschusses der deutschen gewerblichen Wirtschaft vorgelegte Gutachten „Ökonomische Bildung an allgemeinbildenden Schulen – Bildungsstandards, Standards für die Lehrerbildung“ (Retzmann u. a. 2010) orientierte sich stringent an den von der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgelegten Standards für die Lehrerbildung. Streng systematisch wurden domänenspezifisch formulierte Kompetenzbereiche identifiziert, die da lauten: „A: Entscheidung und Rationalität (des Einzelnen), B: Beziehung und Interaktion (mit Anderen), C: Ordnung und System (des Ganzen)“ (ebd., 15).
Nur einen Monat nach Erscheinen dieses Gutachtens veröffentlichten die Begründer/innen der Initiative für eine bessere ökonomische Bildung (IBÖB) ihre Kurzexpertise „Für eine bessere ökonomische Bildung!“. Darin kritisieren die Autor(inn)en u. a., dass das Gutachten der Wirtschaftsverbände „ein veraltetes Verständnis von Bildung und Didaktik“ aufweise, „da es die Lebenswirklichkeit und die Interessen der Lernenden ignoriert, theoretisches Begriffswissen bevorzugt und überwiegend praktisch nutzlose Kompetenzen beschreibt“ (Hedtke u. a. 2010, 3). Zugleich wird moniert, dass die Expertise „wissenschaftlich und politisch einseitig [sei], indem es eine einzige Welt-Anschauung für alle(s) propagiert, einseitig Partei für die Unternehmerperspektive ergreift und Effizienz als dominantes Bewertungskriterium bevorzugt“ (ebd.).
Will man sich die seit Jahren schwelende Kontroverse um die inhaltliche Ausrichtung sowie die curriculare Verortung der ökonomischen Bildung mit ausreichendem Tiefgang erschließen, ist die Lektüre der Beiträge, die im Jahre 2000 in der „Gegenwartskunde“ zu diesem Themenkomplex erschienen sind, nachdrücklich zu empfehlen. So markieren die seinerzeit erschienenen vier Aufsätze bis zum heutigen Tag die „Eckpfeiler“ der Debatte:
Die nachfolgenden Beiträge sind im GWP-Online-Archiv verfügbar: ‒ Rüdiger von Rosen (2000): Wirtschaft in die Schule! Plädoyer für ein Schulfach Ökonomie an allgemein bildenden Schulen, in: Gegenwartskunde, 49. Jg., Heft 1, S. 11-22* ‒ Hans-Hermann Hartwich (2000): Kein neues Fach Ökonomie, aber eine modernere Wirtschaftslehre in der schulischen politischen Bildung!, in: Gegenwartskunde, 49. Jg., Heft 1, S. 23-36* ‒ Sibylle Reinhardt (2000): Ökonomische Bildung für alle – aber wie?, in: Gegenwartskunde, 49. Jg., Heft 4, S. 413-422* ‒ Roland Sturm (2000): Der schöne Schein des Geldes – ist ökonomische Bildung voraussetzungslos?, in: Gegenwartskunde, 49. Jg., Heft 4, S. 407-411*
ad (1) Rüdiger von Rosen, bis Juni 2012 geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DAI, spricht sich energisch dafür aus, ökonomische Inhalte in einem eigenständigen Fach zu verankern: „Es bedarf eigener Richtlinien und eines eigenen Lehrplans, einer eigenen Fachdidaktik, speziell ausgebildeter und kontinuierlich fortgebildeter Lehrer und aktuellen Unterrichtsmaterials, um den Schülern ökonomische Inhalte mit Erfolg zu vermitteln“ (2000, 15). Seiner Auffassung nach führt jede Integration von Wirtschaftsthemen in andere Fächer tendenziell dazu, „ökonomische Phänomene aus dem Blickwinkel dieser Fächer zu betrachten, ohne zuvor die für eine sachliche Beurteilung und Problemlösung unabdingbaren ökonomischen Grundlagen zu vermitteln“ (ebd.). Unweigerlich führe dies zu „vordergründig einleuchtenden, tatsächlich aber falschen Lösungsvorschlägen für wirtschaftspolitische Fragestellungen“ (ebd.). Würde ökonomische Bildung zu einer fächerübergreifenden Aufgabe erklärt, werde dem fachlichen Dilettantismus der Weg geebnet, könne doch nicht davon ausgegangen werden, dass „jeder Geschichts-, Mathematik- oder Biologielehrer […] auch in ökonomischen Fragestellungen so bewandert [sei], dass er die sein Spezialgebiet überschreitenden Fragen – auch wenn sie sein eigenes Fachgebiet tangieren und sein Interesse finden – im Unterricht kompetent mit behandeln könnte“ (ebd., 20).
ad (2) In Reaktion auf die vom DAI erhobene Forderung nach einem eigenständigen Unterrichtsfach „Wirtschaft“ führt der (inzwischen) emeritierte Hamburger Politikwissenschaftler Hans-Hermann Hartwich das Ressourcenproblem aus, wonach die Forderung „angesichts des durch Stundenzahlen begrenzten Kanons […] nur dadurch erfüllt werden [kann], dass eingeführte Fächer gestrichen oder im Stundenplan nur stark verkürzt angeboten werden“ (2000, 23). Die Ablehnung eines selbständigen Schulfaches „Ökonomie“ gründet seiner Auffassung nach aber nicht nur auf den schulpraktischen Problemen, die mit der Verdrängung konkurrierender Fächer entstehen. „Es muss auch bedacht werden, dass nicht unter Berufung auf die alte und vieldiskutierte Vorstellung vom „homo oeconomicus“ die Welt allein durch die Brille der Wirtschaft erschlossen werden darf. So lebenswichtig diese auch immer ist. Zu umstritten sind nach wie vor überdies die normativen Leitbilder, wie denn ,Wirtschaft‘ zum Wohl der Menschen und Gesellschaften gedeihen sollte“ (ebd., 25). Zugleich wendet er sich gegen die Behauptung, „die Fächer Politologie und Soziologie hätten mit der Ökonomie ,nur wenig gemein‘“ (ebd., 36).
ad (3) Für Sibylle Reinhardt ergibt sich schlüssig, „daß relevante individuelle und gesellschaftliche Probleme in einem interdisziplinären Zugang […] bearbeitet werden müssen“ (2000, 416). So führt sie das Problem der Arbeitslosigkeit als Beispiel an, um zu verdeutlichen, dass gesellschaftliche Schlüsselprobleme nicht auf verschiedene Schulfächer aufgeteilt werden sollten. Bezogen auf das gewählte Beispiel führt sie aus, dass „die individuellen Konsequenzen und Handlungen, die konjunkturelle und strukturelle Situation, alternative politische Handlungsmöglichkeiten und deren Bewertungen […] nicht voneinander getrennt und von Lehrern nach Zuständigkeiten zerstückelt werden“ dürfen (ebd.). Dies überließe den Lernenden die geradezu unlösbare Aufgabe, die Bezüge zwischen den unterschiedlichen Fächern herzustellen. Bildung brauche Muße und Konzentration auf Inhalte und „nicht jene Spezialisierungen, die zum Zerstückeln in kurzatmiges Lernen führen“ (ebd., 421). Die Annahme, dass die (mono)disziplinäre Anbindung eines Schulfachs an (nur) eine Wissenschaft zu einem schlüssigen Konzept führe, lehnt Reinhardt unter Verweis auf „die komplexe und vernetzte Realität und mit dem Hinweis auf die Prozesse des Lernens“ ab (ebd.).
ad (4) Roland Sturm mahnte in seinem Beitrag an, dass Schulpraktiker/innen sich ihrer doppelten Verantwortung bewusst werden müssten. Zum einen sollen sie „lebens- und praxisnah ökonomische Zusammenhänge […] vermitteln und damit die Schüler an für sie und ihre Zukunft entscheidende Fragen und Chancen“ heranführen (2000, 410 f.). Zugleich sollten sie dies aber „im Kontext eines politischen Bildungsauftrages […] tun, der es den Schülern ermöglicht, selbständig mit den gesellschaftlichen Voraussetzungen, Folgen und politischen Begründungen wirtschaftlichen Handelns umzugehen“ (ebd., 411). Keinesfalls dürfe die Inthronisierung der ökonomischen die Entthronung der politischen Bildung zur Folge haben, schließlich seien wirtschaftliche Tätigkeiten keinesfalls „unpolitisch“. Hinzu komme, dass sich gesellschaftliches Zusammenleben nicht automatisch dann am besten gestalten lasse, „wenn jeder einzelne um jeden Preis seinen persönlichen Nutzen zu mehren sucht“ (ebd., 407).
Setzt man die vor 13 Jahren in Gegenwartskunde dargelegten Argumente in Bezug zur derzeitigen Debatte um die curriculare, konzeptionelle, inhaltliche und institutionelle Verankerung der ökonomischen Bildung, so lassen sich zahlreiche Parallelen erkennen. Die Lektüre der „historischen“ Dokumente lohnt auch deshalb, weil die Frage, was Schüler/innen im Kontext ökonomischer Bildung lernen sollen, bis heute nicht abschließend beantwortet wurde: „Sollen bei den Schülerinnen und Schülern eher praktische Fähigkeiten gefördert werden, die dazu dienen können, ökonomische Lebenssituationen zu bewältigen (beispielsweise Konsumentenorientierung und Berufsorientierung)? [Oder] sollen die Schülerinnen und Schüler im Sinne der politischen Bildung die Wirtschaft als gesellschaftliches Teilsystem kennen lernen, welches auch das Ergebnis von Interessenauseinandersetzungen und Wertordnungen ist und politischen Gestaltungsmöglichkeiten unterliegt“ (Tschirner 2008, 74 f.)? In Anbetracht der Tatsache, dass immer mehr öffentliche Einrichtungen und sozialstaatlich verbriefte Leistungen privatisiert werden, Kunst und Kultur auf ihren Marktwert hin analysiert werden und bereits vorschulische Bildung als „Investment“ in den Nachwuchs betrachtet wird, ist von einer Verstetigung der Debatte um die Notwendigkeit ökonomischer Bildung sowie ihrer inhaltlichen Ausgestaltung auszugehen. Ebenso wird die in 16 Bundesländern zu beantwortende Frage, ob – und wenn ja, wie – die ökonomische Bildung noch breiter in den Fächerkanon Eingang finden soll, die bildungspolitische Debatte auf Jahre hinaus prägen. Schließlich wird die zunehmende Sensibilisierung für den „Kundenfang im Klassenzimmer“ die Frage aufwerfen, ob nicht trotz der chronischen Unterfinanzierung der kommunalen Haushalte die Schulbuchetats aufgestockt und die Kopierkontingente aufgehoben werden müssen.
Tim Engartner/Balasundaram Krisanthan
Zusammenfassung
In Reaktion auf die in der öffentlichen Debatte intensiv diskutierte Frage nach der curricularen Verankerung ökonomischer Bildung sowie in Ergänzung zu einem Konzept sozioökonomischer Bildung, das derzeit im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung entwickelt wird, werden im vorliegenden Beitrag ausgewählte didaktische, methodische und inhaltliche Anknüpfungspunkte für eine Verzahnung politikwissenschaftlicher, soziologischer und wirtschaftswissenschaftlicher Zugänge benannt. Damit soll ein Kontrapunkt zu der mitunter zu beobachtenden „Engführung“ der ökonomischen Bildung entlang der neoklassischen Standardökonomie gesetzt werden. Ziel ist es, einen perspektivischen Monismus im Stile eines „Ökonomismus“ zu vermeiden und stattdessen heterodoxe und interdisziplinäre Inhalte zu befördern. Sozio-ökonomische Bildung soll demnach auch solche Positionen vermitteln, die der „Fürsprache des Marktes“ Argumente entgegensetzen, indem die Grammatik einer Gesellschaft gelesen und deren politische Konstitution gedeutet wird.
Wir würden gegenwärtig Zeuge, wie ein neuer Mensch programmiert, eine neue Kodierung des Sozialen vorgenommen und ein neues Bild der Gesellschaft geschaffen werde. Der „Informationskapitalismus“ habe ein Raster über die Welt gelegt, dem niemand entkommen könne. Das auf die „Totalbewirtschaftung“ des Lebens zielende Kosten-Nutzen-Kalkül stelle alles Tun und Trachten – von der Aufnahme des Studiums bis hin zur Familiengründung – unter den ökonomischen Vorbehalt des „Sich-Rechnen-Müssens“. Der Mensch als vernunftbegabtes Wesen folge nur mehr der Vernunft des rationalen Egoisten: dem Eigennutz. Der homo oeconomicus, für den das Leben eine einzige Gewinn- und Verlustrechnung darstelle, habe das Labor verlassen und ersetze nun als rationaler Spieler auch im wirklichen Leben den von sozialen Beziehungen geprägten Menschen. Überhaupt sei das Menschliche Schritt für Schritt dem Ökonomischen gewichen. Auch deshalb sei es nicht verwunderlich, dass – der Ökonomie des selbstsüchtigen Herzens folgend – immer mehr Lebensbereiche den Gesetzen des Marktes unterworfen würden. Derartige Gesellschaftskritik zählt spätestens seit den 1960er-Jahren zum Standardrepertoire links-liberaler Autor(inn)en. Nun aber hat mit Frank Schirrmacher ein gestandener Konservativer seine Skepsis gegenüber der in nahezu sämtlichen Teilbereichen des Lebens aufkeimenden Allmacht des Ökonomischen mit der angedeuteten Präzision zum Ausdruck gebracht (2013). In seinem gerade erschienenen Buch mit dem Titel Ego. Das Spiel des Lebens hinterfragt er die kollektive Individualisierung, geißelt die Macht der Ökonomie und verweist auf die unheilvollen Konsequenzen einer allein von ökonomischen Parametern determinierten Gesellschaft. Die Intervention des seit beinahe zwei Jahrzehnten als Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung tätigen Autors kann als Beleg dafür angesehen werden, dass die Ökonomisierung des Sozialen zunehmend kritisch gesehen wird und die Frage, wie Politik, Ökonomie und Gesellschaft miteinander in Einklang gebracht werden können, an Bedeutung gewonnen hat. Das in zahlreichen Feuilletons überschwänglich gelobte Werk identifiziert eine Problemkonstellation, die für die gesellschaftspolitische Debatte und damit auch für die sozialwissenschaftliche Bildung von kaum zu überschätzender Bedeutung ist: Wie kann ökonomische Bildung vermittelt werden, ohne dass ökonomischen Erklärungsmustern für sämtliche individuellen und gesellschaftlichen Fragestellungen Vorschub geleistet wird? Schließlich ist davon auszugehen, dass diejenigen, die den ökonomischen Rationalismus in jeder Lebenssituation zum Maßstab ihres Denkens und Handelns erklären, weniger ökonomisch gebildet als vielmehr ökonomistisch verbildet sind. Aber bei aller berechtigten Kritik an der Ökonomisierung unserer Lebenswelt gilt es festzustellen, dass wirtschaftliche Tätigkeit eine gesellschaftliche Konstante darstellt, die dem Einzelnen ebenso wie den größeren sozialen Einheiten die (materielle) Existenz sichert, die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe bildet – und sich nicht allein durch Alltagserfahrungen erschließen lässt. Vor dem Hintergrund, „dass sich die ökonomische Urteils- und Handlungskompetenz der Menschen in dem Maße fortentwickeln muss, in dem sich die Lebenswelt ‚ökonomisiert‘“ (Retzmann 2008, 215), ist der von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden, Kirchen und Kreditinstituten sowie politischen Parteien und Pädagog(inn)en mit unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Intentionen formulierte Appell, Wissen über ökonomische Sachverhalte, Prozesse und Zusammenhänge stärker als bislang zu vermitteln, durchweg nachvollziehbar.
Denn auch dann, wenn es politisch zu fragen gilt, welche gesellschaftlichen Gruppen von bestimmten Steuersenkungen (in besonderer Weise) profitieren, bedarf es nicht nur eines Grundverständnisses von direkten und indirekten Steuern, sondern auch der Fähigkeit, zwischen Kommunal-, Länder- und Bundessteuern sowie „sozial blinden“ und „sozial gerechten“ Steuern zu unterscheiden. Sucht man angesichts der Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten nach Antworten auf die Frage, ob – und wenn ja, inwieweit – das Aufspannen milliardenschwerer Rettungsschirme zu Gunsten „systemrelevanter“ Banken gerechtfertigt ist, kommt man ohne einen tiefschürfenden Blick auf die internationale Finanzmarktarchitektur nicht aus. Und auch die Schattenseiten der Globalisierung lassen sich nicht frei von volkswirtschaftlichen Zahlen, Daten und Fakten ausleuchten.
Die Frage, welche Ziele sich mit ökonomischer Bildung verbinden lassen bzw. verbunden werden sollten, wird unterschiedlich beantwortet. Weitgehende Einigkeit besteht dahingehend, dass nicht wirtschaftswissenschaftliche Theorien und Methoden den Kern der ökonomischen Bildung kennzeichnen, sondern ihre Überführung in bildungsrelevante Kategorien, weshalb es einer normativen Ausrichtung bedarf – in Richtung „Persönlichkeitsentwicklung, Aneignung wissenschaftlicher und kultureller Traditionen, Bewältigung praktischer Lebensanforderungen und aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“ (Weber 2008 a, 53). Die „Zweibeinigkeit“ der Wirtschaftsdidaktik soll einerseits die Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen und anderseits das Spannungsverhältnis zwischen dem Lernenden, dem Lehrenden und den Lerngegenständen auflösen, um die Kluft zwischen der Intentionalität des Lehrenden und der Individualität der Lernenden zu schließen. Darüber hinaus ist allen einschlägigen Konzeptionen gemein, dass sich (ökonomische) Bildung an gegenwärtigen oder zukünftigen Lebenssituationen der Adressat(inn)en orientieren soll, dass die Struktur- und Funktionsprinzipien der Wirtschaftsordnung zu erörtern sind und dass „das Theorie- und Methodenwissen der Ökonomik das domänenspezifische Proprium für die ökonomische Bildung“ darstellt (Loerwald 2007, 30). Das nachfolgend noch näher zu explizierende Konzept sozio-ökonomischer Bildung (vgl. 3.) orientiert sich an den curricularen Vorgaben in den sozialwissenschaftlichen Verbundfächern, die sich in der Fächertradition nahezu sämtlicher Bundesländer widerspiegeln und dabei wahlweise unter „Wirtschaft und Recht“ (Bayern, Baden-Württemberg), „Wirtschaft, Arbeit, Technik“ (Berlin, Brandenburg), „Politik und Wirtschaft“ (Hessen), „Politik/Wirtschaft“ (Nordrhein-Westfalen), „Wirtschaft/Politik“ (Schleswig-Holstein) o. ä. firmieren. Überdies wird davon ausgegangen, dass die Lernenden die Lebenswirklichkeit nicht entlang von Fachdisziplinen, sondern in toto wahrnehmen (vgl. zuletzt Hippe 2012). Die Handlungsebene legt zudem nahe, „dass man Wissen aus mehreren Sozialwissenschaften systematisch und geplant zusammenführt. Das gilt insbesondere dann, wenn Lernende in den zentralen Inhaltsfeldern (…) kompetent handeln können sollen“ (Hedtke 2008, 298). Der Integration von Politik, Soziologie und Ökonomie wird „zugetraut und zugewiesen, daß (sic!) sie helfen können, soziale Erfahrungen aufzuschließen, Urteile zu prüfen und Entscheidungen vorzubereiten“ (Reinhardt 1997, 14). Sozio-ökonomische Bildung muss dem Umstand Rechnung tragen, dass formalisierte mathematische Modelle und Methoden, denen in der neoklassischen Standardökonomie lange Zeit eine geradezu naturgesetzliche Allgemeingültigkeit bescheinigt wurde, zumindest mit Blick auf die Forschung im Auflösen begriffen sind. In dem Memorandum besorgter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler plädieren nicht wenige Fachvertreter/innen für ein „Ende des ökonomischen Imperialismus“, indem sie u.a. eine grundlegende Erneuerung der Lehre fordern, „d.h. eine Abkehr vom derzeit vorherrschenden Kernparadigma als der einzig legitimen Perspektive der als wissenschaftlich geltenden Thematisierung des Wirtschaftens“ (Me’M. Denkfabrik für Wirtschaftsethik 2012). So werden allerorten Forderungen nach einer Erneuerung der Ökonomie laut, die ihrem Selbstverständnis nach weniger eine Natur- als vielmehr eine multiparadigmatische Geistes- und Sozialwissenschaft darstellen soll, um sich den Prinzipien der Interdisziplinarität und Kontroversität ebenso zu verpflichten wie der permanenten ethischen Reflexion. In Zeiten, in denen immer mehr Gesellschaftsbereiche nach dem Vorbild des Marktes geordnet werden, ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit dessen (Dys-)Funktionalitäten unabdingbar. Überdies sollte im Kontext sozio-ökonomischer Bildung Berücksichtigung finden, dass Märkte die Anwendung von Kategorien wie Gerechtigkeit, Solidarität und soziale Balance nach den herkömmlichen, zumeist noch immer in der Tradition der Neoklassik stehenden Modellen nicht zulassen. Insofern wirft Gerd Steffens eine wegweisende Frage auf: „Kann ökonomisches, also per definitionem auf individuelle Nutzenmaximierung gerichtetes Verhalten Gesellschaftlichkeit, soziale Synthese oder – bescheidener – Motive für den sozialen Zusammenhalt hervorbringen“ (2008, 28)? Weiterhin fragt er, wie sich im Kontext sozialwissenschaftlicher Bildung Potenziale entwickeln lassen, „die die zerstörerische Kraft rein egoistischen Denkens bändigen, begrenzen, womöglich in sozialen Zusammenhalt verwandeln“ (ebd.). Bislang konzentriert sich der Mainstream der Wirtschaftswissenschaften unverändert auf die Knappheit von Gütern und die Notwendigkeit ökonomischer Dispositionen, so dass kulturelle, historische und politische Dimensionen weitgehend ausgeblendet werden: „Dieser ‚ökonomische Imperialismus’, bei dem politische Handlungen und Motivationen dem Muster der rationalen Kosten-Nutzen-Überlegungen von Marktkontrahenten angeglichen werden, hat zwar in manchen Fällen einige neue Perspektiven und Einsichten geliefert, verfehlt aber vollkommen die – von der ‚Alten Politischen Ökonomie‘ angestrebte – Aufgabe, die Besonderheiten sich wandelnder politischer, soziologischer und historischer Konstellationen zu berücksichtigen, die bei einer isolierten wirtschaftstheoretischen Sicht (…) vernachlässigt werden“ (Rothschild 2004, 19). Aus dieser Haltung rührt ein Großteil der Skepsis gegenüber ökonomischen Lehr- und Lerninhalten, können diese doch sehr unterschiedlich definiert werden, z.B. entweder eine dezidiert betriebs- oder eine eher volkswirtschaftliche Dimension aufweisen. Um die wechselseitigen Bezüge zwischen Politik, Soziologie und Ökonomie einerseits und ihre bisweilen unterschiedlichen Logiken andererseits zu erklären, sollten verstärkt Lehr- und Lerninhalte thematisiert werden, die eine „Klammer“ zwischen diesen Sphären bieten. Darüber hinaus muss im Ökonomie-Unterricht verdeutlicht werden, dass ökonomische Erklärungsansätze auf viele Fragen keine Antworten geben: Welchen Wert haben sozialstaatliche Grundsätze wie die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse oder die Verteilungs- und Chancengerechtigkeit? Wie soll das Vertrauen der Bevölkerung in Verwaltung und Gerichtsbarkeit monetär bewertet werden? Nach welchen Kriterien sollen institutionelle Arrangements wie Demokratie, Mitbestimmung, Minderheitenschutz etc. beurteilt werden? Antworten auf derartige Fragen, die an den Kern der Staatlichkeit heranreichen und diese letztlich begründen, entziehen sich effizienztheoretischen Bewertungen, verlangen infolgedessen geradezu nach einer politischen, soziologischen, ethischen und/oder normativen Einschätzung.
Den Anforderungen eines gelingenden Unterrichts entsprechend, soll auch sozio-ökonomischer Unterricht derart gestaltet werden, dass er einen hohen Anteil echter Lernzeit evoziert, die Kommunikation der Lernenden anregt sowie im Wege eines kumulativen Lernprozesses Handlungs-, Orientierungs-, Kritikund Urteilsfähigkeit befördert. Methodische Vielfalt und Variation der Sozialformen sollen gerade mit Blick auf Möglichkeiten der Binnendifferenzierung individuelle Förderung und eigenständiges Arbeiten erlauben. Dabei ist stets ein systematischer Beitrag zur politischen Willensbildung zu leisten. Aus diesem Grund sollen die Schüler/innen lernen, ökonomisches, soziologisches und politisches Wissen zusammenzuführen, so dass sie zu einem sachgerechten und tragfähigen Urteil gelangen können – gleich, ob der Mehrwertsteuersatz angehoben, die Pendlerpauschale gekürzt oder ein Bankenrettungsschirm gespannt wird. Aufgrund der in den Sozialwissenschaften gegebenen Themenfülle ist es unerlässlich, dem didaktischen Gebot der Exemplarität zu folgen, d.h. eine sach- und schülergerechte Inhaltsauswahl zu treffen (vgl. weiterführend Engartner 2010). Dieses sieht zum einen vor, dass die jeweiligen Fälle als Lerngegenstände beispielhaft sind – insofern einen praxisbedeutsamen Ausschnitt der Wirklichkeit repräsentieren –, verlangt jedoch zugleich auch eine (subjektive) Bedeutsamkeit für die Lernenden, befördert dies doch im Allgemeinen die Lernmotivation. Insofern müssen die Themen nicht nur die Möglichkeit bieten, Grundsätzliches, Wesentliches, Strukturelles und Gesetzmäßiges zu erarbeiten, sondern auch an die gegenwärtige und zukünftige Lebenswelt der Zielgruppe anknüpfen. Sozio-ökonomische Bildung folgt in erster Linie den in der politischen und ökonomischen Bildung entwickelten methodologischen Gesichtspunkten (Prinzipien der Problemorientierung, der Multidiziplinarität und der Empirie), nimmt Schüler- und Handlungsorientierung ernst und zeichnet sich durch eine pluralistische und wertoffene wissenschaftliche Grundhaltung aus (vgl. Abb. 1).
Abb. 1: Prinzipien zur Integration der sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen
in Anlehnung an: Hedtke 2012, 19
Die Fokussierung auf die politische und ökonomische Bildung ergibt sich aus
der jahrgangsstufen- und bundeslandübergreifenden Marginalisierung der Soziologie
in den Curricula der sozialwissenschaftlichen Verbundfächer. Das Akzeptanzproblem
der Soziologie dürfte zum einen auf das vorherrschende szientistische
Bild von Wissenschaft zurückzuführen sein. So wird die erst zum Ende
des 19. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Wissenschaft gereifte Disziplin
in der Öffentlichkeit häufig als enttäuschend wahrgenommen, da sie dem
vorherrschenden Glauben an ein szientistisches „Standardmodell von Wissenschaft“
nicht gerecht wird (Streeck 2012, 132). Zum anderen können sowohl
Politik als auch Ökonomie „auf eine außeruniversitäre, primär nicht wissenschaftlich
organisierte Praxis verweisen, die tagtäglich (…) Bildungspolitikern
und Bildungsplanern, Schülern, Lehrern wie Eltern scheinbar unmittelbar als
solche sichtbar ist: die ,Politik‘, die ,Wirtschaft‘. Eine vergleichbare soziologische
Praxis gibt es nicht“ (Meuser 1997, 254). Pierre Bourdieu konstatiert, dass
zwar täglich Wirtschaftswissenschaftler/innen und Politikwissenschaftler/innen
in den Medien zu Wort kämen, „um Entscheidungen der Regierungen zu rechtfertigen“,
Soziolog(inn)en hingegen kaum zitiert würden und wenn doch „nur
in Krisensituationen, angesichts ,sozialer‘ Probleme“ (1996). Zuletzt dürfte die
Marginalisierung der Soziologie darauf zurückzuführen sein, dass sich bis heute
keine eigenständige Soziologiedidaktik entwickelt hat (vgl. u.a. Späte 2005;
Hedtke 2005).
Ausgehend von den in Abbildung 1 aufgezeigten Prinzipien für den integrativen
Ansatz, können sechs inhaltliche, didaktische und methodische Aspekte
als zentral für das Konzept einer sozio-ökonomischen Bildung formuliert werden
(vgl. Abb. 2).
Der im Beutelsbacher Konsens festgeschriebenen Schülerorientierung folgend, sind die Zugänge zum Lerngegenstand so zu gestalten, dass Verknüpfungen mit der Lebenswelt der Schüler/innen möglich sind, damit sie ihre Erfahrungen, Erwartungen und Perspektiven einbringen (können) (Holzkamp 1992). Deshalb dürfen nicht allein Fakten vermittelt werden, sondern deren Bedeutung für die Verwirklichungschancen der/des Einzelnen muss stets im Blick behalten werden. Sozio-ökonomische Bildung soll ferner vernetztes Denken befördern und an Alltagserfahrungen und -einstellungen der Schüler/innen anknüpfen, die Bedürfnisse und Wünsche der Lernenden in den Blick nehmen und produktive Irritationen schaffen, die zur kritischen Reflexion anregen. Dazu sollten nahezu alle ökonomisch und politisch geprägten Rollen, die von Menschen ausgefüllt werden, in den Blick genommen werden. Die politisch geprägten Rollen sind in der einschlägigen Fachliteratur hinlänglich beschrieben und reichen von der des Betriebsrats/der Betriebsrätin bis hin zu der des Wählers/der Wählerin und lassen sich weitestgehend unter dem Label des citoyen actif subsumieren. Selbiges gilt für die vorwiegend ökonomisch geprägten Rollen, wobei eine Schwerpunktsetzung in Richtung folgender Rollen zielführend zu sein scheint:
(1) Rolle der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers, (2) Rolle der Verbraucherin/des Verbrauchers und (3) Rolle der Staatsbürgerin/des Staatsbürgers.
Dies lässt sich – verkürzt formuliert – mit dem „Gesetz der Masse“ begründen. So ist zu berücksichtigen, dass die große Mehrheit der Lernenden später in abhängiger Beschäftigung berufstätig sein wird. Derzeit sind hierzulande 36 Mio. der 40,5 Mio. Beschäftigten Arbeitnehmer/innen – ein Sachverhalt, der es rechtfertigt, die Arbeitswelt weit überwiegend aus der Arbeitnehmerperspektive darzustellen. Die Verbraucherperspektive muss eingenommen werden, um einen Beitrag zur Rationalisierung von Konsumentscheidungen zu leisten, denn auch wenn die Etikettierungen der heutigen Gesellschaft von der Arbeits-, Industrie- und Wissensgesellschaft bis hin zur Medien-, Freizeit- und Risikogesellschaft reichen, so ist doch unstrittig, dass wir auch in einer Konsumgesellschaft leben. Schüler/innen in ihren Rollen als Verbraucher/innen zu stärken, ist unabdingbar, um für durch Werbung motiviertes Konsumverhalten zu sensibilisieren, Überschuldungsrisiken zu kennzeichnen sowie die Maßstäbe ethisch verantwortungsvollen Konsums aufzuzeigen. Als Staatsbürger/innen sind Menschen auch aus ökonomischer Perspektive in gesellschaftliche Strukturen und Prozesse eingebunden, d.h. sie sind etwa von den Bedingungen und Auswirkungen sozialer Ungleichheit betroffen oder in der Lage, diese mittels Engagement oder im Wege demokratischer Wahlen zu verändern.
ad (1) Die Rolle der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers umfasst eine Fülle von Ereignissen, insbesondere dann, wenn ein über die Erwerbsarbeit im engeren Sinne hinausgehender Arbeitsbegriff zu Grunde gelegt wird. Schüler/innen sollen auf typische, d.h. durch bestimmte Strukturmerkmale gekennzeichnete, „Arbeitssituationen“ vorbereitet werden, um in diesen annähernd planmäßig handeln zu können. Davon ausgehend, dass die Institution Schule u.a. dafür verantwortlich zeichnet, dass Schüler/innen für ihre berufliche Zukunft gewappnet werden, sollen neben (lebens)situationsbezogenen Inhalten auch gesellschaftspolitische Grundwerte vermittelt werden. Sollen diese über die Schulzeit hinaus tragen und damit auf den Erwerbsarbeitsprozess vorbereiten, gilt es, die Beschleunigung der Arbeitsprozesse, die gewachsenen Leistungsanforderungen, die in vielen Branchen eingeforderte (berufliche) Mobilität – kurzum: den durch die Globalisierung forcierten Wandel der Arbeits- und Berufswelt – umfassend zu beleuchten. Befristete Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeitarbeit und aus der Not heraus geborene Ein-Personen-Selbständigkeiten haben gemeinsam mit den gestiegenen Ansprüchen an den zeitlich und räumlich flexiblen Menschen zu einer bis in die Mitte der Gesellschaft reichenden Verunsicherung geführt. Davon ausgehend, dass der Arbeitsmarkt als „spezifischer“ Markt zu klassifizieren und als „vermachtetes Gelände“ mit zu Gunsten der Arbeitgeber/innen ausfallenden Machtasymmetrien zu begreifen ist, muss die Rolle der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers gerade auch mit Blick auf Möglichkeiten der Mitbestimmung umfassend expliziert werden. Dabei muss deutlich werden, dass es neben einem demokratischen Gesellschaftssystem kein undemokratisches Wirtschaftssystem geben kann. Zugleich gilt es darzulegen, dass Arbeit für die meisten Menschen das organisierte und organisierende Zentrum der Lebensführung darstellt und sich gesellschaftliche Integration noch immer in besonderer Weise über Erwerbsarbeit vollzieht. ad (2) In ihren Rollen als Verbraucher/innen sind Individuen nicht selten überfordert, so dass sie mitunter fremd- statt selbstbestimmt handeln. Dabei sind die Anforderungen in der globalen Warenwelt sicht- und spürbar gestiegen. Nie zuvor wurde eine derart große Menge an Gütern, Dienstleistungen und Informationen vorgehalten, war es derart (zeit)aufwendig, sachgerechte Auswahlentscheidungen zu treffen. Auch in ihren Rollen als Anleger/innen und Versicherungsnehmer/innen sind die Verbraucher/innen mehr und mehr gefordert. So hat die eigenverantwortliche finanzielle Planung massiv an Bedeutung gewonnen, seitdem der Leistungskatalog der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegekassen gekürzt und die Bismarcksche Sozialversicherungsarchitektur um die „Riester-“ und „Rürup-Rente“ als Instrumentarien der kapitalgedeckten Altersvorsorge ergänzt wurde. Hinzu kommt, dass Konsument(inn)en immer häufiger Leistungen erbringen müssen, die ursprünglich in die Zuständigkeit der Unternehmen und ihrer Kundenbetreuer/innen fielen – etwa bei Bankgeschäften oder Reisebuchungen. Aus Konsument(inn)en sind vielfach „produzierende Konsument(inn)en“, sprich: Prosument(inn)en, geworden. Ferner gilt es zu berücksichtigen, dass das konsumethische Bewusstsein zugenommen hat, so dass z.B. der Konsum von Waren mit Umwelt- und Sozialsiegeln nicht nur zu einem betriebs- und volkswirtschaftlich relevanten Phänomen geworden ist, sondern auch zu einer „Politisierung des Konsums“ geführt hat. ad (3) Die Rolle der Staatsbürger/innen umfasst Lebenssituationen, die der Tatsache geschuldet sind, dass der wirtschaftende Mensch Teil des politischen Gemeinwesens ist. So gilt es, die Rolle der Beitrags- und Steuerzahler/innen zu erörtern, leisten diese doch einen bedeutenden materiellen Beitrag zum Gemeinwesen. In die Rolle der Transferempfänger/innen fallen Lebenssituationen, in denen der Einzelne vom Gemeinwesen (materiell) profitiert. So konkretisiert sich der Solidargedanke als tragendes Fundament des Sozialstaates nicht nur in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, sondern auch in deren (gerechtfertigter oder ungerechtfertigter) Inanspruchnahme. Vermittelt werden sollte auch, dass Steuergerechtigkeit, -moral und -aufkommen untrennbar miteinander verbunden sind. Aufgegriffen werden sollte auch die Rolle der Spenderin/des Spenders und der Stifterin/des Stifters, nehmen private Geldgeber/innen doch immer häufiger eine zentrale Funktion bei der Überführung wirtschaftlicher in soziale Werte wahr. Zugleich soll deutlich gemacht werden, dass Stiftungen und Spenden ebenso wie Ehrenämtler/innen einen funktionsfähigen Sozialstaat nicht ersetzen, sondern allenfalls punktuell ergänzen können. Zuletzt kann auch aus der Rolle der Eigentümer/innen die Übernahme von Verantwortung verdeutlicht werden, da Eigentum soziale Beziehungen stiftet, verhindert und hierarchisiert.
