Kooperation ist eine besondere und zusätzliche Aufgabe der im Lernbereich verbundenen Fächer. Sie steht unter besonderen didaktisch-pädagogischen Prinzipien. Die Kooperation von Fächern im Lernbereich wird nicht aus der Fachsystematik der Einzelfächer heraus erzwungen, sondern aus der spezifischen pädagogischen Intention und der besonderen didaktischen Fragestellung, die zu der Koppelung bestimmter Fächer im Lernbereich Arbeitslehre mit dem Auftrag zur Kooperation geführt haben.

Eine bloße Zusammenfassung von Einzelfächern zur besseren Ergänzung der jeweils fachspezifisch bleibenden, begrenzten Fragestellungen der Einzelfächer oder zur Ausfüllung wahrgenommener fachspezifischer Defizite (ökonomisch-politisches Defizit der Technik, technisch-politisches Defizit der Ökonomie, ökonomisch-technisches Defizit der Sozialkunde) ergäbe allein noch keinen spezifischen Sinn für die Arbeitslehre. Wie die Arbeitslehre als Fach muß auch die Kooperation in einem Lernbereich Arbeitslehre gemäß ihrer pädagogischen Aufgabe nach didaktischen Kriterien eigenständig begründet und organisiert werden.

Welches sind also die spezifisch pädagogisch-didaktischen Prinzipien, die erstens Arbeitslehre-typisch sind, die zweitens zu einer Koppelung von [/S. 68:] Einzelfächern unter dem Dach des Lernbereichs Arbeitslehre mit dem Auftrag der Kooperation geführt haben und unter denen sich drittens eine Kooperation didaktisch begründet vollziehen kann?

1. Offensichtlich soll durch die Koppelung spezifischer Fächer in einem Lernbereich ein spezifischer Gegenstandsbereich erschlossen werden. Dieser Gegenstandsbereich ist vorderhand nicht identisch mit dem Sach- und Fachkanon eines oder mehrerer der beteiligten Fächer.

Der spezifische Gegenstandsbereich der Arbeitslehre ergibt sich aus den besonderen Problemen, Erfahrungen und Situationen, denen die Schüler aktuell oder zukünftig in der Arbeits- und Wirtschaftswelt ausgesetzt sind. Für die Arbeitslehre ist dieser Gegenstands- und Problembereich die Arbeit. Bei dieser Gegenstandsdefinition ist eine Überschneidung mit dem Sach- und Fachkanon der anderen Fächer (Technik, Hauswirtschaft, Wirtschaftslehre, Sozialkunde etc.) gegeben oder doch zumindest möglich. Solche Überschneidungen stören nicht, sondern sie bilden sogar das fachlich-inhaltliche Ferment, auf das sich die angestrebte Kooperation der Fächer unter dem Dach des Lernbereichs beziehen kann.

Die Arbeitslehre ist m.E. am besten durch den identitätsstiftenden Begriff der Arbeit charakterisiert. Logische Begründungen dafür gibt es freilich nicht. Als didaktische Kategorie kennzeichnet der Begriff der Arbeit den komplexen sach- und fachspezifischen Bezugspunkt allen Unterrichts in Arbeitslehre.

Arbeit kann nicht nur als das didaktische Zentrum des eigenständigen Faches Arbeitslehre aufgefaßt werden, sondern kann, sofern das Fach selbst nicht besteht, auch als einheitsstiftende Kategosie der Zusammenarbeit verschiedener Fächer in einem Lernbereich gelten. Auf die Erarbeitung dieser komplexen Kategorie hin kann die Kooperation der Fächer des Lernbereichs erfolgen.

Mit dem Begriff der Arbeit und der Ausdifferenzierung seines Bedeutungsgehalts wird eine Theorie des Gegenstands- und Problembereichs der Arbeitslehre konstituiert, sei es, daß die Arbeitslehre als eigenständiges Fach oder als Lernbereich unterschiedlicher Fächer unterrichtet wird.

Durch den didaktisch gerichtet verstandenen Begriff der Arbeit erhält die Kooperation unterschiedlicher Fächer einen eigenständigen Gegenstands- und Aufgabenbereich, der sich im Kern - bei vielfältigen Überschneidungen - von den Gegenstands- und Aufgabenbereichen der beteiligten Fächer unterscheidet, ihnen zugleich aber einen gemeinsamen Orientierungspunkt gibt.

