Ein wesentliches Kennzeichen der Arbeitslehre in der Bundesrepublik besteht darin, daß neben die einzelnen, relativ autonomen Teilbereiche Technik, Wirtschaft und Hauswirtschaft ein fächerübergreifender Bereich tritt. Dieser fächerübergreifende Bereich stellt eine Schnittmenge verschiedener Inhalte dar, ist in der Schule schwierig umzusetzen und wissenschaftlich nach wie vor höchst diskussionsbedürftig. Unter fächerübergreifendem Unterricht (Lehren und Lernen) wird ein Vorgehen verstanden, bei dem ein fachlich gegliederter Stundenplan (zeitweise) suspendiert wird, um ein Thema über einen längeren Zeitraum mehrperspektivisch zu behandeln; denkbar ist auch, fachbezogene Querverbindungen bei der Behandlung von Themen didaktisch-methodisch zu vernetzen, wobei die Fächerung des Unterrichts beibehalten wird (z.B. Mensch und Umwelt in historischer, geographischer, religiöser, ethischer Sicht). Möglich ist auch die Bildung von Lernbereichen, die fächerübergreifenden thematischen und/oder methodischen Konstitutionsprinzipien folgen (z.B. Sachunterricht der Grundschule).
Jenseits dieser drei Varianten entzündet sich die wissenschaftliche Diskussion an Fragen wie den folgenden: Ist fächerübergreifender Unterricht mehr als der gewagte Versuch, 'innerlich' verschiedenartige Stoffe so unter einen Hut zu bringen, daß wenigstens äußerlich der Eindruck einer geschlossenen Bildungseinheit entsteht? Verkommt ein sorgfältig geordnetes Bildungsgut durch fächerübergreifende Aufsplitterung nicht zu mehr oder weniger zufällig komponierten Arrangements provinzieller oder genialer Bastler? Darf man die Disziplin der Fächer ungestraft verlassen, um Schüler und Lehrer undurchsichtigen Komplexionen heterogener Inhaltssegmente auszuliefern? Verkommt eine Schule ohne Fächer nicht gar zu einem Supermarkt der Kultur?
Diesen kritischen Fragen kann als kurze Entgegnung zur Rechtfertigung fächerübergreifenden Unterrichts gegenübergestellt werden: (1) Schulpädagogisch gesehen stellt der fächerübergreifende Unterricht eine pragmatisch begründete Notlösung dar, da Fachunterricht zeitgemäße Bildung allein nicht mehr vermitteln kann. (2) Viele Schulfächer haben als Entwicklungsmedien für die Schülerpersönlichkeit beträchtliche pädagogische Legitimation verloren. Als Reflex hierauf versucht deshalb (3) fächerübergreifender Unterricht didaktische Sinnstrukturen (neu) zu entwickeln oder zurückzugewinnen.
Diese didaktischen Gesichtspunkte werden in der neueren erziehungswissenschaftlichen Diskussion im Zusammenhang mit Fragen der Schulqualität und Schuleffektivität, also der Suche nach Kennzeichen einer 'guten Schule', außer Acht gelassen. Dort geht es neben Aspekten wie Schulleben, Weltbild der Erziehenden, Einstellung zu Schülern, Interesse und Motivation, Identifikation und Zufriedenheit mit Schule und Beruf, Unterrichtsqualität, Zusammenarbeit mit Eltern auch um die Kooperation im Kollegium einer Schule, die - auf unsere Überlegungen gewendet - für einen gelingenden fächerübergreifenden Unterricht von großer Bedeutung ist.
