Lieder aus der DDR als Quellen im historisch-politischen Unterricht

Thomas Goll

Inhalt

Methodisch-didaktische Grundlagen
Zwei Beispielfelder
Pionierlieder
Lieder der Opposition (80er-Jahre)
Vorschläge für weitere Unterrichtseinheiten (in Stichworten)
Tonträger mit Liedern aus der DDR (kommentierte Auswahl)
Anmerkungen/Literatur

Lieder sind ein nicht wegzudenkendes Element des Alltagslebens. Sie zu singen und zu hören gehört zu den am häufigsten ausgeübten Freizeittätigkeiten. So belegt die 13. Shell-Jugendstudie 2000, dass fast alle deutschen Jugendlichen in ihrer Freizeit Partys feiern und Musik hören und immerhin fast ein Viertel selbst Musik macht.[1]

Auch in der DDR gehörte die Musik wie selbstverständlich zum Leben, wie das Leipziger Zentralinstitut für Jugendforschung 1988 in einer repräsentativen Umfrage ermittelte. Danach hörten - wie kaum anders zu erwarten -zwischen 79 und 89 Prozent der Jugendlichen "sehr gerne" Musik in ihrer Freizeit.[2]

Es kann deshalb nicht verwundern, dass Musik in der DDR immer auch ein Politikum war. Das kann man am Umgang mit der Nationalhymne[3] sehen, deren Text unterdrückt wurde, als es unter Honecker politisch nicht mehr opportun war, von "Deutschland, einig Vaterland" zu sprechen. Man kann es aber auch an den Versuchen und Bestrebungen zur Steuerung der Rockmusik[4] und deren Instrumentalisierung etwa beim "Festival des Politischen Liedes" ablesen[5] oder an der Produktion von Massenliedern.[6]

Die Beschäftigung mit politischen Liedern ist durchaus nichts Neues. Seit 1955 gibt es den "Großen Steinitz" als Anregung, aber er geriet in die Mühlen des Ost-West-Konflikts [7]. Andere Zusammenstellungen sind[/S.3:] häufig politisch einseitig[8] und konnten so keine Breitenwirkung entfalten. Verwundern muss aber dennoch, dass das Thema Lied und Musik bislang im Verhältnis zu anderen Medien fachdidaktisch nur äußerst spärlich bearbeitet wurde.[9]

Eine Ausnahme ist Manfred Sievritts[10] gelungene Zusammenstellung von politischen Liedern in Gestalt thematisch geordneter und kommentierter Texte und unter Zugabe einer Liededition auf Schallplatten bzw. Musikkassetten. Abgesehen von einer Übersicht über Liederbücher und Tonträger in der Zeitschrift Geschichtsdidaktik[11], widmen sonst nur das Themenheft 50 "Lieder im Geschichtsunterricht" von Geschichte lernen[12] und das "Handbuch Medien im Geschichtsunterricht" - und zwar in seinen beiden Auflagen - dem Lied umfangreichere Beiträge.[13]

In Handbüchern[14] bzw. neueren medienkundlichen Publikationen der Politikdidaktik[15] werden Lieder als Medium des Politikunterrichts hingegen nicht thematisiert. Lediglich im "Lexikon der politischen Bildung"[16] findet sich ein Beitrag von nicht einmal einer halben Spalte. Auch Zeitschriftenaufsätze sind eine Seltenheit und obendrein thematisch beschränkt.[17]

Die stiefmütterliche Behandlung der Thematik zeigt sich des Weiteren in der Beschränkung der Interessenschwerpunkte auf wenige Epochen. Besonders intensiv werden der deutsche Vormärz und die Revolution von 1848/49[18] sowie seit den 90er Jahren die NS-Zeit[19] behandelt. Die DDR und ihre Musik werden jedoch mittlerweile verstärkt beachtet[20].

Dennoch ist die Zahl fachdidaktischer und methodischer Veröffentlichungen zu Lied und Musik in der DDR überschaubar. In dem schon erwähnten The-[/S.4:]menheft von Geschichte lernen findet sich ein kurzer Beitrag zu "Sozialistischen Massenliedern in der DDR"[21]. Außerdem gibt es vom Verfasser in der Reihe Unterrichts-Konzepte Geschichte des Stark-Verlages eine aktuelle Einheit zu "Herrschaftssicherung und Opposition - Aspekte der DDR-Geschichte in ihren Liedern" [22].

Ältere Publikationen aus der Bundesrepublik zur Musik in der DDR befassen sich zumeist mit dem ideologischen Gehalt der DDR-Musik vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts und haben weder einen fachdidaktischen noch einen musikwissenschaftlichen Anspruch.[23]

Generell gilt: Wenn das Lied behandelt wird, steht meist nur der Text im Vordergrund, nicht jedoch das "Gesamtkunstwerk" aus Text und Musik.[24] Der Geschichts- oder Politikdidaktiker wagt sich offenbar nicht gerne auf das für ihn scheinbar zu dünne Eis musiktheoretischer Erläuterungen. Das findet seine Entsprechung in der Musikpädagogik. Hier gibt es zwar mittlerweile auch einige Arbeiten, aber diese konzentrieren sich zumeist auf den Musikunterricht.[25]

Der vorliegende Beitrag will deshalb Anregungen geben, wie das Lied als Medium im historisch-politischen Unterricht und darüber hinaus didaktisch sinnvoll genutzt werden kann. Zunächst erfolgt eine Darstellung grundlegender methodisch-didaktischer Überlegungen und Vorschläge. Anschließend werden diese anhand von Lied-Beispielen aus der DDR zur Pionierorganisation und Opposition der 80er Jahre konkretisiert. Zum Abschluss werden einige Unterrichtsreihen zu Lied und Politik in der DDR vorgeschlagen, die neben einer Übersicht ausge-[/S.5:][/S.6:]wählter Lieder auch Hinweise auf sinnvoll nutzbare Begleitmaterialien enthalten. Seine Abrundung erfährt der Beitrag über die kommentierte Vorstellung einer Auswahl leicht greifbarer Tonträger.

Methodisch-didaktische Grundlagen[26]

Dass Lieder einen hohen Quellenwert haben, liegt auf der Hand. Sie drücken Emotionen und Empfindungen aus und regen sie an[27] - seien es nun Lieder über menschliche Grunderfahrungen und -situationen, Heimatlieder, religiöse Lieder, Soldatenlieder, Protestlieder, Schlager oder aber Kunstlieder. Sie alle können Gegenstand des historisch-politischen Unterrichts sein. Eine Beschränkung auf politische Lieder im engeren Sinne[28] sollte nicht erfolgen, da auch vermeintlich unpolitische Lieder, wie z.B. Schlager, in einem politischen Kontext stehen bzw. von den Hörern so aufgefasst werden können.[29]

Überhaupt können Lieder mehrere Funktionen erfüllen. Dabei ist immer vom Unterschied zwischen der Wirkung auf einen einzelnen Zuhörer und der Wirkung des gemeinschaftlichen Singens auszugehen. Während der einzelne Zuhörer in der Regel innere Bedürfnisse mit dem Hören und Singen von Liedern befriedigt, wie z.B. Trauer oder Erinnerung, führt das gemeinschaftliche Singen zu Gruppenerlebnissen und zu Gruppenbewusstsein.

Lieder haben also immer eine affektiv-emotionale Komponente, die neben der kognitiven den Unterricht bereichert und damit zum Ort von Selbsterfahrung machen kann. Und selbst wenn der schulische Rahmen die Eigenproduktion von Liedern kaum möglich macht, so sind doch über das Singen oder Umtexten von Liedern auch instrumentale Fertigkeiten schulbar. Damit wird einer einseitig kognitiven Lernzielorientierung entgegen gewirkt.

Singen ist ein Vorgang sozialer Praxis. Immer ist es dabei das Zusammenwirken von Text und Musik, die das Lied in einer bestimmten historisch-politischen Situation zu einem politischen machen. Es gibt keine politischen Melodien per se, sie rekurrieren auf eine bekannte Notenfolge, die der Hörer assoziieren kann, oder der Text - bzw. seine Interpretation durch den Rezipienten - macht sie dazu. Andererseits unterstützt die Musik den Text durch Attraktivität und Erwartungszuverlässigkeit sowie Vereinfachung mittels Strophenbildung und Refrain. Aus einer textkonformen und funktionsspezifischen Kompo-[/S.7:]sition erwächst eine Gefühlsbindung beim Hörer und Sänger, die Breitenwirkung entfalten kann.

Text und Musik stützen und unterstützen sich gegenseitig. Daher müssen beide Komponenten im Unterricht thematisiert werden und im Unterrichtsgeschehen präsent sein, sei es über zeitgenössische Originalaufnahmen, sei es über das eigene Singen der Klasse.[30] Nur so werden die Funktionen des Gesangs - z.B. Entlastung und Kompensation, Unterhaltung und Entspannung, Identifikation und Repräsentation - wirklich spürbar und der Unterricht gewinnt an Anschaulichkeit.

Emotionen und Empfindungen ergeben sich auch aus politischen Rahmenbedingungen. In Bezug zu politischen Systemen können sie einerseits Affirmation (Gläubigkeit), andererseits Opposition ausdrücken. In Autokratien haben sie des Weiteren einen offiziellen Charakter, der weit über das Singen der Nationalhymne hinausgeht. Sie sind Propaganda- und Erziehungsinstrument. [31]

Dementsprechend ergeben sich multiperspektivische Einsatzmöglichkeiten und Gelegenheiten zum fächerübergreifenden Unterricht. Politische Lieder sollten dabei jedoch nicht als Einzelquelle, sondern stets in Verbindung mit anderen Quellen eingesetzt werden, da sie immer parteiisch sind. Im Sinne eines problemorientierten Unterrichts werden sie Ausgangspunkt ideologiekritischen Analysierens. Die Analyse müssen andere Quellen aber auch deshalb begleiten, um insbesondere die historische Situation, in der ein Lied entsteht oder in der es gesungen wird, zu verdeutlichen. Ohne Wissen um den Kontext kann es zu Fehldeutungen kommen.[32]

Lieder bieten sich für einen multimedialen Unterricht an. Die Zusammenstellung der Quellen kann dabei dem Prinzip der Gegensätzlichkeit folgen: Dabei werden Quellen zum gleichen Thema mit unterschiedlicher Aussage, Wertung oder Intention zusammengestellt. Der sich ergebende Kontrast provoziert und bietet z.B. einen motivierenden Einstieg in eine Thematik. In unserem Kontext kann das etwa die Gegenüberstellung zweier Lieder aus Ost und West oder aus Staatsorganisationen und Op-[/S.8:]position zum Thema Frieden (z.B. Nena: 99 Luftballons - Gisela Steineckert: Der einfache Frieden - Gerhard Schöne: Lied für den Feind) oder Deutschland (z.B. Udo Lindenberg: Mädchen aus Ostberlin - Reinhold Andert: Vaterlandslied - Sandow: Born in the G.D.R.) sein. Es können auch Lieder und Bilder oder Lieder und Texte sein, so etwa ein offizielles "Rock für den Frieden"-Plakat und die Plakette "Schwerter zu Pflugscharen". Es sind auch einander ergänzende und vertiefende Zusammenstellungen in Liedreihen im chronologischen Längsschnitt, von Liedern und Bildern (z.B. Preis des Sozialismus und Verfall der Bausubstanz) oder von Liedern und Texten (z.B. Texte über die Wirkung von Liedern aus autobiographischer Sicht) möglich. Grundsätzlich sind drei Arten des Zugriffs möglich, die sich auch kombinieren lassen: Beim ereignisbezogenen Zugriff stehen Lieder für historische Ereignisse oder Epochen, beim typenbezogenen Längsschnitt spiegeln Liedtypen und Themen bestimmte soziale Verhältnisse wider, beim medialen Zugriff schließlich geht es um die spezifische Wirkung eines bestimmten Liedtyps.