2. Begriffe - zumal didaktische Begriffe - sind sprachliche Netze (Instrumente) zur komprimierten Erfassung der Realität. Der allgemeine Begriff der Arbeit ist noch viel zu abstrakt und vieldeutig, als daß er schon Ansatzpunkt für die Inhaltsauswahl im Rahmen der Kooperation im Lernbereich der Arbeitslehre sein könnte.

Schüler erleben die Alltagswirklichkeit nicht modellhaft oder abstrakt und auch nicht nur sprachlich-begrifflich. Eines der Ergebnisse der Curriculum- Diskussion ist, daß die Schüler die Alltagswirklichkeit situativ erfahren und erleben und später auch in bestimmten Situationen handeln und entscheiden müssen. Für diese Situationen benötigen sie allgemeine Qualifikationen. [/S. 69:]

Den Modell-Platonismus aus der Wirtschaftswissenschaft, die bloße Institutionenkunde aus der früheren Politikwissenschaft oder die system-funktionale Theorie in den Ingenieurwissenschaften zur Grundlage des Unterrichts zu machen, ginge an den Kategorien der Betroffenheit, der Anschaulichkeit und der Erlebnisnähe vorbei. Wir folgen also im Gegensatz zu einem fachsystematischen Ansatz dem situationsorientierten Ansatz in der Didaktik der Arbeitslehre.

Spezifische Situationsfelder der Arbeitslehre können sein: Arbeitsplatz, Betrieb, Beruf. Weitere Situationsfelder sind denkbar und möglich. Um eine sinnvolle und übersichtlich-handhabbare, didaktische Strukturierung zu ermöglichen, sollten sie nicht zu vielfältig, d. h., letztlich beliebig sein. Entscheidend ist nicht die Bezeichnung oder die Definition der Situationsfelder, sondern daß der Zentralbegriff der Arbeitslehre situativ verankert wird und daß die Arbeitslehre unter dem didaktischen Zentrum dem Prinzip der Situationsorientierung folgt. Situationsorientierung meint, daß den Schülern die aktuelle und zukünftige Bedeutsamkeit der vermittelten Inhalte und Themen erkennbar wird.

3. Über den Zentralbegriff der Arbeitslehre und über die Situationsfelder kommen eine Fülle von Sachverhalten in das Blickfeld. Es ist ein wichtiges Ergebnis der bisherigen Arbeitslehre-Diskussion, daß die Arbeit realitätsentsprechend und pädagogisch sinnvoll nur mehrdimensional betrachtet werden kann. Jede einseitige, nur technische, nur ökonomische oder nur politisch-soziale Betrachtung der Arbeit verstoße gegen die Schnittpunktlage der Arbeit zwischen Technik, Ökonomie und Politik und würde eine Selektion von möglichen Sachverhalten bedeuten, die im Begriff der Arbeit und in der Situationsorientierung umfassend angelegt sind. Arbeit hat eine individuelle und eine gesellschaftliche Dimension und vollzieht sich in einem technischen, ökonomischen und politisch-sozialen Beziehungsgeflecht. Diese mehrdimensionale Betrachtung (Aspektierung) muß sich neben der Situationsorientierung in einem kooperativ angelegten Arbeitslehre-Unterricht niederschlagen. Die Mehrdimensionalität soll freilich nicht als Zwang verstanden werden, der den Lehrer mehr unter Druck setzen als ihm helfen würde. Mehrdimensionalität ist ein Angebot an die Lehrer zur weiteren Strukturierung des Unterrichts.

Die Kooperation mehrerer Fächer im Lernbereich der Arbeitslehre kann exemplarisch dazu dienen, diese Mehrdimensionalität im Unterricht zu verwirklichen und damit einen besonderen Typus des kooperativen Unterrichts zu verwirklichen. Eine Integration der unterschiedlichen Dimensionen und Aspekte der Arbeitslehre wäre damit das Ziel der Kooperation im Lernbereich Arbeitslehre.

Ein mehrdimensionaler Unterricht kann die komplexe Realität ansatzweise im Unterricht als nicht-verengte und nicht-spezialisierte Realität rekonstruieren. Der mehrdimensionale Unterricht vermeidet, die Wirklichkeit künstlich-fachlich zu verengen oder die lebendige Umwelt zu verkürzen.

