Das Problem der Kooperation von Geschichts und Politikunterricht ist so alt wie die politische Bildung in der Bundesrepublik. Es entstand nicht durch von außen herangetragene Forderungen oder didaktische Moden, sondern aus der Sache selbst. Man kann Politik nicht ohne Geschichte, Geschichte nicht ohne Politik verstehen. Geschichtsunterricht und Politikunterricht haben in ihren Gegenstandsfeldern viele Gemeinsamkeiten; bereits auf den ersten Blick ist sichtbar, dass z. B. die Zeitgeschichte dazu gehört. Auch die Unterrichtsziele sind teilweise gemeinsam, und die Methoden haben sich angenähert.

Man kann noch einen Schritt weiter gehen: Politikunterricht ist Demokratieunterricht. Fragt man nach der Notwendigkeit eines solchen Unterrichts, den es ja in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und anderen alten Demokratien so nicht gibt, kann man die Antwort nur geben, wenn man die deutsche Geschichte des 19. und vor allem des 20. Jhs. kennt.

Nichts läge näher, als auf eine unproblematische Zusammenarbeit zu schließen. Davon kann jedoch keine Rede sein. Die Kooperation hat sich als ein Feld voller Schwierigkeiten erwiesen, die von der Theorie bis in die Praxis, von Gesamtkonzeptionen bis in die einzelne Unterrichtsstunde, von der Stundentafel bis zur Lehrerausbildung reichen. Die Fachlehrerverbände haben lange Zeit eine Haltung deutlichen Misstrauens gegeneinander eingenommen, was nicht zuletzt auf die materielle Interessenlage der Fachlehrer (Zahl der Lehrerstellen) zurückzuführen war. Schwierigkeiten bestanden vom Beginn der Zusammenarbeit an. Der Geschichtsunterricht blickte auf eine jahrhundertealte Tradition zurück und war im Bewusstsein der Öffentlichkeit in seiner Notwendigkeit nie angezweifelt worden, als in den fünfziger Jahren die [/S. 630:]ersten Versuche unternommen wurden, "Sozialkunde" in die Stundenpläne einzuführen. Es lag nahe, dies in engem Verbund mit dem Geschichtsunterricht zu tun, der bisher als der "natürliche" Ort der politische Bildung galt – freilich mit zweifelhafter Vergangenheit, was den Demokratiegedanken anging.

Die sozialkundlichen Unterrichtsanteile wurden von Geschichtslehrern gegeben, solange es noch keine eigenen Studiengänge für Sozialwissenschaften gab. Erst nach und nach wurde im Unterrichtsvollzug selbst und in der sich seit den sechziger Jahren rasch herausbildenden Didaktik der Sozialkunde deutlich, dass die Sozialkunde ihren eigenen Gegenstandsbereich hatte, vereinfacht gesagt: Politik, Gesellschaft und Wirtschaft der Gegenwart, wogegen der Geschichtsunterricht die Gegenwart erst immer gegen Ende des jeweiligen historischen "Durchgangs" erreichte, was zu wenig war, um Schüler in die komplexe Welt einzuführen, in der sie lebten und für die sie politisch handlungsfähig gemacht werden sollten. Als in den sechziger und frühen siebziger Jahren die Sozialkunde bzw. "Politik" ihre Leitprinzipien formulierte, waren darunter viele, die vom Geschichtsunterricht nicht abgedeckt werden konnten wie z. B. der Konfliktgedanke, das Kontroversprinzip, die Handlungsorientierung und die Zukunftsorientierung. Auch in den ersten Sozialkundelehrbüchern wurde deutlich, dass die Unterschiede zum Geschichtsunterricht beträchtlich waren und dass die Zeiten zu Ende gingen, in denen die Geschichtslehrer den sozialkundlichen Anteil gewissermaßen nebenbei mit übernehmen konnten.