Die methodischen Möglichkeiten des Liedeinsatzes sind also vielfältig, der didaktische Ertrag kann hoch sein. Entscheidend ist, sich als Lehrer nicht von den vermeintlichen Schwierigkeiten abschrecken zu lassen, die der musikalische Bereich bietet. Werden Lieder hinsichtlich ihrer politischen Funktion Gegenstand des Unterrichts, dann sind besonders folgende Strukturmomente interessant:

Lieder haben ein inhaltlich-kommunikatives Moment: Sie teilen Adressaten etwas auf eine bestimmte Art und Weise mit. Jemand wendet sich dabei z.B. an eine eingeweihte Gruppe oder nach außen. Historisch-politische Lieder haben einen instrumentalen Charakter: Sie können für eine Ideologie oder Person werben, der Selbstbestätigung dienen oder sich gegen etwas wenden, so etwa das Massenlied von Arbeiterbewegung und DDR (z.B. Bau auf, bau auf, Dem Morgenrot entgegen, Thälmannlied).

Lieder haben immer auch ein musikalisch-kommunikatives Moment: Rhythmus und Melodieführung können sich an bekannte Vorbilder anlehnen oder typisch für einen bestimmten Liedtyp sein, wie etwa Arbeiterlied oder Marsch. Lieder wirken über die Musik immer auch emotional: Lautstärke, Rhythmus und Klang wirken auf die Physis und Psyche der Zuhörer und Mitsinger. Dabei kann es um menschliche Grunderfahrungen gehen, um die Bewältigung von Belastungen oder auch um Gemeinschaftswirkung. Sie erzeugen oder verstärken den Gruppenzusammenhalt und können zu gemeinsamem Tun animieren, wie z.B. die Kampflieder der Arbeiterklasse (z.B. Die Internationale, Der rote Wedding), aber auch Hymnen (z.B. die SED-Parteihymne Die Partei hat immer recht oder Wir sind überall, die Hymne der "X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten" von 1973 in Ostberlin).

Ihren Ort im Unterricht gewinnen historisch-politische Lieder wie jede andere Quelle als Mittel der Informationsgewinnung, der Festigung und der Lernzielkontrolle. Sie können Ausgangspunkt einer Unterrichtseinheit sein, der Kontrastierung oder der Illustration dienen.

Sie unterliegen denselben methodischen Grundsätzen der Interpretation wie alle anderen Quellen. Sie müssen hinsichtlich ihrer formalen Merkmale und des Inhalts analysiert werden, bevor ihr Erkenntniswert überprüft und ihre historische Aussage problematisiert werden kann. Das kann nur gelingen auf der Basis einer Einordnung in den historisch-politischen Zusammenhang, der den Rahmen für die Autorintention und die Aussageabsicht sowie die mögliche Reaktion eines Adressaten darstellt.

Nicht jedes Musikstück ist jedoch als Quelle gleichermaßen geeignet. Je plakativer ihre Aussage ist, desto einfacher ist ihr Einsatz auch in niedrigen Jahrgangsstufen. Andererseits erschließen sich Elemente des "Zwischen den Zeilen Schreibens", wie sie kennzeichnend für das künstlerische Schaffen in Diktaturen sind, erst in höheren Jahrgangsstufen und sind dort besonders gut für ideologiekritische Betrachtungen geeignet.

Im Unterricht empfehlen sich folgende Analyseschritte: Zunächst geht es darum, das Lied kennen zu lernen. Das ist möglich über das Hören von Tonaufzeichnungen, die am besten authentisch sein sollten, denn auch die Zeitsituation ist Bestandteil der Quelle.[33] Denkbar sind daneben auch Vorsingen und Vorspielen und insbesondere das Singen der Klasse. Letzteres ist besonders dann sinnvoll, wenn es in der Analyse um die Wirkungsuntersuchung auf den Hörer geht.

Dem folgen die Analyse des Textes nach den üblichen Verfahren und die musikalische Analyse, die eng auf die Textanalyse bezogen sein muss, denn Text und Musik bilden eine Einheit und erzielen erst gemein-[/S.9:][/S.10:]sam ihre Wirkung. Man kann auch ohne musiktheoretische Kenntnisse mit der Beschreibung des musikalischen Gesamteindrucks beginnen: Klatschen des Rhythmus', Bewegen zur Musik u.a.[34] Dann kann man diese Erfahrungen besprechen und systematisieren: Ist die Musik eher schnell oder langsam, laut oder leise, fröhlich oder traurig usw.

Als nächstes erfolgt die Verbindung zum Text: Passt die Musik zum Text, trägt und verstärkt sie ihn, oder widerspricht sie ihm? Ist die Musik der Situation des Singens angemessen? Gibt es ältere Melodien als Vorbild, deren Kenntnis bei den potentiellen Sängern vorausgesetzt werden kann? Dieses sehr verbreitete Vorgehen nennt man Kontrafaktur.[35]

Damit ist die Untersuchung der Wirkung eingeleitet, wobei an deren Anfang Vermutungen über die Wirkungsabsicht und erzielte Wirkung stehen, die man an der tatsächlichen historischen Wirkung überprüfen sollte. Dazu bieten sich z.B. Text- und Bildquellen zur Singesituation an. Aber auch Verbote und Zensur sprechen für eine bestimmte Wirkung, sonst würden diese Maßnahmen nicht ergriffen.

Die "Krönung" der Beschäftigung mit Liedern wären produktive Verfahren, die ihre vielfältigen Möglichkeiten besonders in Projektvorhaben in fächerübergreifender Perspektive zusammen mit dem Sprach- und Musikunterricht entfalten können. Das setzt aber voraus, dass musikalisch interessierte und bewanderte Schüler in der Klasse oder im Kurs sind. Dann können diese auch z.B. eine Kontrafaktur im Hinblick auf eine ausgewählte geschichtliche Situation oder sogar eine eigene Melodie schreiben. Man könnte dann auch auf einen schulöffentlichen Liederabend mit Revuecharakter hinarbeiten.[36] Einfacher und praktikabler ist es jedoch, ein Liederheft im Unterricht behandelter und weiterer Lieder anzulegen und dieses mit Texten, Bildern und Zeichnungen auszugestalten, die die historische Situation illustrieren und erklären - das ist natürlich auch im Rahmen des herkömmlichen Schulheftes möglich. Daneben sind Wandzeitungen zu Epochen und Ereignissen denkbar, die auch Lieder dokumentieren sollten.

Zwei Beispielfelder

Diese methodisch-didaktischen Möglichkeiten werden im Folgenden an ausgewählten Beispielen aus der DDR aufgezeigt. Man könnte Hymnen für Staat und Partei, Massenlieder der 50er Jahre, Fahnenlieder der Partei und Massenorganisationen, die Singebewegung, Heimatlieder der 50er Jahre im Vergleich zu den 70er Jahren, aber auch Rock und Pop sowie natürlich Liedermacher wie Biermann behandeln. Der knappe Raum zwingt zur Beschränkung auf zwei exemplarische Themenbereiche:

Zunächst geht es am Beispiel einiger Pionierlieder um Lieder, die für den Staat und die Partei stehen und der Selbstdarstellung und Propaganda dienen. Dem folgen Beispiele für oppositionelle Lieder aus den 80er Jahren, die systemimmanent Kritik üben.

Pionierlieder

Schon die Jüngsten waren in der DDR der staatlichen Einflussnahme ausgesetzt: Pionierorganisation und FDJ waren die Hauptträger. Zwar musste man nicht unbedingt Mitglied sein, aber die Verquickung von schulischer Erziehung und außerschulischer Verbandsarbeit führten zu entsprechenden Konsequenzen. Wer weltanschaulich nicht zuverlässig war, indem er sich der FDJ verweigerte, der durfte z.B. nicht studieren. Damit war der Charakter der Freiwilligkeit aufgehoben und die Mitgliedschaft in der Staatsjugend de facto Pflicht.[37]

Sowohl die Pionierorganisation "Ernst Thälmann" als auch die FDJ waren Parteiorganisationen.

Damit oblag ihnen die Aufgabe, die Jugend im Geist des Sozialismus zu erziehen. Die "Zehn Gebote der Jungpioniere" und die "Gesetze der Thälmannpioniere" hatten deshalb verpflichtenden Charakter für die Mitglieder. Abverlangt wurde ersteren das Bekenntnis zur DDR und zur Freundschaft mit der UdSSR, die Verpflichtung zu Fleiß, Disziplin, Ordnung, Sauberkeit, gegenseitiger Hilfe, Liebe zu den Eltern und sportlicher Beteiligung. Die älteren Kinder verpflichteten sie ausdrücklich zur Parteinahme für den Sozialismus und zum Hass gegen die Kriegstreiber, zur Arbeit für die Allgemeinheit und zum Schutz des Volkseigentums. Mit ihrem Eintritt in die Pionierorganisation gelobten die Jungpioniere, stets nach diesen "Geboten" zu handeln, die Thälmann-Pioniere darüber hinaus, "zu lernen, zu arbeiten und zu kämpfen, wie es Ernst Thälmann lehrt".[38]

Für die Jugendlichen gab es eine eigene Medienlandschaft (z.B.: "Junge Welt", "Die ABC-Zeitung", "Die Trommel" und "Frösi"), eigene Wettkämpfe und Manöver, eigene Abzeichen (z.B. "Junger Tourist") und Uniformteile, eigene Heime und Ferienlager ("Pionierrepublik Wilhelm Pieck"). Das sollte das Bewusstsein fördern, einem größeren Ganzen anzugehören, für das es sich zu kämpfen lohnt.