Die hier skizzierte Konzeption sozio-ökonomischer Bildung soll Lernende zum Erwerb einer politischen Streitkultur bewegen. Davon ausgehend, dass es vorrangiges Ziel der sozialwissenschaftlichen Bildung ist, Lernende dazu zu befähigen, nach sachlich begründeten und persönlich definierten Kriterien analysieren, urteilen und handeln zu können, beruht der Ansatz im Unterschied zu „kundlichen“ Didaktiken nicht in erster Linie auf einer den Fachwissenschaften entlehnten Systematik, sondern speist sich primär aus Fragen, mit deren Hilfe sich gesellschaftliche Strukturen und Prozesse erschließen lassen. Analytisch kann dabei zunächst das Prinzip der Problemorientierung von einer an Konflikten orientierten Didaktik unterschieden werden: Während die Problemorientierung den Inhalt des Politischen bzw. Ökonomischen thematisiert und gesellschaftlich kollektiv definierte Probleme wie Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise, Chancenungleichheit etc. fokussiert, betont die Konfliktorientierung politische, gesellschaftliche und ökonomische Prozesse, die von verschiedenen Akteuren beeinflusst und damit verändert werden können. Anders als in der neoklassisch geprägten ökonomischen Bildung sollen im Rahmen der sozio-ökonomischen Bildung persönliche und gesellschaftliche Schlüsselprobleme akzentuiert werden: „Ökonomische Relevanz erhält die Problemorientierung dadurch, dass jegliches Wirtschaften, ob auf der individuellen oder der politischen Ebene, grundsätzlich vor einem Problem steht: Wie können die verfügbaren Mittel rational zur Erreichung von Zielen eingesetzt werden? Dabei wird die Problemlösung erschwert durch die Wahl der Ziele oder Mittel, durch existierende Zielkonflikte, Opportunitätskosten, Unsicherheiten und Risiken sowie durch nicht intendierte Folgen“ (Weber 2008 b, 266). Auch Karl Homann und Andreas Suchanek unterstreichen den Stellenwert der Problemorientierung zur Behandlung ökonomischer Bildungsinhalte, indem sie anmerken, „dass der letzte Sinn ökonomischer Forschung (…) in der Erarbeitung von Erkenntnissen liegt (…), die zur Lösung der Probleme der sozialen Ordnung beizutragen vermögen“ (2005, 349). Die Konfliktorientierung kommt dann zum Tragen, wenn sich ein Problem in einem konkreten (tagesaktuellen) Konflikt mit unterschiedlichen Interessen und vor allem handelnden (Konflikt)Parteien niederschlägt (Giesecke 2000, 109). Dabei kann zwischen manifesten Konflikten, die struktureller Bestandteil der Gesellschaft sind (wie z.B. Tarifkonflikte) und den diesen meist zu Grunde liegenden latenten Konflikten (wie der Interessengegensatz von Arbeitgeber(inne)n und Arbeitnehmer(inne)n unterschieden werden (Giesecke 1997). Die differenzierte Betrachtung und Beurteilung von Problemen und Konflikten soll einer rein affirmativen Grundhaltung gegenüber der bestehenden Wirtschafts- und Sozialordnung entgegenwirken. Nur dann können Ökonomisierungsprozesse und -mechanismen mitsamt ihren Folgewirkungen von den Betroffenen erkannt, kritisiert und verändert werden.
Vielfalt zielt in den sozialwissenschaftlichen Didaktiken auf die Koexistenz
verschiedener Paradigmen, Theorien, Modelle, Methoden, Werte, Beurteilungskriterien
und (Wissenschafts-)Kulturen. Als pluralistisches Minimum
kann die Auseinandersetzung mit wenigstens einer alternativen Position benannt
werden. Ferner bedarf es der Relationierung, d.h. der „In-BezugSetzung“
ökonomischer Themen mit historischen Entwicklungssträngen, politischen
Gestaltungsmöglichkeiten, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen
und rechtlichen Vorgaben (vgl. insbesondere Graupe i.E.). Die Aufgabe besteht
darin, den Pluralismus ökonomischer Theorien, Modelle und Methoden
aus der Wissenschaft in den Unterricht zu überführen, so dass Kontroversen
auch außerhalb der Hochschulen ihren Widerhall finden. So etwa manifestiert
sich „ökonomische Multikulturalität“ (Bracht 1994, 30) in unterschiedlichen
Organisationsformen der Produktion – von privaten Haushalten über
Genossenschaften bis hin zu kleinen und mittelständischen Unternehmungen
–, in unterschiedlichen Anspruchshaltungen an die berufliche Tätigkeit, aber
auch in unterschiedlichen Selbstbildern, die von der „Selbstoptimierung“ bis
hin zur Selbstverwirklichung gemäß dem „Suffizienzpostulat“ reichen. Letztlich
sollen die Unterrichtsinhalte die Diversität (ökonomischer) Motive,
Wertvorstellungen, Lebensformen und -situationen wiederspiegeln. Es gilt ferner festzuhalten, dass sich Pluralismus – verstanden als eine Haltung, die
die Legitimität alternativer Ideen, alternativer Rahmenvorgaben und disziplinärer
Bezüge anerkennt – nur unter den Bedingungen von vollständiger Offenheit,
Chancengleichheit und Heterogenität sowie aus dem Zusammenspiel
der verschiedenen sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen entwickeln kann
(vgl. Abb. 3).
Sozio-ökonomischer Unterricht zielt in besonderer Weise auf die Entwicklung von Orientierungs-, Kritik- und Urteilsfähigkeit, geht mithin unter Bezugnahme auf die Reflexion von Alternativen über die bloße Faktenvermittlung hinaus, wobei der Wandlungscharakter gesellschaftlicher und damit auch ökonomischer Rahmenbedingungen herausgestellt wird. Einerseits wird Schüler(inne)n damit verdeutlicht, dass es aufgrund der historischen und regionalen Wandelbarkeit in den Sozial- gegenüber den Naturwissenschaften keine allgemeingültigen „Gesetze“ gibt; andererseits lernen sie, dass die von den Medien häufig als „geistiges Klima“ bezeichnete politische Kultur temporalen Transformationsprozessen unterliegt. „Insofern ist der Begriff der Mündigkeit nicht nur auf die Förderung des Individuums konzentriert, sondern zugleich auf eine Veränderung der Gesamtgesellschaft ausgerichtet, da alle gesellschaftlichen Verhältnisse, die dem Mündigwerden der Individuen entgegenstehen, zu kritisieren sind“ (Henkenborg 2001, 4). Um diese Erkenntnis zu befördern, bedarf es der Initiierung einer tragfähigen Reflexions- und Diskussionskultur, die die Lernenden in ihrer Eigen- und Fremdverantwortung stärkt. Wie Bildung und Erziehung insgesamt soll sozioökonomischer Unterricht einen Beitrag dazu leisten, dass das Gesellschaftssystem verstanden, gedeutet und entlang von Entwicklungsmöglichkeiten analysiert werden kann. Ein der sozio-ökonomischen Bildung verpflichteter Unterricht wirft z.B. die Frage nach der herkunfts- oder geschlechtsbedingten Zu weisung von Lebens- und Berufschancen auf. Ferner wird das Phänomen der „Macht“ als eine zentrale Lehr-/Lernkategorie verstanden, weist diese doch auf die Veränderbarkeit gesellschaftlicher Zustände hin. Im Einklang mit dem pluralistischen Prinzip audiatur et altera pars sollen die Schüler/innen nicht nur alternative Positionen skizzieren, respektieren und generieren lernen, sondern auch ein Gespür für die Veränderbarkeit des Wirtschafts- und Sozialsystems entwickeln: Was soll, kann oder muss sich ändern – und wenn ja, wie? Sozioökonomische Bildung soll demnach durch das Denken in Alternativen die Utopiefähigkeit der Lernenden fördern.
Das hier skizzierte Konzept sozio-ökonomischer Bildung soll andeuten, dass die Integration der benachbarten sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen einen wertvollen Beitrag zur paradigmatischen und thematischen Öffnung der ökonomischen Bildung leisten kann, um der viel zitierten Mündigkeit als höchstem Ziel sozialwissenschaftlicher Bildung Rechnung zu tragen. Lernprozesse können schließlich nur dann als erfolgreich klassifiziert werden, wenn (eigene) Meinungen und Urteile überdacht, präzisiert, reflektiert, verifiziert oder gegebenenfalls auch falsifiziert werden müssen (vgl. u.a. Massing 2005, 20). Dem sozio-ökonomischen Ansatz liegt die Annahme zu Grunde, dass angesichts der engen Verflechtung und der zahlreichen Überschneidungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft keine Notwendigkeit besteht, einen „Verdrängungswettbewerb“ zwischen den sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen anzustoßen (vgl. Hedtke 2005; 2008, 1). Stattdessen sollen die der sozialwissenschaftlichen Trias aus Politikwissenschaft, Ökonomie und Soziologie zu Grunde liegenden gemeinsamen Denkweisen, Kategorien und Methoden in einen systematischen Zusammenhang gestellt, konzeptionell geordnet sowie curricular verortet werden. Gleichwohl gilt es darauf hinzuweisen, dass soziologische Paradigmen, Perspektiven und Positionen künftig einen deutlicheren Widerhall in der sozio-ökonomischen Bildung finden müssen, liefert die Soziologie doch für eine Vielzahl ökonomisch bedeutsamer Themen- und Inhaltsfelder (Arbeit, Finanzen, Globalisierung, Konsum etc.) ebenso aufschlussreiche wie den Interessen der Schüler/innen Rechnung tragende Erklärungen. Letztlich bietet sozio-ökonomische Bildung eine Gewähr dafür, dass ein perspektivischer Monismus vermieden und heterodoxe sowie interdisziplinäre Inhalts- und Themenfelder in die Lehrpläne aufgenommen werden. Die Annahme, dass eine Wissenschaft, die ihre paradigmatischen und damit auch normativen Grundlagen nicht mehr reflektiert, keine Wissenschaft im strengen Sinne des Wortes mehr darstellt, lässt sich auf die (sozialwissenschaftlichen) Fachdidaktiken übertragen. Daher soll sozio-ökonomische Bildung auch solche Positionen vermitteln, die sich nicht der „Fürsprache“ des Marktes verschreiben, sondern die Grammatik einer Gesellschaft deuten und deren politische Konstitution analysieren, explizieren und kommentieren. Als notwendig erscheint die Perspektiverweiterung vor allem dann, wenn man mit Sorge betrachtet, dass – wie eingangs ausgeführt – ökonomische Rationalitäten immer mehr Lebensbereiche erfassen, die vormals als originär privat und/oder politisch gestaltbar galten.
Bettina Zurstrassen, Birgit Weber, Reinhold Hedtke, Andreas Fischer, Gerd-E. Famulla
Die "Initiative für eine bessere ökonomische Bildung" tritt dafür ein, ökonomische Fragen in gesellschaftliche, politische und kulturelle Zusammenhänge einzubetten und auf die Lebenswirklichkeit der Lernenden zu beziehen.
Die Frage, über welches ökonomische Wissen und Können alle Menschen verfügen sollen und wie man es fördern, diagnostizieren und vielleicht auch messen kann, steht im Zentrum der wirtschaftsdidaktischen Forschung.[1] In den Bildungsstandards der Deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung (DeGöB) definieren wirtschaftsdidaktische Expertinnen und Experten als wesentliches Ziel für das allgemeine Schulwesen: "Ökonomische Bildung soll Menschen zu einem mündigen Urteil, zur Selbstbestimmung und zur verantwortlichen Mitgestaltung befähigen." Damit grenzen sie sich deutlich ab gegen mögliche Einseitigkeiten. In den Leitzielen der DeGöB wird weiter ausgeführt: "Ökonomische Bildung wäre keine umfassende Persönlichkeitsbildung, würde sie sich nur auf die Vermittlung praktisch-wirtschaftlicher Tätigkeiten beschränken. Es geht ihr weder allein darum, zur Optimierung von Konsum- oder Anlageentscheidungen beizutragen, noch darum, spezifische Akzeptanzen zu fördern wie etwa für die freie Marktwirtschaft, die soziale Ungleichheit als Leistungsanreiz, eine bestimmte Form der Geldanlage oder aber eine bestimmte Interessenpolitik. Dies würde die kritisch-reflexive Dimension von Bildung ausblenden."[2]
An diesen programmatischen wirtschaftsdidaktischen Grundsätzen müssen sich Konzeptionen ökonomischer Bildung für die Schule messen lassen.[3] Im Oktober 2010 hat der Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft (GGW), getragen von 15 großen Wirtschaftsverbänden, Bildungsstandards und Standards für die Lehrerbildung für ein neues Unterrichtsfach "Ökonomie" an allgemeinbildenden Schulen veröffentlicht. Die Verbände hatten ihre Standards just dann in Auftrag gegeben, als die wissenschaftliche Fachgesellschaft DeGöB ihre Standards für alle Schulstufen fertig gestellt hatte. Warum verdient ein solches Gutachten, dessen Halbwertzeit unbekannt ist, Aufmerksamkeit? Das GGW-Gutachten ist politisch relevant, da wichtige wirtschaftliche Interessenverbände damit die Bildungspolitik beeinflussen wollen. Es ist aber auch wissenschaftlich bemerkenswert, weil es zeigt, wie eine ökonomische Bildung an Schulen aussähe, die sich dominant der Denkschemata der Ökonomik bedient. Mit Ökonomik bezeichnen wir hier stark vereinfacht den orthodoxen Mainstream der Volkswirtschaftslehre. Das Gutachten bietet also Anlass für eine fachdidaktische und eine bildungspolitische Auseinandersetzung, aber auch für eine gesellschaftliche Wertedebatte.
Das Gutachten der Verbände entwickelt zunächst ein bedenkenswertes und anschauliches Kompetenzmodell, dessen allgemeine Ziele sich relativ offen und eher pluralistisch lesen und als plausibel konstruiert erscheinen.[4] Von den allgemeinen Zielen bleibt aber bei ihrer Konkretisierung in Standards und vor allem in den Aufgaben wenig übrig. Beispielsweise benennt das GGW-Gutachten zwar ganz allgemein Effizienz, Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit als Bewertungskriterien wirtschaftlicher Regeln und Zusammenhänge.[5] Es hebt aber Effizienz deutlich als das wichtigste Kriterium hervor: "Sein [des Ökonomen; d. Verf.] wichtigster Beurteilungsmaßstab für alternative Handlungen, Interaktionen und Systeme ist Effizienz."[6] Einige Seiten später heißt es: "Ökonomisches Denken ist dadurch charakterisiert, dass alle gegebenen Zweck-MittelKombinationen am Maßstab der Effizienz gemessen werden."[7] Doch weder existiert die hier unterstellte rein "ökonomische Situation", noch besteht ein zwingender Anlass, "rationale Auswahlentscheidungen" allein nach Maßgabe ökonomischer Rationalität zu treffen.
Genau dazu zwingt man aber die Lernenden, wenn man ihnen allein die "ökonomische Perspektive" abverlangt. Vielmehr gilt, dass aus unterschiedlichen Zielsetzungen unterschiedliche Rationalitäten resultieren. Es leitet sich sogar erst "aus den Zielsetzungen ab, wie das Problem der Güterknappheit gehandhabt werden soll, ebenso wie aus bestimmten Zielsetzungen heraus sich die Knappheit von Gütern erst begründet". Ohne nähere Klärung der einzubeziehenden Ziele führen die als allgemeingültig unterstellte "Zweck-Mittel-Methode und das auf ihr basierende Instrumentarium (...) zwangsläufig dazu, nicht zweckbezogene, aber möglicherweise gesellschaftlich hoch relevante Aspekte systematisch aus der Bewertung und Steuerung von Handlungsalternativen auszuklammern."[8] Im Gutachten der Wirtschaftsverbände benennen lediglich drei von insgesamt fast 120 Standards explizit alternative Bewertungskriterien, fast die Hälfte der 40 Aufgaben bezieht sich auf Preis- und Kostenvergleiche sowie Preisbildung und - beeinflussung. Vor allem die Aufgabenbeispiele zur Überprüfung der Kompetenz sind nur wenig an einer allgemeinen ökonomischen Bildung orientiert: Die Lernenden müssen Grenzkostenkurven, Preiselastizitäten sowie Preisstrategien von Unternehmen erläutern.[9]
Statt kritisches Nachfragen und selbstständiges Urteilsvermögen zu fördern, liegt der Schwerpunkt darauf, wirtschaftswissenschaftliche Modelle anzuwenden, volkswirtschaftliche Denkmuster zu reproduzieren und immer wieder Rechenaufgaben durchzuführen. So sollen die Schülerinnen und Schüler berechnen, ob eine Reise mit dem Auto oder mit dem Zug preiswerter ist - und dabei das Kriterium des Umweltschutzes ignorieren.[10] Ein Nachdenken über Kriterien eigener Konsumentscheidungen, die über das Kostenargument hinausgehen und etwa auch gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen des Konsums einbeziehen, ist kaum gefordert. Für ein differenziert begründendes Urteilsvermögen bleibt so nur wenig Raum. Die Standards und Aufgaben orientieren sich meist an wirtschaftswissenschaftlichen Theorien und an Denkschemata der Ökonomik,[11] kaum an gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und lebensweltlichen Problemen. Die Aufgaben sind oft so modelliert, dass sie auf eine eindeutige Problemlösung hinauslaufen und leicht überprüfbar sind. Sie schneiden Lebenssituationen künstlich so zu, dass sie zu den scheinbar eindeutigen Lösungsmustern der Schulökonomik passen. Sie blenden gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse, soziale und ökologische Folgen des Wirtschaftens sowie auch persönliche Werthaltungen eher aus, während sie den Blick oft streng auf die Preis-, Kosten- und Anreizdimension ökonomisch geprägter Entscheidungen fokussieren. Damit fällt das Verbändegutachten hinter den Stand der Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaftsdidaktik zurück. Es ignoriert die für die wirtschaftliche Lebenswelt relevanten Erkenntnisse aus Sozial- und Organisationsforschung, Wirtschaftspsychologie und Wirtschaftssoziologie. Indem es wirtschaftswissenschaftliche Denkmuster als vorrangige Erklärungsansätze und Effizienz als dominantes Bewertungskriterium propagiert, favorisiert es die Erziehung zum Denken und Handeln als kühl kalkulierender homo oeconomicus in allen Lebensbereichen. Die Erklärung und politische Gestaltung der Welt erfolgt nach immer demselben theoretisch-analytischen Erklärungsmuster, zu dem es keine Alternative geben soll: "Während einzelne Handlungen in der Praxis nur begrenzt expliziten Effizienzkalkülen folgen, bilden sich in der Aggregation unzähliger Handlungen effizienzgeprägte wirtschaftliche Strukturen."[12] Auf problematische Weise führt diese Herangehensweise zur durchgehenden Ökonomisierung der Lebenswelt der Lernenden, indem es sie zumeist in eine strikt ökonomistisch-buchhalterische Perspektive zwingt und ökonomische Bildung auf die Befähigung zur Anwendung des Effizienzprinzips "gleich in welchem Gegenstandsbereich"[13] reduziert. In einer so verstandenen Disziplinorientierung steckt auch eine praktische Disziplinierung, da es kein Verhalten außerhalb des KostenNutzen-Kalküls zu geben scheint und der ökonomische Ansatz die Menschen "immer schon als jene nutzenmaximierende(n) Marktsubjekte (identifiziert), zu denen sie erst gemacht werden und sich selbst machen sollen".[14] Das GGW-Gutachten vernachlässigt das Spannungsverhältnis zwischen Wissenschafts- und Lebensweltorientierung, welches das Interesse an Wirtschaftsthemen und die Kompetenzentwicklung fördert, weil es sich vorrangig an der gewachsenen Struktur der universitären Disziplinen orientiert und wirtschaftswissenschaftliche Denkschemata zum dominanten Bewertungskriterium macht. Ebenso wie die Ökonomik blendet das Gutachten die eigene Bildung, Reflektion und Entwicklung von Präferenzen und Nutzenvorstellungen der Lernenden aus. Es entspricht aber weder den realen Problemlagen der Lernenden noch denen von Gesamtwirtschaft und Gesellschaft, wenn Anforderungen komplexer Lebenssituationen, kritische Urteilsfähigkeit und ethisches Reflexionsvermögen weitgehend vernachlässigt werden. Die Lernenden erhalten keine Gelegenheit, alternative Erklärungsmuster und Bewertungskriterien kennenzulernen und anzuwenden. Die personalen Bildungsprozesse, die auf Selbsterkenntnis, kritisch reflektiertes Handeln, sozial-ökologische Verantwortung oder gar auf eine Deflation von Konsumansprüchen zielen können, spielen eine untergeordnete Rolle. Ein kritisches Nachdenken über persönliche Vorstellungen vom guten Leben und der Entwicklung eigener Anforderungen an die Wirtschaftswelt wird ebenso ausgeblendet wie ein Lernen, das sich für die wichtigen Probleme der Menschen und Menschheit sowie alternative individuelle, gesellschaftliche und politische Lösungsbeiträge interessiert.[15]
Das GGW-Gutachten dient primär dem politischen Ziel, der Forderung nach einem eigenständigen Unterrichtsfach "Ökonomie" öffentlich Nachdruck zu verleihen. Damit reiht es sich in die Kette der von Wirtschaftsverbänden finanzierten Gutachten und Studien ein, die das mangelnde ökonomische Grundwissen der Bürgerinnen und Bürger belegen sollen. Ähnliche Studien zu Demokratie, Politik, Ernährung, Gesundheit, Berufsorientierung, Nationalsozialismus und zu vielen weiteren Themen diagnostizieren ebenfalls mittelmäßiges Wissen. Die bildungspolitischen Schlussfolgerungen lesen sich alle gleich: Man fordert eine stärkere Repräsentanz dieser Themen in der Schule, am besten gleich als eigenes Fach.[16] Angesichts des bildungspolitischen Dramatisierungs- und Skandalisierungspotenzials solcher Bildungsstudien empfiehlt sich ein nüchterner Blick auf ihre Aussagequalität. Für den Bereich der ökonomischen Bildung liegt bisher kein theoretisch und empirisch abgesichertes Kompetenzmodell vor, das valide angeben könnte, welches ökonomische Wissen Bürger und Bürgerinnen brauchen, um wirtschaftlich kompetent zu urteilen und zu handeln. Die Itemauswahl erfolgt oft interessengeleitet, einseitig aus der fachwissenschaftlichen Perspektive heraus, und ignoriert die Bedürfnisse der Lernenden, die Diskrepanz von Wissen und Handeln sowie die Relevanz des jeweiligen Wissens. Warum und wozu soll etwa der Name des Bundeswirtschaftsministers oder das Land mit dem höchsten Bruttosozialprodukt zum minimalen Wirtschaftswissen gehören, wie es eine der einschlägigen Studien annimmt? Die Aussagekraft des Bruttoinlandsprodukts kritisch zu reflektieren und die Handlungsmöglichkeiten eines Wirtschaftsministers skeptisch zu prüfen dürfte wesentlich wichtiger sein. Welches wissenschaftliche und praktische Wissen und Können zum Kern der allgemeinen ökonomischen Bildung gehören soll, ist in Wissenschaft, Bildung und Politik nach wie vor umstritten. Deshalb gehört die theoretisch und empirisch fundierte Auswahl der für angemessenes Denken, Urteilen und Handeln in ökonomisch geprägten Situationen und Problemlagen relevanten Wissensbestände zu den drängendsten ungelösten Aufgaben der Wirtschaftsdidaktik.[17]
Seit der Weltfinanz- und -wirtschaftskrise fordern die Wirtschaftsverbände noch lauter ein eigenständiges Unterrichtsfach "Ökonomie" und suggerieren dabei einen Zusammenhang zwischen mangelnder ökonomischer Kompetenz und der Krise. Tatsache ist aber: Die überwältigende Mehrheit der Wirtschaftswissenschaftler, die sich mehrheitlich zu den "Neoklassikern" zählen,[18] hat weder die krisenträchtigen institutionellen Strukturen erkannt noch die Möglichkeit einer solchen Wirtschaftskrise gesehen. Ganz im Gegenteil: Hochrangige Experten haben durch ihre auf der Ökonomik beruhende Politikberatung und öffentliche Einflussnahme erheblich zur systemischen Krisenanfälligkeit beigetragen. Die Einführung eines eigenständigen Unterrichtsfachs "Ökonomie", das sich einseitig an den Denkschemata der Ökonomik ausrichtet, erscheint vor dem Hintergrund der realen Erfahrungen höchst begründungsbedürftig. Nötig ist eine erfahrungsbezogene, ergebnisoffene und differenzierte Neubewertung des Koordinationsmechanismus' Markt, des Verhältnisses Staat - Markt und der Annahme, alle Marktakteure handelten rational. All das spricht für eine sozialwissenschaftliche Ausrichtung der ökonomischen Bildung. Dagegen orientiert sich das GGW-Gutachten an einem Wunschbild artenrein getrennter Disziplinen und beklagt, dass das Fachprofil Sozialkunde/Politik/Wirtschaft Lehrern die Aneignung des Wissens mehrerer Disziplinen abverlange. Die gewünschte Artenreinheit der Disziplinen entspricht aber schon lange nicht mehr der wissenschaftlichen Wirklichkeit. "Wir studieren ja nicht Fächer, sondern Probleme. Und Probleme können weit über die Grenzen (...) einer bestimmten Disziplin hinausgreifen", schreibt Karl Popper.[19] Das passt wesentlich besser zu den realen Anforderungen an die Lehrerausbildung, zum problemorientierten Lernen an Schulen und zur objektiv begrenzten Stundentafel als eine scheinbar saubere Trennung nach Disziplinen nach dem Vorbild der Disziplinen an Universitäten. Während die fächerübergreifende Lernfelddidaktik an Berufsschulen vor allem auf Drängen der Wirtschaftsverbände etabliert wurde, um die berufliche und gesellschaftliche Handlungskompetenz der Lernenden zu fördern, propagieren dieselben Verbände für allgemein bildende Schulen aus interessenpolitischen Motiven ein fachlich isoliertes und wirtschaftlich einseitiges Unterrichtsfach "Ökonomie".[20]
Vor diesem Hintergrund tritt die "Initiative für eine bessere ökonomische Bildung"[21] für eine ökonomische Bildung ein, die ökonomische Fragen in gesellschaftliche, politische und kulturelle Zusammenhänge einbettet und sich nachdrücklich auf die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler bezieht. Sie steht für wissenschaftlichen, politischen und weltanschaulichen
Pluralismus, ist multiperspektivisch und lehnt es ab, den Lernenden ein Weltbild aufzuzwingen. Sie versteht sich als Teil jener Tradition wirtschaftsdidaktischer Konzeptionen,[22] welche die ökonomisch geprägte Lebenswelt der Lernenden und problematische Entwicklungen ins Zentrum ökonomischer Bildung stellen. Diese lassen sich nicht allein mit den Denkschemata der Ökonomik erklären oder gestalten, sondern verlangen pluralistische ökonomische Denkweisen und kritisches sozialwissenschaftliches Reflexionswissen.[23] Zu den besonders wichtigen Qualitätskriterien ökonomischer Bildung gehören Problemorientierung, Multiperspektivität und Interdisziplinarität, Wissenschaftsorientierung und Pluralismus sowie ein wissenschaftlicher, kritischer Diskurs.
Statt wirtschaftswissenschaftliche Begriffe und Prinzipien aus einem scheinbar neutralen Blickwinkel (Rationalitäts- bzw. Effizienzprinzip) zu vermitteln und anzuwenden, bearbeiten die Lernenden ökonomisch geprägte gesellschaftliche Problemlagen und individuelle Lebenssituationen. Sie erwerben und nutzen das Wissen und Können, das ihnen hilft, diese Probleme und Situationen als Konsumierende und Vorsorgende, als BerufswählerInnen, ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen zu analysieren, zu bewältigen und zu gestalten. Dazu gehört selbstverständlich je nach Problem auch vorrangig oder ausschließlich wirtschaftswissenschaftliches Wissen. Im Zentrum steht also die Auseinandersetzung mit realen Problemlagen der Wirtschaft und des Wirtschaftens, die bei der Produktion, Verteilung und Konsumtion von Gütern und Dienstleistungen entstehen - auch durch die Anwendung des Effizienzprinzips und des Kosten-Nutzen-Kalküls. Die - historisch veränderbaren - Prinzipien und Entscheidungsgrundlagen der Wirtschaft sind in ihrer sozialen, kulturellen und historischen Kontextbezogenheit zu erkennen, zu reflektieren und gegebenenfalls zu kritisieren.[24] Statt wirtschaftswissenschaftliche Modelle zu reproduzieren, setzen sich die Lernenden mit wissenschaftlichen - darunter auch wirtschaftswissenschaftlichen - Beiträgen zur Lösung gesellschaftlicher Problemlagen des Wirtschaftens auseinander, z.B. mit der Zukunft der Arbeit, der Ausdehnung prekärer Beschäftigungsverhältnisse, dem steigenden Wettbewerbs- und Leistungsdruck, den hohen psychischen und sozialen Kosten, der starken und zunehmenden Vermögenskonzentration, der national und international wachsenden sozialen Ungleichheit, mit dem Verhältnis von Wirtschaftswachstum und Umweltzerstörung oder der Externalisierung menschlicher, sozialer und ökologischer Kosten zu Lasten weniger entwickelter Weltregionen.[25] Unterrichtsmethodisch fordert dies den problemorientierten Ansatz ökonomischen Lernens in schüleraktivierenden Lernarrangements (z.B. Simulationsmethoden, Projektlernen), welche die eigenständige und begründete Bildung von Entscheidungen und Handlungen fördern, nicht aber erzwingen, und individuell sowie sozial verantwortliche ökonomische Urteils- und Handlungskompetenz fördern.
Ökonomisch geprägte Lebenssituationen können ebenso wie ökonomische Problemstellungen in der Regel nur mit multidisziplinärem Wissen angemessen beschrieben, erklärt und bearbeitet werden. Darüber hinaus müssen ökonomische Fragen in einer multiperspektivischen ökonomischen Bildung in ihre gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Zusammenhänge eingebettet werden. Ein kurzes Beispiel: Sollten die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mehl und Milch staatlich festgesetzt werden? Diese Frage findet sich im Aufgabenpool des Verbändegutachtens. Der Erwartungshorizont nennt folgende Antworten: Preissetzungen dieser Art passen nicht in das marktwirtschaftliche System in Deutschland und der Europäischen Union, da Angebot und Nachfrage die Preise regulieren. Die Preise für Grundnahrungsmittel seien in Deutschland niedrig.[26] Im Unterschied zu dieser Engführung im Fach "Ökonomie" nach Verbändeart muss man auch die politische Perspektive systematisch berücksichtigen, etwa die massive Subvention der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie und deren Folgen für Märkte und Preise. Einzubeziehen sind auch globale Perspektiven und Probleme, etwa, dass Grundnahrungsmittel mittlerweile zu bevorzugten Spekulationsobjekten an internationalen Börsen gehören, dass explodierende Lebensmittelpreise vielfach zu sozialen und politischen Unruhen führen und dass die steigenden Weltmarktpreise die internationale Katastrophenhilfe behindern.
Soziologisches und politikwissenschaftliches Wissen kann die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtungsweise mit der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler verknüpfen und bereichern. Umgekehrt kann die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive eine alleinige politikwissenschaftliche oder soziologische Betrachtungsweise - etwa zu Familie, Politik und Recht - befruchten oder auch relativieren. Auf diese Weise werden die Lernenden nicht einseitig auf ein einziges Denkschema zur Betrachtung der Welt verpflichtet. Der wissenschaftliche, politische und weltanschauliche Pluralismus hilft ihnen, sich in ihrer Lebenswelt angemessen und differenziert zu orientieren, sie zu verstehen, zu bewältigen, eigenständig zu beurteilen und zu gestalten. Der Pluralismus ist in der ökonomischen Bildung aber stark gefährdet. Denn seit langem haben Unternehmensverbände über kostenlose Unterrichtsmaterialien, Betriebspraktika, Netzwerke wie SchuleWirtschaft sowie über Praxiskontakte einen privilegierten Zugang zur Schule und können so für ihre Perspektive werben.[27] Mit ihrer Finanzkraft können sie Studien finanzieren, um öffentlichkeitswirksam mangelndes ökonomisches Wissen zu belegen und so bildungspolitisch Einfluss zu nehmen. Sie nutzen die Situation der chronisch unterfinanzierten und deshalb auf Drittmittel angewiesenen Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen, um der eigenen interessenpolitischen Position mit Auftragsforschungen Seriosität zu verleihen. Diese Asymmetrie zugunsten von Wirtschaftsverbänden und Großunternehmen würde sich verschärfen, wenn die Bildungspolitik das Verbändegutachten zur Ausgangsbasis für konzeptionelle Vorgaben machen würde. Anderen Interessengruppen wie Verbraucherverbänden, Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbänden bleibt eine so einflussreiche Position in Schulen und Öffentlichkeit meist verschlossen.
Die "Initiative für eine bessere ökonomische Bildung" will eine Debatte darüber initiieren, was eine ökonomische Bildung, welche die Lernenden zu einem besseren Weltverständnis und zu einer angemesseneren Urteils- und Handlungskompetenz befähigen will, leisten muss. Dabei sieht sich die Wirtschaftsdidaktik mit bildungs- und interessenpolitischen Gefährdungen ihres wissenschaftlichen Erkenntnisstandes konfrontiert, etwa wenn
Mit der wissenschaftlichen Weiterentwicklung der Fachdidaktiken ist auch die wirtschaftsdidaktische scientific community auf einem Niveau angelangt, auf dem sie sich - wie andere reife Wissenschaften auch - über Kontroversen weiterentwickelt und dabei im Wettbewerb um die besseren Ideen auch eine bessere ökonomische Bildung fördert.[28]
In der wirtschaftsdidaktischen Community wird seit 2011 erörtert, was Ziel, Inhalt und Sinn einer ökonomischen Bildung sein könne und sein soll. Der Ton dieser Erörterung mutet den unvoreingenommenen Betrachter manchmal etwas befremdlich an; denn zwischen den wohlformulierten Argumenten und Plausibilitätsüberlegungen finden sich auch diffamierende Äußerungen, die darauf abzielen, die Kompetenz von Personen in Frage zu stellen oder aber einzelne Akteure einem ideologischen Lager zuzuordnen. Gleichzeitig kann dem unvoreingenommenen Betrachter nicht entgehen, dass die wirtschaftsdidaktische Erörterung über den Sinn einer ökonomischen Bildung selbstreferenziell geprägt ist. Diese Selbstreferentialität wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass die Akteure der Erörterung sich auf das Konstrukt einer ökonomischen Bildung konzentrieren, welches an die fachdidaktische Frühphase der Wirtschaftsdidaktik angelehnt ist. In dieser Zeit versuchten vor allem volkswirtschaftlich gebildete Experten im Curriculum (hochschul-)didaktische Konzepte für Schule und Lehrerbildung zu erarbeiten. In dieser fachdidaktischen Kindheit hat sich – zu Recht – die Wissenschaftsorientierung als Leitidee für Lehr-Lern-Prozesse etabliert, so dass die Volkswirtschaftslehre unkritisch als Bezugsdisziplin akzeptiert werden konnte. Die wenigen fachdidaktischen Protagonisten sahen sich damals mit einer Herkulesarbeit konfrontiert: Als „marginale und kleine Randgruppe“ der wirtschaftswissenschaftlichen Community mussten sie die Komplexität des wirtschaftswissenschaftlichen Diskurses mit all seinen historischen und theoretischen Facetten und Nuancen erfassen und für schulische Lehr-Lern-Prozesse „tauglich machen“. Aus heutiger Sicht ist es unverständlich, dass zunächst versucht wurde, die inhaltliche Vielfalt und Komplexität zu reduzieren oder kategorial zu erfassen. Gleichzeitig mussten die fachdidaktischen Experten dem Bildungsauftrag der Schulen gerecht werden, die mit Subjektorientierung die Persönlichkeitsbildung fördern wollten. Eine Zielsetzung, die mit Konzepten wie Mitbestimmungsfähigkeit, Solidaritätsfähigkeit und Selbstbestimmung verschlagwortet wird. Angesichts dieser Herkulesaufgabe ist es den Protagonisten nicht vorzuwerfen, dass sich im Alltagsverständnis eine sozialtechnischmechanische Vorstellung von Wirtschaft und ökonomischem Handeln verankert hat und die Volkswirtschaft eher in „Analogie zu einer robusten newtonschen Himmelsmechanik“ (Streeck 2012) abgebildet wird. Im Mittelpunkt einer solchen ökonomischen Bildung stehen dann Begriffe und Kategorien, die den Schülern entproblematisiert präsentiert wurden, die sich wiederum ein formales Modelldenken antrainieren und sich einer technizistischen Ingenieurssprache und dem damit verbundenen Denken annähern. Hochsensible, politische, psychologische, soziologische Fragen, die hilfreich sind, Wirtschaft und wirtschaftliches Handeln in ihren politischen und gesellschaftlichen Bezügen deuten zu können, werden ausgeklammert. Um nicht missverstanden zu werden: Mit dem Blick in die fachdidaktischen Jugendjahre sollen keineswegs der kategoriale Ansatz und die Wissenschaftsorientierung kritisiert werden. Gefragt wird lediglich, ob durch eine entproblematisierte Reduzierung komplexer Prozesse dem Bildungsauftrag von Schulen entgegengewirkt wurde. Statt einer wissenschaftlichen Aufklärung ist es eher zu einer verwissenschaftlichten Mystifizierung ökonomischer Prozesse gekommen: „viel zu kompliziert für Otto Normalverbraucher, mit seiner Drei minus in Mathe“, wie es Streeck polemisch formuliert (Streeck 2012, S. 784). Die aus den fachdidaktischen Kinderjahren stammende szientistische Fokussierung übersieht, „dass wissenschaftliches Wissen nur im Kontext einer geteilten Lebensform, im Kontext lebensweltlichen Wissens möglich ist“ (Nida-Rümelin 2013, S. 149). Eine Verwissenschaftlichung des Schulunterrichts, eine Überladung der Unterrichtsfächer mit wissenschaftlichem Detailwissen ist mit Skepsis zu betrachten. Statt szientistisches Spezialwissen sind lebensweltliche Orientierungskompetenzen zu fördern (vgl. dazu NidaRümelin 2013, S. 137 ff.). Gesucht sind fachdidaktische Angebote, was das Unterrichtsfach in der jeweiligen Situation zur Interpretation der Welt beitragen kann. Die Fachwissenschaften stellen dabei nur ein Stoffauswahlkriterium neben vielen anderen dar. Aus diesem Verständnis heraus verwenden wir „Sozioökonomie“ und „sozioökonomische Bildung“ als eine zu beschreibende Folie, auf der wir festhalten, was wir unter den regulativen Ideen „Sozioökonomie“ und „sozioökonomische Bildung“ verstanden wissen wollen (und können). Damit halten wir fest, was wir als erstrebenswert betrachten, und erläutern, was wir zukünftig facettenreich noch verfeinern und systematisieren müssen.
Doch von welcher Realität ist die Rede, wenn daraus schlussfolgernd eine Realitätsferne beklagt wird? Hilfreich ist es, an die Bildungsstandard- und aktuell die Kompetenzdebatte anzuknüpfen, weil auch hier nach der Realität bzw. den Handlungsanforderungen innerhalb eines bestimmten Kontexts gefragt wird. In der Bildungsstandard- / Kompetenzdebatte spielt der Begriff „Domäne“ eine zentrale Rolle; denn das Ziel von Bildungsprozessen ist es, Kompetenzen zu fördern, die die Handlungsanforderungen innerhalb eines bestimmten Kontexts – also einer Domäne – widerspiegeln (vgl. Seeber/Nickolaus 2010, S. 250). In der Kompetenzdebatte weist Eckhard Klieme darauf hin, dass beim Versuch, eine Domäne zu definieren, die Gefahr einer gewissen Willkür besteht. Denn wenn der Kontext zu beliebig definiert wird, führt dies zu einer gewissen Unschärfe. Der Kontext (die Domäne) muss auf der einen Seite konkret genug sein, auf der anderen Seite aber auch nicht zu eng (vgl. Klieme/MaagMerki/Hartig 2007, S. 8). Unter Kontext wird „eine Menge hinreichend ähnlicher realer Situationen verstanden, in denen bestimmte, ähnliche Anforderungen bewältigt werden müssen“ (Klieme/Maag-Merki/Hartig 2007, S. 8). Wir sehen: Der Domänenbegriff ist eine soziale Konstruktion und spiegelt keineswegs eine Realität wider – vielmehr unterliegt das, was Realität sein soll, einem sozialen Kommunikationsprozess, der keineswegs herrschaftsfrei geführt wird. Somit geht es bei der Frage, was sozioökonomische Bildung ist, nicht um eine Auseinandersetzung um Worte, sondern vielmehr um eine Auseinandersetzung mit den Realitäten, mit realen Situationen. In diesen sind ähnliche aber auch widersprüchliche Anforderungen zu bewältigen. Diese realen Situationen sind natürlich begrifflich zu erfassen und zu beschreiben. Um es vorweg zu nehmen: Ein zentraler Unterschied zwischen sozioökonomischen und mainstreamökonomischen Ansätzen ist, dass erstere ökonomische Situationen als gesellschaftlich und individuell interpretationsbedürftig und sinnhaft bzw. sinnhaltig betrachten (und eben nicht so eindeutig definiert, dass nur noch das rationale Kalkül erforderlich ist) und dass damit nicht nur Interessen, sondern auch Kulturen und Werte ins Spiel kommen. Ob reale Situationen individuell oder kollektiv als rein ökonomische, überwiegend ökonomische, kaum ökonomische oder nicht ökonomische interpretiert werden, ist nicht vorgegeben, schon gar nicht natürlich. Das zeigt sich beispielhaft an der Repolitisierung und Remoralisierung von Konsumentscheidungen, wie es bei Fair-Trade-Produkten vorgenommen wird. Die „reale“ Situation ist also, zumindest teilweise, die konsensual oder mehrheitlich so interpretierte und akzeptierte Situation.
Wir stellen diesen Vorgang „vom Kopf auf die Füße“: Statt deduktiv von der Fachwissenschaft für die Domäne (Schulfach) Inhalte und Kompetenzen für den Alltag abzuleiten, gehen wir den umgekehrten Weg (und vollziehen damit eine paradigmatische (?) Wende). Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht nicht darum, in die utilitaristische Falle zu laufen und den Utilitarismus des Mainstreams der ökonomischen Bildung nur zu verbessern, indem eine noch bessere Anpassung an die Anforderungen des Alltags vorgenommen wird. Zu berücksichtigen und zu stärken ist, dass Aufklärung und Weltorientierung ihr eigenes Recht haben. Sie sind nicht auf eine handlungstheoretische oder pragmatische Zusatz- oder Hauptlegitimation angewiesen.
Wir halten Ausschau nach den erforderlichen Fähigkeiten im Alltag. Dabei fokussieren wir unseren Blick auf den Umgang mit sozioökonomischen Herausforderungen. Und erst dann suchen wir Hilfe und Antworten in den vorhandenen wissenschaftlichen Disziplinen. Ausgangspunkt ist also der gesellschaftlich bestimmende Handlungskontext. Dafür sind situativ aber auch zugleich bildungs- und entwicklungstheoretisch sowie wissenschaftssystematisch begründete Kompetenzen zu fördern. (Uns ist bewusst, dass unser Vorhaben ebenso normativ ausgerichtet ist; denn letztlich sind alle Bildungsabsichten normativ ausgerichtet – auch wenn der eine oder andere unter dem Deckmantel der Objektivität dies zu leugnen versucht.)
Handelt es sich bei „Sozioökonomie“ um eine mystische Wortbildung, weil etwas Vages, Diffuses und schwer Greifbares angesprochen wird? Etwas, das nicht so konkret ist, wie ein Eierbecher oder eine Lesebrille? Sozioökonomie setzt sich aus zwei Fremdwörtern zusammen. Wenn wir uns das deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm anschauen (ein Werk, das der Herkunftsgeschichte einzelner Wörter gewidmet ist), so finden wir unter „Ökonomie“: „f. im 16. jahrh. entlehnt aus griech.-lat. oeconomia, haus-, landwirtschaft, haushaltungskunst, wirtschaftlichkeit und sparsamkeit, verallgemeinert die anordnung und zweckmäszige einrichtung eines ganzen“. (Quelle: www.dwb.uni-trier.de/Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm bzw. http://woerterbuchnetz.de/DWB/?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GO01433). Unter „sozio“ finden wir keine passenden Stichworte. Dafür entdeckt man unter „sozial“ die Erklärung: „adj. was die menschliche gesellschaft, das zusammenleben der menschen und seine staatlich-rechtliche ordnung wie die wirtschaftlichen verhältnisse betrifft“ (Quelle: ebenda).
Knüpfen wir – sprachlich betrachtet – an jene Zeit der Gebrüder Grimm und des deutschen Idealismus in der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert an. Der deutsche Idealismus hat sich zur Aufgabe gesetzt, das „Ganze“ der Welt auf „wissenschaftliche“ Weise zu erkennen und darzustellen. Um die Welt zu erkennen, haben die frühen Aufklärer (wie etwa Christian Wolff) Begriffe konzeptualisiert wie „Einheit“, „Bewusstsein“, „Selbstständigkeit“ oder „Wahrscheinlichkeit“. Es handelt sich um mystische Wortbildungen, weil mit ihrer Hilfe das Unbegreifliche greifbar gemacht werden soll (vgl. Steinfeld 2010, S. 59 f.).
Warum wir an die Sprachverknüpfungen zur Zeit des Idealismus erinnern, hat einen Grund: Die neue Sprache kam „nicht dogmatisch, eben nicht fundamentalistisch, sondern spielerisch und oft leichtsinnig daher (vgl. Steinfeld 2010, S. 61). Und weil die Sprache in Teilen tatsächlich erfunden wurde, besitzt sie „in hohem Maße poetischen Charakter“ (Steinfeld 2010, S. 58). Was hat das alles mit Sozioökonomie zu tun? Wir sollten die Welten, die sich hinter dem Begriff eröffnen (können), von der Systematik auf die Kasuistik stellen – vom Kopf auf die Füße – indem wir von den Welten erzählen. So wie die deutschen Schriftsteller des Idealismus sollten wir die starren Rituale, den Dogmatismus – die systematischen Wissenschaftswelten – zunächst in Prosa übersetzen.
Die in diesem Reader zusammengestellten Beiträge werden aus dem Selbstverständnis editiert, dass die Fachdidaktik eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin darstellt, die sich gleichermaßen mit sozial-, wirtschafts-, politik-, erziehungswissenschaftlichen und lernpsychologischen Fragen beschäftigt. Daran ist deswegen zu erinnern, weil die einschlägigen Bezugsdisziplinen, wie zum Beispiel die Wirtschaftswissenschaften, keine pädagogischen und bildungstheoretischen Zielsetzungen hervorbringen (vgl. Demantowsky / Zurstrassen 2013). (Einzel-) Wissenschaften setzen sich nicht allein mit spezifischen Inhalten auseinander, sie repräsentieren zugleich eine Methode, die – wie Graupe in ihrem Beitrag (vgl. auch 2013) – anschaulich illustriert, die alltägliche (lebensweltliche) Praxis verlässt und diese durch Definitionen, Modelle, Konstrukte und Theorien austauscht.
Nicht zuletzt aufgrund ihrer forschungsrelevanten Spezialisierungen und der damit verbundenen Lehrausrichtung auf andere Adressaten als denjenigen, die wir in den Schulen finden, können die Wirtschaftswissenschaften allein weder Fragen nach Konstruktion und Reform von Curricula noch solche nach Auswahl, Anordnung und Vermittlung der Inhalte beantworten. Deswegen sei wiederholt: „Diese – szientistische – Auffassung übersieht, dass wissenschaftliches Wissen nur im Kontext einer geteilten Lebensform, im Kontext lebensweltlichen Wissens möglich ist.“ (Nida-Rümelin 2013, S. 149). Ein einseitiger fachwissenschaftlicher Zugriff bei der didaktisch begründeten Auswahl von Lerninhalten ist mit Skepsis zu betrachten. Statt szientistischen Spezialwissens sind lebensweltliche Orientierungskompetenzen zu fördern (vgl. dazu Nida-Rümelin 2013, S. 137 ff., Steinmann 1997). Die Fachdidaktik hat Angebote zu machen, was das Unterrichtsfach in der jeweiligen Situation zur Interpretation der Welt beitragen kann. Die Fachwissenschaft stellt also nur ein Stoffauswahlkriterium neben vielen anderen dar, so dass eine sozioökonomische Bildung nicht die direkte „Verlängerung“ der Fachwissenschaften darstellt. Der fachdidaktische Forschungsgegenstand erfordert demnach eine interdisziplinäre Arbeit, die verschiedene Schwerpunktthemen umfasst und deshalb curriculumtheoretische, kompetenztheoretische, organisationstheoretische und vor allem bildungstheoretische Fragen aufgreift.
Um diese Facetten abzubilden, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Wir haben uns für einen kommunikativen Weg entschieden. In einem ersten Schritt haben wir, die „Initiative für eine bessere ökonomische Bildung“, zu einer Fachtagung zum Thema „Was ist Sozioökonomie, was ist sozioökonomische Bildung?“ eingeladen, die Ende September 2012 an der Universität Bielefeld stattgefunden hat. Ziel der Tagung war, mit Interessierten zu erörtern, was unter einer sozioökonomischen Bildung verstanden werden kann. Die Bundeszentrale hat uns dann gebeten, in einer Aufsatzsammlung konzeptionelle Vorstellungen zur sozioökonomischen Bildung zusammenzutragen, um die fachdidaktische Debatte noch stärker einer breiten gesellschaftlichen Debatte zu öffnen. Im Folgenden skizzieren wir die einzelnen Beiträge im Überblick:
Simon Niklas Hellmich nähert sich mit der Frage „Was ist Sozioökonomie?“ der heterogenen sozioökonomischen Forschungstradition vorsichtig an und skizziert Umrisse des sozioökonomischen Diskurses. Dabei unterscheidet er zwischen einer eher ökonomisch ausgerichteten Sozioökonomie, einer eher soziologisch ausgerichteten Sozioökonomie sowie einer Sozioökonomie im Verständnis von ‚governance structures‘. Er macht deutlich, dass die eher ökonomisch ausgerichtete Sozioökonomie sich auf das ökonomische Handeln von Einzelakteuren auf der Mikroebene konzentriert und dabei auf mehr oder weniger umfassende empirisch basierte handlungstheoretische Konzepte zurückgreift, um sozioökonomisches Verhalten erklären zu können. Die Studien im Rahmen der ‚ökonomischen Sozioökonomie‘ laufen vor allem auf eine Verfeinerung der handlungstheoretischen Grundlage der Ökonomie hinaus und bleiben dabei mehr oder weniger dem methodologischen Individualismus verhaftet. Dagegen werden Wirtschaft und Gesellschaft von der soziologischen Auslegung des sozioökonomischen Ansatzes nicht als differenzierte Systeme betrachtet, so dass sich die Studien mit einem weiten und breiteren Spektrum komplexerer handlungstheoretischer Annahmen und umfassenderen Situationsanalysen beschäftigen. Gesucht werden speziell soziale Faktoren und Prozesse, die relevant sind für wirtschaftliche Entscheidungen, wie zum Beispiel intersubjektive Meinungsbildungsprozesse in der Interpretation von Normen (vgl. dazu auch die Beiträge von Lorch/Schank sowie Tafner in diesem Band). Um dem ausufernden Forschungsansatz der soziologisch ausgerichteten Sozioökonomie einen abgrenzbaren (jedoch nicht disziplinär abhängigen) Forschungsrahmen zu geben, wird als drittes in der Distinktion und im Verständnis von ‚governance structures‘ ein genuines Arbeitsfeld der Sozioökonomie angestrebt, das sich vor allem auf die Analyse von Märkten, Firmen und politischen Ökonomien konzentriert.
Hellmich verweist darauf, dass sich die Sozioökonomie von der sogenannten orthodoxen Ökonomik unterscheidet, weil die genuin neoklassische Theoriebildung ‚die Wirtschaft‘ als ein von der übrigen Gesellschaft weitgehend differenziertes System begreift, dessen Prozesse nach mehr oder weniger spezifischen Gesetzmäßigkeiten ablaufen und kaum oder gar nicht Einflüssen aus weiteren Bereichen gesellschaftlichen Lebens unterliegen. Entsprechend reduziert die neoklassisch geprägte Ökonomik alle relevanten Faktoren auf Knappheiten und ein Interesse der Akteure an materieller Nutzenmaximierung. Dagegen zieht die Sozioökonomie Faktoren wie Macht, Vertrauen, Emotionen, Anerkennung, Ideologien, Kognitionen und deren kulturelle Replikation für ein Verständnis sozialer Phänomene heran.
Dennoch stehen sich Sozioökonomie und neoklassische Theoriebildung nicht bipolar gegenüber, sondern vielmehr lassen sich Übergänge zwischen diesen beiden Denkschulen herstellen. Ein Grund für den fließenden Übergang sind handlungstheoretische Überlegungen, die den beiden (idealtypischen und somit beschränkten) Modellen ‚homo oeconomicus‘ sowie dem ‚homo culturalis‘ zugrunde liegen. Ein weiterer Grund liegt darin, dass sich das neoklassische Forschungsprogramm wandelt: Auch die als ‚orthodox‘ einzuordnenden Strömungen der Ökonomie öffnen sich bei ihrer Analyse wirtschaftlichen Handelns einer soziologischen Perspektive, die die Relevanz von Institutionen und zeitlich-räumlich spezifischen Faktoren mehr und mehr berücksichtigt. Ebenso nimmt die experimentelle und Verhaltens-Ökonomie stärker sozialpsychologische Momente in den Blick und überwindet ihre Beschränkung auf das Individuum. Auf der anderen Seite wiederum gelingt es der Sozioökonomie (hier besonders der neueren Wirtschaftssoziologie), verschiedene soziologische Handlungstheorien zu operationalisieren, um individuelles Handeln aus sozialen Bedingungen heraus zu erklären.
Während sich Simon Niklas Hellmich der Sozioökonomie vorsichtig und systematisch zugleich annähert, macht Günter Kutscha in seinem diskursgeschichtlichen Rückblick „Ökonomie an Gymnasien unter dem Anspruch des Bildungsprinzips“ deutlich, dass Ökonomieunterricht unter dem Anspruch des Bildungsprinzips sich nicht abbilddidaktisch auf die Strukturen der Fachdisziplinen und die vereinfachende Reduktion der darin jeweils dominierenden Theorieansätze begrenzen könne. Er erinnert daran, dass bereits in den 1960er-Jahren aus bildungstheoretischer Sicht grundsätzlich das abbilddidaktische Konzept und der szientistische Modernisierungsansatz abgelehnt wurden. Die Ausführungen von Kutscha machen deutlich, dass die gegenwärtige Diskussion über Ziele und Phänomenfelder einer sozioökonomischen Bildung an die fachdidaktische Diskussion anknüpfen kann, die während der damaligen Bildungsreformdebatte geführt wurde. In seinen Aufzeichnungen über die drei zentralen Diskursstränge, die im Hinblick auf die Einführung des Ökonomieunterrichts mit dem Anspruch allgemeiner Bildung geführt wurden, hebt er hervor, dass bei der Einführung der ökonomischen Bildung im Rahmen der Arbeitslehre an Hauptschulen, im Rahmen der obligatorischen staatsbürgerlichen Erziehung an Gymnasien und Realschulen und schließlich als Schwerpunktfach an Wirtschaftsgymnasien bzw. als Grund- oder Leistungskurs der gymnasialen Oberstufe der allgemeine Bildungswert ökonomischer Bildungsinhalte geprüft wurde. Er erinnert zugleich an die von Bokelmann (1964) entwickelte Theorie der ökonomischsozialethischen Bildung, die sich nicht allein auf die ökonomischen Fachdisziplinen beschränkt, sondern an „grundlegenden Denkformen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“ sowie an der „Wirtschaftswirklichkeit“ orientiert. Dadurch, dass der Ökonomieunterricht nicht abbilden, sondern zu einem wissenschaftlichen Denken hinführen soll, wird zugleich der wissenschaftspropädeutische Anspruch der ökonomischen Bildung hervorgehoben.
Um Antworten auf die Frage „Was ist sozioökonomische Bildung?“ zu finden, stellt Reinhold Hedtke in analytischer Absicht und pointiert zugleich die Grundpositionen gegenüber, die sich in der fachdidaktischen Community derzeit diametral gegenüberstehen, idealtypisch für zwei konzeptionelle Pole. Einer dieser Pole präferiert ein separates Fach, das sich (monodisziplinär) vor allem an die Volkswirtschaftslehre anlehnt, disziplinorientiert und deduktiv vorgeht und dem systematischen Wissen sowie dem Paradigma der Ökonomik Vorrang einräumt. Bildungspolitisch wird deswegen das Unterrichtsfach Wirtschaft gefordert. Der andere Pol versteht ökonomische Bildung als problemorientiert, sucht demzufolge in mehreren sozialwissenschaftlichen Disziplinen nach Lösungen, arbeitet vergleichend mit mehreren Paradigmen, bleibt normativ offen und fördert kritische Einstellungen zu ökonomischen Themen. Bildungspolitisch werden deshalb eher integrative sozialwissenschaftliche Schulfächer favorisiert.
Aufgrund dieser zugespitzten Synopse gelingt es Reinhold Hedtke, das eigentlich Neue an der sozioökonomischen Bildung hervorzuheben: Sie erweitert die Perspektiven. Metaphorisch gesprochen wird das, was zusammengehört, zusammengeführt. Wirtschaftliches Denken, Handeln und Verhalten findet stets im sozialen Kontext statt. Angesichts der daraus resultierenden Pluralität ist eine disziplinär begründete Suche nach einer „Eigenlogik“ zum Scheitern verurteilt, denn zwischen den verschiedenen Wissensformen besteht keine Hierarchie. Zudem sind die Zugänge zur sozioökonomischen Bildung dynamisch und problemorientiert ausgerichtet und berücksichtigen, dass die heutige Wirtschaft das Resultat historischer Entwicklungen und nach wie vor veränderbar ist. Die „erweiterte“ Fachdidaktik beschränkt ihr Interesse nicht ausschließlich auf die Ökonomik, sondern greift auf unterschiedliche Bezugsdisziplinen, verschiedene Ansätze, Konzepte etc. zurück und integriert sie zu einer sozioökonomischen Bildung. Damit soll verhindert werden, dass Lernende eine ökonomistische Bildung erfahren, die sie zu bloßen „Opportunitätskostenkalkulationsmaschinen“ erzieht (diese Metapher wurde von Gerd Famulla im Rahmen des oben angegebenen Workshops entwickelt). Schließlich knüpft der sozioökonomische Ansatz an neuhumanistische Bildungs-, Persönlichkeits- bzw. Subjektvorstellungen an. Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die in den 1970er-Jahren vorgenommene Fokussierung auf die Volkswirtschaft als Ausgangspunkt für die fachdidaktische Diskussion aufgelöst wird.
Während Reinhold Hedtke fachdidaktische Grundpositionen gegenüberstellt und Prinzipien für eine sozio-ökonomische Bildung zusammenträgt, wird Birgit Weber in ihrem Beitrag „Grundzüge einer Didaktik sozioökonomischer Allgemeinbildung“ konkreter und entwirft ein Modell (Baukasten) für eine subjekt- und lebensweltorientierte sozioökonomische Bildung. Dabei skizziert sie eine curriculare Matrix, die sie entlang der drei abstrakten Systemebenen (Mikro-, Meso-, Makroebene) sowie den Kategorien Subjekt, Lebenswelt, Wissenschaft und Verantwortung inhaltlich füllt. Damit relativiert sie aus pragmatisch-konzeptionellen Gründen die aus analytischen Überlegungen vorgenommene bipolare Gegenüberstellung von Reinhold Hedtke, mit dem Ziel, beim Einzelnen „Problemlösekompetenzen für ökonomisch geprägte Lebenssituationen unter Berücksichtigung ökonomischer Denkschemata“ (Weber in diesem Band) zu fördern. Somit können sich eine sozioökonomische und ökonomistische Bildung durchaus aufeinander beziehen, um konsistente Handlungsempfehlungen abzuleiten und Gestaltungsalternativen und -ziele zu verknüpfen. Für Birgit Weber ist es eine wichtige Aufgabe einer sozioökonomischen Bildung, über ökonomisch geprägte Lebenssituationen, ihre Gefährdungen und Handlungsspielräume aufzuklären. Zugleich sind relevante ökonomische Kategorien zu ermitteln und kritisch zu reflektieren und nicht nur zu legitimieren. Dies ist möglich, indem alternative ökonomische und sozialwissenschaftliche Denkansätze und Wirtschaftsformen einbezogen werden.
Da Birgit Weber nicht nur einen denkbaren konzeptionellen Ansatz einer sozioökonomischen Allgemeinbildung umschreibt, sondern zugleich daran erinnert, dass zur Frage, was eine (sozio- ) ökonomische Bildung sein soll und sein kann, bereits in den letzten Jahrzehnten zahlreiche fachdidaktische Konzeptionen entwickelt wurden, wird an dieser Stelle an die Vielfalt erinnert: Denn wie Birgit Weber betont, liegen für eine ökonomische Allgemeinbildung differenzierte und zum Teil heterogene Vorstellungen vor. Entsprechend differenziert ist das Spektrum an fachdidaktischen Vorstellungen / Konzepten, aus denen sich wiederum unterschiedliche und teils widersprüchliche Auffassungen einer ökonomischen Bildung ableiten lassen. Die verschiedenen Ansätze zielen darauf ab, über ökonomisch geprägte Lebenssituationen, die damit verbundenen Unsicherheiten, Gefährdungen und Handlungsspielräume aufzuklären, relevante ökonomische Kategorien kritisch zu reflektieren und alternative ökonomische und sozialwissenschaftliche Denkansätze und Wirtschaftsformen einzubeziehen. Um zu illustrieren, wie heterogen die Vorstellungen über ökonomische Bildung sind, verweist Birgit Weber auf einige Protagonisten. So leiten Hermann May (1998) und Erich Dauenhauer (1997) aus der Ökonomik Kategorien für eine ökonomische Bildung ab. Hans Kaminski (2001/2002) und Gerd-Jan Krol (2001) skizzieren vor allem ausgehend von der Volkswirtschaftslehre Denkschemata, die sie als relevant ansehen, um sich in der Welt zu orientieren. Klaus-Peter Kruber (1997) hat den kategorialen Ansatz um makroökonomische, ethische und politische Kriterien erweitert und ökonomische Denkschemata integriert. Von Reinhold Hedtke (2008), Thorsten Hippe (2010), Tim Engartner (2010) oder Birgit Weber (2012) liegen erste sozialwissenschaftliche Ansätze vor. Andere Konzepte beziehen sich auf gesellschaftliche Herausforderungen wie Nachhaltigkeit (Fischer 1998, Seeber 2001), Ethik (Retzmann 2006) oder Gender (Wiepcke 2009, Ebbers 2009). Bis Anfang des neuen Jahrtausends konnten diese Vorstellungen in friedlicher Koexistenz nebeneinander bestehen (vgl. die Beiträge in sowionlinejournal, 2001, Heft 1 und Heft 2), obwohl sie teils kontrovers zueinanderstehen. Wie wir wissen, haben sich jedoch die Verhältnisse (und der Umgangston) verändert. Auslöser der aufbrausenden Debatte über die denkbare (Neu-) Ausrichtung einer ökonomischen Bildung war eine kritische Reflexion der neu gegründeten „Initiative für eine bessere ökonomische Bildung“ (iböb, vgl. Famulla et al. 2010) des vom Gemeinschaftsausschuss der deutschen gewerblichen Wirtschaft in Auftrag gegebenen Gutachtens zur ökonomischen Bildung an allgemeinbildenden Schulen (vgl. Retzmann et al. 2010).
Ähnlich wie Birgit Weber versuchen auch Tim Engartner und Balasundaram Krisanthan in ihrem Beitrag „Ökonomische Bildung in Zeiten der Ökonomisierung“ der sozioökonomischen Bildung ein fachdidaktisches Profil zu geben. Mit Blick auf den Beutelsbacher Konsens sprechen sie Prinzipien an und erörtern Qualitätsaspekte, die aus ihrer Sicht zentral für eine sozioökonomische Bildung sind. Für sie ist es das zentrale Ziel einer solchen Bildung, die Verwirklichungschancen (Capability-Ansatz) des Einzelnen zu unterstützen. Die zentrale Idee des Capability-Ansatzes, der von dem Ökonomie-Nobelpreisträger Amartya Sen entwickelt wurde, ist es, dass ein Leben angestrebt wird, für das sich die Menschen mit guten Gründen entscheiden können und das ihre Selbstachtung nicht in Frage stellt. Es handelt sich nicht um eine Instrumentalisierung des Menschen für Zwecke der Kapitalakkumulation und der bloßen Reproduktion des Arbeitsvermögens. Vielmehr stehen sinnorientierte Tätigkeiten und eine große Bandbreite an Vorstellungen und Werturteilen über Wirtschaft, Wirtschaften und Arbeit im Mittelpunkt.
Tim Engartner und Balasundaram Krisanthan machen deutlich, dass dabei die Integration der benachbarten sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen einen wertvollen Beitrag zur paradigmatischen Öffnung der ökonomischen Bildung leisten kann. Sie plädieren, die paradigmatische und thematische Pluralität ökonomischer Sichtweisen zu akzentuieren, um der angestrebten Mündigkeit Rechnung tragen zu können. Für sie strebt der sozioökonomische Ansatz angesichts der engen Verflechtung und der zahlreichen Überschneidungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft keinen „Verdrängungswettbewerb“ zwischen den sozialwissenschaftlichen Teildisziplinen an. Aus ihrer Sicht sind die der sozialwissenschaftlichen Trias aus Politikwissenschaft, Ökonomie und Soziologie zugrundeliegenden gemeinsamen Denkweisen, Kategorien und Methoden in einen systematischen Zusammenhang zu stellen, konzeptionell zu ordnen sowie curricular zu verorten.
Ähnlich wie Tim Engartner und Balasundaram Krisanthan setzt sich auch Silja Graupe in ihrem grundsätzlichen und philosophischen Beitrag „Der kühle Gleichmut des Ökonomen“ dafür ein, im Unterricht die „geistige Monokultur“ sowie den perspektivischen Monismus zu vermeiden und heterodoxe sowie interdisziplinäre Inhalts- und Themenfelder in die Lehrpläne aufzunehmen. Bei der Frage, was Schülerinnen und Schüler tatsächlich lernen, wenn sie sich in Sachen „Wirtschaft“ bilden wollen oder bilden sollen, betrachtet sie zunächst das universitäre Lehrangebot der Wirtschaftswissenschaften mit ihren inhaltlich ausgearbeiteten Ausschnitten von Wirklichkeit, die methodologisch in Modelle, Diagramme, Statistiken und mathematische Formeln gepresst werden. Ihrer Beobachtung nach hat sich die universitär angebotene Ökonomik in eine Art fensterlosen Elfenbeinturm zurückgezogen, „der mit mathematischen Vorstellungen von dieser Welt gefüllt ist, aber keinen Blick mehr auf diese Welt zulässt, nicht einmal aus der Distanz“ (in diesem Band). Aus dieser Beobachtung leitet sie die (rhetorisch gemeinte) Frage ab, ob durch die ökonomische Bildung die Sichtweise auf Wirtschaft bzw. auf die konkreten wirtschaftlichen Situationen mit einer „ökonomischen Brille“ geschult werden soll (szientistisch, disziplinäre Betrachtungen) oder ob eine ökonomische Bildung mehrperspektivisch (interdisziplinär) auszurichten sei. Ketzerisch formuliert lautet ihre Frage: Bedeutet fürs Leben zu lernen nur noch, die immer gleiche Art des Denkens auf immer neue Situationen anzuwenden, nicht aber das Denken selbst an diesen und in diesen Situationen zu entwickeln?
