Prüfungen: Die Praxis der Lehramtsprüfungen ist bislang vollkommen unerforscht. Ebenso sind die Einstellungsmodalitäten noch keiner genaueren Analyse unterzogen worden. Dies mag einerseits erstaunlich vorkommen – andererseits werden diese Bereiche/Stationen innerhalb der Berufsbiographie von Lehrern als administrative Schaltstellen betrachtet, denen man eine rechtliche Form und einen Verwaltungsablauf zuordnen muss. Das ‚Wissen' über diese Prozeduren, ihre alltäglichen Abläufe, ihre Konflikte und Kuriositäten steht gewissermaßen in den Wissenschaftlichen Landesprüfungsämtern für die Lehrämter (wohl eher implizit) zur Verfügung. Am Ende der 1. Phase prüfen Universitätsangehörige (im Beisein von Vertretern der Schuladministration) in ihrer Rolle als ernannte Mitglieder des Prüfungsamtes. Am Ende der 2.Phase prüfen Fachleiter, Seminarleiter, Ausbildungslehrer und (z.T.) Schulleiter. Art, Zahl, Umfang, Reihenfolge und Gewichtung der verschiedenen Prüfungselemente bei den beiden Staatsexamina variieren in den Bundesländern. Die Note(n) aus beiden Staatsexamina sowie z.T. weitere personenbezogene Faktoren gehen in die Berechnung von Punktzahlen (o.ä.) ein, die dann wiederum (ausschließlich oder in Kombination mit anderen Elementen) die Voraussetzung für die Einstellung sind. Ihr prognostischer Wert für den späteren Berufserfolg bzw. –misserfolg ist bislang noch nicht empirisch überprüft worden. Die in dieser Expertise empfohlene Evaluation anhand von Standards kann auch dazu dienen, die Examensnoten der evaluierten Personen an einem Außenkriterium (den Standards) zu validieren.

Fragen an das Prüfungsverfahren:

  1. Wie groß ist der Anteil studien– bzw. ausbildungsbegleitender Prüfungselemente im Verhältnis zu abschließenden Prüfungselementen? [/S. 43:]
  2. Wie ist das Verhältnis der verschiedenen Prüfungselemente (Klausur, mündliche Prüfung, Examensarbeit) ?
  3. Wie stark ist der Inhalt der Prüfungen an den individuellen, faktischen Studienverlauf angekoppelt – und wie stark ist er angekoppelt an allgemeine Standards?
  4. Welche Kompetenzebenen sollen – der Idee nach – in den schriftlichen und mündlichen Prüfungen des 1. Staatsexamens erreicht und überprüft werden?
  5. Welche Kompetenzebenen werden – der praktischen Erfahrung nach – durchschnittlich erreicht bzw. überprüft?
  6. Wie stark ist der Kontakt zwischen Prüfungsamt und den Fachbereichen/Fakultäten, in denen Lehrerbildung stattfindet?
  7. Welche Möglichkeiten bestehen für das Prüfungsamt, folgenreich auf Defizite im Lehrangebot oder in der Prüfungspraxis hinzuweisen?
  8. Wie ist das Verhältnis zwischen dem Gewicht der Benotung durch die Fach–/Seminarleiter einerseits und dem Mentor/Schulleiter andererseits?
  9. Welche unterschiedlichen Kompetenzebenen sollen im 2.Staastexamen erreicht und geprüft werden – und welche werden der praktischen Erfahrung nach erreicht und geprüft?
  10. Werden als Ergebnis des 2. Staatsexamens personenspezifische Entwicklungspotentiale und/oder Stärken/Schwächen-Berichte festgehalten?
  11. Gehen solche individuellen Beurteilungen zu Entwicklungspotentialen und Qualitätsprofilen in die Einstellungsprozedur ein?
  12. Wie hoch ist die durchschnittliche Studiendauer in den Lehramtsstudiengängen?
  13. Wie sehen die Notendurchschnitte in den einzelnen Lehrämtern/Prüfungsfächern aus?
  14. Wie hoch ist die Durchfallquote?

