2. Beruf als Begriff und gesellschaftliches Phänomen

 

2.1 Beruf im historischen Kontext

"Das Wichtigste im Leben ist die Wahl des Berufes. Der Zufall entscheidet darüber." (Pascal) "Der Beruf ist das Rückgrat des Lebens und seine Wahl die wichtigste Entscheidung, die der Mensch treffen muss" (Nietzsche) "Von der Berufswahl hängt zu einem wesentlichen Teil die weitere Ausgestaltung unseres Lebens ab, und jede Veränderung kommt einem Schicksalsumschwung gleich." (Sacherl 1954). Diese drei Zitate, ausgewählt aus einer reichen Palette derartiger Stellungnahmen, zeigen einerseits die Bedeutung, die dem Phänomen Beruf zugemessen werden, andererseits aber auch die damit verbundenen Probleme. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff "Beruf" oft unscharf verwendet und nicht eindeutig von Bezeichnungen, wie "Arbeit", "Tätigkeit", "Qualifikation" oder "Job" unterschieden. "Das sprachlich von "rufen"/"Ruf" abgeleitete Wort "Beruf" ist zwar schon Jahrhunderte bekannt, die Geschichte seiner Verwendung ist aber noch nicht ausreichend geklärt und bedarf noch tiefer schürfender Nachforschungen" (Molle 1968).

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Beruf:

Der aus der Alltagssprache in die Sprache der Wissenschaft übernommene Begriff ist bis heute vielschichtig, mehrdeutig und umstritten. Der Beruf stellt die für eine vorgegebene Arbeitsaufgabe charakteristische Merkmalskombination dar. Beruf entsteht und besteht im Spannungsfeld zwischen Arbeitsplatz- und Arbeitskraftseite. Verfassungsrechtlich ist ein Beruf "jede auf Dauer berechnete und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung." Die freie Wahl des Berufes wird vom Grundgesetz garantiert, kann aber durch Gesetz eingeschränkt werden. In der Berufsforschung wird Beruf durch folgende Merkmale umschrieben:

  • Bündel von Qualifikationen im Sinne charakteristischer Ausprägungen und Anordnungen von Wissen (Sachverhalte kennen und anwenden sowie Arbeitstechniken/Fertigkeiten beherrschen) und Sozialkompetenz (als einer Bündelung typischer Verhaltensweisen, Orientierungen und Werthaltungen).
  • Aufgabenfelder, die den Qualifikationsbündeln zugeordnet sind und die durch eine Kombination aus Arbeitsmitteln, Objekt (Gegenstand) und Arbeitsumfeld geprägt sind.
  • Hierarchisch abgestufte Handlungsspielräume, die sich aus der Verknüpfung der Qualifikationsseite (Arbeitskraftseite) mit der funktionalen Ausprägung der Arbeitsaufgaben (Arbeitsplatzseite) ergeben. Sie sind bestimmt durch den Status (die betriebliche Position des einzelnen), die Organisationseinheit (Aufgabengebiet/ Abteilung) und das spezifische Arbeitsmilieu. In diesem Rahmen können persönliche Interessen im Sinne gestalterischer Ziele entfaltet werden.
  • Beruf wirkt über die Erwerbstätigkeit hinaus als Strukturmerkmal gesellschaftlicher Einordnung und Bewertung.

Zusätzlich wird Beruf durch die folgenden Merkmale abgerundet:

  • Gegenstand (Objekt/Subjekt), z. B. Werkstoff oder Produkt
  • Arbeitsmittel, z. B. Maschinen, Werkzeuge, Geräte
  • Arbeitsort und Arbeitsmilieu, geprägt durch Wirtschaftszweig, Branche, spezifische Belastungen, besondere Arbeitsbedingungen
  • Aufgabenbereich, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, z. B. Organisationseinheit, Abteilung

Über den Beruf in seiner hierarchischen, statusmäßigen Abstufung sind die Chancen des Einzelnen festgelegt, sein Einkommen zu sichern, sich selbst zu verwirklichen, autonom zu handeln, an Kulturgütern teilzuhaben, über die Arbeit seine Identität zu finden und an der Weiterentwicklung und Ausgestaltung der Berufemuster aktiv mitzuwirken.

Job:

Als Gegenbild zum umfassenden Berufsbegriff umschreibt der aus dem amerikanischen Sprachraum kommende Begriff "Job" eine "Tätigkeit zum Geldverdienen", die in einer Arbeitsgesellschaft höchster Arbeitsteiligkeit als voraussetzungslose, schnell zu lernende Teilaufgabe definiert ist und die eher kurzfristig wechselnd abgeleistet wird, ohne dass auf dieser Basis eine stabile Identifikation mit der Aufgabe entsteht. In dynamischen Wirtschaften ist diese Form der Erwerbstätigkeit in der Lage, schnell auf neue Herausforderungen einzugehen, sie zeigt aber dort Probleme, wo befriedigende Leistungen nur mit längerfristiger Identifikation möglich sind.

Beruf und Job sind somit die weit auseinander liegenden Pole eines Spektrums, in dem Erwerbstätigkeit verortet werden kann.

