Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts entstand in der alten Bundesrepublik die Gründungsidee für eine integrierte Arbeitslehre. Als Zielgruppe waren ausschließlich Hauptschüler vorgesehen. Mindestens drei Einflussgrößen sind zu nennen:

  1. Der frühe Übergang der Hauptschulabsolventen ins Berufsbildungssystem erwies sich als krisenanfällig. Die damals nur achtjährige Vollzeitschule entließ 14 jährige Jugendliche in die rational organisierte, physisch belastende Arbeitswelt. Anpassungsschwierigkeiten und Fähigkeitsdefizite der Jugendlichen waren nicht zu übersehen. Ein Umbau der Hauptschule zu einem Gelenkstück zwischen Schule und Arbeitswelt wurde programmatisch verkündet. Namentlich das bereits in der Diskussion befindliche 9. Schuljahr sollte inhaltlich von Arbeitslehre bestimmt sein.
  2. Insgesamt war die schon erwähnte Handlungsarmut und Praxisferne der Hauptschule in die Kritik geraten. Bücher und Arbeitsbögen waren die vorherrschenden Medien, an denen gelernt wurde. "Praktische" Fächer wie Werken und Hauswirtschaft waren zum einen oft geschlechterdifferenziert zum anderen waren sie noch von einer naiven, an volkstümlicher Bildung orientierten Didaktik beherrscht. Die Reformrhetorik ging von einer Weiterentwicklung des Werkens zu einem modernen Technikgebrauch aus. Das "Mädchenfach" Hauswirtschaft sollte zu einer sozioökonomischen Theorie und Praxis des Privathaushalts fortgeschrieben werden, in denen eine moderne Ernährungslehre ihren Platz hat. Die wirtschaftskundlichen Versatzstücke des Hauptschullehrplans - in jener Zeit auf Modelldiskussionen "Freie Marktwirtschaft versus Planwirtschaft" fixiert - sollten um reale Wirtschaftsbegegnungen erweitert werden. Deshalb wurden Betriebspraktika zum Obligo erklärt. Ein integrativer, koedukativer Unterricht galt als die einzig sinnvolle Organisationsform.
  3. Der bereits in der DDR praktizierte Polytechnische Unterricht konnte aus ideologischen Gründen nicht Vorbildfunktion bekommen. Ignoriert werden konnte er nicht. Voelmys Veröffentlichung aus jener Zeit ist ein Beweis dafür. (Voelmy 1969)

In die Folgezeit fällt die Gründung von zahlreichen Gesamtschulen in der Bundesrepublik. Dieser Schultyp war gegenüber einer Arbeitslehre sehr offen, sah sich jedoch der Konkurrenz mit dem Gymnasium ausgesetzt, das bis heute die Arbeitslehre ablehnt. Die Lösung bestand für viele Gesamtschulen in einer Platzierung der Arbeitslehre im Wahlpflichtbereich, wo alternativ die zweite Fremdsprache gewählt werden kann. Die damit verbundene Selektion zwischen Kindern aus dem Bildungsbürgertum und dem Rest war vorprogrammiert.