Pionierorganisation und FDJ waren darüber hinaus Sozialisationsinstanz durch aktives Tun: Den Pionieren und FDJlern wurden Verantwortung und Aufgaben zunächst im Klein- und Schutzraum der Schule übertragen. Die Ausbeutung der Bereitschaft zum Engagement für die Gesellschaft war ein nicht zu unterschätzender volkswirtschaftlicher Faktor. Die Kinder und Jugendlichen reinigten die Klassenzimmer und gestalteten die Schulanlagen, sie übernahmen Patenschaften für Parks und Kinderspielplätze, sie sammelten Sekundärrohstoffe und sparten dadurch Devisen ("Großfahndung: Millionen für die Republik"), sie beteiligten sich an aufwändigen Jugendprojekten und Baumaßnahmen im In- und Ausland (z.B. "Sojus"-Trasse).

Dies alles schlug sich auch im "Jugendgesetz" der DDR nieder. Dieses verpflichtete nicht nur die staatlichen Organisationen - Verwaltung, Schule und Jugendverbände - und die Wirtschaft zur Sozialisation der Jugend im Geist des Sozialismus, sondern nahm auch die Eltern dafür in die Pflicht. An wenig anderem kann man den Unterschied zwischen freiheitlich-demokratischer und totalitärer Staatsordnung deshalb so gut studieren wie an diesem Gesetz.[39]

Die Pionierorganisation "Ernst Thälmann" stand unter der Leitung der FDJ und war für die Schulkinder von 6 bis 13 Jahren zuständig. Schon 1945 angelegt und 1947 endgültig gegründet, trug sie seit dem ersten Pioniertreffen von 1952 in Dresden den Namen "Ernst Thälmann". Sie erfasste rund 99 Prozent der Schulkinder und hatte die Aufgabe, diese im Geiste des Sozialismus zu erziehen.

Die Grundeinheit der Pionierorganisation war an jeder Schule die "Pionierfreundschaft". In ihr waren alle Pioniergruppen der Klassen 1 bis 7 zusammengefasst, wobei die Mitglieder in Klasse 1 bis 3 "Jungpioniere", in Klasse 4 bis 7 "Thälmann-Pio-[/S.12:]niere" hießen. Jungpioniere trugen ab 1949 das blaue Halstuch, Thälmann-Pioniere seit 1973 das rote Halstuch. Es gab verschiedene Funktionen: Der Gruppenrat bestand aus dem Gruppenratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter, Agitator, Kassierer und Schriftführer. Daneben wurden weitere Ämter vergeben: u.a. Wimpelträger, Freundschaftsratvorsitzender, Wandzeitungsredakteur. Die eigentliche Leitung übernahm jedoch ein von der Kreisleitung der FDJ eingesetzter hauptamtlicher Pionierleiter. Dieser war ausgebildeter Pädagoge und gleichberechtigtes Mitglied des Lehrerkollegiums. Die Pionierleiter hatten zahlreiche ebenfalls berufene, ehrenamtliche Mitarbeiter: FDJ-Mitglieder höherer Klassen, jüngere Lehrer, Pädagogikstudenten, Mitglieder der FDJ-Grundorganisation des Patenbetriebes.

Die Lieder der Pionierorganisation gehören in den Bereich der politischen Erziehung: Das Liedgut sollte zum so genannten "Gesamtprozesses der allseitigen Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten" in der DDR beitragen, vermittels der sich alle Bürgerinnen und Bürger Kenntnisse, Fähigkeiten und Überzeugungen über die Ziele und Inhalte der Politik der SED aneignen und in ihrem Handeln anwenden sollten. Dem diente ein ganzes Heer von Textern und Komponisten, von Singeklubs und Singwettbewerben. Von der Wiege bis zur Bahre konnte man sozialistisches Liedgut hören und mitsingen. Noch heute sind Verse und Melodien fest im kollektiven Bewusstsein der Menschen in der DDR verankert.[40]

Leitidee der politischen Erziehung war die geistige Integration aller Individuen in eine als wissenschaftlich bestimmbar angenommene gesellschaftliche Entwicklung. Politische Erziehung ist in einem engen Zusammenhang mit weltanschaulicher (Aneignung der Lehren des Marxismus-Leninismus), patriotischer (Liebe zur DDR und Stolz auf die sozialistischen Errungenschaften) und moralischer (Treue zur Arbeiterklasse, Pflichtbewusstsein, fester Klassenstandpunkt) Erziehung gestaltet. Damit kann auch eine Liedauswahl vorgenommen werden:

Der weltanschaulichen Erziehung dienten z.B. Auf zum Sozialismus/Fröhlich sein und singen, Pioniermarsch/Wir tragen die blaue Fahne, Friede auf unserer Erde, Kleine weiße Friedenstaube, Gute Freunde/Soldaten sind vorbeimarschiert und Hör ich die Soldaten singen. Besonders der Kontrast von Friedenserziehung auf der einen Seite und Werbung für die NVA kann im Unterricht Früchte tragen. Man sollte dazu besonders auch Illustrationen aus Schulbüchern der zweiten und dritten Klasse heranziehen, die zeigen, wie fröhliche Kinder - natürlich mit Pionierhalstuch - neben marschierenden Soldaten herlaufen. Daneben findet sich dann Gute Freunde/Soldaten sind vorbeimarschiert abgedruckt:[41]

Gute Freunde/Soldaten sind vorbeimarschiert
Text: Hans Georg Beyer; Musik: Hans Naumilkat
(1.): Soldaten sind vorbei marschiert im gleichen Schritt und Tritt.
Wir Pioniere kennen sie und laufen fröhlich mit, juchhei!
Wir Pioniere kennen sie und laufen fröhlich mit.
(Ref.): Gute Freunde, gute Freunde, gute Freunde in der Volksarmee.
Sie schützen unsre Heimat zu Land, zur Luft und auf der See, juchhei.
Sie schützen unsre Heimat zu Land, zur Luft und auf der See.
(2.): Der Hauptmann, der den Zug anführt, den kennen wir genau.
Vor Jahren stand als Maurer er bei uns noch auf dem Bau.
(Ref.): Gute Freunde, gute Freunde […]
(3.): Ein Leutnant führt den zweiten Zug mit fröhlichem Gesicht.
Als Lehrer gab er früher uns den schönsten Unterricht.
(Ref.): Gute Freunde, gute Freunde […]
(4.): Der Flügelmann im ersten Glied mit Stahlhelm und MPi,
als Melker der Genossenschaft betreute er das Vieh.
(Ref.): Gute Freunde, gute Freunde […]
(5.): Soldaten sind vorbei marschiert, die ganze Kompanie.
Und wenn wir groß sind, wollen wir Soldat sein, so wie sie.

Ergänzen kann man diese Eindrücke u.a. mit Buchausschnitten zur Wehrkunde[42] und Anleitungen zu Geländespielen und Pioniermanövern, wie sie in Handbüchern der Pionierorganisation zu finden sind.[43] Besonders interessant dürfte es daneben sein, eine kuriose Anekdote aus Claudia Ruschs Erzählband "Meine freie deutsche Jugend", in der es um dieses Lied geht[44], in den Unterricht einzuführen.

Den Patriotismus und die sozialistische Heimat DDR betreffen solche Lieder wie Pioniere voran!/Hell scheint die Sonne, Blaue Wimpel im Sommerwind/Liebe Heimat, Deine Weiten, Unsre Heimat und Das Lied der jungen Naturforscher/Die Heimat hat sich schön gemacht. Hier wird zunächst das Heimatgefühl aufgebaut, das zunächst gar nicht sozialistisch sein muss. Erst in der Verbindung mit der Pionierorganisation und ihren Zeichen gewinnt es eine politische Dimension, die über eine allgemeine Heimatverbundenheit hinausgeht.[45] Das ist beispielhaft an[/S.13:] Pioniere voran!/Hell scheint die Sonne[46] nachzuweisen:

Pioniere voran/Hell scheint die Sonne
Text: Friedel Hart; Musik: Wolfgang Richter
(1.): Hell scheint die Sonne, und leicht ist unser Schritt,
froh ist der Schlag unser Herzen;
zieht doch die Freude an unsrer Seite mit,
Singen und Lachen und Scherzen!
(Ref.): Pioniere, voran, laßt uns vorwärts gehen!
Pioniere, stimmt an, laßt die Fahnen wehn!
Unsre Straße, sie führt in das Morgenlicht hinein;
wir sind stolz, Pioniere zu sein!
(2.): Siehst du die Lerche dort unterm Himmelszelt?
Fliege mit ihr in die Fernen;
fliege mir ihr über Berg und Tal und Feld,
h/aoch zu dem Mond und den Sternen.
(Ref.): Pioniere, voran laßt uns vorwärts gehen […]
(3.): Heimat, o Heimat, wie bist du doch so schön,
liegst du zu unseren Füßen;
wenn wir voll Staunen durch deine Fluren gehn,
will jeder Schritt dich begrüßen!
(Ref.): Pioniere, voran laßt uns vorwärts gehen […]

Der Förderung der sozialistischen Moral dienen u.a. Mein Vorbild/Ob im Sommer unsre Zelte, Nimm die Hände aus der Tasche, Das Lied, das uns allen gefällt und Mein blaues Halstuch. Die in einigen dieser Lieder vorgestellten Verhaltensweisen können auch gänzlich unpolitisch gedeutet werden. So fordert etwa das hier abgedruckte Lied Nimm die Hände aus der Tasche[47] zur Zivilcourage auf:

Nimm die Hände aus der Tasche
Text: Richard Hambach; Musik: Thomas Natschinski
(1.): Wenn ein Großer einem Kleinen auf dem Schulhof eine braut,
wenn aus Gärten oder Hainen einer Blumensträuße klaut.
Wenn im Park ein starker Otto nach Laternenscheiben schmeißt,
dann gilt immer unser Motto und das heißt:
(Ref.): Nimm die Hände aus der Tasche, sei kein Frosch und keine Flasche,
zieh nicht Leine, das ist deine Sache hier.
Nimm die Hände aus der Tasche, sei kein Frosch und keine Flasche,
nimm die Hände aus der Tasche, Pionier!
(2.): Wenn die Ina vor dem Hause bei 'ner Fahrradpanne flennt,
wenn die Omama von Krause mit zwei Kohleeimern rennt.
Wenn im Herbst 'ne steife Brise unsern Schulzaun niederreißt,
dann gilt immer die Devise und die heißt:
(Ref.): Nimm die Hände aus der Tasche […]
(3.): Wenn dein Nebenmann in Mathe wie beim Trockenkursus schwimmt,
wenn der Lutz, die lange Latte sich mit Schummelzetteln trimmt.
Wenn dich selber in der Krise mal der Faulheitsfimmel beißt,
dann gilt immer die Devise und die heißt:
(Ref.): Nimm die Hände aus der Tasche […]