Silja Graupe wendet sich nicht gegen den Gebrauch mathematischer Methoden, wohl aber gegen das physikalisch-mathematische Grundverständnis der Ökonomik, das junge Menschen lediglich befähigt, „auf der Grundlage des modernen naturwissenschaftlich-objektiven Erkenntnisideals zu denken, ohne je umgekehrt über dieses Ideal zu reflektieren und damit ins Zentrum des wissenschaftlichen Diskurses zu rücken“ (in diesem Band). Ihre philosophischen Beobachtungen und Betrachtungen machen deutlich, dass das „Ideal der mathematischen Exaktheit (…) nur im Bereich der Erkenntnis der unveränderbaren Dinge (gemeint sind Logik, Physik) sinnvoll sein (kann), nicht im Bereich der veränderlichen (gemeint sind Ethik und Politik sowie die Ökonomik im Sinne der Lehre einer guten Hauswirtschaft)“ (Nida-Rümelin 2013, S. 100).
Das Modell des Bürgerbewusstseins ist Ausgangspunkt für Moritz Peter Haarmanns konzeptionelle Überlegungen zur sozioökonomischen Bildung. Seinen Beitrag „Sozioökonomische Bildung – ökonomische Bildung unter der Zielperspektive der gesellschaftlichen Mündigkeit“ versteht der Autor als ein Plädoyer, ökonomisches Lernen im Sinne einer sozioökonomischen Bildung zu realisieren und es nicht zu einer monodisziplinär auf die Wirtschaftswissenschaften ausgerichteten Kunde zu verengen.
Gesellschaftliche Mündigkeit, so seine zentrale These, könne nur durch eine interdisziplinär begründete und interdisziplinär orientierte sozioökonomische Bildung gefördert werden. Ausgehend vom Lernmodell des Bürgerbewusstseins wird im Beitrag aufgezeigt, dass eine sozioökonomische Bildung die logische didaktische Konsequenz darstellt, wenn ökonomisches Lernen anschlussfähig an das tägliche Erleben der gesellschaftlichen Realität durch die Schülerinnen und Schüler gemacht werden solle. Einer kritischen Prüfung werden in diesem Zusammenhang Argumentationen von Wirtschaftsdidaktikern unterzogen, die „Ökonomie“ in ihrer vermeintlich reinen Form als eigenständiges Unterrichtsfach unterrichtet sehen wollen und sich dabei ebenfalls auf das Leitbild der gesellschaftlichen Mündigkeit berufen.
Michael-Burkhard Piorkowsky macht in seinen Ausführungen „Produktive Konsumenten sind basale Akteure in der realen Ökonomie“ ebenso grundlegend die dichotome Konstruktion von Produktion und Konsum deutlich. Um deutlich zu machen, dass die herkömmliche Differenzierung zwischen Produktion und Konsum aufgegeben werden müsse und die Lebensgestaltung – kompetenzorientiert – insgesamt als ein produktiver Prozess zu begreifen sei, skizziert er das Capability-Konzept von Amartya K. Sen, die Grants Economics von Kenneth E. Boulding, den Lebenslage-Ansatz von Otto Neurath und Gerhard Weisser sowie die Theorie der Wohlfahrtsproduktion von Wolfgang Zapf. Mit Hilfe dieser Ansätze kann nicht nur die Vorstellung vom Haushalt als ausschließlich konsumierende sozioökonomische Institution und die Vorstellung von den Haushaltsmitgliedern als Endkonsumenten überwunden werden, sondern zugleich auch das Modell des homo oeconomicus. Die Nähe zur sozioökonomischen Bildung sieht er darin, dass es ihr darum gehen sollte, die Menschen zu befähigen, ihr Leben selbstbestimmt und verantwortlich als Individuen und Mitglieder in kleinen und großen Gruppen zu gestalten. Neben den fachlichen Grundlagen, für die aus seiner Sicht die Fachwissenschaften hinzugezogen werden müssen, sind zugleich emotionale und moralische Aspekte zu berücksichtigen. Ihm ist klar, dass theoretische Verengungen unterbleiben und ein möglichst vollständiges Bild der betrachteten Phänomene geboten werden muss, jedoch bleibt die Frage, wie die Betrachtungen konkret zu schneiden sind.
Aus poststrukturalistischer Sicht arbeitet Werner Friedrichs in „„Realfiktionen“ der Ökonomie als Gegenstand sozioökonomischer Bildung“ heraus, welche Konsequenzen sich aus dem Zusammenspiel zwischen Modelldenken und realem Handeln bzw. Verhalten ergeben können. Damit thematisiert er die bekannte Frage, inwieweit Modelle helfen, die Welt zu begreifen, zu verstehen und zu erklären. Oder inwieweit Modelle die Wahrnehmung und den Erkenntnishorizont der Akteure lediglich auf jene Variablen beschränken, die vom Modell vorgegeben werden. Wie zentral diese Frage ist, illustriert Tafner, der anmerkt, dass die Ökonomik streng genommen keine Wirklichkeit abbildet, sondern Modelle der Wirklichkeit konstruiert, aber Vertreter/innen der Ökonomik dazu tendieren, Handlungsempfehlungen abzugeben und damit die Welt der Modelle verlassen (vgl. Tafner in diesem Band). Werner Friedrichs illustriert anschaulich am Diskurs über die Börse, die im Modelldenken der Ökonomik den idealen Marktplatz widerspiegelt, dass sich die Rede über ökonomische Zusammenhänge gewandelt hat. Statt Begriffe wie Crash, Baisse und Hausse, die die Trends am Markt zu beschreiben versuchten, ist von (platzenden) Blasen, technischen Reaktionen, Widerständen, Phantasien, Spikeanalysen, Knockoutschwellen, Leerverkäufen, Sell-outSzenarien, Bären- und Bullenfallen, Trendkanälen, gehedgten Werten oder Buyoutszenarien die Rede. Nach seiner Analyse der Zusammenhänge der Finanzökonomie, oder wie er es formuliert, der „Topologie der Finanzökonomie“ kommt er zum Ergebnis, dass sich der Finanzmarkt nicht allein aus spezifischen Mechaniken, logischen Zusammenhängen, rationalen Kernen bzw. rational agierenden Akteuren und stabilen Repräsentationsverhältnissen ergibt, sondern aus Assoziationen, Sprüngen oder Wiederholungen. Für Friedrichs steht fest, dass sich die ökonomischen Zusammenhänge einer gezielten und klar definierbaren Gestaltbarkeit (im Sinne einer transparenten Steuerung) aus einer sozialen Praxis heraus entziehen. Vielmehr verdichten sie sich zu einem emergenten Gefüge, dass der sozialen Praxis vorgängig ist und bilden so etwas wie einen intermediären Rahmen. Für ihn kann hier die Sozioökonomie ansetzen, die er als Hybridfigur verstanden wissen will, also als eine Umgebung für spezifische (nämlich ökonomische) Gegenstandsannahmen, für „fungible Ontologien“. Zugleich weist er auf eine epistemologische Dimension der Sozioökonomie hin, die quer liegt zur üblichen Unterscheidung zwischen einer klassisch ökonomischen Denkweise, die sich allein an einer gegebenen Regelhaftigkeit, Folgerichtigkeit und Gesamtvernunft wirtschaftlicher Zusammenhänge ausrichtet, und einem wirtschaftssoziologischen Zugriff, der ökonomische Zusammenhänge allein als Ergebnis sozialer Interaktion betrachtet. Diese Dimension der Sozioökonomie lässt sich durch die korrespondierenden Schichten der Logik der Gesetzmäßigkeit und der Praxis sozialer Konstruktion in seinen Grundzügen erfassen.
Christoph Schank und Alexander Lorch erörtern in ihrem Beitrag „Der Wirtschaftsbürger als Subjekt einer sozioökonomischen Bildung“ die Ausrichtung der sozioökonomischen Bildung aus einer wirtschaftsethischen Perspektive. Sie knüpfen vor allem an den wirtschaftsethischen Ansatz von Peter Ulrich an, der im Gegensatz zu eher institutionenökonomischen Ansätzen dem Individuum und seiner Verantwortung eine besondere Beachtung beimisst. Sie reflektieren über das Verständnis eines republikanisch-liberalen Wirtschaftsbürgerethos, in dem wirtschaftliches Handeln an Bürgertugenden und moralische Urteilskraft rückgebunden ist. Unter Wirtschaftsbürger wollen sie Wirtschaftssubjekte verstanden wissen, „die ihren Geschäftssinn vom Bürgersinn, d.h. ihrem Selbstverständnis als ‚gute Bürger‘ nicht abspalten, sondern beides integrieren wollen“ (Ulrich 2005b, 14). Unter Geschäftssinn verstehen sie das Wissen um die Sachlogik des (markt-)wirtschaftlichen Systems. Sie plädieren dafür, Ethik und Ökonomie nicht gegeneinander auszuspielen, vielmehr können die Widersprüche in der Person des Wirtschaftsbürgers integriert werden. Deswegen benötigt aus ihrer Sicht ein mündiger Wirtschaftsbürger reflexive und fachliche Kompetenzen. Dazu muss er (a) als guter Staatsbürger sein Handeln unter den Vorbehalt des Gemeinwohls stellen, (b) über Sachkompetenz und Urteilsvermögen verfügen, um ökonomische Mythen zu entzaubern und (c) genügend moralische Urteilskraft und Kompetenz ausbilden, um sich in wirtschaftlichen und politischen Kontexten an Werten, Tugenden und Pflichten orientieren zu können.
Die beiden Autoren arbeiten heraus, dass die Verantwortungsfragen nicht allein an den Wirtschaftsbürger zu richten sind. Sie plädieren, dass im Rahmen einer sozioökonomischen Bildung auch die Wechselwirkung verschiedener gesellschaftlicher institutioneller Akteure und die Reziprozität zwischen diesen unterschiedlichen Akteursebenen thematisiert werden sollten. Konkret schlagen sie zwei dieser institutionellen Orte vor, die neben dem Individuum für wirtschaftliche Sachverhalte relevant sind und denen Verantwortung zugeschrieben werden kann: Die Unternehmen und Organisationen als Akteure der Wirtschaft (Mesoebene) sowie die Ordnungspolitik, die die Wirtschaft institutionalisiert und ihr Regeln und Gesetze zur Seite stellt (Makroebene).
Auch Georg Tafner spricht Orte der Verantwortung in seinem etwas ungewöhnlich anmutenden Beitrag „Sozioökonomische Bildung = ökonomische Bildung + Moralerziehung + x. Sozioökonomische Bildung ⊂ Wirtschaftspädagogik“ an. Damit will er seine These charakterisieren, dass sozioökonomische Bildung die Summe aus mehreren Summanden ist, in der Moral und Ethik eine besondere Rolle spielen. Auch er plädiert, an den wirtschaftsethischen Ansatz von Peter Ulrich anzuknüpfen und spricht sich gegen einen wirtschaftsethischen Zugang aus, wie er von Karl Homann vertreten wird. Für Tafner liegt die fachdidaktische Herausforderung darin, eine Urteilsfähigkeit zu fördern, die nicht auf die rein ökonomische Vernunft abziele, sondern in einem umfassenderen Sinn als vernünftig gelten könne. Dabei knüpft er an eine wirtschaftspädagogische Auseinandersetzung an, die Anfang des Jahrtausends unter dem Stichwort Beck-Zabeck-Kontroverse verschlagwortet wurde. In dieser Diskussion folgt Jürgen Zabeck der deontologischen Universalethik Kants, die davon ausgeht, dass in jedem Lebensbereich die ethischen Grundsätze Kants im Sinne des kategorischen Imperativs zur Geltung kommen sollen. Die Wirtschaft mache dabei keine Ausnahme, denn auch im wirtschaftlichen Handeln sei der Mensch selbst verantwortlich. Klaus Beck möchte dagegen mit dieser Tradition brechen und argumentiert für eine partikularethische Betriebsmoral, weil in einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft eine Universalmoral scheitern müsse. Er folgt der Wirtschaftsethik Homanns, deren Imperativ vereinfacht so lautet: Handle wirtschaftlich stets so, dass der Gewinn maximiert wird und die Rahmenbedingungen eingehalten werden. Entlang dieser Debatte diskutiert Georg Tafner drei Gesichtspunkte, die er für die Diskussion der sozioökonomischen Bildung für besonders wichtig ansieht. Unter dem Stichwort Wertfreiheit der Ökonomik plädiert er dafür, dass sich eine sozioökonomische Bildung der Normativität jeder wirtschaftlichen Handlung bewusst sein sollte. Weiterhin weist er auf die Bedeutung des Individuums in seinem sozialen Kontext hin und schließlich arbeitet er unter dem Gesichtspunkt der funktionalen Ausdifferenzierung einen Widerspruch heraus: Das Selbstinteresse eines Individuums muss sich angesichts der plakativen Forderung der Gewinnmaximierung dem unternehmerischen Selbstinteresse unterwerfen. Wenn sich der Einzelne bewusst ist, dass er eine Kostenstelle darstellt, dann geht es aus der Sicht des Individuums nicht um die Maximierung des eigenen Nutzens, sondern um die Minimierung der eigenen Kosten zugunsten einer unternehmerischen Gewinnmaximierung.
Dietmar Kahsnitz nähert sich in seinem Artikel „Ökonomische Bildung maskiert als sozioökonomische Bildung“ der sozioökonomischen Bildung über die in den letzten Jahren höchst vernachlässigte bildungstheoretische Perspektive. Bildungstheoretisch – und das heißt persönlichkeits- bzw. identitätstheoretisch – lässt sich nach Kahsnitz eine sozioökonomische Bildung nur als notwendiger Bestandteil der Allgemeinbildung begründen. Sie habe die Jugendlichen über die Bedeutung der bestehenden Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialsysteme für ihre Lebensführung, ihre Lebens- bzw. Identitätsentwürfe und ihre Handlungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten aufzuklären. Dazu müsse nach Kahsnitz die Wirtschaft als sozial und politisch gestalteter Teilbereich der Gesellschaft und als Ausdruck gesellschaftlicher Werte-, Interessen- und Machtstrukturen verstanden werden, zu dessen Beurteilung Effizienz-, Gerechtigkeits- und Solidaritätskriterien heranzuziehen seien. Exemplarisch konkretisiert er die Ziele und Inhalte der sozioökonomischen Bildung am Beispiel der Bedeutung der Erwerbsarbeit bzw. des Berufs für die Identität, insbesondere die berufliche Identität.
Ökonomische Unterrichtskonzeptionen, die die soziale und politische Dimension der Wirtschaft ausblenden und wirtschaftswissenschaftlich ausgerichtet seien, wären dagegen bildungstheoretisch, so der Autor, nicht zu begründen. Sofern der Anschein erweckt wird, auch sie entsprächen den persönlichkeitsbildenden Aufgaben der Schule, führe das zu erheblichen konzeptionellen Widersprüchen und Unzulänglichkeiten. Kahsnitz zeigt dies exemplarisch am Beispiel der beiden Gutachten, die für den Gemeinschaftsausschuss der deutschen gewerblichen Wirtschaft erstellt wurden, auf.
Die beiden nachfolgenden Beiträge werfen schulformspezifische Schlaglichter auf die sozioökonomische Bildung. Volker Schwier und Carolin Kölzer stellen dar, dass auch Grundschulkinder mit sozioökonomisch bedeutsamen Phänomenen und Entscheidungssituationen konfrontiert werden, die zum Inhalt von Aufklärungs- und Bildungsprozessen im Rahmen des Sachunterrichts werden können. Der Beitrag „Sozioökonomische Bildung im Sachunterricht“ zeigt auf, dass dies noch zu selten geschieht. Wenn überhaupt, so werde das sozioökonomische Potenzial nicht angemessen entfaltet: Nach einer kurzen Bestandsaufnahme zum Stellenwert ökonomischer Bildung innerhalb der Sachunterrichtsdidaktik werden Erwartung und Umsetzung an Beispielen sachunterrichtlicher Curricula, ausgewählter Unterrichtsmaterialien und fachdidaktischer Diskursbeiträge illustriert, bevor in einem nachfolgenden Schritt die Ausweitung und Fundierung ökonomischer hin zu sozioökonomischer Bildung vorgeschlagen wird. Nur dann – so die These der Autorin und des Autors – lassen sich die ausgewiesenen Defizite überwinden, weil wirtschaftliche Phänomene nie unabhängig von ihren gesellschaftlichen Kontexten hinreichend verstanden werden könnten. Dabei biete eine lebensweltorientierte Sachunterrichtsdidaktik bereits vielfältige Potenziale für eine konsequent sozioökonomische Ausrichtung. Erste Vorschläge zu einem „sozioökonomischen Sachunterricht“ und die Ausweisung von Forschungsdesideraten und Entwicklungsperspektiven beschließen den Beitrag.
Udo Hagedorn nähert sich der sozioökonomischen Bildung ausgehend von seinem berufspädagogischen Forschungshorizont. Gesellschaftlicher Wandel bedeute für die Institutionen im Bildungssystem ständigen curricularen Nachsteuerungs-, Anpassungs- und Ordnungsbedarf. Eine sozioökonomische Bildung, die im Zuge dieses Wandels am Subjekt und seinen Praktiken in der Gesellschaft orientiert sei, sei in diesem Sinne darauf verwiesen, Verzahnungen vorzunehmen und vorzusehen, die ein umfassendes Gesamtgefüge entstehen lassen. Der Rahmen, die Rahmengröße, die damit verbundenen Praktiken und ihre Verzahnungen spielen vor diesem Hintergrund, so Udo Hagedorn, eine entscheidende Rolle bei der Frage danach, welches Selbst als Zielvorstellung in einem Entwicklungsabschnitt gesehen werden soll – und als verbindlich gelten würde. Eingebunden in diese Perspektive sei dabei stets die bildungssystematische Frage danach, wer dabei (institutionell) welche Verantwortung übernehme. Der Artikel „Wer produziert das Selbst“ fragt auf der Metaebene nach dem Rahmen, in dem sich die Übersetzung dieses Wandels zu Reproduktions- und Transformationszwecken abspielt. Dazu werden die gesellschaftlichen Leitprinzipien skizziert, die als Ziel jeweils das verbindlich Allgemeine definieren, dem Berufsausbildung in Anlage und Umsetzung genügen soll und die sich entsprechend auf die sozioökonomische Bildung beziehen lassen. Die Argumentation läuft über fünf Schritte. Zunächst wird sozioökonomische Bildung in Bezug zu Berufsausbildung gesetzt. Weiterhin ist die Berufsausbildung als Teil und Instrument der gesellschaftlichen Reproduktion mit kollektivem Auftrag kenntlich zu machen. Anschließend werden die je historisch wirkenden Deutungsmuster als Rahmen und Raster, nach dem kollektive Ansprüche an Berufsausbildung gefügt sind, beschrieben. In einem vierten Schritt wird die Idee des selbstorganisierten Lernens als ein Lösungsversuch für Probleme der gesellschaftlichen Reproduktion dargestellt und damit fünftens das ungelöste Problem des „Das-Selbst-Produzierens“ auf den aktuellen Diskurs um die sozioökonomische Bildung übertragen. Dazu wird neben dem „Wer produziert das Selbst?“ die Notwendigkeit aufgezeigt, einen wissenschaftsbasierten Diskurs darüber zu führen, „welches Selbst“ innerhalb der gesellschaftlichen Reproduktion als Referenz für die Rahmengestaltung des Bildungssystems gelten soll.
Nachdem in den bisher dargestellten Beiträgen konzeptionelle Ansätze und Begründungen der sozioökonomischen Bildung thematisiert werden, wird die Perspektive im Beitrag „Geben und Nehmen auf Augenhöhe? Kooperationen mit außerschulischen Partnern als Herausforderung der sozioökonomischen Bildung“ von Christina Gericke und Andrea Liesner erneut etwas geweitet und der Diskurs bildungspolitisch eingeordnet. Die Debatte um die (sozio)ökonomische Bildung ist in ihren Implikationen und Auswirkungen gesellschaftlich weitgreifend (Zurstrassen 2012).
Versuche von wirtschaftsnahen Interessenverbänden und Stiftungen, Einfluss auf die Bildungspolitik und die Schulen zu nehmen, erfolgen nicht nur im Bereich der ökonomischen Bildung. Christina Gericke und Andrea Liesner setzen sich daher aus einer erziehungswissenschaftlichen Perspektive mit der grundsätzlichen Problematik der Kooperation von Schulen mit Unternehmen oder unternehmensnahen Institutionen auseinander. Der Begriff der Kooperation sei in diesem Zusammenhang, so die Autorinnen, die sich auf Mira Rübsamen stützen, ein Euphemismus, da von einem „Geben und Nehmen“ auf Augenhöhe nicht die Rede sein könne. Die Autorinnen befassen sich zunächst mit den Ausgangs- und Interessenlagen, die privatwirtschaftliche Unternehmen (und auch Gewerkschaften) bewegen, mit Schulen Kooperationen einzugehen. Das Motiv der „gesellschaftlichen Verantwortung“ sei nicht handlungsleitend. Kritisch merken sie an, dass unter dem Postulat der „Öffnung von Schule“ und der Kritik am „lebensfernen Lernen“ die Institution Schule ihre besondere pädagogische Qualität als Raum zur „Distanznahme am Geschehen“ aufgeben würde. Ausgehend von der nachfolgenden Darstellung ausgewählter Kooperationsformen thematisieren die Autorinnen negative Auswirkungen des Unterrichts durch außerschulische Kooperationspartner auf die Lehrerprofession.
Auf die Gefahr der (Selbst-)Ökonomisierung im Sinne des homo oeconomicus weist auch Gerd Famulla in seinem Beitrag „Sozioökonomische versus ökonomistische Bildung“ hin. Er macht deutlich, dass es im Kern um die Fragen geht, welche ökonomische Bildung wir haben und welche wir brauchen. Um Antworten zu finden, formuliert er zunächst fünf kritische Einwände gegenüber einer monodisziplinär konstruierten ökonomischen Bildung. Verschlagwortet lauten die Einwände: (1) Es dominiert mit dem homo oeconomicus-Modell nur ein Akteursmodell, während angesichts der komplexen und vielschichtigen Wirklichkeit die Auseinandersetzung mit mehreren Akteursmodellen in Bildungsprozessen notwendig sei. (2) Eine Norm- und Wertedebatte wird nicht geführt. (3) Es werden unzulängliche Annahmen zur Knappheit formuliert. (4) Bei der häufig benutzten Formulierung „ökonomisch geprägte Lebenssituation“ handelt es sich um eine inhaltsleere Floskel bzw. Metapher. (5) Bildungstheoretische bzw. pädagogische Ziele werden zwar proklamiert, angesichts der einseitigen ökonomischen Ausrichtung wird das Pädagogische marginalisiert bzw. es findet ein Outsourcing auf andere Unterrichtsfächer statt. Abschließend entwickelt Gerd Famulla ein anregendes, unterhaltsames und erhellendes Gedankenspiel, in dem er Thesen zur ökonomischen Bildung Kurzstatements zur sozioökonomischen Bildung gegenüberstellt. Dazu befragt er fiktiv (aber dennoch Literatur gestützt) Protagonisten der ökonomischen Bildung zum Stellenwert der ökonomischen Bildung. Die Protagonisten der sozioökonomischen Bildung müssen (ebenfalls fiktiv, aber Literatur gestützt) auf die Frage antworten, wie sie den Beitrag für die Konzeptionierung einer sozioökonomischen Bildung beurteilen.
Das Gedankenspiel von Gerd Famulla (vgl. Beitrag in diesem Band) ist kommunikativ ausgerichtet, so wie alle Beiträge in diesem Band, und stellt einen (weiteren) Impuls für die anregende und aufregende Debatte über Ziele, Themen und Lehr-Lern-Arrangements sowie die Professionalisierung der Lehrenden dar. Die einzelnen Beiträge nähern sich einer sozioökonomischen Bildung zwar aus unterschiedlichen Perspektiven an, doch sie alle suchen nach Antworten auf die Frage, welche sozioökonomische Bildung wir brauchen, um den Einzelnen zu befähigen, nicht nur mit den Herausforderungen einer sich ändernden Lebensund Arbeitswelt erfolgreich umzugehen, sondern zugleich in sozialer Verantwortung neue Lebensentwürfe zu entwickeln und aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken. Somit geht es den Autorinnen und Autoren nicht so sehr darum, sich rückwärtsgewendet mit den etablierten Routinen einer einseitig ausgerichteten ökonomischen Bildung auseinanderzusetzen. Dennoch schwingt in den Annäherungen die Kritik mit, dass eine ökonomische Bildung, die im Laufe der Jahrzehnte zu einer formalen, reduktionistisch und entproblematisierenden sowie theologisch anmutenden Scholastik verkümmerte, keine Antworten auf den Umgang mit Komplexität, Unsicherheit, Ungewissheit in politisch und sozial geprägten ökonomischen Lebenssituationen anzubieten vermag. Bei der Suche nach einer besseren ökonomischen Bildung halten die Verfasser/innen nach Möglichkeiten Ausschau, in Bildungsprozessen eine Reflexion und ein Nachdenken über Denkschablonen zu ermöglichen.
Die Ausführungen sind trotz grundsätzlicher Gemeinsamkeiten heterogen und kommen durchaus zu kontroversen bzw. widersprüchlichen Einschätzungen. Ein kleines Beispiel soll das illustrieren: Michael-Burkhard Piorkowsky betrachtet durchaus wohlwollend die Arbeiten von Gary S. Becker und plädiert, an sie anzuknüpfen, um die Haushaltsproduktion ökonomisch zu rehabilitieren. Die neo-neoklassische Haushalts- und Familienökonomik sowie die von Becker vorgenommene rigorose Modellierung der Haushaltsproduktion ist für ihn keineswegs ein „rotes Tuch“. Anders werten dies jedoch Gerd Famulla oder Christoph Schank und Alexander Lorch. Für sie liefern die Arbeiten von Gary S. Becker ein eindrucksvolles Beispiel für das Eindringen der ökonomischen Logik als dominierender Erklärungsansatz menschlichen Verhaltens in einstmals von der Ökonomisierung ausgenommene Lebensbereiche. Dieses kleine Beispiel illustriert die heterogen angelegte Annäherung an eine sozioökonomische Bildung, die wir als anregend und fruchtbar für den Verständigungsprozess empfinden.
Aufgrund der „heterogen Gemeinsamkeiten“ und den damit verbundenen unterschiedlichen Perspektiven sowie kontroversen bzw. widersprüchlichen Einschätzungen lässt sich eine sozioökonomische Bildung als Umgang mit einer polykontexturalen Welt umschreiben. Die polykontexturale Welt lebt mit einer Vielzahl von Unterscheidungen, so dass nicht nur eindeutige Aussagen möglich sind, sondern ein ganzes Spektrum vom heillosen Relativismus bis hin zu vollkommener Beliebigkeit. Deswegen ist die Bildung gefordert, die spezifische fachlogische Heuristik vor allem der Ökonomik zu reflektieren und zugleich Lernende zu befähigen, die Komplexität mono- und polykontexturaler Welten zu durchdringen. Damit die Bildung ein Ort wird, an dem Menschen immer wieder neu Wirklichkeit bilden und sich zugleich selbst an Wirklichkeit bilden, sollte sie die Vielfalt möglicher Sichtweisen auf die Wirtschaft bzw. auf konkrete wirtschaftliche Situationen thematisieren, statt sich auf eine einzige und zumal unveränderliche Betrachtungsweise festzulegen.
Dabei können sich eine sozioökonomische und ökonomistische Bildung durchaus aufeinander beziehen (wie Birgit Weber in ihrem Beitrag andeutet), um konsistente Handlungsempfehlungen ableiten und Gestaltungsalternativen und -ziele verknüpfen zu können. Die von Reinhold Hedtke bipolare Gegenüberstellung (in diesem Band) ließe sich durch ein Oszillieren zwischen den beiden Denkweisen als kommunikativer Prozess deuten. Das Schwingen zwischen ökonomistischer und sozioökonomischer Bildung und die zwischen ihnen bestehenden Wechselwirkungen können als Teil des Bildungsprozesses begriffen werden, der die unzulänglichen, unsicheren, teils auch widersprüchlichen Zugänge thematisiert. Damit wird eine dritte Form des Lernens konstruiert, die als Übergang zwischen den Denkschulen verstanden werden kann. Eine solche oszillierende Bildung, die sich an den Charakteristika der sozio-ökonomischen Bildung orientiert, schließt die als ökonomistisch zugeschriebenen Merkmale definitiv als eine Alternative ein, weil sie ein (nach wie vor) dominantes Denkmuster verkörpern, das in einem multiparadigmatisch ausgerichteten Unterricht aus bildungstheoretischen Überlegungen thematisiert werden kann (vgl. dazu Fischer 2014).
Gewiss ist zugleich, dass in einer Publikation allein nicht alle vielfältigen Facetten ausgeleuchtet werden können. Wir hoffen, dass wir mit diesem Sammelband dazu beitragen, einen aufklärerisch und bildungstheoretisch begründeten Referenzrahmen zur evolutionären (Weiter-)Entwicklung der ökonomischen Bildung hin zur sozioökonomischen Bildung zu entwickeln. Partiell können wir dabei an ältere wirtschaftsdidaktische Konzepte, wie zum Beispiel Bodo Steinmanns „Lebensweltansatz“ anknüpfen.
Die Wirtschaftsdidaktik ist im Vergleich zur Politikdidaktik bisher theoriearm. Auch im Hinblick auf die sozioökonomische Bildung wissen wir, dass die eigentliche Arbeit jetzt erst anfängt und die konzeptuellen Ansätze für den Schulunterricht zu konkretisieren und weiterzuentwickeln sind. Uns ist bewusst, dass bei dieser Arbeit ein Mehr an empirischem Realismus notwendig ist, statt normativ überhöhte (An-)Forderungskataloge zu formulieren. Wir wissen, dass wir dazu auch Pionierqualitäten entfalten müssen, um eine sozioökonomische Bildung verwirklichen zu können. Mit der vorliegenden Publikation laden wir Sie ein, an der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem komplexen Anspruch mitzuwirken.
Sebastian Fischer, Malte Kleinschmidt, Florian Fischer, Dirk Lange
Zusammenfassung: In diesem Aufsatz werden Ergebnisse der Studie „Denkweisen der Globalisierung“ vorgestellt. Ausgehend von den empirischen Befunden werden die didaktischen Implikationen für das ökonomische und politische Lernfeld erörtert.
In der politischen Bildung und im sozialwissenschaftlichen Unterricht hat das ökonomische Lernfeld in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Diese Neugewichtung ist fachdidaktisch jedoch nicht hinreichend vorbereitet und wird bislang wissenschaftlich nur unzureichend begleitet. Die von Wirtschaftsunternehmen, Stiftungen und verschiedenen Interessensverbänden produzierten Bildungsangebote können den Kontroversitätsanforderungen der Politischen Bildung aufgrund ihrer inhaltlichen Schwerpunktsetzungen und interessegeleiteten Engführungen oftmals nicht gerecht werden (vgl. Hedtke 2008). In diese Lücke stößt die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung „Denkweisen der Globalisierung“. Sie bietet ein empirisches Fundament, um monodisziplinären Zugängen politischen und ökonomischen Lernens eine differenziertere und am normativen Ziel der Mündigkeit orientierte Herangehensweise entgegenzusetzen. Die Erfassung der subjektiven Vorstellungen der SchülerInnen zu dem Gegenstand Globalisierung bietet die Grundlage zu einer an den Lernvoraussetzungen der SchülerInnen anknüpfenden Reformulierung von didaktischen Ansätzen und Lehrmaterialien. Der Gegenstand Globalisierung ist aus didaktischer Perspektive geeignet, verschiedene ökonomische und politische Lerngegenstände zusammenzuführen. In ihm bündeln sich zentrale Themen, wie etwa der Wandel der Arbeitswelt mit seinen vielseitigen lebensweltlichen Implikationen, die Veränderung der Kommunikationsformen, ökologische Fragen, die Aushandlung kultureller Identitäten, der Beziehung des Globalen Südens zum Globalen Norden, bis hin zu allgemeinen Fragen gesellschaftlicher Partizipationsmöglichkeiten. Im Rahmen dieses Artikels liegt der Fokus auf denjenigen Aspekten, die für die Gestaltung von sozioökonomischer Bildung besonders relevant sind. In der Studie wurde davon ausgegangen, dass Jugendliche schichtspezifisch unterschiedlich von dem Prozess der Globalisierung betroffen sind. Für die einen bedeutet Globalisierung eine Erweiterung von Möglichkeiten. Für die anderen überwiegen die bedrohlichen und einschränkenden Seiten der Globalisierung. Wir nahmen an, dass die Wahrnehmung und Bewertung von Globalisierung in einem engen Zusammenhang mit den individuellen Partizipationsmöglichkeiten in der globalisierten Welt steht. Ein schulformspezifischer Vergleich von Schülervorstellungen aus der Hauptschule und des Gymnasiums kann als adäquate Operationalisierung der zu vergleichenden Vorstellungsgruppen privilegiert mit weitgehenden Partizipationserwartungen versus sozial marginalisiert mit begrenzten Partizipationserwartungen bezeichnet werden. Um die Ausgangshypothese der soziökonomisch differierenden Wahrnehmung von Globalisierung im Untersuchungsaufbau zu verstärken, wurden auf der Grundlage kommunaler Statistiken Hauptschulen vor allem in sozial schwächeren und Gymnasien in sozial stärkeren Stadtteilen ausgewählt.
Gegenstand des Forschungsvorhabens ist zum einen eine didaktisch motivierte Bestandsaufnahme der Schülervorstellungen und zum anderen ein Vergleich der Vorstellungen, die SchülerInnen der Hauptschule und des Gymnasiums in der 9. Klasse über den Prozess der Globalisierung entwickelt haben. Um ein möglichst umfassendes Bild der vorhandenen Vorstellungen gewinnen zu können, erfolgte die Datenerhebung mit einem zweistufigen Kombinationsverfahren, bestehend aus offenem Fragebogen und teilstandardisiertem Interview.
