1. Kooperation setzt voraus, dass in jedem und von jedem Fach aus neben der eigenen auch die Sicht- und Frageweise des anderen gepflegt und vermittelt wird: in der Geschichte neben (oder auch nach) der diachronischen, wo immer möglich, die systematische; in den Sozialwissenschaften neben der systematischen auch die häufig retrospektive (zurückblickende), diachronische. Dort steht die Einzigartigkeit der zu verstehenden Geschehnisse und Gestalten im Vordergrund, hier das Verallgemeinerungsfähige und Strukturelle:

Ohne historische Methoden und Fragestellungen können Lernende nicht die Einzigartigkeit von Personen und Ereignissen erfahren und nicht verstehen, warum Menschen je verschieden sind; ohne systematische, synchronische (die Zeiten zusammenschauende) Methoden und Betrachtungsweisen können sie nicht erkennen, was an den Menschen menschlich ist und welchen vergleichbaren Aufgaben sie sich trotz aller Andersartigkeit der Bedingungen je gegenübergestellt sehen.

 

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Das heißt: "Geschichte ohne Soziologie ist blind, Soziologie ohne Geschichte ist leer" (Topitsch)*: "Social Sciences without History have no root, History without Social Sciences bears no fruit" (Hermann Finer) (Zit. nach Beyme von 1970, 19). Diesen in den beiden Wissenschaften unbestrittenen Satz müssten sich die Lehrenden beider Fächer zueigen machen.

2. Wie die doppelte Blickrichtung im Unterricht wirksam wird, hängt nicht von perfekten Richtlinien ab, sondern davon, dass Lehrer über "Methoden" - über heuristische Instrumente! - verfügen, mit deren Hilfe sie den Wechselbezug bei geschichtlichen wie bei politischen Themen herstellen können.

Vergleichbares gilt für das Fach Erdkunde. Einige Didaktiker der Geographie benutzen heute zur Beurteilung der gesellschaftlichen Bedeutung geographischer Faktoren den Begriff "Daseinsgrundfunktionen". Die Nähe zum Begriff "Überleben" und zum Begriff "Bedürfnisse" ist deutlich. Als Daseinsgrundfunktionen werden Essen, Sich-Kleiden, Wohnen, Vorsorge, in Gesellschaft leben und Fortpflanzung bezeichnet (vgl. Geographische Rundschau, Heft 12/1974). [/S. 243]

Die Bedrohung der Lebensgrundlagen verlangt heute im politischen Unterricht auch die Kooperation mit der Biologie: bei Aufgaben des Umweltschutzes im weitesten Sinne, aber auch für die Erkenntnis, dass sich die Evolution nicht mehr allein mit Ergebnissen der Fitnesskonkurrenz erklären lässt, dass ein Überleben der Gattung Mensch nur möglich ist, wenn sich die Gattung fähig erweist, innerhalb der Grenzen der Biosphäre zu kooperieren (vgl. Markl, 2.2.5.2).