 

[/S. 441:] Das deutsche Berufsprinzip basiert u. a. auf ethisch-religiösen Bindungen. Seine Deutung lässt sich auf eine "göttliche Berufung" des Menschen für bestimmte Tätigkeiten oder Aufgaben bis in die Reformationszeit und sogar bis in die frühchristliche Theologie zurückverfolgen. Bereits im Mittelalter wurde der Ausdruck "berufen" jedoch auch im weltlichen Sinne gebraucht. Handwerker wurden an Höfe berufen; an Universitäten werden heute noch Professoren berufen, Soldaten werden zum Wehrdienst einberufen.

Im 16. Jahrhundert konnte sich das Wort Beruf gegenüber dem Ausdruck "Stand" offenbar nicht allgemein durchsetzen. In dem von Hans Sachs verfassten und von Jost Amman mit Kupferstichen bebilderten Werk "Eygentliche Beschreibung Aller Stände auf Erden" aus dem Jahre 1568 oder in dem 1698 in Regensburg erschienen Bilderwerk von Christoff Weigel "Abbildungen der Gemein-Nützlichen Haupt Stände" werden 122 bzw. 204 "Stände" vorgestellt und beschrieben. Molle (1968) weist nach, dass noch 1900 in Urkunden durchgehend "Stand" anstelle von "Beruf" gebräuchlich war. Für Preußen lässt sich dies noch für 1929 (für Formulare an bayerischen Gymnasien sogar bis 1970) belegen.

Im 18. Jahrhundert wurden Beruf und die berufliche Arbeitsteiligkeit Thema der sich entwickelnden Nationalökonomie und auch der deutschen idealistischen Philosophie (Fichte, Schleiermacher).

In seiner Gesellschaftskritik im 19. Jahrhundert beschreibt Karl Marx die Entfremdungsformen einer durch Berufsdifferenzierung sich vertiefenden Arbeitsteilung. Sein Gegenkonzept: "Morgens jagen, nachmittags fischen, nach dem Essen kritisieren ... wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer... zu werden" (Marx) soll die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsteiligkeit des damaligen Proletariats überwinden. Im allgemeinen Sprachgebrauch des 19. Jahrhunderts verfestigte sich der Begriff "Beruf" und trat vor allem in Verbindung mit anderen Begriffen auf, z. B. Berufsgenossenschaft, Berufskrankheit, Berufsvereine. Nach der Reichsgründung 1871 nahm die Verwendung des Ausdruckes Beruf stark zu. Die ab 1882 durchgeführten Berufszählungen verwenden schon kombinierte Fachausdrücke wie Berufsabteilung, Berufsart in Sinne von Gewerbe bzw. Wirtschaftszweig. Es werden aber, abgeleitet aus der historisch geprägten Hauswirtschaft, jeweils auch die Familienangehörigen und Dienstboten dem Beruf des "Familienoberhauptes" zugeordnet. Erst 1925 werden nur noch die Erwerbstätigen in Berufen erfasst. In den 20er Jahren wurde "Beruf" vor den Hintergrund der industriellen Arbeitsteilung zum Thema "konservativ kulturkritischer" Diskussion (Voß 1994). Dunkmann (1922) beklagte das System der tayloristischen Arbeitsteilung und der "reinen Vernunft" im Arbeitsleben. "Wo die Ökonomie allein das Wort hat, hat der Beruf nichts mehr zu sagen." Dem müsse begegnet werden, in dem "wir auch unter modernen Arbeitsbedingungen dennoch danach streben müssen, der arbeitenden Menschheit ihren Beruf wiederzugeben" (Dunkmann 1922: 204-206).

In der Zeit des Nationalsozialismus bekam der Beruf eine besondere Bedeutung. Im Rahmen gesellschaftlicher Umstrukturierung wurde der Beruf ein wichtiges Klassifizierungselement. In einem Arbeitsbuch wurden die Arbeitsverhältnisse im Detail dokumentiert. Ziel war es, über diese Instrumente einen Überblick zu dem vorhandenen Arbeitskräftereservoir zu bekommen, um damit den Arbeitskräfteeinsatz in der Rüstungswirtschaft planen zu können. Facharbeiter waren zunächst für den Kriegsdienst unabkömmlich, erst 1943 wurde dies zurückgenommen. Gleichzeitig wurde die Kriegswirtschaft so weit wie möglich auf Anlernberufe umgestellt, sodass die Dominanz der Facharbeiter abnahm. In der Nachkriegszeit wurden gesellschaftlicher und emanzipativer Aufstieg eng mit der Zugehörigkeit zu einem höher bewerteten Beruf verbunden. Berufswahl und Berufsqualifikationen wurden Schlüssel zu einer besseren Position in der Gesellschaft, während die Rolle von Herkunft und Besitz eher abnahm. Auch bei der Subsistenzsicherung wurde das Arbeitseinkommen dominant, während Kapitaleinkommen, Versorgung aus der eigenen Landwirtschaft und Transfereinkommen peripher wurden. "Der Beruf ist, neben der Familie, eine der großen sozialen Sicherheiten, die der Mensch in der modernen Gesellschaft, insbesondere in der westlichen Zivilisation noch besitzt, verglichen etwa mit seinem Verhältnis zur Politik, zur Freizeit, zur Kultur und, jedenfalls in den meisten Fällen, auch zur Religion." (Schelsky 1965: 238, auch zitiert bei Paul-Kohlhoff 1998: 15). Beruf als Begriff und als gesellschaftliches Phänomen hat sich demnach parallel mit der Industriegesellschaft etabliert, seine Bedeutung hat im Laufe der Zeit deutlich zugenommen. Eine Existenz ohne Berufsbezug ist heute - mit Ausnahme der Kinder und der Ruheständler - kaum denkbar.