Im ersten Erhebungsschritt wurde mittels Fragebögen ein Überblick über die inhaltliche Bandbreite des Vorstellungsfeldes und die Verteilung von zentralen Vorstellungselementen gewonnen. Dafür füllten 101 HauptschülerInnen und 109 GymnasiastInnen an jeweils drei Schulen die Fragebögen aus. Der Fragebogen gliederte sich in drei Ebenen. Die Fragen zielten auf eine Erfassung des Verständnisses, der vermuteten Ursachen und der Bewertung der Globalisierung. Die Lehrkraft wurde vorab instruiert, im Vorfeld keinerlei themenrelevante Informationen in die Klasse zu geben, um eine möglichst unverfälschte Wiedergabe der Vorstellungen zu ermöglichen. Die SchülerInnen wurden ausdrücklich angehalten ihre eigenen Vorstellungen darzulegen. Es wurde weiter herausgestellt, dass es sich nicht um eine Art Klausur oder Test handele, und versichert, dass die Erhebung anonym ist. Das erhobene Datenmaterial wurde einer inhaltsanalytischen Auswertung unterzogen. Die dabei verwendete Methode geht auf eine Adaption des ursprünglich in der Psychologie entwickelten Verfahrens der logographischen Analyse zurück (vgl. Laucken 1987). Die kategoriengeleitete Analyse des erhobenen Materials zielt darauf ab, übergreifende Muster der Sinnbildung zu identifizieren. Die von den SchülerInnen geäußerten Vorstellungen umfassen alle erwartbaren Bereiche des Alltagsdiskurses über den Gegenstand „Globalisierung“. Viele SchülerInnen denken an Klima- oder Umweltthemen, andere verweisen in ihren Antworten auf den ökonomischen Bereich, auf den Bereich Politik, Kommunikation, Kultur oder stellen das Moment der technischen Entwicklung oder des Fortschrittes in den Vordergrund ihrer schriftlichen Darlegung.
Insgesamt zeigt sich, dass der Gegenstand „Globalisierung“ sowohl in der Hauptschule als auch im Gymnasium vor allem als ein Klima- bzw. Umweltthema gedacht wird. Jeweils über die Hälfte der befragten SchülerInnen (Hauptschule: 55,5 %; Gymnasium: 53,2 %) verbindet mit „Globalisierung“ eine Umwelt- bzw. Klimathematik. Deutlich mehr GymnasiastInnen als HauptschülerInnen sprechen die Bereiche Ökonomie, Politik und Technik-Fortschritt-Modernisierung an. Jede Hauptkategorie wurde weiter differenziert. Im Folgenden sollen zentrale Aspekte aus dem Bereich Ökonomie dargestellt werden.1 Insgesamt fällt auf, dass diejenigen SchülerInnen, die ökonomische Aspekte der Globalisierung anführen, mehrheitlich positive Entwicklungen beschreiben. Dabei reicht das Spektrum von der Nennung der durch Globalisierung entstehenden individuellen Konsumvorteile über nationale Handelsvorteile, eine sinnvolle internationale Kooperation und „Fortschritt“ bis zu „besserer Völkerverständigung“ aufgrund des internationalen Warenhandels. Deutlich weniger SchülerInnen führen dagegen negative Aspekte der ökonomischen Globalisierung wie etwa Schäden für Mensch und Natur im Zuge extensiver Produktion oder die Situation von benachteiligten Ländern im globalen Konkurrenzkampf an. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass nur drei von 210 Schülerinnen negative Folgen für ArbeitnehmerInnen ansprechen.
Auf der Grundlage der Analyse der Fragebögen konnte eine informierte Auswahl der 44 InterviewpartnerInnen erfolgen. Während die Fragebogenanalyse insbesondere einen Überblick über die primär assoziative Ebene zu geben imstande war, sollte die Interviewanalyse einen in die Tiefe gehenden Einblick in die Denkweisen der SchülerInnen ermöglichen. Die problemzentrierten Interviews wurden inhaltsanalytisch ausgewertet. Im Zuge der Auswertung wurden fünf thematische Bereiche unterschieden: Politik/Wirtschaft, Partizipation, Internationale Arbeitsteilung, Migration und Kultur. Im Folgenden werden ausschnittsweise zentrale Denkweisen der SchülerInnen vorgestellt. An dieser Stelle beschränkt sich die Ergebnisdarstellung auf die Bereiche Politik/Wirtschaft und Partizipation sowie die daraus resultierenden Schlussfolgerungen für die Gestaltung sozioökonomischer Bildung.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Markt für die Mehrheit der GymnasiastInnen und etwa die Hälfte der HauptschülerInnen einen weitgehend unhinterfragten Denkrahmen bei der Auseinandersetzung mit der politischen und ökonomischen Dimension der Globalisierung darstellt. Der Markt und seine Gesetze werden als quasi natürlich und/oder als alternativlos vorgestellt. Oft versetzen sich die SchülerInnen hier in die Position eines Unternehmens und finden es dann beispielsweise „normal“ oder „nachvollziehbar“, wenn ArbeitnehmerInnen sehr geringe Löhne erhalten. Fast ausnahmslos stellen die SchülerInnen aber auch moralische Reflexionen über die Lebenssituation von Nicht-Privilegierten – insbesondere im Globalen Süden – an und äußern Empathie mit ArbeitnehmerInnen, die sich in schwierigen Arbeits- oder Lebenslagen befinden. Diese beiden Aspekte der Naturalisierung des marktwirtschaftlichen Rahmens und der Problematisierung humanitärer Missstände stehen in der Regel unvermittelt nebeneinander. Die große Mehrheit der SchülerInnen spricht sich für eine zurückhaltende Politik der Wirtschaftsregulation aus. Positionen wiederum, die jegliche Wirtschaftsregulation ablehnen, werden von den SchülerInnen nicht vorgebracht. Allerdings wird die Grenze wirtschaftsregulativer Politik überwiegend da gesehen, wo der „gesunde Profit“ bedroht zu sein scheint. Eine Ausnahme stellt der Waffenhandel dar, den der Staat stärker begrenzen sollte.
Vorstellungen von Politik Die meisten SchülerInnen haben von der Wirtschaftskrise gehört. Die Vorstellungen von der Wirtschaftskrise sind aber fragmentarisch und dominiert durch Versatzstücke stereotypisierender medialer Diskurse. Wenige SchülerInnen können sich die Wirtschaftskrise in schlüssiger Weise erklären. In mehr als der Hälfte der vorgebrachten Erklärungen wird die Ursache der Krise im vermeintlichen Fehlverhalten der von der Krise besonders betroffenen Ländern Südeuropas gesehen. Erklärungen, die beispielsweise das Fehlverhalten von Banken als Ursache der Wirtschaftskrise in den Blick nehmen, werden hingegen kaum vorgebracht. Wertende Vorstellungen über die „Hilfspakete“ als Symbol für die herrschende Krisenpolitik sind im Gegensatz zu dem Wissen über die Ursachen der Wirtschaftskrise sehr viel verbreiteter. Etwa die Hälfte der SchülerInnen bezieht eine dezidiert wertende Position zu dieser Politik. Während die BefürworterInnen der „Hilfspakete“ eher am Gymnasium zu finden sind, äußern sich deutlich mehr HauptschülerInnen ablehnend. Die BefürworterInnen argumentieren dabei aus einer Position, die sich mit den Regierenden identifiziert. Sie begründen die Notwendigkeit der „Hilfe“ damit, dass diese wirtschaftlich im eigenen Interesse sei. Das zentrale Argument in der von HauptschülerInnen dominierten Gruppe der SkeptikerInnen ist, dass zuerst die eigenen, nationalen Probleme gelöst werden müssten, bevor anderen Nationen Geld gegeben werde. Die Mehrheit der SkeptikerInnen argumentiert aus einer Position, die den deutschen PolitikerInnen vorwirft, das Geld, das für nationale Probleme zur Verfügung stehen sollte, wegzugeben.
Die SchülerInnen sehen kaum eigene Gestaltungsmöglichkeiten der Globalisierung. Die große Mehrheit der SchülerInnen führt zunächst ausschließlich den Staat und große privatwirtschaftliche Unternehmen als handelnde Akteure an. In der Regel kamen erst im weiteren Gesprächsverlauf des Interviews andere Akteure zur Sprache. Im Folgenden stellen wir die vier vorgefundenen Formen kurz vor.
Einflussnahme über Konsum Dominant ist hier die Vorstellung der Einflussnahme über den eigenen Konsum. Während 16 GymnasiastInnen eine mögliche Einflussnahme aus der Perspektive von KonsumentInnen denken, sind es nur vier HauptschülerInnen. Die starke Verbreitung dieser Vorstellung korreliert gewissermaßen mit der allgemeinen Orientierung, den Markt als Rahmen gesellschaftlichen Handelns zu setzen. Die große Mehrheit derjenigen, die gesellschaftliche Einflussnahme aus der Perspektive von KonsumentInnen denken, nimmt eine individuell-konsumtive Haltung ein und thematisiert beispielsweise keine politischen Boykott-Kampagnen.
Einflussnahme über Nicht-Regierungs-Organisationen Als zweiter Akteurstyp werden Nicht-Regierungs-Organisationen genannt. Diese zivilgesellschaftliche Möglichkeit, auf den Prozess der Globalisierung Einfluss zu nehmen, wird überwiegend von GymnasiastInnen angeführt. Die meisten dieser SchülerInnen denken diese Form zivilgesellschaftlicher Einflussnahme in der Logik von Wohltätigkeit oder Charity. Die Problematisierung von gesellschaftlichen Strukturen, die auf ungleicher Macht- und Reichtumsverteilung basieren, oder die Nennung verbürgter Rechte spielen für das Denken gesellschaftlicher Zusammenhänge und ihrer Veränderung hingegen keine bedeutsame Rolle. Stattdessen wird gesellschaftliche Veränderung als abhängig von der Gunst privater Initiativen vorgestellt.
Einflussnahme über Gewerkschaften Der dritte Akteurstyp, den die SchülerInnen anführen, sind Gewerkschaften. HauptschülerInnen haben insgesamt deutlich weniger Kenntnisse über Gewerkschaften im Vergleich zu den GymnasiastInnen. Acht HauptschülerInnen und drei GymnasiastInnen besitzen keinerlei Kenntnisse über Gewerkschaften. Geringe bzw. unsichere Kenntnisse haben acht HauptschülerInnen und zehn GymnasiastInnen. Vier HauptschülerInnen und neun GymnasiastInnen besitzen vergleichsweise gute Kenntnisse. Von denjenigen, die über weitergehendes Wissen verfügen, sind fast alle den Gewerkschaften gegenüber prinzipiell positiv eingestellt. Dass sich die Gewerkschaften für die Interessen von ArbeitnehmerInnen einsetzen, wird von den meisten SchülerInnen positiv bewertet. Einige GymnasiastInnen argumentieren sozialpartnerschaftlich und wiesen darauf hin, dass die Gewerkschaften nötig sind, damit Unternehmen und ArbeitnehmerInnen miteinander verhandeln können. Dabei werden die Gewerkschaften allerdings nicht in der Rolle gesehen, gesamtgesellschaftliche Fragen mitzugestalten. Vielmehr beschränkt sich ihre Funktion darin als Dienstleister für einzelne ArbeitnehmerInnen zu fungieren oder bereits bestehende Rechte durchzusetzen.
Einflussnahme über Protestbewegungen Als vierter Aktionstyp ist die gesellschaftliche Einflussnahme über Proteste oder Demonstrationen zu nennen. Während keinE SchülerIn angibt, selbst an Protesten oder Demonstrationen beteiligt gewesen zu sein, führen zehn GymnasiastInnen und fünf HauptschülerInnen dies allgemein als Möglichkeiten zur Gestaltung der Globalisierung an. Dabei fällt auf, dass nur eine Schülerin konkret stattgefundenen Protest in Deutschland erwähnt, während oft von Protesten in anderen Ländern, insbesondere der Türkei und arabischen Ländern, berichtet wird. Insgesamt werden Proteste von den SchülerInnen so gedacht, dass ihr Ziel darin bestehe, PolitikerInnen oder die Mächtigen zur Hilfe oder zur Einsicht zu bewegen. Zwar problematisieren einige SchülerInnen, dass nicht alle bei gesellschaftsrelevanten Fragen gleichberechtigt mitentscheiden können. Dennoch schlägt keinE SchülerIn eine grundlegende Veränderung von Entscheidungsstrukturen vor. Statt die vor dem Hintergrund eines weit gefassten Partizipationsbegriffs naheliegende, grundlegende Veränderung von Strukturen repräsentativer Demokratie bzw. von Macht- und Besitzverhältnissen in den Blick zu nehmen, hoffen die SchülerInnen mehrheitlich auf die Einsicht der gegenwärtigen Entscheidungsträger.
Seit mehreren Jahren findet eine grundlegende Auseinandersetzung um die Ausrichtung der ökonomischen Bildung statt. Während einige VertreterInnen eine stark an der wirtschaftlichen Fachdisziplin orientierte Didaktik favorisieren, wird diese Ausrichtung von den BefürworterInnen einer weiter gefassten, sozioökonomisch ausgerichteten Bildung kritisch betrachtet (Engartner 2013; Haarmann 2014). Erstere wird dabei von einem einflussreichen Netzwerk von Wirtschaftsverbänden, unternehmernahen Stiftungen, Instituten, Initiativen und Parteien gefördert (vgl. Hedtke/Möller 2011). Demgegenüber steht das Interesse von nicht privatwirtschaftlich gebundenen Akteuren, die in einer rein wirtschaftswissenschaftlichen Ausrichtung eine Engführung und Vereinseitigung der ökonomischen Didaktik sehen. Zwar fordern die meisten bildungspolitischen Akteure eine Stärkung der ökonomischen Kompetenzen in der Schule. Insbesondere bei der Forderung von Wirtschaftsverbänden nach einem gesonderten Fach „Wirtschaft“ wird dabei jedoch die Gefahr gesehen, dass die wirtschaftliche Bildung eine Bildung der Wirtschaft wird. Während der unternehmensnahe Ansatz behauptet, das vermeintlich ‚spezifisch Ökonomische‘ in gesellschaftlichen Lebenssituationen zum Gegenstand zu machen, kann aus der Perspektive einer umfassenderen sozioökonomischen Bildung davon ausgegangen werden, dass eine isolierte Sicht auf ökonomische Zusammenhänge sowohl fachwissenschaftlich als auch didaktisch zu kurz greift.
Die Gefahren einer unternehmernahen und wirtschaftswissenschaftlichen Engführung zeichnen sich auch vor dem Hintergrund der festgestellten empirischen Befunde ab. In den Denkweisen der SchülerInnen findet sich ein Bias marktaffinen Denkens. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die SchülerInnen beider hier untersuchter Schulformen es gewohnt sind, ökonomische Zusammenhänge aus der Perspektive von Unternehmen und im Hinblick auf die „Gesetze des Marktes“ zu betrachten. Die Perspektive der ArbeitnehmerInnen wird hingegen von kaum einer/m SchülerIn eingebracht. Das ist insofern bemerkenswert, als die überwiegende Mehrheit der SchülerInnen in abhängiger Beschäftigung tätig sein wird. Engartner und Balasundaram (2013) betonen, dass derzeit 36 Mio. der insgesamt 40,5 Mio. Beschäftigten ArbeitnehmerInnen seien. Dementsprechend müssten Bildungsmaßnahmen, die darauf abzielen, SchülerInnen eine Orientierung in der Arbeitswelt zu ermöglichen, insbesondere die ArbeitnehmerInnenperspektive berücksichtigen (ebd.: 249). Unabhängig davon, ob dieser Bias auf die Dominanz der privatwirtschaftlich interessierten Bildungsakteure in der Schule oder auf andere Faktoren zurückgeht, würde eine wirtschaftswissenschaftlich-monistische Engführung diesen bereits vorhandenen Bias verstärken. Der Dominanz marktaffinen Denkens muss aber vielmehr entgegengewirkt und den SchülerInnen alternative Denkweisen anheimgestellt werden. Für eine auf Partizipation, demokratische Teilhabe und Mündigkeit zielende Bildung stellt genau dies eine große Herausforderung dar.
In beiden Schulformen stehen ein naturalisiertes Verständnis des Marktes und eine empathische Haltung mit ArbeiterInnen in schwierigen Lebens- und Arbeitssituationen unvermittelt nebeneinander. Hier wird deutlich, dass Wissen über soziale Missstände und Empathie mit ArbeiterInnen nicht automatisch dazu führen, dass SchülerInnen ein Verständnis für übergreifende gesellschaftliche Zusammenhänge und grundlegende gesellschaftliche Interessenskonflikte erlangen. Die Problematisierung von humanitären Missständen wird in der Regel in Appelle zu mehr Wohltätigkeit und Spendenkampagnen gewendet oder auf die Hoffnung in die Einsicht der gesellschaftlich Mächtigen reduziert. Den SchülerInnen müsste es aber ermöglicht werden, alternative Perspektiven zu entwickeln, die auch die Dimension des Politischen berücksichtigen. Das Politische wird hier in Abgrenzung von der Politik als diejenige Dimension verstanden, in der eben nicht nur die Administration des Status quo, sondern die prinzipielle Gestaltbarkeit gesellschaftlicher Zusammenhänge gedacht wird. Die Annahme einer prinzipiellen Gestaltbarkeit impliziert auch, dass der Status quo sich nicht aus Sachzwängen ergibt, sondern vielmehr auf (politischen) Entscheidungen basiert. Unter Einbeziehung der Dimension des Politischen stellt sich dann die Frage, welche gesellschaftlichen Gruppen, mit welchen partikularen Interessen und aus welchen Gründen Entscheidungen durchgesetzt haben. Didaktisch kann an die vorgefundene empathische Haltung der SchülerInnen angeknüpft werden. Der Blick für die Situation von Nicht-Privilegierten stellt eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für die Erschließung des Politischen dar. Konkret müssten weitere Akteure und Handlungsebenen einbezogen werden. Jenseits von Unternehmen und PolitikerInnen auf der gesellschaftlichen und von der Rolle als KonsumentIn auf der individuellen Ebene sollte hier beispielsweise die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit Gewerkschaften, Verbraucherschutzorganisationen und nicht zuletzt sozialen Bewegungen weitere Perspektiven für die SchülerInnen eröffnen. Die Reduktion der Akteure auf die – in einem engen, institutionalisierten Sinne verstandene – „Politik“ und marktwirtschaftlich agierende Protagonisten erscheint hingegen aus mehreren Gründen als problematisch. Indem viele SchülerInnen nur an die „Politiker“ und die Unternehmen denken, erschöpft sich die Vorstellung auf Akteure, zu denen sie selbst keinen Zugang haben und die weit von ihrer Lebensrealität entfernt sind. Da die SchülerInnen gegenwärtig und auch voraussichtlich zukünftig weder Staatschef noch Unternehmensführer sein werden, erscheint die Möglichkeit der Einflussnahme auf den Prozess der Globalisierung und auf ökonomische Vorgänge insgesamt stark begrenzt zu sein. Das Gefühl der eigenen Ohnmacht wird zwar von vielen SchülerInnen benannt, aber selten problematisiert. Die gegenwärtige Form der Globalisierung ist kaum zu verstehen, wenn man nicht berücksichtigt, dass viele Jahre eine weitreichende Politik der Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung betrieben wurde. In den Denkweisen der SchülerInnen ist allerdings ein enges Politikverständnis dominant, das „Politik“ auf administrative Praxen von Institutionen und Parteien reduziert. Wenn die Vorstellung von „Politik“ auf die Verwaltung des Bestehenden beschränkt und als quasi neutrale, nicht von widerstreitenden Interessen durchzogene Instanz vorgestellt wird, geraten wichtige Perspektiven aus dem Blick. Beispielsweise wird eine Kritik an der neoliberalen Umgestaltung der Gesellschaft erst dann möglich, wenn die Unterordnung der Gesellschaft unter die Anforderungen des Marktes als immanent politische und durchaus umkämpfte Entscheidung sichtbar wird. Die Entscheidungen für die neoliberale Umgestaltung wurde zwar vom großen Teil „der Politik“ getragen, erscheint jedoch unter Einbeziehung der Dimension des Politischen keinesfalls als alternativlos. Didaktisch sollte den SchülerInnen fächerübergreifend der Raum zur Verfügung stehen, einen Begriff des Politischen zu entwickeln, der beinhaltet, dass „die Politik“ eben keine neutrale Instanz ist. Politik und Ökonomie sollten vielmehr als verschränkte und umkämpfte Terrains gedacht werden können. Vor dem Hintergrund der Rückgewinnung des Politischen kann die gefühlte Ohnmacht der SchülerInnen, deren Folgen oft unter dem Stichwort „Politikverdrossenheit“ thematisiert werden, in einem anderen Licht erscheinen und neue didaktische Perspektiven eröffnen. Eine entsprechend sensibilisierte sozioökonomische Bildung würde so unter anderem aufhören, das Problem bei den SchülerInnen zu suchen. Statt diese als defizitär anzusehen, sollten ihnen vielmehr die gedanklichen Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden, gesellschaftliche Defizite zu benennen und die eigene Erfahrung gesellschaftlicher Ohnmacht zu problematisieren.
Viele SchülerInnen verfügen über auf den Markt bezogene Denkweisen ökonomischer Prozesse – die Gesetze der Marktwirtschaft erscheinen alternativlos und unumstößlich. Gleichwohl bringen sie in der Regel auch nicht marktwirtschaftlich orientierte Aspekte und normative Bezüge, insbesondere eine prinzipielle Empathie mit ArbeiterInnen in schwierigen Arbeits- und Lebenslagen, in die Diskussion ein. Damit sind sie einigen fachdidaktischen Ansätzen im Bereich der Ökonomie voraus, die versuchen, mechanistisch-volkswirtschaftliche Ansätze als für ökonomische Zusammenhänge ausreichende Denkrahmen zu etablieren. Ein Blick in die Vielschichtigkeit der Lebenswelt der SchülerInnen zeigt aber, dass ein solcher Ansatz für die ökonomische Didaktik unzureichend ist. Die Lebenswelt der SchülerInnen beinhaltet eben keinen isolierten Bereich der Ökonomie. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Probleme der Lebensführung, des Umgangs mit knappen Ressourcen im Alltag, der Identitätsfindung, politische Partizipation, persönliche Mobilität, Vorstellungen gesellschaftlichen Zusammenlebens, Ideen von Gerechtigkeit und der allgemeinen sowie beruflichen Zukunftsplanung eng miteinander verknüpft sind. Problemorientierung als didaktisches Prinzip – statt einseitiger Orientierung an einer Fachdisziplin – stellt hier einen erfolgversprechenden Weg für die sozioökonomische Didaktik dar. Bei der eng gefassten, vornehmlich auf bestimmte Richtungen der Volkswirtschaft bezogenen ökonomischen Bildung stellt sich die Frage, inwieweit SchülerInnen damit in die Lage versetzt werden können, zukünftige persönliche wie gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen.
Die Wirtschaftskrise stellt einen möglichen Ansatzpunkt sozioökonomischer Didaktik dar. Vorstellungen von der Wirtschaftskrise sind bei den SchülerInnen sehr verbreitet. Während nur wenige SchülerInnen sich die Wirtschaftskrise erklären können, sind vielen Versatzstücke der Krisenpolitik bekannt. Dabei spielen insbesondere medial vermittelte Bilder bezüglich der sogenannten „Hilfspakete“ für südeuropäische Länder eine große Rolle. Gerade aufgrund der wissenschaftlich umstrittenen Ursachen der Krise und der ebenfalls umstrittenen staatlichen Krisenpolitik könnte an diesem Unterrichtsgegenstand aber die Pluralität und Heterogenität von Perspektiven in Politik und Ökonomie interdisziplinär aufgezeigt werden. Die SchülerInnen könnten über die Berichterstattung der Medien ebenso reflektieren wie über die sozialen Konflikte im Süden Europas, anhand derer ein vielschichtigeres Bild der Beziehung von Wirtschaft und Politik gewonnen werden kann. Der Widerstand seitens großer Teile der Bevölkerung der Länder im Süden Europas gegen eine rigide Austeritätspolitik und die damit einhergehende Entdemokratisierung lassen sowohl die gegenwärtigen wirtschaftspolitischen Antworten auf die Wirtschaftskrise als auch das Selbstbild der EU in einem differenzierten Licht erscheinen. Am Gegenstand der Wirtschaftskrise könnten grundsätzliche, die Globalisierung betreffende Fragen bearbeitet werden, die – interdisziplinär angelegt – auch der Vereinseitigung und Verengung des Denkens des Ökonomischen entgegenwirken. Statt den Bias des Marktes als naturalisierten Denkrahmen zu stärken, könnten hier die Vielfältigkeit der Perspektiven im politischen und ökonomischen Raum aufgezeigt werden. Die verschiedenen Akteure mit ihren Interessen und die tatsächlichen Entscheidungsstrukturen des Krisenmanagements bieten einen didaktisch fruchtbaren Zugang zur Auseinandersetzung mit den pluralen und konfliktreichen Feldern des Politischen und des Ökonomischen.
Mündigkeit und Partizipation sind zentrale normative Ziele der politischen und ökonomischen Bildung. Die Fähigkeit, in sozioökonomischen Zusammenhängen zu denken, stellt eine Voraussetzung zur Erreichung dieser Ziele dar. Dadurch wird den SchülerInnen ermöglicht, sich in der komplexen globalisierten Welt zurechtzufinden und an ihr als politisches Subjekt teilzuhaben. Dafür bedarf es einer Überarbeitung von Curricula, Lehrmaterialien und didaktischen Ansätzen. Eine marktaffine ökonomische Bildung kann nicht einfach durch Hinweise auf humanitäre Missstände ergänzt werden. Vielmehr muss den SchülerInnen ermöglicht werden, eine über den Markt und seine Gesetze hinausgehende, plurale Perspektive einzunehmen. Deshalb reicht es nicht, entscheidende Begriffe - wie etwa den der sozialen Gerechtigkeit ‒ allgemein einzuführen. Soziale, politische und ökologische Problembereiche müssen aus mehreren Perspektiven beleuchtet werden – eine ausschließlich ökonomische bzw. betriebswirtschaftliche Sicht genügt nicht. Ziel von sozioökonomischer Bildung müsste vielmehr sein, die SchülerInnen in die Lage zu versetzen, die Pluralität der Deutungsmuster nachzuvollziehen und diese in Beziehung zueinander zu setzen. Warum werden gleiche Phänomene von Unternehmen, staatlichen Institutionen, ArbeitnehmerInnen, Privilegierten und marginalisierten Bevölkerungsgruppen, Mächtigen und Entmachteten unterschiedlich wahrgenommen und bewertet? Den SchülerInnen eine multiperspektivische Sicht auf das Verhältnis von Wirtschaft und Politik in einer globalisierten Welt zu ermöglichen, ist dabei nicht in erster Linie ein Problem der Komplexität. In den Interviews wurde deutlich, dass die Mehrheit der SchülerInnen die Gesetze der Marktwirtschaft als quasi natürlich und/oder als alternativlos denkt. Obwohl die Aussagen der SchülerInnen sehr facettenreich sind und soziale sowie ökologische Problembereiche thematisiert werden, bringt sie die Engführung des Ökonomischen dazu, eine von den Menschen und ihren Entscheidungsmöglichkeiten unabhängige Sphäre anzunehmen: Der Markt – und nicht die Menschen – erscheint als Subjekt der Gesellschaft. Unterricht und Bildungsangebote sollten aber auf die Förderung selbstbestimmter Urteilsfähigkeit und eine Erweiterung der Handlungsfähigkeit in gesellschaftlichen Zusammenhängen abzielen. Wenn jedoch mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Vermittlung von „ökonomischer Kompetenz“ ein impliziter Lehrplan etabliert wird, der in der Konsequenz die demokratische Gestaltbarkeit der Gesellschaft in Frage stellt, muss von einer höchst problematischen Ausrichtung der gegenwärtigen didaktischen Konzeptionen gesprochen werden. Es kommt stattdessen darauf an, sowohl die verschiedenen fachwissenschaftlichen Perspektiven als auch die unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Standpunkte gezielt bei der Gestaltung von Bildungsangeboten zu berücksichtigen.
Nils Goldschmidt, Yvette Keipke, Alexander Lenger, Klaas Macha
Zusammenfassung Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist die Erweiterung der traditionellen funktionalistischen Kompetenzperspektive um die Analyse wirtschaftlicher Verstehensprozesse. Das Interesse richtet sich dabei explizit nicht auf das statische Ergebnis wirtschaftlicher Kompetenzen, sondern fragt danach, wie wirtschaftliches Verständnis in modernen Marktgesellschaften ausgebildet werden kann. In unserem Verständnis weist ökonomisches Sinn-Verstehen in Ergänzung zum Begriff der ökonomischen Kompetenz auf das Wechselspiel zwischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozessen und deren Beurteilung ab. Daher bedarf es neben einer analytischen Trennung zwischen ökonomischer Kompetenz und wirtschaftlichem Verstehen einer Definition ökonomischen Sinn-Verstehens, um den Begriff für die weitere Forschung fruchtbar zu machen. Da moderne Gesellschaften marktwirtschaftliche, funktional differenzierte Gesellschaften sind, bedarf es eines Sinn-Verstehens ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse. Entsprechend wird im vorliegenden Beitrag dem Begriff der ökonomischen Kompetenz das Konzept des wirtschaftlichen Verstehens an die Seite gestellt, das auf die reflexive Gestaltung der wirtschaftlichen Ordnung ausgerichtet ist. Es wird gezeigt, dass es einer reflexiven Wirtschaftsdidaktik bedarf, um ein ökonomisches Sinn-Verstehen und eine reflexive Urteilsbildung zu fördern. In einem Folgebeitrag in der kommenden Ausgabe von GWP werden die praktischen Konsequenzen unserer Überlegungen diskutiert. Dort wird insbesondere auf die fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Konsequenzen unserer Überlegungen für Schule und Lehramtsausbildung eingegangen.
Das primäre Ziel ökonomischer Bildung ist es, Schüler*innen zu informierten und reflexiven Mitgliedern einer aktiven Bürgergesellschaft auszubilden, die über ein möglichst hohes Maß an ökonomischer Entscheidungs-, Handlungs- und Beurteilungsfähigkeit verfügen. Dafür braucht es nicht nur eine kompetenzorientierte, sondern auch eine auf reflexives Sinn-Verstehen ausgerichtete ökonomische Bildung an (Hoch-) Schulen, um einen nachhaltigen Diskurs über ökonomische Sachverhalte in der Gesellschaft zu befördern. Die Aufgabe der ökonomischen Bildung ist es, Schüler*innen zu befähigen mündige Bürger moderner Marktgesellschaften zu sein und informiert sowie reflektiert an gesamtgesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen. Hierzu müssen sie aber nicht nur wirtschaftliche Kompetenzen ausbilden, sondern auch in der Lage sein, ökonomische Prozesse in ihrer Einbettung in gesellschaftliche Kontexte grundlegend zu verstehen und beurteilen zu können. Ein solch ganzheitliches ökonomisches Sinn-Verstehen – so unsere zentrale These – unterscheidet sich signifikant von der in der Literatur üblicherweise verwendeten Kategorie der ökonomischen Kompetenz. Für viele Ansätze der ökonomischen Bildung gilt, dass Personen, die in der Lage sind, situationsadäquat zu handeln, als kompetent gelten. Ein solches Verständnis stellt unseres Erachtens eine ökonomische Bildung funktionalistischer Prägung dar. Prominent geworden ist die Kompetenzdefinition nach Franz Weinert, nach der Schüler*innen funktionale Handlungsfähigkeiten ausbilden sollen, um in ökonomisch geprägten Problemsituationen adäquat handeln zu können. So definiert er Kompetenz als „funktional bestimmte, auf bestimmte Klassen von Situationen und Anforderungen bezogene kognitive Leistungsdispositionen, die sich psychologisch als Kenntnisse, Fertigkeiten, Strategien, Routinen oder auch bereichsspezifische Fähigkeiten beschreiben lassen“ (Weinert 2001). In der Literatur lassen sich aber auch andere funktionale Kompetenzdefinitionen finden, wie die von Hermann May, die darauf abzielen, „Individuen mit Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Verhaltensbereitschaften und Einstellungen“ auszustatten, um wirtschaftlich geprägten Lebenssituationen kompetent zu begegnen (May 2011: 3-4). Schließlich lässt sich im Lebenssituationsansatz nach Ochs und Steinmann (1978) das Ziel wiederfinden, Lernende für ökonomisch geprägte Lebenssituationen funktional zu qualifizieren, im Sinne der Bedürfnisbefriedigung des Einzelnen, d.h. das eigene Leben kompetent zu gestalten, Gefahren zu vermeiden und individuelle Verbesserungen zu realisieren. Zu den gesellschaftlich und politisch geprägten wirtschaftlichen Lebenssituationen zählen Ochs und Steinmann beispielsweise die Berufswahl, das Einkommen oder das materielle Vorsorgen.
Ein solch funktionalistisches Verständnis ist zwar ein wesentlicher Baustein ökonomischer Bildung, greift aber unserer Meinung nach zu kurz. Vielmehr bedarf es eines über die Kompetenzorientierung hinausgehenden wirtschaftlichen Sinn-Verstehens, dessen Ziel die Ausbildung eines sinnhaft, systemischen Verständnisses ökonomischer Phänomene ist, um auf den Gesamtzusammenhang einer modernen Marktgesellschaft schließen und diesen Zusammenhang auch kritisch reflektieren zu können. Um sich einem solchen weiten Ansatz ökonomischer Bildung zu nähern, ist es hilfreich, zwischen ökonomischer Kompetenz und wirtschaftlichem Verstehen zu unterscheiden. Während wir ökonomische Kompetenzen als Fähigkeiten bezeichnen wollen, um in wirtschaftlichen Situationen funktional, situationsadäquat und im Idealfall auch verantwortlich handeln zu können, meinen wir mit ökonomischem SinnVerstehen das inhaltliche Nachvollziehen, die Reflexion und die Beurteilung von allgemeinen wirtschaftlichen Sachverhalten und gesellschaftlichen Prozessen. Unser Verstehensbegriff schließt dabei an das Sinn-Verstehen in der Tradition der verstehenden Soziologie (Weber 1990 [1922]; Schütz 2004 [1932]) an, bei dem es um einen hermeneutischen Erkenntnisprozess geht, in dem subjektive Sinnzusammenhänge, Deutungsmuster und Handlungsorientierungen konstruiert und hierdurch handlungsleitend für soziale Akteure werden. Reflektieren wird dabei als ein bewusstes Überlegen bzw. Nachdenken vor, während oder nach einer bestimmten Situation oder Handlung verstanden. Der zentrale Unterschied zwischen ökonomischer Kompetenz und ökonomischem Verstehen liegt folglich darin begründet, dass eine Person mit ökonomischen Kompetenzen in verschiedenen wirtschaftlich geprägten Situationen zwar angemessen handeln kann, diese Situation sowie die dahinterliegenden Strukturen und Dynamiken aber nicht notwendigerweise verstanden und reflektiert haben muss. Die für sich stehende gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch relevante ökonomische Befähigung im Sinne eines umfassenden ökonomischen Verständnisses wird in den gängigen Kompetenzmessungsmodellen hingegen nicht erfasst. Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist die Erweiterung der traditionellen funktionalistischen Kompetenzperspektive um die Analyse wirtschaftlicher Verstehensprozesse. Hierbei steht insbesondere die Frage im Vordergrund, wie ein wirtschaftliches Verständnis in modernen Marktgesellschaften ausgebildet werden kann. Der Beitrag ist daher wie folgt aufgebaut: In einem ersten Schritt wird eine kurze historische Rekonstruktion der gängigen Kompetenzmessungsmodelle in der ökonomischen Bildung vorgelegt und der gegenwärtige Forschungsstand beleuchtet (Abschnitt 2). Daran anknüpfend werden die Anforderungen an eine umfassende ökonomische Bildung skizziert. Da moderne Gesellschaften marktwirtschaftliche, funktional differenzierte Gesellschaften sind, bedarf es hierzu eines Sinn-Verstehens ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse. In einem weiteren Schritt wird daher dem Begriff der ökonomischen Kompetenz das Konzept des wirtschaftlichen Verstehens an die Seite gestellt, das auf die reflexive Gestaltung der wirtschaftlichen Ordnung ausgerichtet ist (Abschnitt 3). Daran schließen sich Ausführungen zu einer reflexiven Wirtschaftsdidaktik an, um ein ökonomisches Sinn-Verstehen und eine reflexive Urteilsbildung zu befördern (Abschnitt 4). Der Beitrag schließt mit einem kurzen Fazit (Abschnitt 5). In einem Folgebeitrag, der in der kommenden Ausgabe erscheinen wird, werden die praktischen Konsequenzen unserer Überlegungen diskutiert, insbesondere werden dort die fachdidaktischen- und fachwissenschaftlichen Konsequenzen für Schule und Lehramtsausbildung betrachtet.
