Literarische Vorlagen ergänzen
In Arbeitsgruppen sollten bekannte literarische Vorlagen (Gedichte,
Lieder) so mit Zwischentexten ergänzt werden, daß ein typischer
Sprachstil (z. B. Kirchensprache, Amtssprache) zum Ausdruck kommt.
Zur Einstimmung wurde ein Vortrag von Dieter Hildebrandt vorgespielt:
Dieter Hildebrandt: Der Mond ist aufgegangen Helmut Kohl spricht Matthias Claudius Der Mond, Quelle: "Der Mond ist aufgegangen" aus: Dieter Hildebrandt: Was bleibt mir übrig. © 1986 Kindler Verlag, München. |
Ergebnisse aus Seminargruppen
Amtssprache
Hänschen klein,
Sohn der verehelichten und ortsansässigen Bürger Peter
und Martha Klein, geb. Groß
ging allein
unter Mißachtung der elterlichen Aufsichtspflichten von
seinem Wohnort Lonsingen, Richtung Gächingen
in die weite Welt hinein.
Stock und Hut, so die Beschreibung des Vermißten,
stehen ihm gut.
Laut glaubhafter Zeugenaussagen war der zuletzt am
Ortsausgang Lonsingen gesehene Junge froh und wohlgemut.
Aus einem Seminar mit Angestellten des öffentlichen Dienstes.
Kirchensprache
Situation: Abtei in T., 13. 12. 1992, Äbtissinnenweihe. Der Bischof ist da, hält den Ritus und anschließend die Ansprache:
Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
ganz besonders darf ich mich an Sie, verehrte Mutter Äbtissin, wenden:
Suse, liebe Suse!
Sie schauen heute erwartungsvoll in die Zukunft: Was raschelt im Stroh?
Alle Ihre lieben Mitschwestern sind erwartungsfroh hier versammelt und
feiern mit Ihnen diesen hohen Tag - viele Gäste aus nah und fern,
Arme und Reiche, unter Ihnen die kleinen Entchen, die haben kein' Schuh.
Dieses Problem wird uns zwar in Zukunft noch sehr beschäftigen, und
ich wage zu behaupten: Wir werden die Hände nicht in den Schoß
legen! Immer hat die Kirche vertraut auf den Heiligen Geist und den Schuster,
denn der hat's Leder!
Aber, liebe Schwestern und Brüder im Glauben: Mit dem Leder allein
ist es nicht getan! Der Schuster hat ja kein Leisten dazu!
Aber auch dieses Problem kann uns nicht entmutigen. Im Vertrauen auf Gott
und alle Heiligen müssen wir uns in echter Bußgesinnung noch
eine Weile gedulden, und so langen gehen halt die kleinen Entchen und
haben kein Schuh!
Amen.
Aus einem Seminar mit kirchlichen Mitarbeitern.
Gewerkschaftssprache
Liebe Kollegen und Kollegen!
In diesem Betrieb glauben noch alle, alle meine Entchen an die Unternehmerversprechen,
wir säßen noch alle in einem Boot. Die betriebliche Realität
zeigt uns aber alltäglich, wir schwimmen auf dem See, schwimmen auf
dem See.
Und deshalb, liebe Kollegen und Kollegen, laßt uns in die nächsten
Tarifverhandlung den Arbeitgebereingriffen solidarisch entgegenstehen,
laßt uns jetzt nicht nach der Devise verfahren "Köpfchen
in das Wasser", sondern laßt uns die Lehre aus unserer Geschichte
ziehen, die da heißt: "Schwänzchen in die Höh".
Glück auf.
Aus einem Seminar mit Gewerkschaftsjugendlichen.
Was darf Kabarett?
1986 wurde eine Folge der Sendereihe Scheibenwischer vom Bayerischen Rundfunk abgesetzt. Unter anderem erzürnte folgender Text von Werner Koczwara die bayerischen Medienwächter:
Der verstrahlte Großvater (Lisa Fitz kommt auf die Bühne, setzt sich ans Telefon und wählt.) Lisa Fitz: (Sie legt den Hörer auf.) Opa lassen wir nicht mehr an die frische Luft. Ab 100 Millirem ist man nämlich kein Christ mehr. (Lisa Fitz geht ab.) Scheibenwischer, 22. 5. 86. Zitiert nach: Dieter Hildebrandt: Scheibenwischer Zensur. München 1986, S. 29-32. |
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