 

2.2 Der Berufsbegriff in seiner Mehrdimensionalität

Bei einer Analyse der Berufsdefinitionen und -vorstellungen wird die Vielschichtigkeit sehr deutlich (siehe Übersicht 1). So scheint die Berufszugehörigkeit viele gesellschaftliche Strukturen abzubilden und die Allokation des Individuums in der Gesellschaft weitgehend zu bestimmen. Folgende Aspekte erscheinen besonders relevant: (vgl. Übersicht 1)

  • Freiheit der Berufswahl als Basis der freien Entfaltung der Persönlichkeit (GG Art. 2 und 12),
  • Beruf im Zentrum der Lebensplanung (siehe Crusius/Wilke 1979),
  • Beruf als Gliederungsprinzip der Gesellschaft (Beck/Brater/Daheim 1980),
  • Berufskonstruktion als Stabilisierung und Tradierung sozialer Rollen (Hesse 1972),
  • Beruf als Indikator der sozialen Allokation (Crusius/Wilke 1979),
  • Berufsschutz als Statuserhalt (Berufsunfähigkeitsrente (AFG § 103 II und Zumutbarkeits-Anordnung der BA vom 16.3.1982) bzw. Schadensausgleichkategorie,
  • Beruf als Bündelung von Werten in einer Erwerbsgesellschaft (Beck 1996),
  • Berufstätigkeit als Nutzung von spezifischen Qualifikationsressourcen (Maier 1996).

Zur weiteren Abgrenzung wird in Übersicht 2 auf der Basis aktueller Gegebenheiten

  • Beruf in seinen Attributen beschrieben,
  • skizziert, welche Komponenten die Berufswahl kennzeichnen,
  • und es werden die Probleme aufgezeigt, die bei verhindertem Übergang in den Erwerbsberuf entstehen.

Schließlich zeigen die Definitionen der Übersicht 1 eine Reduktion auf die ausgeübte Tätigkeit oder auf spezifische Qualifikationen. Die unterschiedlichen Elemente von Beruf sind eng miteinander verknüpft, ja gewissermaßen wohl der Kitt, der diese Vielfalt zu einem Ganzen zusammenfasst, also jene Elemente, die den Beruf ausmachen:

  • Aufgaben und Tätigkeiten
  • Erforderliche Qualifikationen und Erfahrungen
  • Genutzte Arbeitsverfahren und -techniken
  • Relevante Arbeitsmittel

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Übersicht 1: Elemente und Aspekte ausgewählter Berufsdefinitionen und -vorstellungen (des deutschsprachigen Raumes)

Autor/ Quelle wesentliche Elemente/ Aspekte der Definition
M. Weber (1925)
  • Die durch Spezifizierung und (eine typische) Kombination abgehobene Leistung einer Person,
  • die Basis einer kontinuierlichen Versorgungs- und Erwerbschance ist

Berufspädagogische Deutungen

  1. nach H.A. Hesse
  • Beruf als Chance zur Persönlichkeitsbildung und -entfaltung
  • die aus freien Stücken, der Eignung und Neigung folgend, übernommene Aufgabe
  • durch deren Erfüllung das Individuum der Gemeinschaft dient
  1. nach W. Voigt (1975) (in Anlehnung an M. Weber, 1925)
  • die durch Spezifizierung und eine typische Kombination abgehobene Leistung einer Person
  • die Chancen zur Eingliederung in gesellschaftliche Positionen, Normen und Strukturen bietet
  • aber die Fähigkeit zu kritischer Distanz und Veränderung der Strukturen einschließt
  • und die Basis für eine kontinuierliche Versorgung darstellt.
  1. nach H. Blankertz
  • Medium der Bildung· Erwerbschance
  • Kombination von Tätigkeiten
  1. nach W. Arnold
  • wertorientierte und gesinnungsmäßige Erfüllung einer Leistungsaufgabe
  1. nach A. Fischer
  • Arbeit als Zwang, Spiel, Pflicht, Gemeinschaftsdienst, Gottesdienst
  1. nach A. Huth
  • Berufsidee ist an zwei leitende Begriffe gebunden: Eignung und Leistung
Th. Scharmann (1956)
  • Entgeltliche Dienstleistung zur Befriedung materieller und geistiger Bedürfnisse
  • sie wird kontinuierlich erbracht
  • aus freien Stücken übernommen (nach Eignung/Neigung)
  • ist spezialisiert und wird erlernt
E. Ulrich, M. Lahner (1970) Drei Aspekte werden genannt:
  • der wirtschaftliche Aspekt: Die Tätigkeit, die dem Beruf zugrunde liegt, dient dem Lebensunterhalt und dem Erwerb von Gütern
  • der fachliche und stoffliche Aspekt: Das Arbeitsgebiet, die Aufgabe und das Ergebnis der Arbeit sind festlegbar und gegenüber anderen Aufgaben, Arbeitsgebieten und Arbeitsergebnissen abgrenzbar
  • der "Blumenstrauß"-Aspekt: Die Aufgaben, die Funktionen, die Tätigkeiten und Verrichtungen sind mehr oder weniger vollkommen gruppiert. Wesentlich ist, dass die Kombination ein bestimmtes charakteristisches oder institutionell festgelegtes Bild ergibt
H.A. Hesse (1972) Beruf als "Vorgabe" (der Gesellschaft) - als Aktivitätsrahmen, den das Individuum vorfindet und mitgestaltet
  • Beruf als planvoll konstruiertes Muster
  • das der Qualifizierung und dem Tausch von Arbeitskraft dient