Der Begriff des ökonomischen Verstehens hat in der angloamerikanischen Forschung eine recht lange Tradition. Unter dem Terminus des „Test of Understanding of College Economics (TUCE)“ wurden seit dem Jahr 1967 Paper and Pencil-Tests konzipiert, die sich an die Zielgruppe der Studierenden richten (Walstad et al. 2013). Der Test hat vor allem zwei Ziele: Erstens die Entwicklung eines zuverlässigen Instruments zur Bewertung von Studierenden in wirtschaftswissenschaftlichen Kursen und zweitens die Bereitstellung normierter Daten, die Dozent*innen einen Leistungsvergleich in den Grundlagenfächern zwischen ihren Studierenden mit den Leistungen anderer Studierenden erlaubt. Der Begriff des economic understanding steht nicht im Analysefokus, sondern fungiert lediglich als ein nicht weiter hinterfragter Sammelbegriff für ökonomisches Wissen.
Ähnlich wie im TUCE haben Würth und Klein (2001) für Deutschland einen Test entwickelt, bei dem die komparative Messung von ökonomischen Kompetenzen im Vordergrund steht. Die Frage, woher dieses Wissen kommt und in welchem subjektiven Sinnzusammenhang es steht, wird nicht adressiert. Ähnliches gilt für andere Projekte: Für die USA ist hier der „Basic Economic Test“ für das Grundschulniveau und der „Test of Economic Knowledge“ für das Junior High School-Niveau des Council of Economic Education zu nennen sowie die im Rahmen der landesweiten Lernstandsmessung an amerikanischen Schulen stattfindende Überprüfung ökonomischen Wissens (National Assessment Governing Board 2006).
Differenzierter ist die Debatte um das Konstrukt der „financial literacy“ zu bewerten, das derzeit in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Debatte gerückt ist (Lusardi/Mitchell 2014; Aprea et al. 2016). Hier werden üblicherweise zwei Dimensionen ökonomischer Bildung unterschieden: das Wissen (knowledge) und die Anwendung (application). Anders als in großen Teilen der deutschen Literatur zur ökonomischen Kompetenzmessung wird der ökonomische Kompetenzbegriff im angelsächsischen Sprachraum nicht nur operativ verwendet, um verschiedene situative Fähigkeiten zu messen, sondern vor allem auch konzeptionell. Nur wenn ökonomische Konzepte grundlegend verstanden werden, können eigene ökonomische Entscheidungen getroffen und kritisch beurteilt werden. Ein so verstandener konzeptioneller Kompetenzbegriff würde dann weitgehend unserem hier vorgestellten Verständnis einer Erweiterung des Kompetenzbegriffes um wirtschaftliches Sinn-Verstehen entsprechen. Allerdings lässt sich der Testbereich von „financial literacy“ nur schwer von „economic literacy“ abgrenzen. Zudem ist bislang weder erforscht, wie sich financial literacy und economic literacy zueinander verhalten, noch inwieweit ein eigenständiges Konstrukt financial literacy theoretisch und empirisch bestätigt werden kann.
Zusammengefasst kann konstatiert werden: Ökonomische Kompetenztests richten ihr Augenmerk auf einen relationalen Vergleich der Testpersonen untereinander und setzen diese Leistungen in Bezug zu einem Normsample. Ein solches Vorgehen liefert Befunde über den Wissensstand der Testpersonen und ermöglicht eine Vergleichbarkeit der Leistungen, birgt aber zugleich die Gefahr einer Normierung des Denkens. Letzteres aber – so unser Argument – ist wenig geeignet junge Erwachsene zu reflexiven Mitgliedern einer Gesellschaft auszubilden.
Um einem funktionalistisch-statischen Verständnis ökonomischer Bildung einen ganzheitlich-dynamischen Ansatz wirtschaftlichen Verstehens zur Seite zu stellen, müssen unserer Meinung nach individuelle Sozialisationsprozesse in die Analyse ökonomischer Bildung integriert und die Konstruktionsprozesse menschlicher Entwicklung berücksichtigt werden. Denn ökonomische Kompetenz bzw. ökonomisches Verständnis ist keine anthropologische Konstante in der menschlichen Entwicklung, sondern bildet sich im Laufe der Sozialisation aus. Der Soziologe Günther Dux (2003) hat darauf hingewiesen, dass menschliches Lernen immer Kultur-Lernen ist. Anschließend an diese Überlegungen plädieren wir dafür „Kultur“ als nicht-intendiertes bzw. kontingentes Ergebnis von Sozialisationsprozessen zu verstehen, wie es in der Entwicklungsgeschichte einer jeden Gesellschaft zu beobachten ist. Die damit verbundenen kulturellen Vorgaben und funktionalen Bedingungen müssen von den Mitglieder*innen moderner Marktgesellschaften notwendigerweise im individuellen Sozialisationsprozess immer wieder neu erworben werden, denn der „Mensch erfährt die Wirklichkeit durch die in der Ontogenese ausgebildeten Erkenntnisstrukturen“ (Reusser/Reusser-Weyeneth 1994: 17). Der Prozess der „Enkulturation“ meint dann aber eben nicht eine strukturalistische „Programmierung“ in existierende Strukturen, sondern den konstruktiven Umgang mit den jeweiligen Erfahrungen und Lernprozessen sowie die Offenheit, durch Erfassung von Sinnzusammenhängen letztlich auch reflexiv Neues zu generieren.
Um Schüler*innen zu kompetenten und reflexiven Mitgliedern einer Gesellschaft auszubilden, müssen sie gesamtgesellschaftliche Prozesse verstehen und kritisch reflektieren können. Eine solche Befähigung setzt voraus, dass Schüler*innen die Logik von modernen Gesellschaften verstehen, die wesentlich in der systemischen Verfassung und funktionalen Differenzierung von Gesellschaften liegt. Mit anderen Worten: Damit Schüler*innen reflexiv-moralische Urteile über die gesellschaftliche Ordnung formulieren und konstruktiv an der Gestaltung dieser Ordnung mitwirken können, müssen sie verstehen, dass wirtschaftliche Prozesse stets in einer politischen und rechtlich gestalteten Rahmenordnung stattfinden und durch politische Setzungen des Staates beeinflusst werden, zugleich die Wirtschaft über die Ressourcenerzeugung aber auch den Rahmen für politische Gestaltungsmöglichkeiten erzeugen kann (Eucken 1989 [1940]; Buchanan 1984 [1975]). Ein solch systemisches Verstehen berücksichtigt, dass Schüler*innen in spezifisch politische, rechtliche und wirtschaftliche Bedingungsfelder sozialisiert sind und auf deren Ausgestaltung Einfluss haben (Lenger 2016).
Aus diesen Vorüberlegungen resultiert, dass Schüler*innen aus dem Verstehen einzelner (ökonomischer) Aspekte den Gesamtzusammenhang einer funktional differenzierten Gesellschaft erschließen und in der Folge auch kritisch reflektieren sollten und können. Jedoch darf es der ökonomischen Bildung nicht einfach nur darum gehen, verschiedene ökonomische Informationen an Schüler*innen zu vermitteln (z.B. welche Kreditformen es gibt oder wie man einen Hartz-IV-Antrag ausfüllt), sondern es geht um ein vertieftes ökonomisches Verstehen, z.B. welche soziale bzw. strukturelle Funktion Kredite in modernen Gesellschaften erfüllen (Investitionsfunktion etc.). Demnach kann sich eine sozialwissenschaftliche Didaktik nur dann legitimieren, wenn es gelingt, den Lernenden ein ganzheitliches wirtschaftliches und gesellschaftliches SinnVerstehen und damit einhergehend ein Problembewusstsein über die Verfassung moderner Gesellschaften zu vermitteln (vgl. auch Famulla et al. 2011; Fischer/Zurstrassen 2014). Folglich reicht es nicht aus, dass man Schüler*innen nur Kompetenzen vermittelt, um in modernen marktwirtschaftlich verfassten Gesellschaften zu funktionieren, sondern es muss das Ziel der ökonomischen Bildung sein, Schüler*innen zu befähigen, Wirtschaft und Gesellschaft lebensweltlich zu verstehen und zu gestalten.
Folgt man dieser Annahme, dann ist ökonomische Bildung Teil eines Gesamtwissens über soziale Interaktionen und gesellschaftliche Prozesse und setzt an einem Verstehen gesellschaftlicher Zusammenhänge an (vgl. Tafner 2015). Mit dieser Einsicht geht eine Weiterentwicklung des Rollenmodells der kategorialen Wirtschaftsdidaktik einher und die Hinwendung zu ganzheitlichen Erklärungsansätzen verschiedener Lern- und Handlungskontexten. So muss berücksichtigt werden, dass Schüler*innen nicht nur entsprechend ihren sozialen Rollen (Wirtschaftsbürger, Konsumenten, Produzenten etc.) handeln, sondern sie stets über verschiedener Kontexte hinweg ein konsistentes und kohärentes Handlungsmuster zeigen. Aus der Soziologie ist bekannt, dass die Einheitlichkeit des Subjekts im Handeln durch den sogenannten Habitus gewährleistet wird. Das Habituskonzept erklärt, wie sich Schüler*innen zu ihren verschiedenen Rollen situationsübergreifend und Sinn-verstehend verhalten und in welcher Weise reflexives Verhalten quer zu sozialen Erwartungen liegen kann. Insbesondere Bourdieus Habituskonzept betrachtet die Einheitlichkeit einer Person, die letztlich für die Analyse von ganzheitlichen und habitualisierten wirtschaftlichen SinnVerstehen nach unserem Erachten unverzichtbar ist (Bourdieu 1982 [1979]; Lenger et al. 2013).
In den wenigen bisherigen Arbeiten zum wirtschaftlichen Verstehen wird Verstehen definiert als „eine kognitive Fähigkeit, die außer der Erfassung und Konstruktion von Sinn ebenfalls Erklärungen für ein Phänomen hinzuzieht“ (Kricks et al. 2013: 19). Allgemein gesprochen bezeichnet Verstehen eine Erkenntnisleistung, die auf Erfassung von Sinn bezogen ist (Zwenger 2003: 655) und als „verstehendes Wissen“ (Rehm 2006: 27-30) bezeichnet werden kann. Ein wesentliches Merkmal von Verstehensprozessen ist somit das Erkennen von Zusammenhängen und Beziehungen und deren semantische Ordnung zueinander. Demnach gelingt ein Verstehensprozess besonders gut, wenn ein subjektives Erkenntnisinteresse besteht und das Erkennen an erfahrungsbasierte Vorstellungen anknüpft. Aus der Pädagogischen Psychologie ist bekannt, dass auf der ersten Abstraktionsebene Sinn- und Bedeutungszusammenhänge an das Vorwissen anknüpfen und sich dadurch verdichten, dass sich Analogien erkennen lassen (Renkl 2008). Daraus ergibt sich, dass Lernende ein metakognitives Empfinden für die eigenen Verstehensprozesse entwickeln müssen, das wiederum nur möglich ist, wenn Schüler*innen Verstehensmomente als Momente des Nachvollziehens erfahren haben (vgl. Reusser/Reusser-Weyeneth 1994: 26). Entsprechend gilt es die Vermittlung ökonomischer Prozesse an das Vorwissen und die Lebenswelt von Schüler*innen anzuknüpfen, ohne dabei den Gesamtzusammenhang gesellschaftlicher Einbettung aus dem Blick zu verlieren.
Ein solches Konstrukt ökonomischen Verstehens schließt an die Befunde der Entwicklungspsychologie an. In Anlehnung an die moralischen Stufentheorien von Piaget (1973 [1932]) und Kohlberg (1974) bildet sich die kognitive Entwicklung stufenförmig aus. Ein solcher strukturgenetischer Entwicklungsprozess wird auch in der ökonomischen Bildung antizipiert, wenn eine stufenförmige Entwicklung ökonomischer Kompetenzen von Schüler*innen angenommen wird (Land et al. 2005; Davies/Mangan 2007). Empirische Befunde zeigen eindeutig, dass es Entwicklungsstufen gibt. Uneinigkeit besteht in der Literatur darüber, welche Faktoren die moralische Urteilsbildung beeinflussen, wie viele Stufen es gibt oder wo die Transformationspunkte liegen (Furnham/Lewis 1986: 44). So bewerten Kinder im Alter von 4-5 Jahren den Preis eines Gutes in Abhängigkeit von seiner physischen Größe, wonach ein winziger Diamant keinen großen monetären Wert haben kann. Erst im Alter von 7-8 Jahren beginnen Kinder eine Konsumentenperspektive einzunehmen, so dass der Wert über die Nützlichkeit eines Gutes bestimmt wird. Schließlich erweitern die Kinder im Alter von 10- 12 Jahren ihre Perspektive hin zur Produzentenperspektive und der Herstellungsaufwand wird zum entscheidenden Faktor für den Preis (Lea et al. 1987: 375). Hierbei handelt es sich aber nicht notwendigerweise um eine sinnverstehende Einsicht in die ökonomischen Prozesse, sondern es kann sich gleichermaßen um eine Adaption praktischer Erfahrung handeln. Wenn ökonomisches Sinn-Verstehen also ein strukturgenetischer Verstehensprozess ist, dann müssen Schüler*innen ein Gesamtwissen über soziale Interaktionen und strukturelle Verknüpfungen vermittelt bekommen. Ökonomisches Sinn-Verstehen entwickelt sich im Prozess des Heranwachsens und zwar in Abhängigkeit vom kognitiven Entwicklungsstand, der wiederum parallel zur Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit gesehen werden kann. Diese Vermittlungsleistung ist umso wichtiger, da neueste Studien zeigen, dass sich moralisches Denken bei 6 bis 9-Jährigen unabhängig von der Intelligenz entwickelt und dass Kinder entsprechend unabhängig ihrer Intelligenz Unterstützung in ihrer Moralentwicklung benötigen (Beissert/Hasselhorn 2016). Will man Schüler*innen eine ganzheitliche Durchdringung ökonomischer Zusammenhänge nahebringen, um nicht nur kompetent handeln, sondern auch um reflexive Urteile über die Ausgestaltung der eigenen Gesellschaft formulieren zu können, so muss die Erforschung dieses strukturgenetischen Verstehensprozesses das Ziel zukünftiger ökonomischer Bildungsforschung sein.
Ein wirtschaftliches Sinn-Verstehen vollzieht sich unserer Auffassung nach, indem wirtschaftliche Zusammenhänge durchdrungen werden, wenn sie durch bekannte Sinnstrukturen, wie die grundlegenden Prinzipien ökonomischen Denkens, entschlüsselt und mit Hilfe von Kategorien eingeordnet werden (Top-Down Analyseprozess) und durch das Erschließen von Zusammenhängen sowie die Synthese alter und neuer Sinnstrukturen (Bottom-Up Syntheseprozess) reflexiv beurteilt werden (vgl. Abb. 1).
Demnach lassen sich wirtschaftliche Zusammenhänge nur vermitteln, wenn marktgesellschaftliche Prozesse aus verschiedenen Perspektiven analysiert und kritisch reflektiert worden sind. Dabei sollte die Reflexion stärker aus einer gesellschaftlichen Perspektive heraus vollzogen werden, d.h. ein ökonomisches Phänomen in seiner Komplexität zu verstehen ist nur möglich, wenn verschiedene sozialwissenschaftliche Perspektiven, Methoden und Theorien herangezogen werden. Um beispielsweise zu verstehen, weshalb die Mietpreisbremse möglicherweise ihre Wirkung verfehlt, bedarf es neben einer rational-ökonomischen Erklärung (Nachfragedruck, hohe Zahlungsbereitschaft aufgrund knappen Wohnraums), gesellschaftstheoretischer Ansätze wie sie die Soziologie, Politikwissenschaft oder Psychologie bietet. Nur so können weitere Faktoren wie Gewöhnungseffekte, Machtasymmetrien, Vorlieben für bestimmte Mietergruppen etc. in der Erklärung aufgenommen werden.
Hier kann ein Rückgriff auf die kategoriale Wirtschaftsdidaktik hilfreich sein. Das große Verdienst der kategorialen Wirtschaftsdidaktik besteht darin, dass ökonomische Bildungskategorien definiert werden, die ein ökonomisches Denken fördern und eine Verzahnung aus Fachwissenschaft und Fachdidaktik darstellen. Damit die kategoriale Wirtschaftsdidaktik aber nicht Gefahr läuft, auf eine Abbilddidaktik reduziert zu werden (Schlösser 2001), sollte das eigentliche Ziel des Ansatzes nicht aus dem Blick geraten. Es geht darum, ökonomische und soziale Phänomene durch Denkinstrumente und Wirkungszusammenhänge zu erschließen. Denkinstrumente sind ökonomische Grundstrukturen, Prinzipien, Kategorien u.ä., die dabei helfen Lehrinhalte zu erschließen, zu verstehen und gesellschaftlich einzubetten (Keipke/Lenger 2018). Eine reflexive Wirtschaftsdidaktik würde sich nun von der gegenwärtigen Wirtschaftsdidaktik dadurch abgrenzen, dass sie ökonomische Prozesse nicht auf Stoffkategorien verkürzt, sondern die Idee der Stoffkategorien als Denkinstrumente stärker ausschöpft.
Im vorliegenden Beitrag plädieren wir dafür, dem Begriff der ökonomischen Kompetenz das Konzept des wirtschaftlichen Verstehens an die Seite zu stellen, das auf reflexives Begreifen der wirtschaftlichen Ordnung ausgerichtet ist. Weil moderne Marktgesellschaften zugleich funktional differenzierte Gesellschaften sind, bedarf es eines Sinn-Verstehens ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse, um mündiges Mitglied einer solchen Gesellschaft werden zu können. Entsprechend haben wir im vorliegenden Beitrag herausgearbeitet, wieso es einer reflexiven Wirtschaftsdidaktik bedarf, um ein ökonomisches Sinn-Verstehen und eine reflexive Urteilsbildung zu fördern. Um diese Überlegungen zu konkretisieren, werden wir in der kommenden Ausgabe der GWP die praktischen Konsequenzen einer reflexiven Wirtschaftsdidaktik vorstellen. Wir werden zeigen, dass es einer vermittelnden Position zwischen den Befürworter*innen des Schulfaches Wirtschaft und des Schulfaches Sozialwissenschaften bedarf und dass hierzu eine Reform der Lehramtsausbildung in Richtung einer pluralen Ökonomik der richtige Weg ist.
Reinhold Hedtke
Der Beitrag beschreibt den sozioökonomischen Ansatz im Feld der Wirtschaftsdidaktik. Er stellt die Konzeption sozioökonomischer Bildung vor, definiert ihr Verhältnis zu den Bezugswissenschaften und erläutert ihre Prinzipien. Darüber hinaus analysiert er die Kontroversen um die Gestaltung und Institutionalisierung ökonomischer Bildung. Schließlich skizziert er die bildungstheoretische Begründung sozioökonomischer Bildung
Was ist ökonomische Bildung? Geht es um Bildung durch das Aneignen wirtschaftswissenschaftlichen Wissens und daraus ableitbarer Kompetenzen? Oder geht es um eine sozial-wissenschaftlich fundierte Orientierung über den Realitätsbereich Wirtschaft und den Erwerb von Kompetenzen für wirtschaftliche Lebenssituationen? Sollen Schüler/innen zu wirtschaftswissenschaftlich denkenden und handelnden Menschen erzogen werden? Oder sollen sie in wirtschaftlichen Situationen selbstständig auf unterschiedliche Konzepte des Denkens und Handelns zurückgreifen können? Darüber wird seit Jahrzehnten bildungspolitisch und wirtschaftsdidaktisch kontrovers diskutiert. Die Kontroversen reichen zurück bis in die 1960er Jahre. In Deutschland erregt diese Debatte seit einigen Jahren erneut öffentliche Aufmerksamkeit, in einigen Ländern scheint sie mehr oder weniger latent zu bleiben, andere – so auch Österreich – erleben wiederholte bildungspolitische Vorstöße für eine Expansion ökonomischer Bildung (vgl. Tab. 1). In diesen Fällen kommt die Forderung nach einem separaten Schulfach Wirtschaft immer wieder hoch, vorgebracht von konservativ-wirtschaftsliberaler Seite und Wirtschaftsverbänden und von der Wirtschaftspresse kampagnenförmig verstärkt. Über ähnliche Vorstöße von Arbeitgeberverbänden und konservativen Bildungspolitikern diskutierte auch die französische Öffentlichkeit kontrovers. Gegen den Vormarsch einer wirtschaftswissenschaftlichen Verengung ökonomischer Bildung melden sich in beiden Ländern kritische Stimmen zu Wort. In Frankreich verteidigen sie eine sozialwissenschaftliche Bildung gegen deren Ökonomisierung. In Deutschland berufen sie sich auf den Ansatz der lebenssituationsorientierten und sozioökonomischen Bildung, dem viele europäische Länder folgen. Die Diskussion dieser Konzeption steht im Mittelpunkt meines Beitrags. Im Folgenden skizziere ich die sozioökonomische Position im Feld der Wirtschaftsdidaktik und ihren konzeptionellen Konflikten. Aus Platzgründen vernachlässige ich hier die Tradition wirtschaftspädagogischer Zugänge zu allgemeiner ökonomischer Bildung, die eine eigene Würdigung verdienen (vgl. z.B. Beck 1997; Schanz 1997). Nach einem kurzen Überblick stelle ich in einem ersten Block die sozioökonomische Bildung vor, benenne kurz ihre Leitziele und Themenfelder, beschreibe ihr Verhältnis zu den Bezugswissenschaften und präsentiere ihre wichtigsten Prinzipien (Kap. 1–5). Im zweiten Block greife ich aktuelle Kontroversen um die Gestaltung und Institutionalisierung ökonomischer Bildung auf und arbeite den konzeptionellen Konflikt heraus, der diese Auseinandersetzungen prägt (Kap. 5–6). Im dritten Block umreiße ich die bildungstheoretische Begründung sozioökonomischer Bildung (Kap. 7). Für eine detailliertere Darstellung der Kernelemente sozioökonomischer Bildung verweise ich auf meinen Aufsatz „Was ist sozio-ökonomische Bildung?“ und Birgit Webers Beitrag „Grundzüge einer Didaktik sozio-ökonomischer Allgemeinbildung“ (Hedtke 2014a; Weber 2014).
Die Beschäftigung mit wirtschaftlichen Phänomenen, Problemen oder Themen gehört im deutschen Sprachraum und vielen mittel- und nordeuropäischen Ländern seit Jahrzehnten unbestritten zur schulischen Allgemeinbildung (Blankertz 1966). Der Gegenstands- und Lernbereich Wirtschaft hat sich seit langem in den Stundentafeln und Curricula der allgemeinbildenden Schulen in Deutschland etabliert. Gemessen an Raum, Rang, Reputation und Rechtsvorschriften befindet sich Wirtschaft in Schulen heute auf Augenhöhe mit Gesellschaft, Recht und meistens auch mit Politik. Bildungspolitisch, curricular, unterrichtlich und lernmedial herrscht ein Verständnis der ökonomischen Bildungsaufgabe vor, das Wirtschaft in den Kontext von Gesellschaft, Politik und Recht stellt (Sozialkunde und ähnliche Fächer). Das ist die sozialwissenschaftlich geprägte Tradition ökonomischer Bildung. In diese Linie gehört auch die österreichische Tradition, die sich – seit dem Paradigmenwechsel der 1980er Jahre – im allgemeinbildenden Unterrichtsgegenstand „Geographie und Wirtschaftskunde“ manifestiert. Das Fach wählt die Perspektive des „in gesellschaftlicher Bindung räumlich und wirtschaftlich handelnden Menschen“, verwendet also ein „gesellschaftsorientiertes Handlungskonzept“ (Sitte 2001, 164; Fridrich 2012, 21 ff.). Wirtschaft versteht man hier als gesellschaftlich eingebettet. Neben der sozialwissenschaftlichen existiert eine zweite, in vielfältigen Kombinationen häufig auftretende arbeitsorientierte Tradition, die Wirtschaft curricular vorwiegend mit Arbeit und Beruf verbindet, oft zugleich auch mit Technik (Arbeitslehre). Das eigenständige Schulfach Wirtschaft mit wirtschaftswissenschaftlichem Zuschnitt bildet die dritte, wesentlich seltenere Tradition. An beruflichen Vollzeitschulen haben sich allgemein bildend orientierte, wirtschaftswissenschaftlich akzentuierte Fächer seit langem etabliert, in Österreich etwa Volkswirtschaft an der Handelsakademie. Eine vierte, ebenfalls minoritäre Tradition verknüpft ökonomisches und rechtliches Lernen (Wirtschaft und Recht). Die Schweiz beispielsweise bietet ein buntes Bild, Fächer und Stundentafeln sind Kantonsangelegenheit. Wirtschaft kommt in der Sekundarstufe I selten vor, Hauswirtschaft ist häufig. Damit haben wir eine fünfte Traditionslinie ökonomischer Bildung identifiziert. In der Schweiz gibt es außerdem Staats- und Wirtschaftskunde, Lebenskunde/Berufswahlvorbereitung, Wirtschaft und Recht. An die sechste Tradition ökonomischer Bildung erinnert das schweizerische Fach Humanwissenschaften (Science humaines). Eine ganze Reihe von Fächerkonstrukten steht dem Konzept der breit angelegten obligatorischen Social Studies nahe, die traditionell Teil der kanadischen und US-amerikanischen Stundenpläne sind (Peukert 1984). Wie die Beispiele in Tabelle 1 belegen, sind einige Fächer noch breiter angelegt. Das sozialwissenschaftliche Schulfächerspektrum weist also einige strukturelle Besonderheiten mit recht unterschiedlichen Traditionen ökonomischer Bildung auf (vgl. Weber 2015). Die internationale bildungspolitische und curriculare Praxis belegt die Diversität der Traditionen und die Vielfalt an Alternativen, nach denen man ökonomische Bildung sinnvoll konzipieren und organisieren kann. Aus internationaler Sicht erscheint die Forderung nach einem separaten Schulfach Wirtschaft als deutscher Sonderweg. Der in Deutschland wirtschaftsdidaktisch wahrgenommene Lösungsraum bleibt optionsarm und eng, er scheint auf ein wirtschaftswissenschaftliches Schulfach als einzig richtige Lösung zu schrumpfen. In den Stundentafeln der Nachbarländer ist die Fachphilosophie nach der Formel „ein Schulfach, eine Wissenschaftsdisziplin, eine Weltsicht“ die große Ausnahme (Tab. 1). Multidisziplinarität, Problem-, Situations- und Lebensweltorientierung gelten dort als die didaktische Devise, nach der Fächer im weiten Feld der ökonomischen Bildung zu konstruieren sind. Man kann heute festhalten, dass sich zwei Traditionslinien breit durchgesetzt haben: die sozialwissenschaftliche Tradition an allen allgemeinbildenden Schulformen sowie ferner die arbeitsorientierte Tradition ökonomischer Bildung mit Schwerpunkten in bestimmten Schulformen. Alle sechs Traditionen verbindet ihre multidisziplinäre Ausrichtung. Gegen diese Traditionen kämpfen deutsche Wirtschaftsverbände und Teile der deutschen Wirtschaftsdidaktik seit Jahren. Sie wollen diese beiden Fachkulturen abschaffen und durch ein rein wirtschaftswissenschaftliches Schulfach ersetzen, in dem dann das breite wirtschaftswissenschaftliche Spektrum auf nur eine paradigmatische Perspektive verkürzt wird, die als „Ökonomik“ firmiert (z.B. Kaminski & Eggert 2008; Retzmann et al. 2010, vgl. Tab. 2).
Ein monoparadigmatisches Schulfachkonzept wäre ein absolutes Novum in der Schulfachphilosophie. Niemand forderte bisher paradigmatisch ausgerichtete Schulfächer. Die Strategie, die das neue Fach Wirtschaft gegenüber den bestehenden Fächern, aus denen seine Themen herausgenommen werden sollen, privilegieren und überproportional mit Ressourcen ausstatten will, ist gut dokumentiert (z.B. Kaminski 2008). Die Forderung lautet auf 12 Kontingentstunden in der Sekundarstufe I allein für das Fach Wirtschaft (Kaminski & Eggert 2008, 25). Das neue Separatfach soll auf Kosten der übrigen sozialwissenschaftlichen Fächer der Domäne entstehen. Argumente für so extreme Ansprüche müssen im Vergleich zu anderen etablierten oder potenziellen Domänen und Subdomänen überzeugen, etwa Recht, Gesellschaft, Medien, Politik. Aber diese Argumente fehlen. Als konzeptionelle Alternative führt die sozioökonomische Bildung die sozialwissenschaftliche Tradition ökonomischer Bildung fort und modernisiert sie. Sozioökonomische Bildung heute versteht sich als Teil der vielgestaltigen fachdidaktischen, curricularen und pragmatischen Traditionslinie des sozialwissenschaftlichen Felds der Allgemeinbildung, die Wirtschaft immer schon in ihrem gesellschaftlichen und politischen Kontext thematisiert hat. Die sozioökonomische Tradition prägte und prägt in der Wissenschaft die Arbeits-, Konsum- und Wirtschaftsdidaktik, in der Hochschule die Lehrerausbildung, in der Bildungsadministration die Curricula sowie die Lehrerfortbildungen, im Verlagswesen die Produktion von Schulbüchern und Lehr-Lernmaterialien und in der Unterrichtspraxis Themen, Fragestellungen und Herangehensweisen. Die sozioökonomische Orientierung greift bewusst innovative Ansätze in Wirtschaftswissenschaften, Konventionenökonomie und Wirtschaftssoziologie auf und bewegt sich damit auf der Höhe des internationalen sozialwissenschaftlichen state of the art.
In der Wirtschaftsdidaktik herrscht eine Konfusion bei Kernbegriffen wie Wirtschaft und Ökonomie, Disziplin und Domäne. „Ökonomische“ Bildung bleibt deshalb ein vager Begriff, der mit wechselnden Bedeutungen benutzt wird. Der begrifflichen Klarheit halber verwende ich im Folgenden Wirtschaftswissenschaften und wirtschaftswissenschaftlich für die wissenschaftlichen Disziplinen (insbesondere VWL und BWL), ihre Theorien, Modelle und Instrumente, Wirtschaft und wirtschaftlich bzw. Ökonomie und ökonomisch für Phänomene, die zum Realbereich Wirtschaft gehören. Die meisten Wirtschaftsdidaktiker gehen mit diesen Begriffen sorglos um, sie verwenden beispielsweise ökonomisches Denken mal für wirtschaftswissenschaftliches Denken, mal für wirtschaftliches Denken. Man muss aber klar unterscheiden: Einkaufen ist wirtschaftliches Handeln, ob es wirtschaftswissenschaftlich informiertes Handeln ist, bleibt dabei offen, man kann es zumindest mit wirtschaftswissenschaftlichen Mitteln beschreiben und analysieren, ebenso gut aber auch mit wirtschaftssoziologischen oder wirtschaftshistorischen Konzepten. Disziplinen heißen Disziplinen, nicht Domänen. Der Volkswirtschaftslehre lasse ich ihren angestammten Namen, sie als Ökonomik zu bezeichnen ist schick, aber zumindest im fachdidaktischen Kontext irreführend. Domäne und Subdomäne nutze ich ausschließlich für die Bezeichnung eines Bereichs der Allgemeinbildung, also etwa wirtschaftswissenschaftliche oder wirtschaftliche Domäne. Den vielgestaltigen Realitätsbereich Wirtschaft nenne ich aufgrund seiner dynamisch fließenden Grenzen auch das wirtschaftliche Feld. Eine ökonomische Bildung, die sich allein durch die Wirtschaftswissenschaften begründet und nur aus ihnen schöpft, heißt folgerichtig wirtschaftswissenschaftliche Bildung.
Mit den Formeln „Wirtschaft in der Gesellschaft“ und „Wirtschaft für die Gesellschaft“ kann man das große Themenfeld umreißen, mit dem sich sozioökonomische Bildung in deskriptiver, analytischer, normativer und pragmatischer Hinsicht auseinandersetzt.