Wenn nun innerhalb der Arbeitslehre - diese Bezeichnung steht im folgenden synonym für die Begriffe 'Arbeit-Wirtschaft-Technik', 'Polytechnik/Arbeitslehre' u. dgl. - verschiedene Problemfelder, Situationsbereiche oder Fächer aufeinander bezogen werden, dann zeigt dies, daß auch die Arbeitslehre ihren Bildungsauftrag offensichtlich nicht hinreichend erfüllen kann. Denn sonst wäre es ja nicht notwendig, Getrenntes durch fächerübergreifende Lehrplan-Einheiten (wie etwa in Baden-Württemberg und Niedersachsen) - zumindest partiell - zusammenzubringen. Allerdings besteht in Wissenschaft, Politik und Schule kein genereller Konsens darüber, daß Arbeitslehre als mehr oder weniger integrierendes Schulfach begriffen werden muß. Denn es zeigt sich, daß sie auch als Sammelbezeichnung für selbständige Einzelfächer (Technik, Wirtschaft, Haushalt) verwendet wird. Grob lassen sich jedenfalls drei Organisationsvarianten von Arbeitslehre festmachen (vgl. Nitsch 1979):
Neben diesen Organisationsvarianten der Arbeitslehre benennen mehrere Autoren übereinstimmend folgende Problembereiche einer integrativen oder integrationsähnlichen Arbeitslehre: Kooperation als inhaltliches, soziales (interaktives), organisatorisches und didaktisch-methodisches Problem (Lackmann 1981, 1986, 1992 [1]; Himmelmann 1985 [2]; Henseler u.a. 1985).
Werden nun die Organisationsmodelle der Arbeitslehre in Zusammenhang mit den erwähnten Problemebenen gebracht, ergibt sich folgende heuristische Matrix, die zur didaktischen Beschreibung fächerübergreifenden Unterrichts herangezogen werden kann (vgl. Abbildung 1).
Mit Hilfe des aufgeführten Tableaus soll das Problem des fächerübergreifenden Unterrichts im Bereich der Arbeitslehre weitergeführt werden. Dabei ist die vordere Skizze gewissermaßen zu 'verdoppeln' denn 'Kommunikation und Kooperation' von Lehrerinnen und Lehrern ist mindestens auf zwei Ebenen zu erörtern: Auf der Ebene konkreter Rahmenbedingungen (die etwa als Lehrplanvorgaben und der damit verbundenen Organisationsstruktur gesetzt werden - Bedingungsebene) und auf der daraus resultierenden Ebene des konkreten Verhaltens (Handelns) bei Planung, Umsetzung und Evaluation 'integrativen' Arbeitslehre-Unterrichts (Verhaltensebene). Beide Bereiche stellen zwei Seiten derselben Münze dar (vgl. die genauere Explikation bei Lackmann 1986 [1], S. 11), die in der Wirklichkeit untrennbar miteinander verbunden sind. Damit wird auch ersichtlich, daß fächerübergreifender Unterricht der Arbeitslehre immer mit der die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit (Kooperation und Kommunikation) mehrerer Fachlehrerinnen bzw. Fachlehrer korrespondiert. Von Grad und Qualität der Zusammenarbeit der Lehrkräfte ist darum auch Erfolg oder Mißerfolg des fächerübergreifenden Unterrichts abhängig. Im folgenden werden nun einige Aspekte der vorstehenden Matrix inhaltlich thematisiert. Exemplarisch wird dabei auf das Strukturmodell 'Arbeitslehre als Kooperationsbereich' eingegangen (vgl. Abbildungen 2 und 3).
Hier wird beispielsweise die Frage nach den Bezugswissenschaften der Arbeitslehrefächer einschließlich ihrer historischen Gewordenheit, sowie ihrem erkenntnistheoretischen Fundament thematisiert. Auf der Ebene des Schulfaches treten Programmatik und Selbstverständnis der Arbeitslehre sowie die Frage der Wissenschaftselementarisierung zutage, die einen Bezug zum didaktisch-methodischen und organisatorischen Aspekt der Zusammenarbeit notwendig machen (siehe Abschnitte vier und fünf).
Seit Anbeginn ist das Problem der Bestimmung des Gegenstandsbereiches der Arbeitslehre nicht gelöst worden. Durch das Fehlen einer eindeutigen wissenschaftlichen Bezugsdisziplin ist die Möglichkeit, diesen Gegenstandsbereich des Lernfeldes Arbeitslehre über eine entsprechende Pädagogik (Fachdidaktik) zu begründen, nicht leistbar. Damit ist auch jener Trennschärfeversuch erschwert, der als ein wichtiges Kriterium für die bildungspolitische Inkorporationschance jeder neuen Schulidee gilt. Damit geht eine 'Anbindungsoffenheit' gegenüber mehreren Fächern des schulischen Fächerkanons einher. Erinnert sei an die Diskussion um die Abgrenzung zwischen den Fächern Technik und Physik, die Abgrenzung zwischen Teilbereichen der Fächer Arbeit/Wirtschaft und Wirtschaftslehre zu den Fächern Sozialkunde, politische Bildung und Haushalt, die Abgrenzung des Faches Haushalt zu Teilbereichen der Biologie und Chemie oder die Abgrenzung zwischen bestimmten musischen Fächern und der Textilarbeit.
Diese Situation hat dazu geführt, daß das Lernfeld Arbeitslehre nie über die innere Ruhe verfügt hat, sich ein klar konturiertes und unstrittiges inhaltliches Profil mit entsprechenden Ausschließungskriterien für bestimmte Inhalte zu geben. Vielmehr wurden bestimmte inhaltliche Aufgaben zum freien Feld für 'politische Besetzungen' durch Verbände und bestimmte Fachdidaktiker oder zu Forderungskatalogen für neue Aufgaben und Inhalte definiert, die zuweilen mit der Gefahr verknüpft waren, einen Omnipotenzanspruch des Lernfeldes zu verbreiten. In den folgenden beiden Positionsbeschreibungen bzw. Aufgabendefinitionen der Arbeitslehre kommt dies exemplarisch zum Ausdruck.
Im Gegensatz zu Dauenhauer, der in einer Streitschrift dafür eintritt, über die komplexe gesellschaftliche Wirklichkeit "geknüpfte Fachnetze zu werfen" und nicht zu zerreißen (1983, S. 132), da der Fachunterricht jedem Integrationsunterricht überlegen sei, betont etwa Himmelmann (1980, S. 64 ff.) [3], daß eine Differenzierung von Arbeitslehre in mehrere Fächer bzw. Wissenschaftsdisziplinen dysfunktional im Hinblick auf den Integrationsgedanken sei. Wenn 'Wissenschaftsorientierung' Bestimmungskriterium für die Inhalte von Arbeitslehre wird, bedeutet dies Verfachlichung und Verfachlichung impliziert Verselbständigung, mit der Folge auch einer verselbständigten Didaktik der Fächer.
Für Himmelmann steht fest, daß sich die Arbeitslehre auf die Suche nach einer neuen, integrierenden Bezugswissenschaft begeben müsse. Die traditionellen Wissenschaften können dies nicht sein, da sie die Realität durch Selektion und Spezialisierung zerschneiden, um auf diese Weise Komplexität zu reduzieren. Zwangsläufig sind damit Gegenstand der Zusammenarbeit im Lernfeld Arbeitslehre Sachgebiete, deren Fachgrenzen durch Bildung einer 'Schnittmenge' überwunden werden sollten, um zu einem Inhalt 'höherer Ordnung' zu gerinnen. Die Frage muß also lauten: Auf welchen neu gefundenen Inhaltssektor kann sich eine integrative (also fächerübergreifende) Arbeitslehre stützen? Sodann: Wer kann ein solches Inhaltssegment wie gewinnen?
Bei der Suche nach einem integrierenden inhaltlichen Zentrum der Arbeitslehre stößt man auf Vorschläge, die sich einerseits auf den Gegenstandsbereich, andererseits auf den Vermittlungssektor beziehen:
Die dritte Spielart versucht über mehrperspektivisch angelegte, fächerübergreifende Unterrichtseinheiten die Integration inhaltlich zu bewerkstelligen (z.B. die fächerübergreifenden Unterrichtseinheiten "Technisierung und Rationalisierung bestimmen unser Leben" und "Produkte kommen auf den Markt" für die Hauptschulen in Baden-Württemberg).
Während der erstgenannte Vorschlag weitgehend Programm geblieben ist - lediglich der frühere hessische Ansatz kommt ihm sehr nahe - sind die beiden anderen bereits praktisch weiter verbreitet. Dabei fällt auf, daß dort, wo berufsorientierende Inhalte integratives Moment der Arbeitslehre darstellen (sollen), ohne Schwierigkeiten dieser Anspruch eingelöst werden kann, da diese Inhalte ein Querschnittsspektrum darstellen, das 'über' den technischen, wirtschaftlichen und hauswirtschaftlichen Sektor gelegt werden kann, also nicht aus einer besonderen Fachwissenschaft abgeleitet werden muß (jedoch eine eigene Fachdidaktik erfordert). Da es i. R. kein eigenes Schulfach 'Berufsorientierung' gibt, steht zu vermuten, daß die Stundenanteile der Lehrpläne auf die einzelnen Arbeitslehre-Fächer verteilt werden. So wird die Beteiligung mehrerer Arbeitslehre-Lehrkräfte verständlich. Natürlich steht einer von mehreren Lehrerinnen und Lehrern getragenen Verantwortung eines solchen Projekts nichts im Wege. Prinzipiell ist hier aber kooperative Unterrichtsplanung und Unterrichtsdurchführung nicht notwendig, da genuine Fachkompetenzen aus den einzelnen Fächern nicht gefordert werden, sondern primär lediglich Organisationsmaßnahmen der Durchführung des berufsorientierenden Unterrichts notwendig sind. Diese Gestaltungsaufgaben bleiben hier sinnvollerweise in einer Hand, da somit unnötige Doppelarbeit vermieden werden kann (vgl. exemplarisch OIB [Orientierung in Berufsfeldern; d. Red.] in Baden-Württemberg).
Bei expliziten fächerübergreifenden Unterrichtseinheiten wird in der Regel lediglich eine Aufforderung zur Realisierung kooperativen Lehrens formuliert. Dabei wird die eigentliche inhaltliche (aber auch die didaktisch-methodische) Integrationsarbeit den Lehrern übertragen. Erfahrungen bei der Realisierung fächerübergreifenden Unterrichts zeigen, daß ein solches Vorgehen scheitern muß. Da heute in der Regel die Masse der Lehrkräfte des Faches Arbeitslehre, die derzeit in der Schule unterrichten, noch immer keine oder nur geringe, durch hochschulische Ausbildung oder Lehrerfortbildung vermittelte, umfassende Kooperations-Qualifikationen besitzen, muß bereits in den Lehrplanvorgaben die inhaltliche Integration geleistet sein. Das didaktische Zentrum eines fächerübergreifenden Arbeitslehre-Inhalts liegt jedoch meist außerhalb der kooperierenden Fächer. Notwendig ist also eine Thematik, die sui generis überfachlichen Charakter hat (vgl. etwa das Fach 'Sozialwissenschaft' an den Realschulen Nordrhein-Westfalens).
So weit ich sehe, sind drei systematische Möglichkeiten einer inhaltlichen Verknüpfung denkbar: die fachspezifisch-koordinative, die thematisch-systematische und die problemorientierte Verknüpfung.
Leitender Gesichtspunkt der fachspezifisch-koordinativen Verknüpfung ist die fachspezifische Erarbeitung eines Themas. Nur dort, wo es für das Verständnis des Gesamtzusammenhanges unumgänglich ist, wird eine Koordination mit einem anderen Fach geplant. Koordination bedeutet, daß für diese kurze Phase eine andere Lehrkraft die notwendige Ergänzung leistet oder Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellt, das von den Schülerinnen und Schülern bei Bedarf bearbeitet werden kann.
Die systematische Erschließung des Themas ist leitender Gesichtspunkt des zweiten Modells. Sie wird von der Lehrkraft durchgeführt, der die Unterrichtseinheit plant. Diese Lehrkraft bestimmt jene Teile, die von verschiedenen Fächern bearbeitet werden müssen. Danach wird mit den Fachlehrerinnen und -lehrern die Aufgabenstellung besprochen und der Unterricht in den einzelnen Fächern durchgeführt. Unerheblich ist hierbei, ob diese Teile von verschiedenen Fachlehrern oder von einem Lehrer allein bearbeitet werden.
Im dritten Fall sind Probleme leitend, die aus dem Spannungsverhältnis des Menschen zu Alltagssituationen erwachsen. Im Vergleich zu den beiden anderen Spielarten ist bei der problemorientierten Verknüpfung eine vollständige oder systematische Bearbeitung nicht möglich. Daß hier größere organisatorische Schwierigkeiten als bei den anderen Arten auftreten, liegt nahe. Denn hier ist es erforderlich, für die Problembearbeitung Erklärungsmuster verschiedener Fächer zur Verfügung zu haben. Insbesondere dieser letzte Ansatz verweist auf die didaktisch-methodische Problematik fächerübergreifender Unterrichtsplanung.
Im vorangegangenen Abschnitt wurde der Generierung von Arbeitslehre-Inhalten implizit das Wissenschaftsprinzip als metasprachliche Faustformel unterlegt. Hier nun ist auf das Situations- oder Lebensweltprinzip einzugehen, über das (auch eine fächerübergreifende) Didaktik der Arbeitslehre begründet werden kann und muß.
Wie erwähnt wird bei der praktischen Unterrichtsgestaltung dann große Verwirrung herrschen, wenn über situative Verfahren Kooperation geleistet werden soll, ohne daß dies bereits zuvor auf der Lehrplanebene geklärt worden ist. Da also die inhaltliche Struktur eines Lehrplans von der Frage unterschieden werden muß, wie er von den Lehrkräften umgesetzt wird, ist auch das Situationsprinzip unterschiedlich zu fassen.
Wird das Situationsprinzip als didaktische Leitkategorie auf vorliegende fächerübergreifende Lehrplaneinheiten anzuwenden versucht, ist häufig Fehlanzeige zu melden. Beispielsweise stellen die fächerübergreifenden Lehrplaneinheiten der baden-württembergischen Arbeitslehre-Lehrpläne keine Situationsfelder, sondern Wissenschaftselemente dar, wenn sie auf ihren inhaltlichen Kern zurückgeführt werden (vgl. Bildungsplan 1994).
Es fällt auf, daß das Situationsprinzip in der didaktischen Literatur der Arbeitslehre entweder als Hinweis auf unterrichtsmethodische Varianten oder aber als metatheoretische Norm verstanden wird. Beiden Auffassungen liegt der Gedanke zugrunde, bei der Curriculumentwicklung die Lebenswirklichkeit der Lernenden zum Bezugspunkt der Entwicklungsarbeit zu machen, d.h. Lernangebote auf gegenwärtige und künftige Lebenssituationen zu beziehen.
Manchmal wird mit dem Verweis auf die Notwendigkeit einer Anwendung des Situationsprinzips argumentiert, gelegentlich wird zu belegen versucht, daß die Berücksichtigung von didaktisch-methodischen Möglichkeiten (Fallstudie, Plan-, Rollenspiel, Projektunterricht) bereits die Umsetzung einer situationsorientierten Didaktik darstelle (Himmelmann [2] 1985, vorsichtiger Henseler u.a. 1985). In beiden Fällen wird man dem Situationsprinzip nicht gerecht, da seine bloße Postulierung nicht für die Begründung eines didaktischen Programms ausreicht (vgl. Lackmann 1986 [1]).
Hier wird gewissermaßen eines der Herzstücke des Erfolgs (bzw. möglicher Restriktionen) integrativer bzw. integrationsähnlicher Arbeitslehre-Konzepte gesehen, wie dies für fächerübergreifendes Lehren und Lernen charakteristisch ist: Objektiv in der Bildung entsprechender Rahmenbedingungen (organisatorische Ebene), subjektiv in der Kooperation der Lehrkräfte bei Unterrichtsplanung und -durchführung (interaktive Ebene, vgl. Abschnitt 6).
Macht man den exemplarischen Versuch, eine Jahresplanung, wie sie Henseler & Reich (1986) empfehlen, für eine fächerübergreifende Unterrichtseinheit im Schuljahresablauf zu verorten, dann wird erkennbar, daß es nicht leicht fällt, einen parallelen Zeitblock für die drei Fächer Wirtschaftslehre, Technik und Hauswirtschaft/Textiles Werken aus dem Zeitvorrat eines Schuljahres 'herauszuschneiden', um das Unterrichtsvorhaben zeitgleich unterrichten zu können. Der Grund ist darin zu sehen, daß die Facheinheiten von ihren Zeitbedarfen her unterschiedlich lang sind und somit terminlich nicht aufeinander zulaufen. Nur so ist übrigens der Idealfall eines team teaching zu realisieren. Zeitparallelität ist also eine wichtige organisatorische conditio sine qua non für einen fächerverbindenden Unterricht, der gelingen soll (vgl. Lackmann 1992, S. 63 und 64).
Nur konsequent ist es, wenn Lehrerkooperation unter dem Aspekt der Organisationsentwicklung erörtert wird, deren Aufgabe darin besteht, typische Fehler der Zusammenarbeit aufzudecken und professionelle Hilfen zur Verhaltensänderung zu initiieren (vgl. etwa Schley 1991). Hierbei geht es unter anderem um die Festlegung eines Kontraktes zwischen den Beteiligten, der Spielregeln, Verabredungen und Zuständigkeiten enthält. Weiter geht es um eine Systematik des Vorgehens, Überlegungen, wie Lösungsaufschübe vorgesehen werden, wie heimliche Leitgedanken und explizite Prinzipien der Kooperation offengelegt werden können sowie wie eine Evaluation die Rückkopplung und Erfolgsvergewisserung der Kooperation aufzeigt. Damit wird bereits auf Sachverhalte des nächsten Abschnitts verwiesen.
Für die Frage der Kommunikation und Kooperation von Arbeitslehre-Lehrkräfte muß die Struktur des Arbeitsplatzes Schule zum Ausgangspunkt genommen werden. Hier liegt der Schlüssel für die Beschreibung eines zentralen Problems fächerübergreifenden Lehrens und Lernens auch innerhalb der Arbeitslehre.
Im Vergleich zu anderen Berufen ist bei Lehrern die wechselseitige Durchdringung von Person und Beruf relativ stark. Dies rührt daher, daß sich der Kern der Arbeit im pädagogischen Binnenraum des Klassenzimmers bei sehr hohem Person-Involvement vollzieht. Diese prekäre, instabile und belastende Lage hat auch Konsequenzen für die Einstellung des Lehrers zu seinem Beruf, und sie hat Konsequenzen für die Situation, in der der Lehrer das Klassenzimmer verläßt und wieder betritt - also in kollegiale Kommunikation eintaucht. Fragen drängen sich auf.
Steht zu vermuten, daß nach der isolierten Arbeit im Klassenzimmer das Lehrerzimmer als 'Wiederaufbereitungsanlage' für berufliches Engagement wird? Wenn die einschlägige Literatur belegt (vgl. Bielefeldt & Scholz 1979, Pieper 1986, Bessoth 1989), daß kollegiale Kommunikation fast gar nicht zur inhaltlichen Erörterung pädagogischer Arbeitsprobleme genutzt wird, ist zu fragen, worauf dies zurückgeführt werden kann. Liegt es an der Isolation im Klassenzimmer, die einerseits als Belastung, andererseits auch als Schutz vor Beobachtung erlebt wird, allein? Muß die Kollegialitätsforderung für das Lehrerzimmer, nämlich sowohl als prinzipiell gleichwertig, gleich kompetent und gleichberechtigt behandelt zu werden nicht kollidieren mit dem Postulat der Nicht-Einmischung in die eigene Arbeit, die es zu verteidigen gilt? Wird nicht erst durch ein striktes Nebeneinander beim Arbeiten und gleichzeitiger Bekundung kommunikativer Absichten die Tatsache aushaltbar, daß jede Lehrkraft ständig das Gefühl des Nicht-Genügens haben muß? Ist es möglich, daß eine öffentliche Erörterung der eigenen beruflichen Probleme im Kollegium als große Bedrohung erlebt wird?
Hinzukommt, daß im Rahmen kollegialer Kommunikation unter formal Gleichen unterschieden werden muß zwischen den offiziellen Regeln, zu denen sich jemand bekennt und den inoffiziellen, unausgesprochenen, aber für das faktische Handeln sehr wichtigen Regeln des Miteinander-Umgehens. Im informellen Bereich werden dann auch Konflikte deutlich, z.T. auch angesprochen, um dann aber, wenn es offiziell wird (etwa in Konferenzen) sehr schnell mit der offiziellen Forderung nach Kollegialität abgekühlt zu werden. Kann die informelle Seite, die Kulisse des Geschehens, zur Ablagerungsstätte für die Folgen von unverarbeiteten Interessenkonflikten, Enttäuschungserlebnissen, Rivalitäten, kurz: für den sozial- und individualpsychologischen Abrieb werden?
Diese Fragen könnten ein erster Anknüpfungspunkt für die weitere Analyse der Gründe für Erfolg oder Mißerfolg der Lehrerkooperation innerhalb eines fächerübergreifenden Unterrichts der Arbeitslehre sein. Weitergehende Untersuchungen müßten den Stellenwert von formeller und informeller Kommunikation und Kooperation im Rahmen fächerübergreifender Unterrichtsplanung und Unterrichtsdurchführung analysieren. Auch müßte der Vermutung nachgegangen werden, ob informelle Kommunikation und Kooperation auf punktuell und auf spezifisch und häufig enge Ziele beschränkt bleibt oder nicht. Welchen Stellenwert hat dann eine formelle Kommunikation? Oder anders ausgedrückt: Wenn eine gute informelle Kommunikation und Kooperation in einem (kleinen) Lehrerkollegium gegeben ist, dann wird formelle Kommunikation und Kooperation (in Form von Fachkonferenzen) - meist eh als Arena für Profilsucher verschrieen und aufwendig im Verhältnis zum Ertrag - kaum mehr erforderlich. Die Grenzen eines Modell bürokratischer Kontrolle der Schularbeit könnten so sicherlich offengelegt werden. Natürlich müssen auch Überlegungen angestellt werden, um die Qualifikationen von Lehrerinnen und Lehrern bezüglich einer Verbesserung von Kommunikation und Kooperation zu erhöhen (vgl. Lackmann 1986 [1]).
Neuere Überlegungen der erziehungswissenschaftlichen Schulentwicklungsforschung betonen die zentrale Rolle der Schulleitung für eine erfolgreiche Kooperation im Lehrerkollegium (vgl. Rosenbusch & Wissinger 1989, Wissinger & Rosenbusch 1991). Entscheidend ist dabei, daß sich die Personen der Schulleitung gegenüber Lehrerinnen und Lehrern zurücknehmen, gleichzeitig jedoch offen sind. Das ist nur über eine Verständigung möglich, die strukturell abgesichert ist und eine funktionierende Kommunikation ermöglicht. