Politische Bildung - versteht man den Begriff in einem weiten, formalen Sinn als absichtsvolle politische Sozialisation - begleitet die Geschichte der modernen Schule an Anfang an. Lange schon bevor sich ein eigenes Fach für politisches Lernen durchsetzen konnte, hatte die Schule einen politischen Erziehungsauftrag - über weite Strecken ihrer Geschichte im Sinne der Legitimation einer undemokratischen politischen Ordnung (von der Fürstenherrschaft bis zur DDR) und der Bekämpfung der innergesellschaftlichen Opposition. Den curricularen Rahmen für eine solche politische Erziehung bot lange Zeit vorrangig der Religionsunterricht, aber auch die Geschichte des Deutsch-, des Geschichts- oder des Geographieunterrichts wie auch die anderer Fächer läßt sich zu einem nicht unerheblichen Teil als Teilgeschichte politischer Erziehung schreiben (vgl. Sander 1989).
Politische Bildung war somit lange vor ihrer fachlichen Eigenständigkeit Unterrichtsprinzip anderer Fächer. Unter demokratischem Vorzeichen setzte sich ein eigenes Fach für den Politikunterricht in der Bundesrepublik erst in den 50er und 60er Jahren durch, und dies bis heute unter verschiedenen Bezeichnungen sowie, gemessen an Stundenkontingenten, in den meisten Bundesländern mit einer eher randständigen Position in der Schule.
Diese historischen Erfahrungen dürften eine wesentliche Rolle bei der Skepsis spielen, mit der sowohl im Politikunterricht als auch in anderen Fächern häufig Konzepten fächerübergreifender Kooperation und Integration begegnet wird. Während in der Infrastruktur des Politikunterrichts gelegentlich befürchtet wird, fächerübergreifendes Lernen sei ein Vorwand für die Schwächung des Faches der politischen Bildung, stößt man in anderen Fächern häufig auf die Sorge, hierbei gehe es um eine unangemesse Dominanz der politischen Bildung, um eine fachlich problematische Politisierung und Instrumentalisierung anderer Fächer. Für beides liefert die Schulgeschichte Beispiele - und dennoch gibt es gute Gründe dafür, politische Bildung in der Schule nicht auf den Politikunterricht als Fach zu reduzieren. Notwendig ist auch für die demokratische politische Bildung eine fächerübergreifende Struktur politischen Lernens. Jedoch kann es dabei nicht um eine sachfremde Politisierung anderer Fächer gehen, sondern um eine Struktur, die an für demokratische politische Bildung bedeutsamen Gegenständen die fachlich unterschiedlichen Zugänge zur Welt zur Geltung und miteinander in Beziehung bringt.