[/S.15:]
Auch hier liegt ein besonderer Reiz des Unterrichts darin, den Kontext einzubeziehen. Was kann Zivilcourage allgemein und was in der sozialistischen Gesellschaft im Speziellen meinen? Und werden nicht auch in der Bundesrepublik solche Tugenden wieder gefordert?[48]

Lieder der Opposition (80er-Jahre)

Weil Fundamentalkritik im öffentlichen Raum der DDR nicht möglich war, blieben Oppositionellen in der DDR nur die Möglichkeiten, den Weg über die Auslandspresse zu versuchen, was allerdings nicht risikofrei war, sondern mit dem Strafgesetz kollidierte, selbst einen Ausreiseantrag zu stellen und zu hoffen, dass diesem schnell stattgegeben wurde, oder aber die Zensurbestimmungen auf kreative und subtile Art zu unterlaufen. Letzteres schien vielen DDR-Künstlern auch deshalb angezeigt, weil sie sich selbst als Sozialisten verstanden, die DDR für den besseren deutschen Staat hielten und lediglich mit der "Herrschaft der alten Männer" und bestimmten Auswüchsen der Herrschaftspraxis nicht einverstanden waren. Diese Einschätzungen sind auch heute noch bei nicht wenigen ehemaligen DDR-Bürgern vorhanden, die nicht nur die soziale Absicherung eines "(spät-)totalitären Versorgungs- und Überwachungsstaates"[49] vermissen, sondern auch die Geborgenheit einer solidarischen Gesellschaft, deren Kehrseite freilich genau die Versorgungsmängel und der Stasi-Staat waren, deren man nun ledig ist.

Ausdruck der Verbundenheit vieler Intellektueller und Künstler mit der DDR war jedenfalls auch der Aufruf "Für unser Land"[50]. Er ist der Dreh- und Angelpunkt zum Verständnis vieler DDR-Bürger, die zwar den Osten, so wie er war, nicht mehr wollten, den Westen, so wie er ist, aber auch nicht.

Obwohl also viel grundlegendes Verständnis für den eigenen Staat und Stolz auf das unter schwierigen Umständen Erreichte da war und heute wieder verstärkt da ist[51], so ist die DDR doch von ihrer eigenen Bevölkerung abgeschafft worden. Hier scheinen auch die Grenzen der Indoktrination auf. Ed Stuhler, dessen Texte vom Liedermacher Arno Schmidt gesungen wurden und werden, spricht von den "zwei Wahrheiten", mit denen ein DDR-Bürger zurechtkommen musste: "Das eine sagen und das andere denken".[52][/S.16:] Genau diese kollektive - wenn man so sagen darf - "Schizophrenie" gehörte zu den Überlebensstrategien in der SED-Diktatur.

Dem entsprachen auch die eingesetzten künstlerischen Mittel. Die Künstler arbeiteten häufig mit Andeutungen und pflegten die Kunst des "Zwischen den Zeilen Schreibens". Gegen Ende der DDR trauten sich dann aber sogar die vorher Linientreuen deutlicher zu werden und Fehlentwicklungen beim Namen zu nennen.[53] Es lag nicht an den Künstlern, wenn sich die DDR als reformunfähig erwies.[54] Die SED-Führung - mit einem Durchschnittsalter des Politbüros jenseits der Pensionierungsgrenze - war unfähig, rechtzeitig die Konsequenzen zu ziehen und jüngeren Funktionären Platz zu machen, die dann Reformen einleiten hätten können. Ob damit die bankrotte DDR freilich zu retten gewesen wäre, ist mehr als zweifelhaft.

Im Sieg der friedlichen Revolution und in den kreativen Mitteln der Opposition spiegelt sich - trotz aller eingesetzten polizeilichen und geheimdienstlichen Mittel[55] - auch so etwas wie die Selbstaufgabe eines Regimes, das seiner stärksten Stütze beraubt - der Rückendeckung der UdSSR - sich nicht mehr traute, gegen das eigene Volk, das man jahrzehntelang paternalistisch in Unmündigkeit gehalten hatte, mit Waffengewalt vorzugehen. Dass die "chinesische Lösung", die durchaus möglich gewesen wäre, nicht gewählt wurde, hängt einerseits mit Vernunft zusammen, andererseits aber auch mit der Unsicherheit der Parteiführung. Den "Sozialismus in seinem Lauf" hielten tatsächlich weder "Ochs noch Esel" (Erich Honecker), sondern die auf, die an ihm zu leiden hatten: die eigenen Bürger. Angesichts einer Massenbewegung der "Undankbaren" blieb eigentlich nur noch die Resignation deren, die daran glaubten, doch "alle Menschen" zu lieben (Erich Mielke) - oder es zumindest vorgaben.

Hier sollen exemplarisch zwei Lieder der Opposition vorgestellt werden: Gerhard Schönes Geil geil geil (1986) und Arno Schmidts So ungefähr (1986).

Gerhard Schöne (geb. 1952)[56] war der erfolgreichste Liedermacher der DDR und in der Wende vor allem aufgrund seines "netten Humanismus"[57] hoch angesehen. Er erarbeitete sich zunächst durch kirchliche und dann Klub-Auftritte Prominenz. Die Auflage seiner Platten übertraf sogar die der meisten DDR-Rockbands. Das Lied Mit dem Gesicht zum Volke[58] wurde auch als Hymne der Wende bezeichnet. In ihm verarbeitet er persönliche Erlebnisse aus dem sandinistischen Nicaragua und empfiehlt sie zum Import in die DDR. Hier aber soll Geil geil geil[59] behandelt werden:[/S.17:][/S.18:]

Geil geil geil
Text und Musik: Gerhard Schöne
(1.): Papa geht zum Kühlschrank, und die Mutti guckt fern,
und der Ringo sagt: "Ich geh noch auf 'nen Sprung!"
"Wie die Hottentotten sieht der aus in die Klamotten!"
"Papa, laß ihn. Wir war'n alle einmal jung."
Ringo sagt "Tschau!", und er denkt: "Die blöde Sau,
lappt mich voll, und selber säuft er wie ein Hai!"
Und er geht seinen Weg gradezu zur Discothek.
Ein paar spitze Bräute sind bestimmt dabei.
(Ref.): Geil geil geil! O Omi, halt mich fest! Dieser Typ ist cool cool cool!
(2.): Ringo kennt den Einlaß, darum isser schnell drin,
und er holt sich eine Cola mit viel Schuß.
Eine Menge Leute und auch wirklich heiße Bräute,
doch die heißesten, die reden meistens Stuß.
Er geht zum Klo, und da kämmt er sich die Cola
ins Haar, bis seine Mähne richtig steht.
"Bist du krank", sagt ein Schrank, "machst du hier auf Sonntagspunk?"
Ringo überhört das einfach ganz diskret.
(Ref.): Geil geil geil! […]
(3.): Ringo sieht 'ne Kirsche, und auf die isser spitz,
und er rempelt sie mit seinem coolen Charme.
Leider Fehlanzeige! Er trinkt noch ein Glas zur Neige.
Plötzlich rempelt Ringo einer an den Arm.
Der raucht "Stuyvesant" und hat Westgeld in der Hand,
und der sagt: "Eh, Alter, ich spendier 'nen Drink!"
Ringo strahlt, weil der zahlt, und schluckt alles, was der prahlt,
daß der Osten keine Safisfaction bringt.
(Ref.): Geil geil geil! […]
(4.): Ringo lernt vom Dieter aus'm Westen dies und das,
und vor allem, wie der Trend jetzt drüben sei.
Diese Friedensmasche ist jetzt alles kalte Asche,
und die ganze Umweltknete ist vorbei!
Dieter sagt: "Nur 'ne persönliche Frisur
und Klamotten von Bruce Coolman wären toll."
Ringo nickt, und er blickt nach der Uhrzeit und erschrickt,
weil er noch zu Haus 'nen Aufsatz schreiben soll.
(Ref.): Geil geil geil! […]
(5.): Mama schläft beim Fernsehn, und der Papa ist steif,
und der Ringo schleicht sich auf sein Zimmer rauf.
Jetzt schreibt er beflissen, denn die wolln sein Vorbild wissen,
und als Klassenbester hat er sowas drauf:
Echter Prolet, der zu seiner Sache steht,
der Kortschagin war ein Held der neuen Zeit,
und er wär gern wie er, solch ein Revolutionär
und von solch einer Prinzipienfestigkeit!
(Ref.): Geil geil geil! […]

Das Lied spricht Jugendliche unmittelbar an. Es ist auf die sozialistische Erziehung und deren Mängel in der Praxis gemünzt. Was als normales Lied über Pubertät, jugendliches Verhalten und Generationenkonflikte beginnt, kippt im zweiten Teil in ein politisches Lied um, das im dritten Teil eine entscheidende Wende nimmt. Um die hier formulierte Kritik verstehen zu können, ist es wichtig zu wissen, wer der im Lied erwähnte "Kortschagin" war und welche Rolle er in der DDR spielte.

Pawel Kortschagin ist der Held des Romans "Wie der Stahl gehärtet wurde" von Nikolai Alexejewitsch Ostrowski (1904-1936).[60] Das Buch gehörte zu den Pflichtlektüren der Schule in der DDR. Darin geht es um einen blinden, durch eine Gelenkerkrankung ans Bett gefesselten Schriftsteller. Hieran knüpften Diskussionen und Bekenntnisaufsätze[61] um Heldentum und Opferbereitschaft, um Mut und Moral des Revolutionärs an. Die Hauptperson setzt sich im russischen Bürgerkrieg aufopferungsvoll für die revolutionäre Sache ein und erkrankt deshalb an Typhus und Lungenentzündung, die seine Erblindung zur Folge haben.[/S.19] Dennoch gibt er nicht auf und verfasst mit Hilfe einer Zeilenschablone seine Autobiographie. Wer Kortschagin aufs Korn nimmt, der legt die Axt an die Wurzel sozialistischer Erziehung.