Neben einer Theorie des Gegenstands- und Problembereichs der Arbeitslehre und einer Curriculum-Theorie ist damit eine bestimmte Unterrichtstheorie angesprochen. [/S. 70:]

4. Schließlich stützt sich die Arbeitslehre - ganz gleich, ob sie als Fach oder als Lernbereich organisiert ist - auf eine dreifache Lernzielbestimmung, wie sie das Ergebnis der Lerntheorie ist. Kognitives, affektives und instrumentelles Lernen gehören in der Arbeitslehre zusammen. Wo eine dieser Lernzielebenen in einem Fach nicht erreicht werden kann (z.B. das instrumentelle Defizit der Sozialkunde), ist es auf die Kooperation mit anderen Fächern angewiesen.

Welches die zu erreichenden Qualifikationen sind, die in konkrete Lernziele umgesetzt werden, oder welches das erkenntnisleitende didaktische Interesse ist, kann allenfalls formal entschieden werden (Selbstbestimmung. Urteilsfähigkeit, Handlungsfähigkeit). Ansonsten unterliegt die Bestimmung der Lernziele in besonderer Weise der politisch verantwortlichen Entscheidung. Jedoch gerade die Praxis- und Lebensnähe der Arbeitslehre weist der dritten Lernzielebene eine besondere Bedeutung zu, wobei die handelnde Auseinandersetzung, das problemlösende Denken und das entscheidungsorientierte Urteilen von entscheidendem Gewicht sind.

5. Aus der Methodik des Unterrichts haben sich für die Arbeitslehre typische Unterrichtsverfahren herausgebildet, die nicht minder zum klassischen Bestand der Didaktik der Arbeitslehre zählen können. Es sind dies die Werkarbeit der Schule, die Simulation, das Planspiel, die Erkundung, das Praktikum, das Expertengespräch u.a.

Diese für die Arbeitslehre typischen Methoden sollen die Anschaulichkeit des Unterrichts unterstützen. Sie sollen den Schülern Gelegenheit geben, eigene Erfahrungen zu sammeln, sich Urteile zu bilden, eigene Entscheidungen zu treffen und deren Folgen abzuschätzen sowie evtl. eine Urteils- und Entscheidungskorrektur zu vollziehen.

Die Kooperation im Lernbereich stützt sich auf diese Methoden, sie erschöpft sich allerdings auch nicht nur in der Anwendung dieser Methoden. Wir fassen zusammen:

Die Andeutungen eines Konzepts der Kooperation im Lernbereich Arbeitslehre gründen sich auf eine bestimmte Theorie des Gegenstandes der Arbeitslehre, auf eine Theorie des Curriculums, eine Theorie des Unterrichts und eine Theorie der Lernziele sowie auf eine bestimmte Methodik. Die Kooperation im Lernbereich der Arbeitslehre erscheint sinnvoll und notwendig, um folgende Gesichtspunkte zum Tragen zu bringen:

  • Erarbeitung des didaktischen Zentrums der Arbeitslehre,
  • Situationsorientierung bei der Inhaltsauswahl,
  • Integration der Dimensionen und Aspekte der Arbeitslehre,
  • Realisierung der drei Lernzielebenen, insbesondere der praktischen und
  • Realisierung der Arbeitslehre-typischen Methoden.

Je nach der Intensität, mit der die im Lernbereich zusammengeschlossenen Fächer selbst schon diesen Kriterien folgen oder ihnen nahekommen, bestimmt sich der Umfang und die Intensität, mit der die Abstimmung unter den Fächern und die unterrichtliche Zusammenarbeit betrieben werden muß. Der Umfang und die Intensität der Zusammenarbeit hängt nicht zuletzt davon ab, ob es neben den Kooperationsfächern selbst noch ein Kernfach Arbeitslehre gibt oder nicht. [/S. 71:]

Das hier vertretene Konzept einer Didaktik der Kooperation im Rahmen des Fächerverbundes der Arbeitslehre anerkennt die beteiligten Fächer als selbständig und eigenständig. Es folgt keinem "Fächerimperialismus", einer Strategie der Verdrängung bestehender Fächer zugunsten eines neuen Faches. Die Lernbereichsdidaktik gibt lediglich Hinweise, unter welchen Prinzipien sich die Kooperation im Lernbereich vollziehen kann. Es scheint, daß auf der Grundlage einer solchen Lernbereichsdidaktik die konkreten Formen der Kooperation leichter zu diskutieren sind als ohne ein solches Konzept.