Gegenstandsbereich der sozioökonomischen Bildung sind Wirtschaft und Wirtschaften in der Gesellschaft. Sie erfüllen vor allem die Funktionen Produktion, Konsum, Verteilung, um die materielle Reproduktion der Gesellschaft und ihrer Mitglieder zu sichern. Sozioökonomische Bildung grenzt ihren Gegenstandsbereich mit Hilfe eines materialen Wirtschaftsbegriffs ab, verwendet im Unterricht aber auch einen formalen Begriff (zum Folgenden vgl. Hedtke 2014b, 15 f.). Aus materialer Perspektive geht es ihr um den spezifischen Realitätsbereich Wirtschaft – man kann differenzierungstheoretisch auch vom Funktionssystem Wirtschaft sprechen – und seine spezifische Reproduktionsfunktion. Der Gegenstandsbereich schließt also das Produzieren, Verteilen und Konsumieren von Gütern und Dienstleistungen ebenso ein wie Institutionen – etwa Regeln, Kulturen und Normen –, Märkte und Netzwerke, Organisationen wie Unternehmen oder Behörden und andere Akteure, die alle zur Reproduktion beitragen und die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür schaffen oder die Folgen davon mitverursachen. Genau genommen ist der Gegenstandsbereich Wirtschaft ein soziales Konstrukt, mit dem man zahlreiche materielle und ideelle Phänomene ordnend zusammenfasst. „Wirtschaft“ ist eine kollektiv geteilte Vorstellung (soziale Repräsentation), die ausdrückt, welche Phänomene eine Gesellschaft in die Kategorie „Wirtschaft“ einordnet, indem sie ihnen einen vorwiegend „ökonomischen“ Sinn zuschreibt, etwa den der allgemeinen Wohlstandsproduktion, des individuellen Einkommenserwerbs oder der fortschreitenden Rationalisierung. Wirtschaft ist in den Kontext der Kultur einer Gesellschaft eingebettet, die spezifsche Wirtschaftskulturen entwickelt, in die sie Individuen hineinsozialisiert und zu denen sie sie heranerzieht. Sozioökonomische Bildung betrachtet deshalb Wirtschaft und Wirtschaften (auch) als historische, kulturelle, vielfältige und wandelbare Phänomene. Die konkreten Ausgestaltungen des Verhältnisses von Wirtschaft und Gesellschaft – etwa Wirtschaftsordnungen und -politiken, Energieerzeugungstechniken, Unternehmensformen, Haftungsregeln, industrielle Beziehungen, soziale Sicherung – verkörpern meist Kompromisse aus früheren Konflikten. Die Kompromisse bleiben latent umstritten, die zu Grunde liegenden Konflikte sind aber zurzeit stillgestellt. Sozioökonomische Bildung nimmt deshalb die gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen um die Zähmung oder Entfesselung des Kapitalismus und um die soziale Einbettung oder Entbettung der Wirtschaft in den Blick. Ökonomistische Bildung, insbesondere ihre monoparadigmatische Variante, trägt zur Legitimation der herrschenden wirtschaftlichen Verhältnisse bei, sie wirkt potenziell ideologisch. Mit den Konflikten um die Ausgestaltung ökonomischer Bildung und um ein Schulfach Wirtschaft verbinden sich deshalb auch politisch-ideologische Interessenlagen. Diese Bezeichnung des Gegenstandsbereichs sozioökonomischer Bildung entspricht in etwa dem Wirtschaftsbegriff, der in der Wirtschaft selbst sowie in Politik, Gesellschaft und Recht vorherrscht. Der Begriff Wirtschaft bestimmt sich in Abhängigkeit von Zeit, Ort und Perspektive, das gesellschaftliche Verständnis von Wirtschaft wandelt sich. Das zeigt das Exempel der Vorstellungen von Arbeit: Arbeit als Berufung und Ausdruck innerweltlicher Askese, als „rationalisierte Weltaneignung und Weltgestaltung“, als „Schaffung von wirtschaftlichen Werten“ und als „Selbstverwirklichung des Subjekts“ (Jochum 2010). Das Beispiel Arbeit zeigt zugleich, dass in der Wirtschaft einer pluralistischen Gesellschaft immer mehrere Auffassungen von wirtschaftlichen Phänomenen nebeneinander existieren (ökonomischer Multikulturalismus). Sozioökonomische Bildung arbeitet im Unterricht selbstverständlich auch mit einem formalen Wirtschaftsbegriff, der sich auf Konzepte wie Zweckrationalität, Wirtschaftlichkeit, Effizienz, Rentabilität stützt. Denn in einem Teil ihrer Bezugswissenschaften, vor allem im Mainstream der Wirtschaftswissenschaften, spielt dieser Wirtschaftsbegriff in Theorieund Modellbildung eine wichtige Rolle. Er prägt die Modellvarianten des homo oeconomicus, nicht selten auch das implizite Menschenbild sowie viele, aus dieser Modellierungskultur abgeleitete Handlungsempfehlungen, etwa in Form der Steuerung individuellen Handelns durch von Seiten der Politik oder der Unternehmen strategisch eingesetzte Anreizstrukturen. Empirisch betrachtet passt er zum heute zunehmend verbreiteten zweckrational-kalkulativen Handlungstyp in vielen Bereichen der Gesellschaft. Der in die Jahre gekommene homo oeconomicus und seine modernen Verwandten wie homo socio-oeconomicus, monetärformale Maximen wie etwa Wirtschaftlichkeitsprinzip oder Rentabilität nehmen in der Wirtschaft, in ihren Organisationen und in den Sozialwissenschaften einen wichtigen Platz ein. Im fachdidaktisch-konzeptionellen Begründungszusammenhang versteht sozioökonomische Bildung im Anschluss an Max Weber wirtschaftliches Handeln als soziales, d. h. auf andere und an Anderen orientiertes Handeln. Sozioökonomische Bildung zieht im curricular-unterrichtlichen Planungs- und Praxiszusammenhang selbstverständlich als Kontrastfolie auch den Typus des isolierten wirtschaftlichen Kalküls des Einzelnen heran (homo oeconomicus). Das folgt zwingend aus dem Prinzip der Wissenschaftsorientierung, das verlangt, wissenschaftliche Pluralität angemessen zu berücksichtigen. Dass man den Gegenstandsbereich Wirtschaft flexibel abgrenzen muss, zeigt das Phänomen der Ökonomisierung. Als Ökonomisierung der Gesellschaft bezeichnet es die Ausdehnung des Modus von Kalkül, Monetarisierung und Maximierung auf bisher nicht oder nur nachrangig dem wirtschaftlichen oder wirtschaftswissenschaftlichen Denken unterworfene Lebensbereiche. Als Ökonomisierung der Wirtschaft beschreibt es den zunehmenden „Zwang“ zu unablässiger und unbegrenzter Rationalisierung und Renditesteigerung. Die Subjekte sind in das wirtschaftliche Feld verstrickt. Die doppelte Ökonomisierung erleben Lernende als gesellschaftliche Erwartung, alles Handeln als entscheidungsförmig aufzufassen; die ökonomistische Bildung verstärkt diese Erwartung statt sie kritisch zu reflektieren; es wäre zu prüfen, ob die Wirtschaftspädagogik hier kritischere Impulse liefert als die Wirtschaftsdidaktik. Ökonomisierung können Lernende als Chance oder als persönliche Zumutung erfahren und bewerten. So spricht viel dafür, dass der faktische Zwang, sich selbst um eine private kapitalgedeckte Altersversorgung kümmern zu müssen, als Verlust an Lebensqualität erlebt wird, weil man so mehr Lebenszeit als bisher für monetär-instrumentelle Tätigkeiten aufwenden muss. Umgekehrt mögen die Lernenden die kapitalistische Leitidee des Arbeitskraftunternehmers, der renditeorientiert in die Akkumulation des eigenen Humankapitals investiert und sich optimal vermarktet, im Rahmen schulischer Berufsorientierung als eine willkommene Befreiung von den normativen Zwängen konventioneller Berufsethik und eine Chance zur instrumentell-kreativen Maximierung des eigenen Lebenseinkommens wahrnehmen. Beide Perspektiven – und ihr Gegenteil – können die Selbstund Weltverhältnisse der Jugendlichen verändern, sind also bildungsrelevant (vgl. Kap. 7.). Ökonomisierung verlangt deshalb nach differenzierten Deutungsmustern, persönlich verfügbaren Strategien und Umgangsweisen und nach kritischer Reflexion. Eine subjektsensible sozioökonomische Bildung passt deshalb bestens zu ihrem Gegenstandsbereich, seinen Themen und Problemen.
Weder die sozialwissenschaftlichen Fachdidaktiken insgesamt, noch die Wirtschaftsdidaktik als eine ihrer Disziplinen verfügen über ein konsensuelles Domänenkonzept. Ganz im Gegenteil, die Jahrzehnte alten Kontroversen darüber halten bis heute an, ihre Kernpositionen sind kaum verändert. Im Feld schulischer Bildung verortet sich die sozioökonomische Bildung in der Subdomäne Wirtschaft, die sie als Teil der Domäne Gesellschaft versteht. Das legt zum einen die Definition des Gegenstandsbereichs von sozioökonomischer Bildung nahe. Zum anderen ergibt sich dies aus Strukturierung des Allgemeinbildungskanons nach Weltzugängen und Leitperspektiven, die sich international in ganz ähnlichen Formen herausgebildet und etabliert hat (Baumert 2002, 106 ff., 113). Denn nur „vom Ganzen des Lehrkanons her“, so Josef Derbolav schon 1957, kann man „die Frage nach dem Bildungswert der Wirtschaftsfächer“ beantworten (Derbolav 1957 / 1975, 20). In dieser universalen kanonischen Grundstruktur steht unsere Domäne – mit im Einzelnen unterschiedlicher Abgrenzung und Bezeichnung – für einen Modus des Weltzugangs, des Weltverstehens, der Welterfahrung, für eine Weltsicht und damit für eine kanonische Dimension der Allgemeinbildung, die sich in einem Lernbereich Gesellschaft(swissenschaften) ausdrückt. Dafür gibt es unterschiedliche Bezeichnungen, man kann es den historisch-gesellschaftlichen Weltzugang nennen. Die Domäne Gesellschaft im engeren Sinne umfasst die Subdomänen Politik (nicht gleichzusetzen mit Politikwissenschaft), Wirtschaft (≠ Wirtschaftswissenschaften) und Gesellschaft (≠ Soziologie). Im weiteren Sinne schließt der Domänenbegriff auch Geschichte und Geographie ein. Beide Domänenbegriffe entsprechen der offenen Begrifflichkeit von Franz Weinert und in der Klieme-Expertise und vermeiden eine Verkürzung von Domäne auf Disziplin oder (Schul-) Fach. Man kann leicht erkennen, dass Domänen und Subdomänen kontingente und pfadabhängige Konstrukte sind (Weber 2010b, 105 f.). Alternative Domänenstrukturen wie z.B. Arbeit-Wirtschaft, Wirtschaft-Hauswirtschaft oder Geographie-Wirtschaft demonstrieren dies (vgl. Tab. 1). Man kann der Domäne auch die Konstruktion einer politisch-ökonomischen Bildung zu Grunde legen, z.B. für die allgemeine Bildung im beruflichen Schulwesen (Jung 2007; Zurstrassen 2009). Eine einzige, universal überlegene Best-Practice-Lösung gibt es nicht – aber die breiter angelegte sozioökonomische Bildung ist einer enggeführten wirtschaftswissenschaftlichen Bildung mit Blick auf den Gegenstandsbereich Wirtschaft und die Domäne Gesellschaft überlegen. Es liegt nahe, sozioökonomische Bildung als Teil einer umfassenderen sozialwissenschaftlich fundierten Bildung zu konzipieren und damit die sozialwissenschaftliche Tradition fortzuführen. Schon vor zwei Jahrzehnten brachten dies Dietmar Ochs und Bodo Steinmann programmatisch auf den Punkt und skizzierten den „Beitrag der Ökonomie zu einem sozialwissenschaftlichen Curriculum“ (Steinmann & Ochs 1994). Das Spezifikum von einer Bildung aus sozialwissenschaftlicher Perspektive liegt darin, dass sie sich vorrangig mit gesellschaftlichen, d.h. mit kollektiven politischen, wirtschaftlichen und sozialen Phänomenen und Problemen und mit gesellschaftlich bedingten individuellen Phänomenen und Problemen beschäftigt. Das schließt selbstverständlich die Mikroebene ein, etwa das mitbestimmte Unternehmen oder den durch Arbeitslosigkeit verarmten Privathaushalt. Sozioökonomische Bildung fördert dann „Fähigkeiten und Fertigkeiten in sozial, politisch und ökonomisch geprägten Situationen und Strukturen des gesellschaftlichen Zusammenlebens“ (Weber 2010a, 108, Hervorh. RH). Aus dem so umrissenen Zuständigkeitsbereich einer sozialwissenschaftlichen Bildung und aus ihrer Domäne würden allerdings private pragmatische Problemstellungen konsequenterweise herausfallen müssen. Dazu zählen Fragen für den Einzelfall wie die der optimalen Altersvorsorge, des passenden Versicherungsportfolios oder der aussichtsreichen Bewerbung für einen Ausbildungsplatz. Politische Fragen zu diesen Gebieten gehören selbstverständlich dazu, etwa wie man den Bereich privater Altersvorsorge regulieren, welche Anlageformen man erlauben und wie man das Risiko zwischen Finanzindustrie, Staat und Kunden verteilen soll. Pragmatisch motivierte Kompetenzen für konkrete Lebenssituationen (früher hieß das Lebenshilfe) könnte man dann einer speziell dafür ausgelegten Domäne überantworten. Sie könnte Arbeit–Wirtschaft– Hauswirtschaft oder Lebenskunde heißen, wie es in der Sekundarstufe I in vielen Schweizer Kantonen der Fall ist. Alles was hier gelehrt und gelernt würde, müsste selbstverständlich bildungstheoretischen Kriterien genügen: es muss für alle notwendig und von allen im Grundsatz anerkannt sein, es kann nur durch Schulunterricht ausreichend erworben werden, es respektiert die freie individuelle Lebensgestaltung und präsentiert deshalb Alternativen, es wird theoretisch angeleitet auch kritisch reflektiert. Die Bildungspolitik lagert solche pragmatischen Kompetenzen aber meist in vorhandene Domänen und Fächer ein, ganz unbeeindruckt davon, ob sie deren Struktur stören oder nicht. Die wissenschaftliche Fachdidaktik besitzt kein Primat für die Definition von Domänen der Bildung, wissenschaftsförmiges Wissen hat keine prinzipielle Priorität gegenüber anderen Wissensformen (Grammes 2009). Deshalb erkennt die sozioökonomische Bildung ein verteiltes Definitionsrecht über die Domäne und das ihr zugeordnete Wissen ausdrücklich an. Die oben angesprochene kanonische Struktur der Allgemeinbildung verkörpert einen ersten, tradierten und bildungstheoretisch legitimierten Anspruch auf Domänendefinition. Einen zweiten professionell, politisch und administrativ gestützten Anspruch bringt das kanonisierte und traditionsbildende schulspezifische Domänenwissen zum Ausdruck, das sich in Kerncurricula, Schulfächerstrukturen, Bildungsplänen, Unterrichtspraxis und Lehr-Lern-Mitteln manifestiert. Die Kultur des schulspezifischen Domänenwissens ist ein „Wissensbereich eigenen Rechts“ (Baumert & Kunter 2006) neben dem fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Wissen. In diesem Wissensbereich hat sich ein Kanon von Leitzielen und Themenfeldern der gesellschaftlichen Domäne herauskristallisiert (vgl. Tab. bei Weber 2012).
Hinter obligatorischen Themenfeldern stehen allgemeindidaktische, fachdidaktische und bildungspolitische Ziele, die man mit deren Behandlung im Unterricht zu erreichen hofft. Hier seien die Leitziele der sozioökonomischen Bildung nur konzentriert zusammengefasst, ausführlichere Erläuterungen finden sich andernorts (Famulla et al. 2011; Hedtke 2014a, 85 ff.; Weber 2014, 136 ff.; Kutscha 2014, 73 ff.; Engartner & Krisanthan 2014, 165 ff.; Kölzer & Schwier 2014, 332 ff.). Mit der bildungstheoretischen Begründung der Ziele setze ich mich in Kap. 8 auseinander. Man kann man die Leitziele sozioökonomischer Bildung mit Bezug auf Günter Kutscha und Birgit Weber zusammenfassen. Zunächst lassen sich drei Basiskompetenzen bestimmen:
Quer zu diesen Basiskompetenzen liegen Ziele, die sich auf Bildung für Lebenssituationen, die dafür relevanten Kategorien und die wissenschaftlichen und politischen Alternativen beziehen:
Die sozioökonomische Bildung betont die kritische Perspektive und begründet dies nicht nur fachlichfachdidaktisch, sondern auch bildungstheoretisch und allgemeindidaktisch (vgl. Kap. 6). Das Leitziel einer kritischen Bildung zieht sich wie ein roter Faden durch den fachdidaktischen Diskurs der letzten vierzig Jahre. Dagegen hat „die ökonomistische Wirtschaftsdidaktik […] das kritische Moment zunehmend aus ihrer Konzeption herausgeschrieben“ (Zurstrassen 2014, 25). Das bestärkt auch der für den Anspruch von Bildung unabdingbare Subjektbezug, der auch die „Sozialdimension von Subjektivität“ beinhaltet: er „rekurriert auf das Prinzip der Emanzipation“ (Kutscha 2014, 74).
Die sozioökonomische Bildung muss grundsätzlich die Inhaltsgebiete und Themenfelder bedienen, die sich im Laufe der Zeit im schulspezifischen Domänenwissen etabliert haben. Unter den klassischen Feldern finden sich dort – mit wechselnden Bezeichnungen – Haushalt und Konsum, Berufswahlorientierung, Unternehmen, Wirtschaftsordnung und internationale Wirtschaftsbeziehungen (Weber 2007). Diese Bereiche korrespondieren im Großen und Ganzen den Inhaltsbereichen, Themen oder Handlungsfeldern in konventionellen wirtschaftsdidaktischen Konzepten (z.B. Kaminski & Eggert 2008, 45; Seeber et al. 2012, 75).
Aus fachdidaktikwissenschaftlicher Sicht muss sozioökonomische Bildung darüber hinaus prüfen, ob diese curricularen Felder noch dem Stand der Wissenschaft, den Bildungszielen und den Bildungsbedürfnissen der Subjekte entsprechen. In der Tradition sozialwissenschaftlicher Bildung kann sie dazu Herausforderungen, existentielle Probleme oder Schlüsselprobleme als Strukturierungsprinzip verwenden (vgl. Klafki 1996, 43 ff.; Hilligen 1985, 28 ff., 183 ff.; Gagel 2000, 243 ff.). Im lockeren Anschluss an Wolfgang Klafki schlägt Thorsten Hippe sechs kollektive Schlüsselprobleme vor, die als Strukturraster dienen, um das sozial-wissenschaftliche Wissen auszuwählen, was dazu beizutragen kann, sie in Bildungsprozessen zu beschreiben, zu erklären und zu bearbeiten (Hippe 2010, 49 ff., 384 ffl.). In Kurzform und ergänzt lauten sie:
Das ist weder vollständig noch endgültig, es bedarf vielmehr weiterer, auch grundlegender und kritischer Diskussion und regelmäßiger Revision. Schlüsselprobleme müssen einer wissenschaftlichen, vor allem sozialwissenschaftlichen Prüfung standhalten. Vor allem aber benötigen sie eine politische Legitimation durch demokratische Prozesse, wenn sie die obligatorische Bildung strukturieren und motivieren sollen.
Die Relevanz der vier letztgenannten Probleme für die sozioökonomische Bildung leuchtet unmittelbar ein. Dass das zweite Problem relevant ist, zeigt die klassische These, Arbeitsteilung, Handel und Marktwirtschaft wirkten zivilisierend und friedensstiftend (doux commerce-These, vgl. Hirschman 1989, 192 ff.). Das erste Problem betrifft in Verbindung mit dem dritten die politische Gestaltung des wirtschaftlichen Feldes. Alle sechs legen eine kombiniert politisch-ökonomisch-soziale Herangehensweise nach dem Motto Wirtschaft in der Gesellschaft nahe. Diese Konfiguration kollektiver Probleme reicht nicht aus. Man muss sozioökonomisch relevante subjektive Schlüsselprobleme der Bildungsprozesse in Kindheit und Jugend als außerordentlich wichtigen Auswahlmaßstab ergänzen. Jugendliche erleben vor allem den antizipierten Übergang von der Schule in die Ausbildungs- und Arbeitswelt als ein subjektives Schlüsselproblem (Gaupp 2013; Oechsle et al. 2009, 55 ff., vgl. Kap. 6). Es ist Aufgabe der Didaktik der sozioökonomischen Bildung die relevanten subjektiven Schlüsselprobleme zu identifizieren. Mit Blick auf die eigenen Welt-, Selbst- und Fremdverhältnisse umfasst die sozioökonomische Bildungsaufgabe des zunehmenden Erwachsenwerdens auch die eigene Entwicklung wissenschaftlich aufgeklärter, erfahrungsbezogener und wertgeladener philosophischer Konzepte und damit verbundener Agenden. Die Forderung, Wirtschaft in einem fächerintegrierenden „philosophischen Gedankengang“ zu reflektieren, erhebt schon Josef Derbolav (Derbolav 1957 /1975, 24). Meine vorläufige Liste lautet:
Diese wirtschaftsphilosophischen Vorstellungen durchdringen das subjektive Denken und Handeln, sie durchwirken es mit allgegenwärtiger Normativität und verbinden es mit sozioökonomischen Kulturen. Kollektive wirtschaftskulturelle Vorstellungen rahmen und prägen diese persönlichen, durch Bildungsarbeit an sich selbst und in Auseinandersetzung mit der Welt und mit anderen zu entwickelnden Vorstellungen und Positionen. Hier geht es um die – für das eigene und für das Leben aller – wirklich wichtigen Fragen, die sich unter der Formel „Was ist das gute wirtschaftliche Leben?“ fassen lassen. Dies kann man nicht auf Entscheidungen, Wahlhandlungen oder Optimierungsprozesse reduzieren, an die ethische Reflexionen von außen herangetragen werden. Es würde den Charakter dieser sozioökonomischen Bildungsaufgaben verfehlen.
Sozioökonomische Bildung zeichnet sich schließlich durch eine Reihe von Bildungsprinzipien aus, die sie besonders betont. Auch diese kann ich hier nur zusammenfassend benennen (ausführlicher in Famulla et al. 2011; Famulla 2014, 390 ff.; Hedtke 2014a; Weber 2014; Engartner & Krisanthan 2014). Die elf wichtigsten Prinzipien der sozioökonomischen Bildung lauten:
Die sozioökonomische Bildung beansprucht für diese Prinzipien kein exklusives Eigentumsrecht. Einige mögen ganz oder teilweise mit Vorstellungen von wirtschaftswissenschaftlicher Bildung übereinstimmen, andere mögen sich miteinander mischen. Das ist noch im Einzelnen zu prüfen. Deshalb kann man den Vergleich der Positionen nicht als dichotomische Gegenüberstellung mit klarer Grenzziehung lesen (vgl. Tab. 2). Die größten Unterschiede bestehen vermutlich bei den fünf auf Gesellschaft bezogenen Prinzipien sowie bei Sozialwissenschaftlichkeit und Multiparadigmatizität. Die eben genannten Prinzipien stellen sicher, dass sozioökonomische Bildung auf der Lehrplan- und Unterrichtsebene selbstverständlich auch wirtschaftswissenschaftliche Perspektiven und Wissensbestände, darunter unter anderem die „Ökonomik“, das mechanistische Weltbild, das Modell des naturgegebenen homo oeconomicus, den kalkulativen Zugang zu den Wirtschaftswelten einschließt. Dies ergibt sich auch aus der Definition des Gegenstandsbereichs, weil all dies empirisch in Wirtschaft und Gesellschaft vorkommt und vorherrscht. Hier müsste eine Skizze der Lebenssituationsorientierung folgen (vgl. Fridrich 2012, 30 ff.). Darauf muss ich an dieser Stelle verzichten, da der wirtschaftsdidaktisch vielbeschworene Begriff „ökonomisch geprägte Lebenssituation“ theoretisch und empirisch unzureichend ausgearbeitet und voller Widersprüche ist. Die Didaktik der sozioökonomischen Bildung braucht Zeit, um dieses Defizit aufzuarbeiten. Im Folgenden erläutere ich kurz, wie sozioökonomische Bildung ihr Verhältnis zu den Bezugsdisziplinen definiert.
Ihren Prinzipien folgend pflegt die sozioökonomische Bildung ein „problem- und gegenstandsorientiertes Wissenschaftsverständnis“ (Moldaschl 2015, 362, Hervorh. entf.). Allgemeinbildung soll wissenschaftsorientiert und in der Oberstufe auch wissenschaftspropädeutisch sein, Einführungen in einzelne Disziplinen gehören definitiv nicht zu ihren Aufgaben (vgl. Kap. 7). Es ist trivial, dass man keiner sozialwissenschaftlichen Disziplin die exklusive Zuständigkeit für den Objektbereich „Wirtschaft“ und seine Problemlagen zusprechen kann. Auch innerhalb der Wirtschaftswissenschaften herrscht keineswegs Konsens über den Gegenstandsbereich der Disziplinen (Weber 2010b, 98 ff.). In der Konsequenz muss man ein Schulfach Wirtschaft multidisziplinär anlegen. Solange das Prinzip der Wissenschaftsorientierung für schulisches Lernens greift, verbieten es Pluralismus und Multiparadigmatizität der einschlägigen sozialwissenschaftlichen Disziplinen, einem Paradigma Priorität zu geben. Denn Schüler/innen könnten der Einseitigkeit eines solchen Schulfachprogramms nicht entkommen, da sie der Schulpflicht unterliegen. Damit stellt sich das Problem, wie man den Wissenschaftsbezug der sozioökonomischen Bildung gestalten soll.
Bezugswissenschaften einer Domäne oder Subdomäne kann man nur aus Bildungszielen heraus begründen. Bildungstheoretische und allgemeindidaktische Anforderungen (vgl. Kap. 7), die Traditionen der ökonomischen Bildung (vgl. Kap. 6), die konstitutiven Charakteristika des Gegenstandsbereichs als Wirtschaft in der Gesellschaft und die gesellschaftliche Einbettung des wirtschaftlichen Erlebens, Denkens und Handelns der Lernenden und das Prinzip der Problemorientierung verlangen eine Bezugnahme auf die Sozialwissenschaften. Hans Bokelmann (1975, 131 ff.) schlug schon 1968 für die ökonomische Bildung relevante Wissensbereiche vor: historisch-politisches, gesellschaftlich-strukturelles, praktisch-betriebliches sowie theoretisch-begriffliches Wissen. Er unterstreicht, dass für die „Analyse der Wirtschaftsgesellschaft […] Die Erkenntnisse der Wirtschafts-und Sozialwissenschaften, insbesondere der Soziologie, genutzt werden“ müssen (ebd., 138). Die zur Bestimmung von Bildungsinhalten bevorzugten Bezugsdisziplinen der sozioökonomischen Bildung sind die, in sich multiparadigmatisch differenzierten Wirtschaftswissenschaften – vor allem der internationale Diskussionsstand der Volkswirtschaftslehre des 21. Jahrhunderts (vgl. Colander et al. 2004) sowie ferner insbesondere die sozialwissenschaftlich interdisziplinär orientierte, von paradigmatischen Kontroversen charakterisierte Betriebswirtschaftslehre (vgl. Schanz 2014, aus Sicht der Wirtschaftspädagogik Aff 2008) –, die Konventionenökonomie (vgl. Diaz-Bone 2015), die Wirtschaftssoziologie und andere wirtschaftlich bildungsrelevante Bereiche der Soziologie (vgl. Hedtke 2014b), die Politische Ökonomie (vgl. Schirm 2013) sowie wirtschaftsbezogene Felder der Politikwissenschaft. Ein so breiter wissenschaftlicher Bezug überfordert nicht, denn hier handelt es sich nur um die Bezeichnung der disziplinären Felder, aus denen die Didaktik der sozioökonomischen Bildung nach den bisher beschriebenen Prinzipien eine der verfügbaren Lern- und Studienzeit angepasste begrenzte Zahl bildungsrelevanter sozialwissenschaftlicher Konzepte auswählt. In keinem Fall geht es um eine mehr oder weniger systematische Einführung in disziplinäre Denkmuster dieser Einzelwissenschaften. Ihre Wissensbestände und Konzepte müssen sich vielmehr durch ihren spezifischen Bildungsbeitrag zu den Welt-, Selbst- und Fremdverhältnissen der Lernenden, zu den kanonischen Inhaltsfeldern und Themen der Subdomäne sowie zu kollektiven und individuellen Schlüsselproblemen ausweisen. Auch das Einüben eines einzigen disziplinären oder transdisziplinären Denkschemas oder einer einzigen Perspektive – etwa „der“ Perspektive „des“ Ökonomen – lehnt die sozioökonomische Bildung als bezugswissenschaftlich und fachdidaktisch unvertretbar ab. Diese wirtschaftsdidaktische Erfindung eines bezugswissenschaftlichen „Methodenmonismus“ verwirft sie als dogmatisch, da „die Komplexität der wirtschaftlich-sozialen Erscheinungen nur mit Hilfe eines ‚Bündels‘ wissenschaftlicher Methoden aufgeklärt werden kann“ (Bokelmann 1975, 133). Vielmehr strebt die sozioökonomische Bildung die Grund legende Kompetenz des reflexiven Theoriegebrauchs an (Moldaschl 2015, 359 ff.). Sie sollte sich aber auch einer vorsichtigen fachdidaktischen Neubewertung des meist verfemten eklektizistischen Denkens nicht von vornherein verschließen (Kutscha 2014, 75 f.). Sozioökonomische Bildung bindet sich bezugswissenschaftlich an keine spezielle Strömung. Das gilt auch für ihr Verhältnis zur Sozioökonomie. Der Dachbegriff Sozioökonomie bezeichnet zwar eine, ihr konzeptionell nahestehende Strömung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Hedtke 2015c; Hellmich 2015). Das resultiert aus den drei konstitutiven Perspektiven sozioökonomischer Wissenschaft: Einbettung / Sozialität, Historizität/Evolution der Wirtschaft, Multimotivationalität/Multikonventionalität der wirtschaftlichen Welten und Handlungsweisen (Hedtke 2015b, 44). Aber Sozioökonomie dient der sozioökonomischen Bildung nur als eine Quelle von wissenschaftlichem Wissen und als eine wissenschaftliche Perspektive neben anderen. Sozioökonomie genießt in der sozioökonomischen Bildung keinen privilegierten Status, dies würde ihren Bildungsprinzipien widersprechen. Anders verfährt dagegen die ordoliberal orientierte deutsche Didaktik, die die hiesige Variante von sozialer Marktwirtschaft zur besten aller Wirtschaftswelten erklärt und ihre Mission als „Bildung zur Sozialen Marktwirtschaft“ versteht. Verglichen mit dem internationalen state of the art bezieht sie allerdings eine national-ökonomische Randposition. Das zog schon in den 1960er Jahren wirtschaftspädagogische Kritik auf sich und motivierte die lapidare Diagnose „Die Schule hinkt, wie immer, hinterher“ (Brakemeier & Lisop 1975, 44). Auch die in Konzepten konventioneller ökonomischer Bildung als Bezugsrahmen beliebte „Ökonomik“ von Karl Homann und Andreas Suchanek (2005) präsentiert eine (minoritäre) Position neben anderen Positionen und eignet sich deshalb nicht als fachwissenschaftliches Fundament für fachdidaktische Bildungskonzepte. Sie kann gleichwohl im Curriculum einen Platz neben anderen Ansätzen finden. Insgesamt fällt auf, dass Konzeptionen konventioneller ökonomischer Bildung die internationale fachwissenschaftliche Literatur kaum rezipieren und sich hauptsächlich auf deutsche Ökonomen stützen (z.B. Kaminski 2008, 22 ff.). Zuspitzend zusammenfassend zeigt die Tab. 2 die wichtigsten Unterschiede zwischen den beiden fachdidaktischen Strömungen. Bei den Auseinandersetzungen um wirtschaftsdidaktische Konzepte geht es nicht um strategische Züge und taktische Schritte in einem fachdidaktischen Glasperlenspiel. Die Programme und Prinzipien, die sich durchsetzen, bestimmen nämlich die alltägliche Bildungspraxis und ihre curricularen Rahmenbedingungen mit. Die beiden fachdidaktischen Strömungen der wirtschaftswissenschaftlichen Bildung und der sozioökonomischen Bildung spielen auch eine Rolle in bildungs- und gesellschaftspolitischen sowie in weltanschaulichen Konflikten. Als Hintergrundvorstellung strukturieren sie die öffentlichen und bildungspolitischen deutschen Debatten der letzten zwei Jahrzehnte. Initiiert, gespeist und aufrechterhalten wurden sie von seit mehr als 15 Jahren agierenden konservativ-wirtschaftsliberalen Advocacy-Koalitionen für ein Schulfach Wirtschaft (Hedtke 2012; Hedtke 2015a). Dies zeigt sich beispielhaft an zwei Memoranden zur ökonomischen Bildung.
Im Jahr 2000 erzielte in Deutschland ein Memorandum zu ökonomischen Bildung öffentliche Aufmerksamkeit, auf das sich Eltern- und Lehrerverbände, Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, Deutscher Gewerkschaftsbund und Gesellschaft für ökonomische Bildung geeinigt hatten (Gemeinsame Initiative von Eltern, Lehrern, Wissenschaft, Arbeitgebern und Gewerkschaften 2000; Kahsnitz 1999, 38, vgl. Tab. 3). Es fordert, „dass sozioökonomische Bildung in allen Schulformen der allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden muss“, und stellt fest: „Eine zeitgemäße sozioökonomische Bildung ist interdisziplinär und praxisorientiert: Sie behandelt ökonomische, soziale, ethische, politische, rechtliche, ökologische und technische Zusammenhänge von Arbeit und Wirtschaft“ (Gemeinsame Initiative von Eltern, Lehrern, Wissenschaft, Arbeitgebern und Gewerkschaften 2000: 1 f.). Das Memorandum postuliert einen Primat der Bildungsziele gegenüber Strukturen und Schwerpunkten der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Bezugsdisziplinen (ebd., 4).
Laut Memorandum geht es im Schulfach Wirtschaft um die „interdisziplinäre Behandlung ökonomischer, sozialer, politischer, rechtlicher, ökologischer und technischer Zusammenhänge des Wirtschaftsund Beschäftigungssystems, die Analyse aktueller wirtschaftlicher und politischer Probleme“ auf der Basis von Kenntnissen „vor allem in den Wirtschafts- und in den Sozialwissenschaften“ (Gemeinsame Initiative von Eltern, Lehrern, Wissenschaft, Arbeitgebern und Gewerkschaften 2000, 5). „Die fachwissenschaftliche Ausbildung zur Lehrbefähigung für das Fach ‚Wirtschaft‘ ist – wie das Unterrichtsfach selbst – interdisziplinär angelegt. Ihre wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Inhalte sind lehramtsbezogen. Das heißt, Fragestellungen und Auswahl der Studieninhalte werden von den Bildungszielen der sozio-ökonomischen Bildung bestimmt.“ (ebd., 7).
Die inhaltlichen Kernpunkte des 2000er Verbändememorandums entsprechen der sozioökonomischen Tradition in Wirtschaftsdidaktik, Curricula und Unterricht:
Allerdings gab es schon damals ein klares Kontrastprogramm zur sozioökonomischen Bildung. Es stammt vom Deutschen Aktieninstitut, das 1999 ein bis heute einflussreiches Strategiepapier „Memorandum zur ökonomischen Bildung“ veröffentlichte. Seine Ecksteine sind ökonomische Bildung ohne Präfix „sozio“, Bezug auf wirtschaftswissenschaftliche Disziplinen, „Ökonomik als Erkenntnismethode“ und wirtschaftswissenschaftliche Lehrerstudiengänge, Positionen zu den übrigen Punkten fehlen (Beirat für ökonomische Bildung des Deutschen Aktieninstituts e. V. 1999, 8, 22, 31). Wer sich fragt, ob hinter der langjährigen bildungspolitischen Kampagne für ein separates Schulfach Wirtschaft an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland ein Plan steckt, erhält hier didaktisch aufbereitete Aufklärung über die Strategien (ebd. 1999, 9 ff., 38 ff.). Man lernt hier auch, dass die fachdidaktische und bildungspolitische Konfliktlinie zwischen sozioökonomischer und ökonomischer Bildung um die Jahrtausendwende längst etabliert war. Man begreift nach einem Blick auf die Inhalte rasch, dass der richtige Name für das politische Projekt „wirtschaftswissenschaftliche Bildung“ wäre. Dies hätte aber den Anspruch auf ein eigenes Fach schon im Ansatz entwertet, das Projekt wäre rasch in der bildungspolitischen Bedeutungslosigkeit versunken. Auch wirtschaftsdidaktische Begriffsbildung ist eben Politik.