Einstellungen: Die Zuweisung von Bewerbern zu Regionen, Schulformen/–stufen und schließlich: zu Schulen erfolgt in einem sehr komplexen, mehrstufigen Verfahren, das in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt wird. Details brauchen hier nicht dargelegt zu werden – entscheidend ist, dass die Einstellung selbst zu arbeitsrechtlich unterschiedlichen Positionierungen führen kann (Angestellte oder Beamte mit ganzer oder reduzierter Stelle/Stundenzahl). Formal gibt es Probezeiten – die jedoch de facto kaum jemals unmittelbar negativ enden. Lebenszeitverbeamtung kann ggf. nach einer formalen Revision drei Jahre später ausgesprochen werden. Die Praxis der Einstellungsprozedur ist sehr stark vom Schwanken der Relation zwischen Bewerberangebot und der Art und Zahl der zu besetzenden Stellen bestimmt. Historisch wie auch aktuell werden Zulassungswege gekürzt und Zulassungsbarrieren gesenkt, wenn die Bewerberzahl geringer wird oder zu gering ist – und umgekehrt.

Eine systematische Untersuchung der Auswirkungen einer (bei Bewerberüberhang) sehr rigiden An– und Einstellungspolitik bzw. einer bei Bewerbermangel notwendigen, übli– [/S. 44:] che Standards unterschreitenden Einstellungspolitik(19) sind bislang nie unternommen worden.

Fragen an den Einstellungsprozess:

  1. Werden alle potentiellen Bewerber erfasst?
  2. Welche über die formale Lehrerqualifikation hinausgehenden Qualifikationen/Kompetenzen werden mit erfasst ?
  3. Wie ist das Verhältnis von formellen und anderen Qualifikationen?
  4. Wie stark wird auf (welche?) Einsatzwünsche von Bewerbern eingegangen?
  5. Wie stark ist die dirigierende Kompetenz der Einstellungsbehörde?
  6. Auf welchen Ebenen der Schuladministration wird das Verfahren abgewickelt?
  7. Wie groß ist das Mitspracherecht der Schulen bei der Definition dessen, was sie brauchen?
  8. Wie groß ist das Mitspracherecht der Schulen bei der Auswahl des geeignetsten Bewerbers?
  9. Wie sind Konfliktfälle geregelt?
  10. Wie wirken sich schulgenaue Ausschreibungen sowie in der Schule durchgeführte Bewerbergespräche aus?
  11. Wie ist das herkömmliche Listenverfahren mit dem schulgenauen Ausschreibungs–/Besetzungsverfahren verbunden?
  12. Welche Erfahrungen und Wirkungen hat die Mitbestimmung von Schulen bei der Einstellung neuer Lehrer aus der Sicht der Schulleiter, des Kollegiums, der eingestellten Person?(20)
  13. Lassen sich hinsichtlich der späteren Lehrerkompetenzen (Zusammenarbeit im Kollegium/Schulprofil etc.) Unterschiede feststellen zwischen den Auswirkungen von Lehrereinstellung durch Liste oder durch Ausschreibung?
  14. Wie ist es um die schnelle Korrektur von offensichtlichen Fehlplatzierungen bestellt?
  15. Wie ist es um die mittelfristige Korrektur von Fehlentscheidungen bestellt?
Hinsichtlich der Möglichkeiten einer Evaluation der Institutionen und Programme der Lehrerbildung lassen sich die folgenden vier Modalitäten nennen:
  1. Selbstberichte: Die Institutionen legen Berichte über ihre Regularien zur Lehrerbildung vor. Anhand eines vorab definierten Katalogs von Standards werden auf [/S. 45:] dieser Basis Punkte zugewiesen. Vorteil: Kostengünstig. Nachteil: Die Selbstberichte sagen noch nichts über die tatsächliche Realität in den Institutionen aus.
  2. Selbstberichte plus Evaluationen vor Ort durch Kommissionen: Auf diese Weise kann eine direktere Informationsgewinnung vollzogen werden als bei den Selbstberichten allein. Nachteile: großer Aufwand, punktuelle Inspektion.
  3. Teilnehmende Beobachtung & Beurteilung über einen Zeitraum hinweg: Vorteil: Auf diese Weise können zuverlässigere Informationen über die Realität in der Institution gesammelt werden. Nachteil: großer Aufwand, nur Stichproben möglich
  4. Erfassung des Urteils der Ausgebildeten oder sogar der Kompetenzen der Ausgebildeten (s.o.: Personenevaluation). Vorteil: Verknüpfung von Institutionen- und Personenevaluation; Herstellung von Zusammenhängen zwischen dem Niveau der Institution und dem Niveau der von ihr ausgebildeten Personen.