H. Hartmann

(bei Luckmann u. Sprondel, Hrsg., 1972)

in Erweiterung des Ansatzes von H. Daheim

  • Beruf als Prozess und als Interaktionsfeld
  • als kontinuierliche Veränderung der Dimensionen "Wissen" (Qualifikation) und "soziale Orientierung"
  • wobei bezogen auf die Fixpunkte "Arbeit", "Beruf" und "Profession" typische Ausprägungen (Kombinationen) entstehen
M. Brater (1975)
  • Kombination von Arbeitsfähigkeiten, über die Berufsinhaber verfügen
  • sie werden in speziell strukturiertes Arbeitsangebot eingebracht
  • Ausdruck der gesellschaftlichen Realität und damit Organisationsform gesellschaftlicher Arbeitsteilung
G. Büschges (1975) Drei Dimensionen sind zu unterscheiden:
  • das in der beruflichen Sozialisation erworbene Arbeitsvermögen (die Berufsqualifikation)
  • die aufgrund vorherrschender Formen gesellschaftlicher Arbeitsteilung entstehenden Berufspositionen
  • die am Arbeitsmarkt nachgefragten, an person- und organisationsspezifischen Merkmalen orientierten Berufsmuster (Kombinationen)
J. Kühl, L. Pusse, B. Teriet, E. Ulrich (1975)
  • Beruf als Bündelung von Arbeitskräfteprofilelementen zu einer Einheit
DDR-Arbeitskräftesystematiken (1978) Beruf = Komplex von Voraussetzungen - Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten -,
  • der zur Ausführung gesellschaftlich notwendiger Tätigkeiten auf einem bestimmten Arbeitsgebiet erforderlich
  • und durch Berufsart und Berufsniveau gekennzeichnet ist.Tätigkeit = Teil der gesellschaftlichen Gesamtheit, die ein Werktätiger im Rahmen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung überwiegend verrichtet
R. Crusius, R.M. Wilke (1979)
  • Beruf als interessenbezogenes Kriterium für das individuelle und kollektive Handeln der abhängigen Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften, das dem Rentabilitätsprinzip des Kapitals entgegengesetzt werden kann
U. Beck, B. Brater, H. Daheim (1979)
  • Beruf ist Kristallisationspunkt der beruflichen Identität
  • Struktur und Gliederungsprinzip der Gesellschaft
  • Kompetenzdomäne
Amtliche Berufsklassifizierung

(Statistisches Bundesamt Wiesbaden

1961, 1970, 1975, 1992)

  • (von der Arbeitsaufgabe her) bestimmte Verrichtungskombination
  • die zu charakteristischer Bündelung personaler Fertigkeiten und Erfahrungen führt
  • auf Erwerb ausgerichtet ist
  • wodurch der Einzelne zur Leistung der Volkswirtschaft beiträgt
H. Maier (1996)
  • ursprünglichste Form dessen, was heute "lebenslanges Lernen" bedeutet

Quelle: von Henninges, H., Stooß, F., Troll, L., Berufsforschung im IAB: In MittAB 1/1976, Seite 5 (veränderte und erweiterte Wiedergabe 1998)

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  • Werkstoffe, Materialien und Produkte, die die Berufsausübung beeinflussen
  • Betrieblicher Einsatzbereich
  • Arbeitsmilieu und -ort
  • Wirtschaftszweig bzw. Branche
  • Hierarchische Stellung im Betrieb
  • Stellung im Beruf
  • Mobilitätsstrukturen bei Einstieg und Ausstieg

Übersicht 2: Beruf als Strukturprinzip und Tauschmuster - Attribute/Befriedigungsangebote, Berufswahlkomponenten und Elemente sozialer Diskriminierung Arbeitsloser