Auch das ein Jahrzehnt später publizierte Gutachten „Ökonomische Bildung an allgemeinbildenden Schulen“, das der Gemeinschaftsausschuss der deutschen Gewerblichen Wirtschaft beauftragte, markiert ein Gegenprogramm zu sozioökonomischer Bildung (Retzmann et al. 2010). Schlagartig rückte es einen schleichenden Kurswechsel ins Bewusstsein, der in der Wirtschaftsdidaktik sowie in der Bildungs- und Schulfachpolitik in den Nullerjahren durchgesetzt wurde – und löste Protest dagegen aus. Auf teils scharfe Kritik stieß das Gutachten unter anderem wegen der Parteinahme für die orthodoxe Ökonomik, Ökonomisierung der ökonomischen Bildung, der Ablehnung von sozialwissenschaftlicher Interdisziplinarität und dem Plädoyer für ein rein wirtschaftswissenschaftliches Unterrichts- und Lehramtsstudienfach (Hedtke et al. 2010). Hinter den beiden so unterschiedlichen Memoranden der Jahrtausendwende und den Debatten um das Gutachten von 2010 verbergen sich grundsätzliche Kontroversen um die Philosophie des Schulfaches oder Lernbereichs und um das Verhältnis zum wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream (Neoklassik). Sie gehen bis in die 1960er Jahre zurück. Auch die sozioökonomische Bildung hat dort ihre Wurzeln; deshalb wird im Folgenden kurz an diese wirtschaftsdidaktische Tradition erinnert.
Sozioökonomische Allgemeinbildung begründet sich aus der wirtschaftsdidaktischen Tradition heraus (Weber 2014, 133 ff.). Der sozioökonomische Ansatz steht für eine allgemein bildende wirtschaftsdidaktische Denktradition, deren Grundgedanken man bis in die 1960er Jahre und früher zurückverfolgen kann (Bokelmann 1964; vgl. Tab. 4). In ihren bildungstheoretischen Begründungen für die „Möglichkeit, Ökonomie als Bildungsangebot zu begreifen“ betonten Josef Derbolav, Hans Bokelmann oder Herwig Blankertz, dass dies voraussetze, die „Grenzen und Gefahren des Ökonomischen“ zu thematisieren und den „homo oeconomicus in der Idee des Wirtschaftsbürgers zu überbieten“ (Kutscha 2014, 66 ff.). Ökonomische Bildung soll kritische und ideologiekritische Bildung sein, eine „[k]ritische Einstellung zur ‚Wirtschaftsgesellschaft‘ ist die Basis für ökonomische Bildung und ihre Theorie“ (Bokelmann 1975, 127). Schon in den 1970er Jahren entsteht ein sozialwissenschaftlicher Ansatz ökonomischer Bildung. Für Hans Kaminski (1977, 15) beispielsweise ist „ökonomische Grundbildung sozialwissenschaftliche Grundbildung“ und didaktische Kriterien dafür müssten sich „ihres unabdingbaren sozialwissenschaftlichen Kontextes bewußt“ sein. Ökonomische Bildung, so heißt es dort weiter, „bedingt eine ‚Lernbereichsdidaktik‘, die sich mit den gesellschaftlichen Handlungsfeldern der Lernenden auseinandersetzt und nicht mit einer einzelnen Fachdisziplin“, deshalb sei ökonomische Bildung „sozialwissenschaftliche Bildung für komplexe Lernbereiche“ mit einem Akzent auf Wirtschaftswissenschaften als „fachwissenschaftliches Pendant“. (ebd., 16 ff., vgl. 116 ff.). Der Erklärung von realweltlichen, etwa mit Berufswahl oder Konsum verbundenen Situationen stünden die Wirtschaftswissenschaften „ziemlich hilflos“ gegenüber, weshalb man „von den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen Anleihen aufnehmen“ müsse (ebd., 101). Zu Beginn der 1980er Jahre präsentiert Heinz Klippert (1981) seine „Grundlegung eines problem-orientierten Wirtschaftsunterrichts“ . Er verlangt, „daß die Betrachtung wirtschaftlicher Sachverhalte und Probleme stets zur Soziologie und Politik hin geöffnet wird, damit die sozialwissenschaftlichen Bezüge des Objektbereichs Wirtschaft angemessen Berücksichtigung finden“ (ebd., 4). Klippert kritisiert den „Ökonomismus in der Wirtschafts- und Arbeitslehre“, den er als „isolierte Betrachtung volks- und betriebswirtschaftlicher Grundbegriffe, Modelle und Sachaussagen unter weitgehender Ausklammerung ihrer politischen, sozialen und sonstigen gesellschaftlichen Bezüge“ definiert (ebd., 16). Im Mittelpunkt seines „problemorientierten Ansatzes“, die einem„integrationsdidaktischen“ Anspruch folgt, steht die kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit wirtschaftlich-sozialen Problemen (ebd., 52 ff.). Bereits die Positionen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (1977) und der Arbeitgeberverbände (1980) zur Arbeitslehre offenbaren die Konfliktlinie zwischen einer integriert-interdisziplinären „sozialkundlich-politische[n] Orientierung der Wirtschaftsund Arbeitslehre“ und einer „fachwissenschaftlich und fachsystematisch“ akzentuierten Fachvorstellung (Klippert 1981, 13). Beide Seiten legten den mal manifesten, mal latenten Konflikt im Jahr 2000 in einem Konsens über sozialwissenschaftlich orientierte, sozioökonomische Bildung bei. Zehn Jahre später kündigten ihn die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände durch ein von ihnen beauftragtes Fachgutachten faktisch auf (Retzmann et al. 2010; vgl. Tab. 3).
Dieses Gutachten markiert zugleich den Versuch einer wirtschaftswissenschaftlichen Wende der Wirtschaftsdidaktik. Es fordert, ökonomische Bildung in einem eigenen Schulfach „Ökonomie“ zu organisieren. Dessen Bezugsfachwissenschaft sei die „Ökonomik“ bzw. die „Ökonomie“ – eine unscharfe Bezeichnung für die Wirtschaftswissenschaften –, Wirtschaftspsychologie, -soziologie und -statistik und andere Sozialwissenschaften fehlen dagegen im Fachstudium und im Schulfach ganz (Retzmann et al. 2010, 16, 99, 103, 113, 116). Die (einzige) „ökonomische“ Erkenntnisperspektive sei „die Verbesserung der (wirtschaftlichen) Situation und Effizienz sei der wichtigste Beurteilungsmaßstab „des Ökonomen“ (ebd., 17, 20).
Man kann festhalten: Fundamental unterschiedliche didaktische Denkfiguren prägen das wirtschaftsdidaktische Feld der Allgemeinbildung also schon seit fast einem halben Jahrhundert. Man kann festhalten: Fundamental unterschiedliche didaktische Denkfiguren prägen das wirtschaftsdidaktische Feld der Allgemeinbildung also schon seit fast einem halben Jahrhundert. Gegen Ende der 1980er Jahre entwirft HansJürgen Albers (1987, 137, 153) eine „Allgemeine sozio-ökonomisch-technische Bildung“, hebt die „Verklammerung wirtschaftlicher, technischer und gesellschaftlicher Aspekte“ hervor und begründet sein Bildungskonzept mit „der Bedeutung von Wirtschaft und Technik im beruflichen, privaten und gesellschaftlich-politischen Leben jedes einzelnen“. In „Der Beitrag der Ökonomie zu einem sozialwissenschaftlichen Curriculum“ konstatieren Bodo Steinmann und Dietmar Ochs, „komplexe Lebenssituationen [sind] nur im Zusammenwirken der verschiedenen Wissenschaften erklärbar, so daß Didaktik zwangsläufig fächerübergreifend angelegt sein“ und Psychologie, Soziologie, Rechtswissenschaft, Geschichtswissenschaft und Politikwissenschaft einbeziehen muss (Steinmann & Ochs 1994, 42 f., zit. 43). In der „Einbettung der ökonomischen Bildung in ein auf die Gesellschaft als Ganzes bezogenes Curriculum“ dafür sieht Steinmann die Lösung für eine systematische Integration (Steinmann 1997, 20). Günther Seeber präsentiert eine „Moderne Sozioökonomie als Herausforderung für die ökonomische Bildung“ (Seeber 1997). Mit Bezug auf das Selbstverständnis der Society for the Advancement of SocioEconomics (SASE) hebt er sieben „bildungsrelevante Kategorien“ modernen sozioökonomischen Denkens hervor, die „grundsätzlich bei ökonomischen Analysen zu berücksichtigen sind“: mehrdimensionales Menschenbild, Einbeziehung ethischer Kategorien/normative Diskussion, evolutorisches Denken, Berücksichtigung institutioneller Einflüsse, Methodenpluralismus, Interdisziplinarität und Berücksichtigung neoklassischer Forschung (ebd., 193 f.). Zwei weitere Kategorien aus dem SASE-Katalog nimmt er nicht auf: soziale Einbettung der Wirtschaft, Machtbeziehungen/Netzwerke.
Im selben Zeitraum veröffentlicht Dietmar Kahsnitz (1999) sein Konzept „Sozioökonomische Bildung – ein Kernelement der Allgemeinbildung?“ . Ein „angemessenes Verständnis des Wirtschafts- und Beschäftigungssystems“ verlange „differenzierte, theoretische und empirische Kenntnis aus dem Bereich der Sozialwissenschaften (Wirtschaftssoziologie, -recht und -psychologie) und der Wirtschaftswissenschaften (Betriebs- und Volkswirtschaftslehre)“; Leitperspektive sei die „Bedeutung der Erwerbsarbeit für die Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung“ (ebd., 37). Das gelinge nur in „einem eigenständigen Unterrichtsfach ‚Sozioökonomie‘“ (ebd., 37). Kahsnitz‘ Beitrag liefert gewissermaßen die Blaupause für das 2000er Memorandum der Verbände.
Wenige Jahre später legt Kahsnitz (2005, 124, 156) ein Konzept für „eine umfassende integrierte Gesellschaftslehre/ Sozialkunde“ vor, das sozialwissenschaftliche Unterrichtsfach dafür nennt er „Individuum und Gesellschaft“. Es enthält sozioökonomische Bildung als einen Teilbereich, der, wie die anderen auch, „grundsätzlich interdisziplinär und integriert zu unterrichten“ ist. „Fachwissenschaftliche Konzeptionen einer wirtschaftlichen und politischen Bildung“ lehnt Kahsnitz für allgemeinbildende Schulen ab, „weil sie die Bildungsansprüche der Jugendlichen ignorieren“ (ebd., 156, 113).
Auch Seeber (2006) arbeitet an seinen Überlegungen zur Sozioökonomie weiter und baut sein Konzept als „Der sozioökonomische Ansatz in der Fachdidaktik“ aus. „Ökonomie“ (Wirtschaftswissenschaft) liefere dafür „die domänenspezifische Perspektive, „Erkenntnisse anderer Disziplinen sind aber problemorientiert zu integrieren“, dabei sei der „Rückgriff auf eine umfassende Sozioökonomie zielführend“, die „Ökonomie“ werde „in ihren kontextuellen Abhängigkeiten gesehen“ (ebd., 30, 28, 35). Aus Seebers Sicht „korrespondieren“ die Kompetenzstandards der Deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung „mit dem Grundgedanken einer sozioökonomisch orientierten Fachdidaktik“ (ebd., 42).
Wir können also festhalten, dass es sich bei sozioökonomischer Bildung um eine etablierte Tradition im Feld der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fachdidaktiken handelt. Aus den vergangenen Debatten zeichnen sich fünf Kerncharakteristika sozioökonomischer Bildungskonzepte ab:
Die kritische Denkweise als Leitidee sozioökonomischer Bildung muss man angesichts der heute vorherrschenden funktionalistischen Denkweise besonders betonen. Die sechs Leitideen verbinden die durchaus unterschiedlichen Ansätze der sozioökonomischen Tradition. Holistisch-homogene Einheitsargumentation kann man in den Sozialwissenschaften kaum erwarten. Dass die Tradition der sozioökonomischen Didaktik aus einzelnen Texten einzelner Autoren hervorgeht, die nuancierte, differenzierte und veränderbare Positionen vertreten, kann niemanden überraschen.
Selbstverständlich existieren alternative wirtschaftsdidaktische Ansätze, die Merkmale sozioökonomischer Bildung ablehnen und ganz auf ökonomische Bildung als wirtschaftswissenschaftliche Bildung setzen (z.B. Kaminski & Eggert 2008, Seeber et al. 2012). Sie brechen die sozioökonomische Tradition ab und knüpfen mit ihren Kompetenzkatalogen an die szientistische und monoparadigmatische Wirtschaftsdidaktik der späten 1960er Jahre an. Erich Schneider hat Kernpunkte der wirtschaftswissenschaftlich-ökonomistischen Didaktik schon 1968 formuliert: alles wirtschaftliche Handeln sei quantitatives Entscheiden über die Verwendung knapper Ressourcen, im Zentrum des Unterrichts stehen mathematisierte Modelle von Haushalts- und Unternehmensentscheidungen und Gleichgewicht (Schneider 1968, Kutscha 2014, 69 f.). In den bisherigen Überlegungen wurde der Begriff Bildung nicht expliziert, der Bildungscharakter von ökonomischer bzw. sozioökonomischer Bildung einfach als gegeben unterstellt. In den wirtschaftsdidaktischen Traditionen findet man nur wenige Anknüpfungspunkte, aus denen sich eine solide bildungstheoretische Basis entwickeln ließe. Deshalb sollen im Folgenden Aspekte für einen ersten, noch groben und lückenhaften bildungstheoretischen und allgemeindidaktischen Rahmen sozioökonomischer Bildung aufgezeigt werden.
Welche Lernbereiche, Domänen oder Fächer in das Programm der allgemeinbildenden Pflichtschule Eingang finden und welche nicht, hängt von kulturellen Traditionen und von gesellschaftlichen Machtverhältnissen ab. Aus wissenschaftlicher Sicht kommt es auf ihre bildungstheoretische und allgemeindidaktische Legitimierbarkeit und auf ihre relative Dringlichkeit an. Längst nicht alles, was wissenschaftlich oder als Wissenschaft als relevant gilt, kann einen Platz in der Stundentafel erhalten. Aber wirtschaftliche Bildung hat sich dort etabliert.
Grundsätzlich und strukturell gehört (sozio-)ökonomische Bildung längst zum Kanon der Allgemeinbildung. Sie genießt eine gesicherte Stellung in den Stundentafeln der deutschen Bundesländer, meist in Form von Ankerfächern, und gleicht insofern den Subdomänen Politik und Gesellschaft. Mit der allgemeinen Anerkennung ökonomischer Bildung als Allgemeinbildung und mit ihrer Ausformung als Fachkultur in curricularen Thementraditionen und unterrichtlichen Materialien kann man sich jedoch nicht zufrieden geben. Struktur, Grundlinien und Basiselemente (sozio-) ökonomischer Bildung müssen intentional-inhaltlich bildungstheoretischen und allgemeindidaktischen Kriterien entsprechen. Ob und inwiefern das zutrifft, will ich im Folgenden kurz diskutieren.
Für unsere Fragestellung lässt sich die Geschichte der Menschheit als Geschichte des menschlichen Zusammenlebens lesen, das – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne Rangordnung – von sechs Grundphänomenen oder Praxisformen bestimmt wird, Arbeit, Ethik, Politik, Kunst, Religion, Erziehung (Benner 2012, 21 f.). Dietrich Benner folgend kann man Arbeit (Ökonomie) ontologisch als eines der sechs „Grundphänomene menschlicher Koexistenz“ als eine Einzelpraxis unter den „notwendige[n] Formen menschlicher Praxis“ auszeichnen, die in historischen Varianten vielfältig miteinander vermittelt sind (ebd., 22 f.). Das unterstreicht – noch einmal – den Allgemeinbildungscharakter der Auseinandersetzung mit dem Gegenstandsbereich Wirtschaft.
Bildung kann man als Aufbau und Entwicklung sowie Veränderung der Welt-, Selbst- und Fremdverhältnisse eines Bildungssubjekts verstehen, das diese vorwiegend im Modus der Reflexion vollzieht (vgl. Koller 2012; Marotzki 1990, 41 ff.). Eine grundlegende Veränderung dieser Verhältnisse kann durch krisenhafte Erfahrungen ausgelöst oder selbst als krisenförmig erfahren werden.
Eine bildungstheoretisch aufgeklärte sozioökonomische Bildung fragt dann, was Subjekte brauchen, um im wirtschaftlichen Feld ihre Welt- und Selbstverhältnisse sowie Fremdverhältnisse zu entwickeln, zu differenzieren, kritisch zu reflektieren und vielleicht zu verändern, und sie fragt, wie schulisch organisierte Lernprozesse dazu beitragen können (Inhalte und Formen der Bildung; vgl. Benner 2012, 165 ff., 231 ff.). Das schließt auch pragmatische, auf Handeln gerichtete Kompetenzen ein, betont aber den systematischen Blickwechsel von unmittelbarer Welterfahrung und Interaktion hin zu den „Erfahrungs- und Umgangsformen eines szientifischen und historischen Wissens und Könnens“ und wieder zurück (Benner 2002, 74).
Eine rein erfahrungszentrierte Bildung stößt dabei früher oder später an ihre Grenzen; dessen ist sich die subjektorientierte sozioökonomische Bildung bewusst. Denn die kritisch reflektierte Rezeption von meist sprachlich oder material repräsentierten, seltener nacherlebten Fremderfahrungen und kulturellen Traditionen macht einen großen Teil der Bildungsbemühungen aus; beides muss natürlich mit Eigenerfahrungen vermittelt werden (Reichenbach 2010, 124). Kulturelle Traditionen prägen auch im wirtschaftlichen Feld ganz unterschiedliche Konventionen und Praxen aus (wirtschaftlicher Multikulturalismus); dem hat sozioökonomische Bildung Rechnung zu tragen (vgl. Hedtke 2014a, 89 ff.).
Sozioökonomische Bildung hat aber nicht die Aufgabe, die vorhandene Vielfalt zu beschreiben und schlicht zu bekräftigen. Bildung in der Dimension der Weltverhältnisse verlangt vielmehr, dass „die Jugendlichen die Gründe und Bedingungen von Weltverhältnissen reflektieren und ihre Ordnungsmuster befragen, anstatt sich fundamental-dogmatischen Lebenswelten hinzugeben und festen Weltbildern zu unterwerfen“ (Fuchs 2011, 263). Das Konzept Lebenswelt bezeichnet dann einen Vermittlungsmodus zwischen subjektiven Erfahrungen und fachlichen Erklärungen, zwischen Subjekt und Sache (Kölzer & Schwier 2014, 328 ff., 346). Reflexion kann an für die Lernenden ganz konkreten Formen von Selbsterfahrung ansetzen, in denen sich Welt-, Selbst- und Fremdverhältnisse auch mischen, man denke an materialistisch-hedonistische oder suffiziente Lebensstile, Konsumismus, Umstellung vom Leistungs- auf das Erfolgsprinzip, Selbstverwirklichung durch und Selbstoptimierung für einen Beruf.
Die Praxisformen der menschlichen Koexistenz kann man pädagogisch nicht in ein hierarchisches Verhältnis zueinander bringen. Das kann man als das regulative pädagogische „Prinzip einer nicht-hierarchischen Ordnung der menschlichen Gesamtpraxis“ formulieren (Benner 2012, 115 ff.). Die menschliche Gesamtpraxis wird gefährdet, wenn eine Einzelpraxis den Primat über die anderen erringt – etwa in Form der Ökonomisierung der Gesellschaft – oder wenn die theoretische Vernunft, wie sie der Anspruch moderner Wissenschaft verkörpert, „zum einzigen Begriff der Welt und eines vernünftigen Handelns in ihr erhoben“ wird und die praktische Vernunft verdrängt (ebd., 24, 45 ff., zit. 47).
Würden bestimmte „Selbst- und Weltdeutungen zur Norm der Bildung erhoben“, würde sich Bildung auf Affirmation verkürzen (Benner 2012, 167). Die konventionelle ökonomische Bildung tendiert mehrheitlich stark zu affirmativen Deutungen und zu einer Hierarchisierung der menschlichen Praxen zugunsten der ökonomischen (ökonomischer Imperialismus). Das belegt die Vorherrschaft der Vermittlung ökonomistischer Deutungsmuster in konventionellen Konzeptionen ökonomischer Bildung.
Nicht-affirmative Bildung dagegen erkennt man daran, dass sie Heranwachsende weder „an sogenannte Sachgesetzlichkeiten eines Lebens im Zeitalter wissenschaftlich-technischer Zivilisation anpasst, noch zu der irrigen Überzeugung verführt, sie könnten sich von solchen Sachgesetzlichkeiten emanzipieren“ (Benner 2012, 180). Bildung muss deshalb Jugendlichen verschiedene Formen von Kritik so nahebringen, dass sie „über ökonomische Fragen auch ethisch, politisch, ästhetisch und religiös und über politische Fragen zugleich ökonomisch, ethisch und ästhetisch usw. nachzudenken“ in der Lage sind (ebd., 181). „Im Gegensatz zu Funktionalität setzt Bildung konsequent auf Reflexivität“ (Marotzki 2006, 61). Sozioökonomische Bildung will in diesem Sinne kritische, für das Subjekt auch selbstkritische Bildung möglich machen. Einige, tentativ-explorative und noch auszuarbeitende Aspekte der bildungstheoretischen Strukturierung von sozioökonomischer Bildung skizziert die Tab. 5.
Wie kann man sozioökonomische Bildung sinnvoll in der Struktur der Allgemeinbildung verorten? Die Antwort fällt ganz anders aus, als wenn man von der Struktur einer Disziplin ausgeht. Nehmen wir als Beispiel die Sekundarstufe I. Der Aufgabenstellung dieser Bildungsstufe entsprechend besteht das Curriculum aus allgemeinen „ausdifferenzierten Kunden“, „die für rationales und sachkundiges Denken und Handeln unverzichtbar sind“, aber nicht mehr im Praxisvollzug tradiert und erworben werden und deshalb nach Aneignung durch Unterricht verlangen (Benner 2002, 74). „Kunde“ verwendet Dietrich Benner zur Kennzeichnung einer „didaktischen Wissensform“, deren Wissen „zwar über neuzeitliche Wissenschaft vermittelt, selber aber nicht wissenschaftsförmig ist, sondern zwischen Umgangswissen und wissenschaftlichem Wissen steht“ (ebd., 73). Diese Kenntnisse und Fertigkeiten entstammen nicht den Erfahrungsräumen, sie sind „über wissenschaftliche Denk- und Arbeitsformen vermittelt“ und erweitern Erfahrung und Interaktion (Benner 2012, 287).
Die gesamte Sekundarstufe I stellt Benner unter das Motto der „Schulstufe der über Wissenschaft vermittelten Weltkunden“ (Benner 2012, 285). Sie dienen auch dem „Blickwechsel“ hin zu Lernformen „jenseits der Einheit von Leben und Lernen“ (ebd., 285). Unsere Domäne Gesellschaft hat dann die Form einer wissenschaftsorientierten Kunde des gesellschaftlichhistorischen Wissens und Könnens. Die Sekundarstufe II stellt weitergehend die „Einführung in elementare Wissenschaftsbereiche und ausdifferenzierte Handlungsfelder“ in den Mittelpunkt des Lernens (ebd., 285). An dieses Selbstverständnis schulisch institutionalisierter Allgemeinbildung und ihre gestufte Aufgabenkultur schließt die sozioökonomische Bildung an.
Sie bezieht sich auch auf Wolfgang Klafkis (1996, 162 ff.) Konzeption der Wissenschaftsorientierung in der Schule samt ihrer Spezifizierung als Wissenschaftspropädeutik für die Oberstufe. Das Prinzip der Wissenschaftsorientierung verknüpft Klafki eng mit dem Gegenpol der Schülerorientierung, erst beide zusammen geben einen Maßstab für sinnvolles und bedeutsames wissenschaftsorientiertes Lernen (ebd., 166 f.).
Klafki (1996, 168) lehnt die „Gleichsetzung von ‚Wissenschaftlichkeit‘ und Einzelwissenschaften‘“, den Glauben an eine Strukturähnlichkeit von Schulfächern und Einzeldisziplinen und die Vorstellung der Vermittlung einzelwissenschaftlichen Wissens in der Schule grundsätzlich ab. Vielmehr müssten Lehrkräfte die Wissenschaft „unter didaktischen Fragestellungen nach ihrem Lösungspotential für ‚Lebensprobleme‘ und nach ihren Grenzen befragen“, dabei konkurrierende wissenschaftliche Positionen und die Interessen thematisieren, die hinter der Erzeugung und Verwendung wissenschaftlichen Wissen stehen (ebd., 168, 171). Aus diesem allgemeindidaktischen Begründungskontext ergeben sich die sozioökonomiedidaktischen Prinzipien Subjektorientierung, Bildungsrelevanz, Problemorientierung, Kontroversität und Sozialwissenschaftlichkeit.
Ein Teil der Wirtschaftsdidaktiker folgt Klafkis Auffassung von Wissenschaftsorientierung nicht. Er vertritt vielmehr eine hoch selektive Domänendefinition, die Bildung im Kontext der Praxisform Arbeit/Ökonomie allein auf Wissenschaftswissen beschränkt, Wissenschaft disziplinär auf Wirtschaftswissenschaften reduziert und die Wirtschaftswissenschaften paradigmatisch einseitig auf das so genannte „Erkenntnisinteresse der Ökonomik“ an der Steigerung der Effizienz oder das „Paradigma bestmöglicher Verwendung knapper Mittel“ verengt (Retzmann et al. 2010, 16 f.; Krol 2014, 223; vgl. Kaminski 2008, 24 f.). Die wissenschaftliche und die wirtschaftswissenschaftliche Legitimation dafür überzeugen nicht. Dieses Bildungskonzept beruft sich auf den fachwissenschaftlichen Geltungsanspruch eines einzelnen, auch innerhalb der – durchaus multiparadigmatisch strukturierten – Wirtschaftswissenschaften kontroversen Paradigmas („Ökonomik“, z.B. Homann & Suchanek 2005) und auf einen als Wertmaßstab gesetzten normativen Bezugspunkt, die Effizienz.
Dieses Paradigma statten seine Anhänger mit dem Alleinvertretungsrecht für Wissenschaft in der wirtschaftlichen Dimension von Bildung aus. Das läuft auf eine ökonomistische Variante wirtschaftswissenschaftlicher Bildung hinaus. Bildungstheoretisch, allgemeindidaktisch, wissenschaftstheoretisch, fachwissenschaftlich und fachdidaktisch lässt sich eine ökonomistische Bildung nicht begründen. Im Übrigen würde eine monoparadigmatische Fachkonstruktion der „Ökonomik“ in der Allgemeinbildung eine absolute Sonderstellung einräumen. Keine andere Domäne, kein anderes Fach in der allgemeinbildenden Schule versteht sich als Repräsentant eines einzigen wissenschaftlichen Paradigmas. Mit dieser ökonomistischen Bildung ist das Konzept sozioökonomischer Bildung unvereinbar. Abschließend sei noch einmal betont: Sozioökonomische Bildung geht weder in der Aneignung wissenschaftlichen Wissens, noch in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Schlüsselproblemen auf, sie soll auch die Entwicklung von Subjektivität befördern und „Zugänge zu unterschiedlichen Möglichkeiten menschlichen Selbst- und Weltverständnisses und zu verschiedenen kulturellen Aktivitäten“ öffnen (Klafki 1996, 69). Deshalb ist sozioökonomische Bildung offener, differenzierter und anspruchsvoller als wirtschaftswissenschaftliche oder ökonomistische Bildung. In Bildungspolitik und Öffentlichkeit kommen aber die einfachen Botschaften meistens besser an.
Zwischen dem Typus wirtschaftswissenschaftliche Bildung und dem Typus sozioökonomische Bildung gibt es grundlegende Differenzen, graduelle Differenzen und bisher – aufgrund wechselseitig unzureichender Rezeption – noch unbestimmte oder unterbestimmte Differenzen. Selbstverständlich existiert auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten, etwa die, dass wirtschaftswissenschaftliches Wissen für auf Wirtschaft bezogene Bildung wichtig ist. Weitere Diskussionen sollten gemeinsame Positionen ausloten und unterschiedliche, wie angedeutet, einordnen. Einen Vorschlag, was sich heute als wirtschaftsdidaktischer Konsens, Kompromiss oder Mehrheitsposition formulieren ließe, macht Birgit Weber (2014, 131 ff.). Sie fordert zu Recht, dass sozioökonomische Bildung die existenten wirtschaftsdidaktischen Ansätze „fortzuschreiben, weiterzuentwickeln, zu integrieren, sie zum Teil auch kritisch zu hinterfragen“ habe (Weber 2014, 136). Diesem Anspruch einer kumulativen Wissenschaftsentwicklung tatsächlich zu folgen, erweist sich aber in einigen, durchaus relevanten Bereichen als schwierig. Denn bei einer Rückbesinnung und erneuten Lektüre als grundlegend geltender Texte stößt man nicht selten auf unterbestimmte, unterkomplexe, lückenhafte oder dem aktuellen fachwissenschaftlichen state of the art nicht mehr angemessene Argumentationen. Einige fachliche Kategorien und Konzepte spiegeln noch das vielfach veraltete Lehrbuchwissen der 1980er Jahre (vgl. Colander et al. 2004). Der eben erwähnte Konsensraum baut im Übrigen – zumindest zum Teil – eher auf persönlich-sozialen Kompromissen innerhalb der scientific community als auf fachwissenschaftlich-fachdidaktikwissenschaftlich solide begründeten und nachvollziehbaren Erkenntnissen. Nur ein Beispiel: ausgerechnet das szientistische Kompetenzmodell von Seeber et al. verzichtet auf eine fachwissenschaftlich nachvollziehbare Begründung seines Bildes von den Wirtschaftswissenschaften als Bezugswissenschaften: die fast 110 Titel umfassende Literaturliste enthält nur eine wirtschaftswissenschaftliche Publikation (Seeber et al. 2012, 183 ff.). Darüber hinaus und noch wichtiger: Allen Bildungskonzepten, auch dem sozioökonomischen, fehlt eine wissenschaftlich belastbare Begründung ihrer optimistischen Annahmen über die realweltlichen Wirkungen, die das in der Schule erworbene (wirtschafts-)wissenschaftliche Wissen erzeugen soll. Die Aufgaben, die Birgit Weber (2014, 136, 147) der Wirtschaftsdidaktik und der Didaktik sozioökonomischer Bildung stellt, beschreiben deshalb ein umfangreiches und herausforderndes Programm: Analyse von und „Aufklärung über ökonomisch geprägte Lebenssituationen, ihre Gefährdungen und Handlungsspielräume“, „Erforschung subjektiver Konzepte und Theorien“, „Ermittlung und kritische Reflexion relevanter ökonomischer Kategorien statt bloßer Legitimation“, Analyse von Akteuren, Koordinationsmöglichkeiten wie Markt, Netzwerk und Hierarchie sowie gesellschaftlichen Ordnungen, „Einbeziehung alternativer, ökonomischer und sozialwissenschaftlicher Denkansätze und Wirtschaftsformen“ und kritische Reflexion „wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Denkwerkzeuge“. Ob die Wirtschaftsdidaktik als Disziplin dem Modell der kumulativen Wissenschaftsentwicklung genügen kann, mag man bezweifeln, ihren beiden Hauptströmungen mag das vielleicht eher gelingen. Von der Didaktik sozioökonomischer Bildung kann man eine Konsolidierung als fachdidaktische Forschungstradition erwarten, wenn es ihr gelingt, sich zukünftig auf wenige wichtige Problemstellungen in Forschung und Entwicklung zu konzentrieren. Als Erbin und Anwältin der sozioökonomischen Tradition der Wirtschaftsdidaktik leistet sie schon jetzt gute Arbeit.
Engartner, T. & B. Krisanthan (2014): Ökonomische Bildung in Zeiten der Ökonomisierung – oder: Welchen Anforderungen muss sozio-ökonomische Bildung genügen? In: Fischer, A. & B. Zurstrassen (Hrsg.): Sozioökonomische Bildung. Bonn, 155–176.
Famulla, G.-E. (2014): Sozio-ökonomische versus ökonomische Bildung. Zwei Sichtweisen auf die Beiträge der Fachtagung „Was ist Sozioökonomie? Was ist sozio-ökonomische Bildung?“ Universität Bielefeld, 28. September 2012. In: Fischer, A. & B. Zurstrassen (Hrsg.): Sozioökonomische Bildung. Bonn, 390–410.
Links
[1] https://sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/DGB-BDA-Memorandum_2000_0.pdf
[2] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-21218-6_2
[3] https://sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/02_gwp_engartner.pdf
[4] https://sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/3.%20GWP_Engartner_Krisanthan.pdf
[5] http://www.bpb.de/apuz/33429/bessere-oekonomische-bildung-problemorientiert-pluralistisch-multidisziplinaer
[6] https://sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/4.%20bpb_Bessere%20%C3%B6konomische%20Bildung.pdf
[7] https://sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/5.%20Fischer_Zurtstrassen.pdf
[8] https://sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/6.%20Kleinschmidt_gwp2_2015_fischer_u.a.pdf
[9] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-21218-6_4
[10] https://sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/8.%20Goldschmidt%20et%20al.%20%282018%29%20-%20Reflexive%20Wirtschaftsdidaktik.pdf
[11] https://www.sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/9.%20Hedtke_2015_GWU_sozio%C3%B6kon-bildung-innovation-durch-tradition%20%28003%29.pdf
[12] https://www.sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/10.%20Hedtke_Kernurriculum_B%C3%B6ckler.pdf
[13] https://www.sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/11.%20GWP_Hedtke.pdf
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[17] https://www.sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/15.%20Dietmar%20Kahsnitz.pdf
[18] https://www.sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/16.%20GWP_Kaminski.pdf
[19] https://www.sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/17b.%20K%C3%B6lzer-Schwier%202014_Sozio%C3%B6konomische%20Bildung%20im%20Sachunterricht.pdf
[20] https://www.sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/18.%20Loerwald_Krol_M%C3%BCller_CIW_02_2011_%2823%2002%2011%29%20%282%29.pdf
[21] https://www.sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/19.%20Kruber.pdf
[22] https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-21218-6_7
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[24] https://www.sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/22.%20Weber.pdf
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[26] https://www.sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/DGB-BDA-Memorandum_2000_0.pdf
[27] https://sowi-online.de/sites/default/files/documents/reader/wmk-kmk-bda-bdi-dihk-zdh-dgb_kerncurriculum-wirtschaft-2003_0.pdf