Arno Schmidt (geb. 1955)[62] war als Liedermacher in der DDR weniger bekannt und erfolgreich als Gerhard Schöne. Er arbeitet seit 1981 mit dem Texter Ed Stuhler zusammen. Bis 1989 wurde ihm von der DDR-Plattenfirma AMIGA nur eine LP-Produktion zugestanden - und das wohl auch nur im Zusammenhang mit der Ausbürgerung des Liedermachers Stephan Krawcyk 1988.[63] Allerdings entstand eine Reihe von Live-Programmen. Aus dem Programm "Aber fliegen" stammt So ungefähr[64]:[/S.20:]

So ungefähr
Text: Ed Stuhler; Musik: Arno Schmidt
(1.): Ich geh auf irgendeiner Straße, in irgendeiner großen Stadt
Und komme gar nicht aus dem Staunen, wie bunt und lebhaft man's hier hat.
Die Leute sitzen auf Terrassen, dabei ist es gleich Mitternacht.
Mit all der grauen Langeweile hat man hier gründlich Schluss gemacht.
(Ref.): So ungefähr, ungefähr, stell' ich mir vor, wie das wär'.
Ich hoffe doch, hoffe doch, ich werd' so alt und erleb' es noch.
(2.): Und in der Zeitung steht geschrieben, was mich total neugierig macht,
und nicht, was man mir gnädig zuteilt, Berichte von der Ernteschlacht.
Und dieses seitenlange Gähnen, was jeder so für Titel hat.
Eh ich die erste Seite durch hab', bin ich schon immer pappesatt.
(3.): Ich schalt' die Glotze an und stutze und mir wird um das Herz so warm.
Auf unserm Sender spricht da einer die Nachrichten mit Witz und Charme.
Es ist nicht nur der neue Tonfall, das was er sagt, berührt mich auch,
So dass der schöne Zustand eintritt, dass ich kaum andre Quellen brauch'.
(Ref.): So ungefähr, ungefähr, stell' ich mir vor, wie das wär'.
Ich hoffe doch, hoffe doch, ich werd' so alt und erleb' es noch.
(4.): Die Schule ist ein Ort des Streites, und Wohlverhalten kennt man nicht.
Nur der ist "Sehr gut" in Betragen, der seinen Lehrern widerspricht.
Am meisten zählt die eigene Meinung und wird am höchsten honoriert.
Wer immer in der Mitte mitschwimmt, wird nicht mehr, wie bisher, prämiert.
(5.): Und was man in der Schule vorgibt, bestimmt dann später das Niveau.
In Staat und Wirtschaft wird entschieden mit Fantasie und Risiko.
Die ganze Welt ist voller Staunen und wundert sich noch immer mehr.
Seit Jahren geht nun der Nobelpreis an Forscher aus der DDR.
(Ref.): So ungefähr, ungefähr, stell' ich mir vor, wie das wär'.
Ich hoffe doch, hoffe doch, ich werd' so alt und erleb' es noch.
(6.): Kein Käufer stellt sich mehr in Schlangen, und kein Gast lässt sich mehr platzier'n
So wie eine Herde Hammel, die in der Kälte steh'n und frier'n.
Und auf den Ämtern die Beamten, die sind für die Bürger da,
Und nicht der umgekehrte Zustand, so wie's in Preußen immer war.
(7.): Bei "Jugend reist" verkauft man billig mir eine Schiffsfahrt um's Kap Horn.
Und wenn mein Kies trotzdem nicht ausreicht, dann nehm' ich eben Kühlungsborn.
Den Reisepass hab ich schon lange, mit nem Dauervisum drin.
Doch komisch, seitdem das geklärt ist, zieht's mich wo anders kaum noch hin.
(Ref.): So ungefähr, ungefähr, stell' ich mir vor, wie das wär'.
Ich hoffe doch, hoffe doch, ich werd' so alt und erleb' es noch.
(8.): Und überhaupt, es herrscht ein Klima der Freundlichkeit und Toleranz.
Der Sänger wird nicht mehr bemisstraut, den Dichter akzeptiert man ganz.
Die Wälder sind gesund und munter, der Frieden hat Bestand und Kraft
Und unsre berühmte Mannschaft gewinnt die Fußballweltmeisterschaft.
(Ref.): So ungefähr, ungefähr, stell' ich mir vor, wie das wär'.
Ich hoffe doch, hoffe doch, ich werd' so alt und erleb' es noch.
So ungefähr, ungefähr, stell' ich mir vor, wie das wär'.
Ich hoffe doch, hoffe doch, ich wird' so alt und erleb' es noch.

So ungefähr ist nach eigener Aussage von Arno Schmidt[65] bewusst auf Pointe gebaut und gibt Wünsche, Hoffnungen und Vorstellungen vieler DDR-Bürger wieder. Ihm und Ed Stuhler sei es nicht um verbrämtes Kritisieren gegangen, sondern um Veränderung - und letztlich auch Erhalt - des Sozialismus mit realen Visionen. Man wollte sich und dem eigenen Publikum Mut machen, Undenkbares zu denken, Unformuliertes zu formulieren, den Spaß am Einmischen und Aufmüpfigsein vermitteln, eine Art von Gemeinsinn herstellen, dass man mit seinen Nöten, seinen Ängsten, seiner Wut und seinem Lachen nicht allein sei. Dazu passen dann die Aufrufe "Für unser Land"[66] - mitsamt der Reaktionen von DDR-Bürgern darauf - und die Resolution der Rockmusiker der DDR "Die Zeit ist reif"[67].[/S.21:]

Vorschläge für weitere Unterrichtseinheiten (in Stichworten)

Thema deutsche Einheit und sozialistisches Vaterland:
Nationalhymne der DDR: Verfassungsentwicklung der DDR - Wiederaufgreifen des Textes im Vereinigungsprozess (Demonstrationen: "Deutschland, einig Vaterland"); Hymnendiskussion nach Vereinigung; Oktoberklub: Da sind wir aber immer noch und Reinhold Andert: Vaterlandslied.

Thema Partei:
SED-Hymne: Lied der Partei, Lob der Partei - Textauszüge aus Arthur Koestlers "Sonnenfinsternis" und Bertolt Brechts "Die Maßnahme" - Führungsanspruch der SED laut DDR-Verfassung und Statuten - Organisation nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus - Totalitarismustheorie.

Thema Personenkult:
Lieder für verdiente Genossen (Personenkult): Stalin, Thälmannlied, Oktoberklub: Ho Chi Minh - Bildquellen: z.B. Thälmanndenkmal am Thälmannpark in Berlin - Kontrastierung mit Parodie und Opposition: G. Schöne: Geil geil geil oder "Pankow": Langeweile (alte Männer).

Thema Lieder für Symbole von Partei und Arbeiterklasse:
Lieder der Partei, insbesondere aber der Pionierorganisation und der FDJ: Lied von der blauen Fahne, Fahnenlied, Ich trage eine Fahne, Wir sind überall, Mein blaues Halstuch, Jetzt bin ich Junger Pionier - Vergleich mit Liedern der NSDAP und HJ: Unsere Fahne flattert uns voran.

Thema Kontrolle der Musikproduktion:
Entpolitisierung: z.B. Volksmusik - Herbert Roth: Rennsteiglied - und Schlager - Frank Schöbel: Wie ein Stern, Helga Hahnemann: Hier kommt dein Süßer, Nina Hagen: Du hast den Farbfilm vergessen; Vergleich mit der Bundesrepublik; Schwerpunkt: Instrumente der Kontrolle und Phasen der Kontrolle sowie Kommerzialisierung.

Thema der "Kater" in der Nach-Wende-Zeit:
Wenderfahrung und Zielsetzung der Künstler in der Wendezeit - Aufruf zur Mitarbeit, Demokratisierung des Sozialismus, Beteiligung an Demonstrationen und Meinungsführerschaft - Verarbeitung der Wende; z.B. "Silly": Halloween in Ostberlin und Flut; Arno Schmidt: Was nun, Damals und Eigentlich.

Tonträger mit Liedern aus der DDR (kommentierte Auswahl)

Die beiden zunächst vorgestellten Sampler gehören zur Grundausstattung bei der Beschäftigung mit Liedern aus der DDR, wenn Partei, Massenorganisationen und Staat im Mittelpunkt des Interesses stehen. Um einen besseren Eindruck von ihrer Verwendbarkeit zu geben, wird der Inhalt komplett aufgeführt.

Die Partei hat immer recht (CD; Hansa Amiga; 1996)
Die CD enthält zentrale Lieder der Partei (Lied der Partei) und Massenorganisationen (Thälmannlied, Pioniere voran) sowie Kurioses, so z.B. eine Parodie auf Pack die Badehose ein und eine Komposition zu Worten Erich Honeckers (Text: Heiner Müller) Gruß an die Partei. Das Booklet informiert über die Lieder und ist höchst informativ.

  1. Nationalhymne der DDR (1949) (2:55 min.)
  2. Stalin, Freund, Genosse (1949) (3:05 min.)
  3. Lied von der Blauen Fahne (1950) (2:01 min.)
  4. Lied der Partei (1950) (3:23 min.)
  5. Thälmannlied (1951) (3:24 min.)
  6. Fritz, der Traktorist (1952) (2:21 min.)
  7. Pack' die Badehose ein (1952) (1:43 min.)
  8. Höre, Kind vom Schwabenland (1954) (2:07 min.)
  9. Über die Elbe geh'n meine Gedanken (1958) (3:59 min.)
  10. Marsch der Nationalen Volksarmee (1958) (1:32 min.)
  11. Jetzt bist du in der LPG (1960) (2:17 min.)
  12. Wenn die Kastanien und der Flieder wieder blüh'n (1960) (3:42 min.)
  13. Wir sind wachsam (1961) (2:27 min.)
  14. Die 13 (1961) (3:16 min.)
  15. Jung sind die Linden (1966) (2:15 min.)
  16. Affenschande (1961) (1:01 min.)
  17. Mit Walter Ulbricht kämpft sich's gut (1961) (2:46 min.)
  18. Pioniere voran (1958) (2:23 min.)
  19. Überlegung (1968) (2:27 min.)
  20. Lenin, unser Freund (1969) (1:52 min.)
  21. Wir tragen die roten Spiegel I (2:27 min.)[/S.22:]
  22. Wir tragen die roten Spiegel II (2:33 min.)
  23. Kundschafterlied (1986) (4:12 min.)
  24. Gruß an die Partei (1976) (8:42 min.)
  25. Wenn Leute unser Land verlassen (1988) (2:37 min.)
  26. Kinderhymne (1950) (1:35 min.)

Fröhlich sein und singen (CD; BMG; 1998)
Die CD enthält neben den gängigen Liedern der Pionierorganisation (z.B. Auf zum Sozialismus) auch Erich Honeckers Lieblingslied (Der kleine Trompeter). Zwischentexte mit Originalaufnahmen aus dem Pionierleben (Pioniergelöbnis, Selbstverpflichtung, Sammelaktion) und ein informatives Booklet ergänzen die sehr gute Zusammenstellung.

  1. Pionierfanfare (0:19 min.)
  2. Hereinspaziert (0:10 min.)
  3. Auf zum Sozialismus (Fröhlich sein und singen) (1:54 min.)
  4. Lied vom kleinen Trompeter (Von all unseren Kameraden) (2:23 min.)
  5. Pioniergelöbnis (0:49 min.)
  6. Pioniermarsch (Wir tragen die blaue Fahne) (2:31 min.)
  7. Jetzt bin ich Junger Pionier (1:11 min.)
  8. Blaue Wimpel im Sommerwind ( Liebe Heimat, deine Weiten) (1:42 min.)
  9. Unsere Lehrer leben hoch (0:22 min.)
  10. Das Lied, das uns allen gefällt (Wie und wann) (2:17 min.)
  11. Heut ist ein wunderschöner Tag (1:49 min.)
  12. Es wollen zwei auf Reisen gehen (2:27 min.)
  13. Kartoschka (1:32 min.)
  14. Pioniergedicht (0:50 min.)
  15. Unsre Heimat (2:04 min.)
  16. Kleine weiße Friedenstaube (1:34 min.)
  17. Pioniere und internationale Solidarität (0:36 min.)
  18. Über allen strahlt die Sonne (1:03 min.)
  19. Lied der jungen Naturforscher (Die Heimat hat sich schön gemacht) (2:18 min.)
  20. Wenn Mutti früh zur Arbeit geht (1:10 min.)
  21. Gute Vorsätze (0:19 min.)
  22. Mein blaues Halstuch (Mein Schmuck ist mein Halstuch) (1:02 min.)
  23. Lied vom Drahtesel (Kling, Klingeling) (1:33 min.)
  24. Aus dem Rechenschaftsbericht einer Pioniergruppe (0:45 min.)
  25. So ist ein Pionier (4:51 min.)
  26. Unsere Patenbrigade (Kinder, welch ein Glück) (2:16 min.)
  27. Der Volkspolizist (Ich stehe am Fahrdamm) (1:41 min.)
  28. Pioniere stillgestanden… (0:08 min.)
  29. Soldaten sind vorbeimarschiert (Gute Freunde) (3:52 min.)
  30. Hör ich die Soldaten singen (1:58 min.)
  31. Immer lebe die Sonne (2:58 min.)
  32. Rodellied (Schneemann baun und Schneeballschlacht) (1:34 min.)
  33. Vorwärts Junger Pionier (Wir sind jung und unsre Kraft) (1:15 min.)
  34. Gute Taten (0:20 min.)
  35. Hab'n Se nicht noch Altpapier (2:48 min.)
  36. Nimm die Hände aus der Tasche (2:36 min.)
  37. Pioniergelöbnis (1:03 min.)
  38. Pioniere voran (Hell scheint die Sonne) (2:21 min.)

Empfehlenswert sind u.a. auch folgende CDs und CD-Sampler zu Gruppen und Liedermachern der DDR:

Jugendliebe. Das waren unsere Hits (Doppel-CD; BMG; 1994)
Die Doppel-CD gibt einen guten Einblick in die Schlager- und Popmusik-Produktion der DDR. Vertreten sind u.a. Karat, Puhdys und Nina Hagen. Inzwischen ist die Reihe bis zu Volume 4 fortgesetzt worden.

Oktoberklub: Das Beste (CD; BARBArossa; 1995) und Life (CD; Nebelhorn; 1996)
Die CDs enthalten die wichtigsten Aufnahmen des bekanntesten Singeklubs der DDR (Lied vom Vaterland, Tag der großen Arbeit u.a.). Dabei sind auch regimekritische Lieder aus der Endphase der DDR (Die Verantwortung, Unmut wächst trotz aller Mühe).

Arno Schmidt: Keine Zeit und Gnadenlos Fröhlich (CD; Buschfunk; 1993 und 1994)
Die beiden CDs reflektieren u.a. Probleme der Lebensführung in der DDR (Helden, Sommer 61, Rote Göttin) und im wiedervereinigten Deutschland (Neue Bewirtschaftung, Goldgräber).

Gerhard Schöne: Live. Du hast es nur noch nicht probiert (2 CD; Buschfunk 2002)
Es handelt sich dabei um die Wiederauflage der Doppel-LP von 1987, die in der Wendezeit in der DDR eine große Rolle spielte und u.a. die Lieder Mit dem Gesicht zum Volke und Du hast es nur noch nicht probiert enthält.

Silly: Best of silly vol. 1 und vol. 2 (CD; BMG; 1996 und 1997)
Die beiden CDs enthalten Lieder von Silly (Sängerin: Tamara Danz) aus der DDR (S.O.S.) und der Nachwendezeit (Halloween in Ostberlin). Sie stehen damit einerseits für die Opposition in der DDR, andererseits für die enttäuschten Hoffnungen vieler DDR-Bürger.

Anmerkungen/Literatur

1) Deutsche Shell (Hrsg.): Jugend 2000. Bd.1. Opladen 2000, S. 205 ff.
2) Rauhut, Michael: Die Entwicklung der Unterhaltungsmusik in der DDR (Rock, Jazz) und im Transformationsprozeß. In: Deutscher Bundestag (Hrsg.): Materialien der Enquete-Kommission "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit" (13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages). Acht Bände in 14 Teilbänden. Band IV, 2: Bildung, Wissenschft, Kultur. Baden-Baden 1999, S. 1784 f.
3) Amos, Heike: Auferstanden aus Ruinen … Die Nationalhymne der DDR 1949 bis 1990. Berlin 1997.
4) Rauhut, Michael: Rock in der DDR. 1964-1989. Bonn 2002.
5) Lied und soziale Bewegung (Hrsg.): Festival des Politischen Liedes. Berlin/DDR 1970-1990. Daten+Dokumente. Berlin 1999.
6) Freytag, Siegfried: Vom Massenlied zum Klassenlied. Zur Entwicklung eines Liedgenres. In: Musik & Bildung, 5/1992, S. 26-30.
7) Steinitz, Wolfgang: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten. Band I und Band II. Berlin 1979; zur Wirkungsgeschichte: Brednich, Rolf Wilhelm: Zur Rezeption von Wolfgang Steinitz' "Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten" in der Bundesrepublik Deutschland. In: Jahrbuch fuer Volkskunde und Kulturgeschichte, 23/1979, S. 141-148.
8) Vgl. z.B. Adamek, Karl: Lieder der Arbeiterbewegung. LiederBilderLeseBuch & Gitarrenschule von Kalle Pohl. Frankfurt am Main 1981; Ders.: Politisches Lied heute. Zur Soziologie des Singens von Arbeiterliedern. Empirischer Beitrag mit Bildern und Noten. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem Institut für musikalische Volkskunde der Universiztät Köln. Essen 1987 (= Schriften des Fritz-Hülser-Instituts für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur der Stadt Dortmund. Reihe 2: Forschungen zur Arbeiterliteratur, Bd. 4).
9) Vgl. dazu die Übersicht auf http://www.uni-muenster.de/GeschichtePhilosophie/Geschichte/hist-dida/Bu....
10) Sievritts, Manfred: Lied - Song - Chanson. Band 2: Politisch Lied, ein garstig Lied? Unter Mitarbeit von Peter Mühlbauer. Materialheft zu Musikdidaktik. Grundband 1. Wiesbaden 1984 (= Musikdidaktik. Materialien für den Musikunterricht).
11) Schulz-Hageleit, Peter, Wolter, Frank: Lieder für den historisch-politischen Unterricht. In: Geschichtsdidaktik, 2/1983, S. 179-187.
12) Geschichte lernen, Heft 50: Lieder im Geschichtsunterricht. 9/1996; darin: Sauer, Michael: Lieder im Geschichtsunterricht, a.a.O., S. 4-10.
13) Beddig, Rainer: Das historisch-politische Lied. Seine Funktion und sein medialer Ort. In: Pandel, Hans-Jürgen, Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Düsseldorf 1985, S. 371-386; Klenke, Dietmar: Musik. In: Pandel, Hans-Jürgen, Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. 2. Auflage. Schwalbach/Ts. 2002, S. 407-450.
14) Mickel, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch zur politischen Bildung. Bonn 1999 (= Schriftreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 358).
15) Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Politikunterricht im Informationszeitalter. Bonn 2001 (= Schriftreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 374).
16) George, Siegfried: Lied. In: Weißeno, Georg (Hrsg.): Lexikon der politischen Bildung. Band 3: Kuhn, Hans-Werner, Massing, Peter (Hrsg.): Methoden und Arbeitstechniken. Schwalbach/Ts. 2000, S. 102.
17) Kandel, Johannes: "Say you want a revolution": Rockmusik, Politik und politische Bildung. In: kursiv - Journal für politische Bildung, 2/1997, S. 24-31.
18) Beddig, Rainer: Das historisch-politische Lied, a.a.O.; Flechsig, Hartmut: Revolution und Romantik in Deutschland. Politische und andere Lieder aus der Zeit von 1813 bis 1848. Regensburg 1980; Ott, Ulrich: Die historisch-politischen Lieder und Karikaturen des Vormärz und der Revolution von 1848/49. Köln 1982.
19) Eine Erklärung für diese Schwerpunktsetzung dürfte im Siegeszug der Oral History und solcher TV-Formate wie "History" und anderer Sendungen von Guido Knopp beim ZDF liegen. Auch nimmt die Gelegenheit zur Befragung von Zeitzeugen aus der NS-Zeit immer mehr ab, was eine gewisse "Torschlusspanik" bewirkt. Vgl. Brade, Anna Christine, Rhode-Jüchtern, Tilmann: Das völkische Lied. NS-Indoktrination der Jugend durch Musik. Bielefeld 1991; Frommann, Eberhard: Die Lieder der NS-Zeit. Untersuchungen zur nationalsozialistischen Liedpropaganda von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg. Köln 1999 (= PapyRossa-Hochschulschriften, Bd. 26); Niessen, Anne: "Die Lieder waren die eigentlichen Verführer!" Mädchen und Musik im Nationalsozialismus. Mainz u.a. 1999; Niedhart, Gottfried, Broderick, George (Hrsg.): Lieder in Politik und Alltag des Nationalsozialismus. Frankfurt am Main u.a. 1999; Roth, Alfred: Das nationalsozialistische Massenlied. Untersuchungen zu Genese, Ideologie und Funktion. Würzburg 1993 (= Epistemata. Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft, Bd. 112); Wimmer, Fridolin: Das historisch-politische Lied im Geschichtsunterricht. Exemplifiziert am Einsatz von Liedern des Nationalsozialismus und ergänzt durch eine empirische Untersuchung über die Wirkung dieser Lieder (= Europäische Hochschulschriften, R. XI, Bd. 587). Frankfurt am Main 1993.
20) Ein Aspekt dabei ist auch die Selbstdarstellung von Musikpädagogen der DDR und die Erinnerungsliteratur zur Singebewegung, die schon zu DDR-Zeiten einsetzte; vgl. Bimberg, Siegfried: Lieder von Wende zu Wende. Das deutsche Gemeinschaftslied im 20. Jahrhundert. Essen 1998 (= Musikwissenschaft/Musikpädagogik in der Blauen Eule, Bd. 34); Kirchenwitz, Lutz (Hrsg.): Lieder und Leute. Die Singebewegung der FDJ. Berlin 1982; Ders.: Folk, Chanson und Liedermacher in der DDR. Chronisten, Kritiker, Kaisergeburtstagssänger. Berlin 1993; Maerz, Jürgen (Hrsg.): Singe in der DDR. Variante Frankfurt - ein Bewegungsbuch. Frankfurt (Oder) 2002.
21) Diester, Annette: "Die Partei hat immer recht". Sozialistische Massenlieder in der DDR. In: Geschichte lernen, Heft 50: Lieder im Geschichtsunterricht. 9/1996, S. 59-62.
22) Goll, Thomas: Herrschaftssicherung und Opposition - Aspekte der DDR-Geschichte in ihren Liedern. Freising 2004 (= Unterrichts-Konzepte Geschichte; Ergänzung 16).
23) Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (Hrsg.): Agitprop-Lieder aus der Sowjetzone. Bonn 1962; Hagelweide, Gert: Das publizistische Erscheinungsbild des Menschen im kommunistischen Lied. Eine Untersuchung der Liedpublizistik der KPD (1919-1933) und der SED (1945-1960). Bremen 1968; König, Helmut: Rote Sterne glühn. Lieder im Dienste der Sowjetisierung. Bad Godesberg 1955; Leitner, Olaf: Stimmungskanonen für die Kämpfe der Zeit. Die Unterhaltungskunst der DDR 1984. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 21/84, S. 3-16.
24) Vgl. dazu exemplarisch: Textbücher Deutsch: Politisches Lied. Textauswahl besorgt von Dietrich Scheerer. Mit Lehrerbegleitheft. Freiburg, Basel, Wien 1977. Wenn hier trotz dieser Kritik auch keine Noten abgedruckt werden, so liegt das an den damit verbundenen Kosten, die für Abdruckgenehmigungen an die Musikverlage zu entrichten sind.
25) Bimberg, Siegfried: Nachhall. 44 Jahre Schulmusik nach Marx und Lenin. Reflexionen zur Musikpädagogik in der DDR. 2 Bände. Essen 1996 (= Musikwissenschaft/Musikpädagogik in der Blauen Eule, Bde. 22 und 27); Kraemer, Rolf-Dieter (Hrsg.): Musikpädagogik/Musikdidaktik in der ehemaligen DDR. Eine Textdokumentation. Essen 1992 (= Studien zur Musikpädagogik, Bd. 2); Neitmann, Erich: Das politische Lied im schulischen Musikunterricht der DDR. Frankfurt am Main, Bern 1982 (= Europäische Hochschulschriften, R. XI, Bd. 132); Siedentop, Sieglinde: Musikunterricht in der DDR. Musikpädagogische Studien zu Erziehung und Bildung in den Klassen 1 bis 4. Augsburg 2000 (= Forum Musikpädagogik, Bd. 33).
26) Die allgemeinen Überlegungen fußen auf den Anregungen von Rainer Beddig (Das historisch-politische Lied, a.a.O.), Dietmar Klenke (Musik, a.a.O.), Michael Sauer (Lieder im Geschichtsunterricht, a.a.O.) und Manfred Sievritts (Lied - Song - Chanson, a.a.O.) sowie eigenen Erfahrungen des Verfassers aus der Unterrichtspraxis.
27) Vgl. dazu u.a. den Spiegel-Titel: Musik. Die Mathematik der Gefühle. Der Spiegel, 31/2003; s. auch die Beiträge der Zeitzeugen in der Podiumsdiskussion in diesem Band und das Buch von Barbara Felsmann: Beim Kleinen Trompeter habe ich immer geweint. Kindheit in der DDR - Erinnerungen an die Jungen Pioniere. Berlin 2003.
28) Politische Lieder sind solche, die schon zu ihrer Entstehung politisch gemeint waren und/oder so verstanden wurden.
29) Es liegt z.B. nahe, die in der DDR in Schlagern häufig gebrauchte Metapher des "Fliegens" (z.B. in den Liedern Nach Süden der Gruppe "Lift" oder Am Fenster von "City"; CD: Jugendliebe. Das waren unsere Hits. Amiga 1992) im Kontext mit dem Grenzregime zu interpretieren. Wo der Landweg versperrt ist, kann man sich immer noch in die Luft erheben.
30) Schwierigkeiten für die Praxis ergeben sich jedoch insbesondere im zweiten Fall, wenn die Lieder den strafrechtsrelevanten Vorwurf der Volksverhetzung erfüllen. Fridolin Wimmers Vorgehen (Das historisch-politische Lied im Geschichtsunterricht, a.a.O., S. 147 ff.) ist nur dann möglich, wenn Schulöffentlichkeit hergestellt, Eltern, Schulleitung und Kollegen also vorweg über das Untersuchungsziel und die Methodik informiert werden. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, die Schülerinnen und Schüler bestimmter Jahrgangsstufen zum Singen zu animieren.
31) Das Liederbuch der FDJ (7. Auflage. Berlin 1952) trägt deshalb auch den Titel "Leben - Singen - Kämpfen", das der Thälmann-Pioniere "Seid bereit!" (Leipzig o.J.).
32) Ein Beispiel für solch eine Fehlinterpretation erlebte der Verfassser in einem Universitätsseminar. Hartmut Königs (Text und Musik) Lied Sag mir, wo du stehst (1966) wurde von einigen Studenten systemkritisch interpretiert und der Bürgerrechtsbewegung der DDR zugeordnet. Hier der Text (FDJ-Liederbuch 1985. Berlin 1985, S. 164 f.), der diese Deutung nicht zulässt:

Sag mir, wo du stehst! Sag mir, wo du stehst!
Sag mir, wo du stehst und welchen Weg du gehst!
(1.): Zurück oder vorwärts, du mußt dich entschließen!
Wir bringen die Zeit nach vorn Stück für Stück.
Du kannst nicht bei uns und bei ihnen genießen,
denn wenn du im Kreis gehst, dann bleibst du zurück.
(Ref.): Sag mir, wo du stehst! […]
(2.): Du gibst, wenn du redest, vielleicht dir die Blöße,
noch nie überlegt zu haben, wohin.
Du schmälerst durch Schweigen die eigene Größe.
Ich sag' dir: Dann fehlt deinem Leben der Sinn!
(Ref.): Sag mir, wo du stehst! […]
(3.): Wir haben ein Recht darauf, dich zu erkennen,
auch nickende Masken nützen uns nicht.
Ich will beim richtigen Namen dich nennen.
Und darum zeig mir dein wahres Gesicht!
(Ref.): Sag mir, wo du stehst! […]


33) Zu bedenken ist aber, dass die Tonqualität nicht immer hinreichend gut ist. Auch ist jede Form von technischer Wiedergabe schon in gewisser Hinsicht eine Verzerrung, da der Originalkontext nicht wirklich präsent ist. Man sollte auch davon ausgehen, dass ein einmaliges Hören eines Liedes nie reicht, den Text zu verstehen, dass aber eine Textvorlage wiederum Aufmerksamkeit vom Lied selbst abzieht.
34) Hierzu bieten sich insbesondere Adjektivzirkel und Polaritätsprofil an; Wimmer, Fridolin: Wie man die Wirkung von Liedern untersuchen kann. In: Geschichte lernen, Heft 50: Lieder im Geschichtsunterricht. 9/1996, S. 6.
35) Schwieriger ist es außerhalb des Musikunterrichts und bei wenig geübten Schülern, den Ausdruckszusammenhang von Text und Musik durch eigenes Singen zu überprüfen. Aber man kann z.B. einen Text auf eine andere Melodie singen. Das ist etwa beim Deutschlandlied und der Hymne der DDR problemlos möglich und sollte hier auch eingesetzt werden, damit man z.B. zu kontrafaktischen Geschichtsdeutungen kommt, mit denen auch der Film Good Bye, Lenin! spielt. Wenn es in der jeweiligen Klasse bzw. im Kurs möglich ist, kann man letztlich auch nach musikalisch-technischen Mitteln fragen.
36) Solche Abende bieten sich z.B. zu den 60/70er Jahren in Ost und West an (Jugendrevolte, Rockmusik und Reaktion der "Eltern" - in der Bundesrepublik z.B. Beatlesmania und APO, in der DDR der Kahlschlagbeschluss von 1965, aber auch die "X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten" von 1973 in Ostberlin). Neben solchen epochenbezogenen Programmen kann man auch thematische zusammenstellen, so z.B. zu Frieden und deutscher Einheit, zur Opposition in der DDR oder zu Pionierorganisation und FDJ. Anregung dafür können folgende CDs sein: Die Freie Deutsche Jugend stürmt Berlin. Ein FDJ-Lieder-Abend. BARBArossa 1994/2000; Pionierlieder. Thomas Putensen und die Soireé-Session-Band. John Silver Production 1996/97; "Wenn Mutti früh zur Arbeit geht". Kinderlieder aus der DDR. BARBArossa 1999.
37) Vgl. dazu u.a. Gotschlich, Helga (Hrsg.): "Links und links und Schritt gehalten …". Die FDJ: Konzepte, Abläufe, Grenzen. Berlin 1994; Mählert, Ulrich, Stephan, Gerd-Rüdiger (Hrsg.): Blaue Hemden - Rote Fahnen. Die Geschichte der Freien Deutschen Jugend. Opladen 1996 (= Edition Deutschland Archiv); Walter, Michael: Die Freie Deutsche Jugend. Ihre Funktionen im politischen System der DDR. Freiburg i. Br. 1997 (= Freiburger Schriften zur Politikwissenschaft, Bd. 7).
38) Statut der Pionierorganisation "Ernst Thälmann".
39) Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 5, 31.01.1974, S. 48 ff.
40) Vgl. dazu den Stellenwert der Musik in den Filmen Sonnenallee und Good Bye, Lenin!, die "Schwemme" an Samplern zur Musik in der DDR ("Das waren unsere Hits"; s. Anhang) sowie die Dokumentation zum Podiumsgespräch in diesem Band.
41) Lesebuch. Klasse 2. Berlin 1975, S. 71.
42) Friedrich, Wolfgang-Uwe: DDR. Deutschland zwischen Elbe und Oder. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1989, S. 221 ff.
43) Rat für Räte. Herausgegeben vom Pionierpalast "Ernst Thälmann" im Auftrag des Zentralrates der FDJ über Verlag Junge Welt. 5., überarbeitete Auflage. Berlin 1981, S. 137 ff. und S. 207 ff.
44) Rusch, Claudia: Meine freie deutsche Jugend. Mit einem Text von Wolfgang Hilbig. Frankfurt am Main 2003, S. 20-24: Die Hauptabteilung VIII im Märchenwald: Die Erzählerin - Tochter einer Dissidentin - beschreibt, wie sie als Kind nachts durch einen Wald läuft, um heimlich ihre Großmutter vom Bahnhof abzuholen. Dabei folgen ihr verdeckt sowohl die Staatssicherheitskräfte, die ihre Familie überwachen, als auch ihre Mutter. Um sich im dunklen Wald Mut zu machen, singt sie voller Inbrunst Gute Freunde/Soldaten sind vorbeimarschiert.
45) Ablesbar ist das besonders gut an Unsre Heimat; vgl. dazu den Beitrag von Friedhelm Brusniak und die Dokumentation der Podiumsdiskussion in diesem Band.
46) Seid bereit! Liederbuch der Thälmann-Pioniere. 3., veränderte Auflage. Leipzig o.J., S. 40 f.
47) CD "Fröhlich sein und singen". Die schönsten Pionierlieder. BMG 1998.
48) Man denke in diesem Zusammenhang z.B. an die Diskussion um so genannte Sekundärtugenden (Ordnung, Sauberkeit, Pflichterfüllung) und die Wiedereinführung von Kopfnoten in Zeugnissen. Nicht die Tugenden an sich sind problematisch, sondern ihre Verwendungsoffenheit.
49) Schroeder, Klaus: Der SED-Staat. Geschichte und Strukturen der DDR. Unter Mitarbeit von Steffen Alisch. 2. Auflage. München 1999 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, A 104), S. 643; zur Klassifikation der DDR und den dabei zutage tretenden Schwierigkeiten s. auch den Beitrag von Thomas Goll in diesem Band.
50) Borchert, Konstanze, Steinke, Volker, Wuttke, Carolin (Hrsg.): "Für unser Land". Eine Aufrufaktion aus dem letzten Jahr der DDR. Frankfurt am Main 1994.
51) Vgl. die Einleitung von Thomas Goll und den Beitrag von Thomas Leuerer in dem Band: Goll, Thomas, Leuerer, Thomas (Hrsg.): Ostalgie als Erinnerungskultur? Symposium zu Lied und Politik in der DDR (= Würzburger Universitätsschriften zu Geschichte und Politik, Band 6). Baden-Baden: Nomos 2004.
52) Arno Schmidt & Band: Aber fliegen … Amiga 1988: Aber fliegen (Text: Ed Stuhler; Musik: Arno Schmidt): " (2.) […] Ich hab gelernt wie man sich unsichtbar macht wenn's nötig ist, soll'n sich doch andre die Rübe verrenken. Ich hab gelernt mit zwei Wahrheiten umzugehen, das eine sagen, das andere denken. […]"
53) Vgl. dazu z.B. die CD "Oktoberklub! Life". Nebelhorn 1996: Unmut wächst trotz aller Mühe (Text: Martin Miersch, nach Bertolt Brecht; Musik: Hanns Eisler):

(1.): Unmut wächst trotz aller Mühe. Leiden schafft uns der Verstand,
wann denn Gleiches bei uns blühe wie im fernen Sowjetland.
(2.): Wo die Leute nicht mehr schleichen um den heißen Brei herum,
nicht mehr nur Fassaden streichen. Kein Tabu macht sie mehr stumm.
Kein Tabu macht sie mehr stumm.
(3.): Und nicht über, sondern unter solchen Menschen woll'n wir sein.
Von der Oder bis zur Elbe und von mir aus bis zum Rhein.
(4.): Und wenn wir dies Land verbessern, lieben und beschirmen wir's.
Und das liebste mag's uns scheinen, so wie jetzt den Russen ihrs.

Dieses Lied stellt eine Kontrafaktur zur Kinderhymne von Brecht und Eisler (s. den Beitrag von Friedhelm Brusniak in diesem Band) dar. Der "Oktoberklub" (1966-1990) selbst ist der erste und bekannteste Singeklub der DDR und hatte eine Leitbildwirkung. Bis 1973 wurde die Singebewegung von der FDJ aufgesaugt und war ihr seitdem verbunden, so auch der "Oktoberklub" bis kurz vor Ende der DDR. Er trat bei vielen politischen Veranstaltungen und Aktionen mit Agitpropprogrammen auf, die durchaus unterhaltsam waren. Im Repertoire hatte er viele internationale politische Lieder im Original oder als Nachdichtung, Eigenschöpfungen ("DDR-konkret") sowie traditionelle Volks- und Kampflieder. Er erhielt verschiedene Auszeichnungen, u.a. den Kunstpreis der FDJ und 1979 den Vaterländischen Verdienstorden in Gold. In ihm begannen eine größere Zahl bekannter Musiker ihre Karriere, so z.B. Bettina Wegner und Tamara Danz ("Silly"). Wolf Biermann bezeichnete seine Mitglieder wegen der großen Staatsnähe als "Kaisergeburtstagssänger".
54) Vgl. z.B. die Resolution der Rockmusiker der DDR "Die Zeit ist reif"; Rauhut, Michael: Rock in der DDR, a.a.O., S. 133.
55) Vgl. dazu Süß, Walter: Staatssicherheit am Ende. Warum es den Mächtigen nicht gelang, 1989 eine Revolution zu verhindern. Berlin 1999 (= Analysen und Dokumente, Bd. 15); Walther, Joachim: Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin 1996 (= Analysen und Dokumente, Bd. 6).
56) Biographische Informationen bei Hintze, Götz: Rocklexikon der DDR. Zweitere, erweiterte und überarbeitete Auflage. Berlin 1999/2000, S. 263; Kirchenwitz, Lutz: Folk, Chanson und Liedermacher in der DDR. Chronisten, Kritiker, Kaisergeburtstagssänger. Berlin 1993, S. 185; Schwarz, Petra, Bergholz, Wilfried: Liederleute. 28 Porträts. Berlin 1989, S. 195-206; Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon. Herausgegeben von Helmut Müller-Enbergs, Jan Wielgohs, Dieter Hoffmann unter Mitarbeit von Olaf W. Reimann und Bernd-Rainer Barth. Überarbeitete und erweiterte Neuausgabe. Berlin 2001, S. 761 f.
57) Schwarz, Klaus-Peter: Aber das Volk ist wie immer der Lage nicht gewachsen. Herausgegeben von Lied und soziale Bewegung e.V. Berlin 1992, S. 28.
58) CD "Gerhard Schöne Live - Du hast es nur noch nicht probiert". Buschfunk 2002: Mit dem Gesicht zum Volke (1988) (Text und Musik: Gerhard Schöne):

(1.): Ich saß in einem weiten Saal, ein bißchen eingezwängt.
So viele Menschen hatten sich noch durch die Tür gedrängt.
Das Podium vorn noch menschenleer, von Neonlicht erhellt,
mit Tischen, Stühlen und mit Mikrophonen vollgestellt.
(2.): Und ohne Zeremonienkram, von Beifall kurz begrüßt,
betrat nun der Regierungsstab das Podiumsgerüst.
Der erste Mann des Staates sprach, das Mikro in der Hand:
Er sei auf alle Fragen aus dem Volke jetzt gespannt.
(3.): Gleich flogen ein paar Arme hoch, die Sprecher standen auf.
Was auch die Leute fragten, vorn gab's eine Antwort drauf.
Mal sprach eine Ministerin und mal ein Kommandant.
Die Antwort gab stets einer, der das Sachgebiet verstand.
(4.): Nur ich verstand nicht allzuviel. Mir reichte, was ich sah.
Ich träumte nicht, ich saß dabei in Nicaragua.
Und die Versammlung hieß:
(Ref.): Mit dem Gesicht zum Volke. Mit dem Gesicht zum Volke,
mit dem Gesicht zum Volke, nicht: mit den Füßen in 'ner Wolke, nein!
Mit dem Gesicht zum Volke, mit dem Gesicht zum Volke,
mit dem Gesicht zum Volke. Ah ja!
(5.): Hier las kein Mensch vom Zettel ab. Sie sprachen alles aus.
Oft gab es Zwischenrufe und Gelächter und Applaus.
Das findet immer wieder statt, und jeder darf da rein,
und keine Frage ist zu heiß und kein Problem zu klein.
Und die Versammlung heißt:
(Ref.): Mit dem Gesicht zum Volke […]
(6.): Ach kleines Nicaragua, so stolz und so bedroht,
noch brauchst du fremde Hilfe, sonst wär eine Hoffnung tot.
Doch gibst du nicht nur Wolle, Fleisch, Kaffee und Silber fort,
nimm auch noch etwas anderes mit auf in den Export.
Ich meine:
(Ref.): Mit dem Gesicht zum Volke […]


59) CD "Gerhard Schöne Live - Du hast es nur noch nicht probiert". Buschfunk 2002.
60) Ostrowski, Nikolai: Wie der Stahl gehärtet wurde. 36. Auflage. Berlin 1977.
61) Vgl. Dorlach, Olf: Meine Schulaufsätze 1970-1977. In: Goll, Thomas: Herrschaftssicherung und Opposition, a.a.O., S. 106.
62) Biographische Informationen bei Hintze, Götz: Rocklexikon der DDR, a.a.O., S. 261; Kirchenwitz, Lutz: Folk, Chanson und Liedermacher in der DDR, a.a.O., S. 184 f.; Schwarz, Petra, Bergholz, Wilfried: Liederleute, a.a.O., S. 187-194.
63) Arno Schmidt; schriftliches Interview mit dem Verfasser, 16.06.2003: Es ging darum etwas Druck aus der Szene zu nehmen.
64) Arno Schmidt & Band: Aber fliegen … Amiga 1988.
65) Arno Schmidt; schriftliches Interview mit dem Verfasser, 16.06.2003.
66) Borchert, Konstanze, Steinke, Volker, Wuttke, Carolin (Hrsg.): "Für unser Land", a.a.O.
67) Rauhut, Michael: Rock in der DDR, a.a.O., S. 133.

Dieser Text ist unter gleichem Titel erschienen in: Goll, Thomas, Leuerer, Thomas (Hrsg.): Ostalgie als Erinnerungskultur? Symposium zu Lied und Politik in der DDR (= Würzburger Universitätsschriften zu Geschichte und Politik, Band 6). Baden-Baden: Nomos 2004; Wiederabdruck in Forum Politikunterricht 2/2005, S. 2-22.
© 2005 Thomas Goll, © 2007 sowi-online e.V., Bielefeld
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Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:]. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Copyright-Inhabers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, auch im Internet.