Attribute/ Befriedigungsangebote

Berufswahl-Komponenten

Arbeitslose diskriminierende Elemente

Einen Beruf auszuüben heißt: Am Ende der Berufsausbildung entscheidet sich... Diskriminiert sind Arbeitslose durch...
eine Arbeitsaufgabe dauerhaft übernehmen, etwas Sinnhaftes tun wer in der Berufsarbeit den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen findet das Fehlen einer Aufgabe, keine sinnvolle, anerkannte Arbeit haben
spezifischen Anforderungen gerecht werden, nach denen sich Berufe voneinander unterscheiden wer durch Weiterlernen Zugang zu neuen Tätigkeitsfeldern (Zukunftsberufen) erhält nicht ausgelastet sein, seine Kräfte, Wissen und Können nicht anwenden und nutzen können (fehlende Selbstbestätigung)
eingebunden sein ins soziale Netz durch Rechtsansprüche welcher soziale Status erreichbar ist und wie er verbessert werden kann angewiesen sein auf "Sozialleistungen" (Gefahr sozialen Abstiegs!)
über eigenes Einkommen frei verfügen können welche Perspektiven sich eröffnen, ein adäquates Einkommen zu erzielen kein selbst erarbeitetes Einkommen zur freien Verfügung haben
seine berufliche Position verbessern, ggf. weit über den Berufsstart hinaus wer mit/ohne Weiterbildung in höhere Positionen aufsteigen kann fehlende Berufsperspepktiven, "Entfremdung vom Beruf", Ungewißheit, ob Rückkehr in den Beruf gelingen wird
anerkannt und sozial integriert sein, darauf soziale Kontakte aufbauen und pflegen wer "Beruf" in seiner Ganzheit, mit all seinen Attributen erfährt Verlust sozialen Ansehens, Gefährdung der sozialen Integration (Isolation!)
eine gefragte Qualifikation haben und sie bei der Berufsarbeit laufend aktualisieren wer seine Qualifikation anwenden/aufstocken und so mit der Entwicklung Schritt halten kann Risiko, den Status einer qualifizierten Fachkraft bzw. den Anschluß zu verlieren (Dequalifizierung!)
Berufliche und persönliche Identität aufbauen, sich selber verwirklichen, teilhaben an der Fortentwicklung des Berufsbildes wer im Beruf personale Identität und soziale Anerkennung (Ansehen) gewinnt bzw. seinen Lebensmittelpunkt woanders suchen muß Gefährdung personaler Identität, nicht mehr teilhaben an der Fortentwicklung der Berufemuster
 

2.3 Rolle der Berufsbenennungen

Systematische und alphabetische Verzeichnisse der Berufsbenennungen entstehen aus Befragungen, in denen die Berufsangabe im Klartext erhoben wird, und aus lexikalischen Arbeiten, durch die alle jemals aufgetauchten Berufsbenennungen dokumentiert werden. Insgesamt hat die Berufskunde der Bundesanstalt für Arbeit - bei der Einführung der Informationstechnik - in einer groß angelegten Aktion etwa 100.000 unterschiedliche Berufsbenennungen in einer Datenbank gespeichert, die im deutschsprachigen Raum vorkommen.

Die Aussagekraft der Benennungen ist recht verschiedenartig, manche bezeichnen das Arbeitsgebiet klar, präzise und allgemein verständlich, andere sind unscharf und verschwommen. Viele, zumal neuere Bezeichnungen sind wenig bekannt, was u. a. damit zusammenhängt, dass laufend neue Berufsbezeichnungen entstehen, die zunächst nur einem kleinen Kreis von Experten bekannt sind.

Die Berufsbezeichnungen transportieren vor allem die folgenden Dimensionen:

  • Die Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten in ihrer Kombination, auf die Fertigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen zugeschnitten sind;
  • die Position des Individuums im Geflecht arbeitsteiliger Organisationen;
  • die Einordnung ins gesellschaftliche Wertesystem, durch die personale und soziale Identität ausgeformt wird.

Für Berufsorientierung, -beratung, Stellensuche, -angebote und -vermittlung ist es unabdingbar, dass klare Vorstellungen zu den verschiedenen Dimensionen der Berufe für alle Beteiligten verfügbar sind. Dies ist die Aufgabe der Berufskunde, die die Art und Weise der Berufsausübung laufend beobachtet und ihre Informationen zu "Berufsbildern" verdichtet. Beruf in seiner Mehrdimensionalität ist auch in der gesellschaftlichen Kommunikation präsent: "Die Antwort auf die Frage (nach dem Beruf) erleichtert die Einstufung eines Menschen innerhalb des beruflichen Wertesystems: Mag diesem System auch der Charakter von Vorurteilen oder Stereotypen anhaften." (Frieling 1980: 3)

Allerdings hat die Allgemeinverständlichkeit und die Aussagekraft der Berufsbenennung in den vergangenen Jahrzehnten abgenommen. Dies beruht vor allem auf

  • der weiteren Spezialisierung, in der sich Teilaufgaben und -tätigkeiten aus traditionellen Berufen herausgelöst haben und in neu zugeschnittenen Berufen auftreten,
  • neuen "synthetischen" Berufsbezeichnungen, die nicht mehr zur Alltagssprache werden und nur unter Eingeweihten verständlich sind,
  • der Zusammenfassung von Berufsinhalten früher getrennter Berufe in neuen sog. Hybridberufen,
  • der zunehmenden Benennung von Berufen nach dominanten extrafunktionalen Berufselementen, die sich in traditionellen Berufsbenennungen nicht ausdrücken lassen (beispielsweise Manager, Berater),
  • der "Berufskosmetik", die dazu genutzt wurde, Berufe schlechten Images durch neue Benennungen aufzuwerten, was vor allem durch Berufsverbände und Stellenanbieter erfolgte,
  • der Zersplitterung der beruflichen Bildungsangebote, in denen sich die in Konkurrenz zueinander stehenden Anbieter zunehmend neuer Berufsbenennungen bedienen, um die Besonderheit ihrer Angebote auf dem Markt zu demonstrieren,
  • der Übernahme von Benennungen aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum, sowohl bei Fachberufen (beispielsweise "Layouter" oder "Help-Desk-Operator") als auch bei Aufstiegsberufen (beispielsweise "District-Manager" oder "Art-Director"),
  • der Trennung von Berufs- und Lebenswelt, in der Berufstätigkeiten oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit erbracht werden,

[/S. 444:] Übersicht 3: Der Wandel der Berufsstruktur von 1939 bis 1995 nach zwei Berufssektoren und 12 Berufsbereichen (Angaben in Prozent)

 

  • der Informatisierung, die bei einheitlicher Arbeitsumgebung (Bildschirm und Tastatur) kaum Rückschlüsse auf die Berufsinhalte zulässt und eine arbeitsplatzbezogene Berufsbeschreibung erschwert.

Gleichwohl bleiben die Berufsbenennungen Grundinformationen der Berufsforschung, basieren doch darauf Analysen und Aussagen zu den Haupttrends des beruflichen Wandels (Übersicht 3), ebenso aber zur Betroffenheit einzelner Gruppen und Berufe von Arbeitslosigkeit bzw. zu partiellen Arbeitskräftedefiziten und -überhängen (vgl. dazu Dostal/Parmentier/Schade 1999). Allerdings werden zunehmend auch tätigkeitsbezogene Charakterisierungen verwendet, um die Veränderung der Berufsinhalte bei stabiler Berufsbezeichnung deutlich zu machen. Dies ist ein Schritt, die hinter der Berufsbezeichnung stehende Mehrdimensionalität erkennbar zu machen.

In der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion der letzten Jahrzehnte wurde immer wieder vermutet, dass wegen der Zentralität von Arbeit in der DDR sich die dortigen Berufsstrukturen von denen der Bundesrepublik entfernt hätten. Durch gesellschaftliche, wirtschaftliche oder technische Umbrüche, so die Annahme, seien die langfristigen Entwicklungslinien der Berufsstrukturen verändert oder sogar unterbrochen worden.

Im Zuge der deutschen Einigung wurde im IAB dieser Frage bereits früh nachgegangen: In einer im November 1990 durchgeführten Arbeitsmarktumfrage im Rahmen des Arbeitsmarkt-Monitors wurden die Berufsstrukturen in West und Ost verglichen (siehe dazu Parmentier u. a. 1992), nachdem bereits zuvor Ergebnisse aus dem Datenspeicher "Gesellschaftliches Arbeitsvermögen (GAV)" vorlagen. Die Übersicht 3 enthält u. a. eine Gegenüberstellung der Berufsbereiche in den alten und neuen Bundesländern, und es wird deutlich, dass bei der Verteilung der Erwerbstätigen nach Berufsbereichen die Unterschiede erstaunlich gering waren. Unterschiede ergaben sich überwiegend daraus, dass im Westen mehr Personen in Verwaltung- und Büroberufen, im Osten mehr Planungs- und Laborberufe zu finden waren. Daneben war die Besetzung der Berufe mit Männern und Frauen in Ost und West unterschiedlich. Insgesamt gesehen konnte also die jeweilige Gesellschaftspolitik die globalen Berufsstrukturen nur unwesentlich verändern, was deutlich macht, dass in Deutschland der Beruf und seine Interpretation offenbar eine autonome und tragfähige Kategorie ohne allzu große Beeinflussung durch gesellschaftspolitische Impulse ist.

 

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2.4 Zunehmende Unschärfen bei Berufsangaben

Berufsangaben müssen klar, kurz und handhabbar sein. Berufskategorien müssen den Durchschnittsbürgern wie den Personalfachleuten geläufig sein. Um welche Vorstellungen es hier geht, wird deutlich, wenn Piktogramme mit den Stereotypen der Berufsbilder Abschlussklassen an Haupt- und Realschulen vorgelegt werden. In aller Regel werden Schüler und Schülerinnen die Bilder korrekt den Berufen zuordnen.

Erfahrungen bei Großzählungen, in denen präzise Berufsangaben abgefragt wurden, zeigen in den letzten Jahren zunehmende Unschärfen. Schon bei der Berufszählung 1987 war erkennbar, dass Vorgehensweisen, die in Jahrzehnten angewendet und verfeinert worden waren, an ihre Grenzen stoßen. Die präzise Berufsangabe, die in einem Kurzprogramm prismengleich ein plastisches Bild der ausgeübten Tätigkeit erschließt, gibt es über weite Strecken nicht mehr. Allein die Frageformulierung im Mikrozensus "Welche Tätigkeit (Beruf) üben Sie aus?" weckt Zweifel: Ist "Beruf" im Sinne der personalen Identität und sozialen Verankerung gemeint oder schlicht die Bezeichnung für die tagtägliche Arbeit? Die gegebenen Antworten ergeben zumindest streckenweise Anhaltspunkte für eine Erosion des Berufsverständnisses.

Diese Unschärfen basieren einerseits auf der Verschiebung der Berufsinhalte aus den traditionellen Berufemustern hinaus, die es kaum noch möglich machen, mit traditionellen, historisch geprägten Berufszuordnungen umzugehen, sie sind aber auch Hinweis auf die zunehmende Integration von Elementen früher einzeln eingebrachter Berufe in neuen Hybridberufen. In der Klassifizierung der Berufe (1992) sind aus diesem Grunde Auffangpositionen gebildet worden, um auch die eher unspezifischen Berufsangaben zuordnen zu können. Die intensive Nutzung dieser Kategorien zeigt, dass es einen hohen Bedarf dieser eher allgemeineren Berufszuordnungen gibt.

Auf dem Arbeitsmarkt ist erkennbar, dass Stellenangebote - je nach dem Grad der Professionalisierung - sich entweder auf die Berufsangabe beschränken, oder - bei unscharfen Berufsangaben - eine größere Zahl von Berufs- und Ausbildungsabschlussbenennungen aufgeführt werden. Zusätzlich werden die Tätigkeiten und Arbeitsmittel im Detail beschrieben, indem "Spezialisten für" gesucht werden, bei denen dann die Aufgaben und Erwartungen weiter erläutert werden. Die Frage, warum diese eher offenen Angaben vermehrt auftreten, lässt sich über die folgenden Entwicklungen beantworten:

  • Die Änderungsgeschwindigkeit beim Entstehen neuer Berufe und bei der Professionalisierung hat zugenommen. Zugleich besteht im Feld sich erst entwickelnder Berufe ein besonderer Personalbedarf.
  • Die Aufgaben lassen sich nicht mehr nach alten Mustern abgrenzen, da bei der Aufgabenmischung auch Elemente aus weiter entfernt liegenden Berufsfeldern integriert werden. Der Bedeutungsgewinn extrafunktionaler Qualifikationen wird meist im Sinne einer reduzierten Arbeitsteiligkeit interpretiert. Gleichzeitig werden bei den Fachqualifikationen weitere Spezialisierungen deutlich.
 

2.5 Die Berufsklassifikation

Immer schon waren Statistik und Forschung darauf angewiesen, die Vielzahl der Berufsbenennungen systematisch zu ordnen und nach Aggregationsebenen zu einer handlichen Zahl von Einheiten zu verdichten. Dabei muss jede Benennung eindeutig einer statistischen Einheit zugeordnet werden. Die Berufsklassifikation des Statistischen Bundesamtes (StBA) wurde über Jahrzehnte als das Instrument der Erhebung, Vercodung und Verdichtung der erhobenen Berufsangaben (Berufsbenennungen) ausgebaut; sie wird in einer Fassung des Jahres 1988 nach identischen Regeln auch von den Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit verwendet (zu den Grenzen und den Möglichkeiten, die die Berufsklassifikation der Forschung setzt, vgl. Dostal/Parmentier/Schade 1999).

Ab der Berufsklassifikation 1970 gibt es in Deutschland keine offiziellen Berufsbeschreibungen mehr, die bei der Klassifizierung von Berufsangaben helfen können, sondern lediglich Auflistungen der in einer Einheit aggregierten Berufsbenennungen. In diesem Zusammenhang erscheint es problematisch, dass bei den Richtlinien des StBA für Interviewer zwar auf eine klare und detaillierte Berufsangabe gedrungen wird, aber keine weiteren Hilfen angeboten werden.

Im hier behandelten Kontext sei festgehalten, dass eine hierarchische, eindeutige Zuordnung von Berufsbenennungen zu Klassen etc. der komplexen Realität von "Beruf" nicht gerecht werden kann. Es zeigen sich die Probleme in großer Vielfalt, beispielsweise:

  • Beliebigkeit der Angabe: die meisten Erwerbstätigen können aus einer größeren Menge von Berufsbenennungen wählen, die alle mehr oder weniger zutreffen.
  • Dominanz der in der Berufsausbildung erworbenen Zertifikate, die nicht immer den ausgeübten Beruf charakterisieren.
  • Antizipation der Berufsbewertung bei der Berufsangabe in sensiblen Situationen, wie dies in der Berufsprestigeforschung deutlich wird.

Dennoch ist insbesondere für quantitative Angaben eine eindeutige Zuordnung von Belang, sodass bei aller Problematik auf derartige Zuordnungen nicht verzichtet werden kann. Allerdings zeigen sich dann bei dem Vergleich unterschiedlicher empirischer Ergebnisse erhebliche Abweichungen (siehe dazu Troll 1981), wie auch bei eher minimalen Veränderungen der Systematik große Zuordnungsprobleme auftauchen (beispielsweise beim Wechsel von der 70er Berufssystematik zur 82er).

Diese Probleme treten nicht allein bei Berufsangaben auf, sondern überall dort, wo Systematiken eine klare Zuordnung verlangen, beispielsweise bei der Angabe des Sektors, der überwiegend ausgeübten Tätigkeit oder anderer tätigkeitsnaher Kategorien, wie auch bei Produktklassifikationen und in anderen Statistikbereichen.

 

2.6 Berufsbeschreibungen durch die Berufskunde der Bundesanstalt für Arbeit

Mit dem Ziel, Grundlagen für Fragen der Berufsberatung, der Arbeitsvermittlung, der Berufsaufklärung und der beruflichen Rehabilitation zu erarbeiten, werden in der Arbeitsverwaltung seit über sieben Jahrzehnten detaillierte Analysen und Materialsammlungen durchgeführt.

Die Ergebnisse solcher berufskundlicher Ermittlungen haben zu Einzelbeiträgen und zusammenfassenden Beschreibungen geführt und berufskundliche Archive gefüllt. Als Pionierleistung auf berufskundlichem Gebiet kann das vom [/S. 446:] Landesarbeitsamt Sachsen-Anhalt und später von der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in den Jahren 1927-1936 herausgegebene mehrbändige Werk "Handbuch der Berufe" gesehen werden. In einem "interdisziplinären" Vorgehen (berufshistorische, arbeitswissenschaftliche, psychologische, soziologische, medizinische, arbeitsmarktorientierte Aspekte sind berücksichtigt worden) wurden unter Mitarbeit anderer Landesarbeitsämter, einzelner Arbeitsämter sowie einschlägiger Berufsorganisationen umfassende "Berufsmonografien" erstellt.

In diesem umfangreichen Werk, das in der damaligen - auch fremdsprachlichen - Literatur nicht seinesgleichen hatte, deutete sich bereits eine Strukturierung an. Bestandteile waren eine "allgemeine Berufskunde" mit den Teilgebieten Berufsgeschichte, Berufsnomenklatur, Berufsgliederung, Berufsstatistik sowie eine "spezielle Berufskunde", deren Schwergewicht beim Erkennen der speziellen Einzelheiten der Berufe (z. B. Aufgabe, Tätigkeiten, Qualifikationen etc.) lag. Dementsprechend differenziert war auch das Gliederungsschema des "Handbuch der Berufe", das in Übersicht 4 wiedergegeben wird.

In den fünfziger Jahren formulierte Arimond (1959) seine "Theorie der Berufskunde": Ausgehend vom damaligen gesetzlichen Auftrag: "Die Bundesanstalt hat die Berufsberatung durch allgemeine Maßnahmen und Berufsaufklärung zu ergänzen und zu unterstützen", sah die Berufskunde ihre Aufgabe vor allem darin, möglichst alle Eigenschaften, die dem Betrachtungsgegenstand "Beruf" eigen sind, genau zu beschreiben, um die Ratsuchenden umfassend zu informieren. Aus den sich hieraus ergebenden Aspekten und Betrachtungsweisen unterschied Arimond eine

  1. Historische Berufskunde
  2. Systematische Berufskunde
  3. Psychologische Berufskunde
  4. Soziologische Berufskunde
  5. Pragmatische Berufskunde

Die "Pragmatische Berufskunde" setzt sich einerseits mit der Frage nach dem geistigen und materiellen Aufwand, der zum Eintritt in einen Beruf notwendig ist und andererseits mit der Problematik der Berufsaussichten und Einkünfte, die sich aufgrund dieses Aufwands ergeben, auseinander.

In Nachfolge der im "Handbuch der Berufe" begonnenen Grundlagenarbeit und mit dem speziellen Ziel, den vor der Berufswahl stehenden Jugendlichen Orientierungs- und Entscheidungshilfen zu geben, entwickelte die Berufskunde der Arbeitsverwaltung die "Blätter zur Berufskunde" (Gliederungsschema siehe Übersicht 4). Als Gesamtdokumentation sind diese Berufsbeschreibungen eine wesentliche Grundlage für die Beratungs- und Vermittlungsdienste und dürften mit derzeit mehr als 800 Heften die wohl umfassendste Sammlung berufskundlicher Beschreibungen in der Bundesrepublik Deutschland darstellen. Die Bestimmung der Inhalte dieser berufskundlichen "Monografien" wird teils in Zusammenarbeit mit berufserfahrenen Fachleuten, teils aber mithilfe berufskundlicher Arbeitsplatzanalysen gewonnen. Vor allem letztere Methode sah Molle (1965) als erstrebenswert an. Seiner Ansicht nach kann die Zufälligkeit einer selektiven Arbeitsplatzbeschreibung nur dann ausgeschaltet werden, indem alle Arbeitsplatzvariationen soweit wie möglich erfasst werden, und zwar durch die Analysen entsprechender Aufgaben und Tätigkeiten an einer größeren Zahl von in ihren Kernaufgaben her gleichartigen Arbeitsplätzen.

Übersicht 4: Gliederungsstruktur für Berufsbeschreibungen der Berufskunde

 

[/S. 444:] Ausgehend von diesem Verständnis sahen Stooß/Stothfang (1985) die Aufgabe der Berufskunde als systematisches Sammeln, Aufbereiten und Dokumentieren berufsbezogener Fakten und deren fortlaufender Aktualisierung. Diese Gedanken fanden ihren Niederschlag in dem seit Ende der siebziger Jahre entstehenden berufskundlichen Nachschlagewerk "Grundwerk Ausbildungs- und berufskundlicher Informationen - gabi -". Dieses Werk enthält umfassende und detaillierte Berufsinformationen und wird vor allem in der Beratungs-, Informations- und Vermittlungsarbeit eingesetzt (Gliederungsschema siehe Übersicht 4). Seit 1995/96 wird die gabi-Printfassung von einer DV-Version mit reduzierten Inhalten abgelöst.

Aktuelle Überlegungen der Berufskunde zielen vor allem in Zusammenhang mit neuen multimedialen Techniken auf einen so genannten "integrierten Datenpool Beruf", in dem sämtliche Informationen der Berufskunde zusammengefasst werden.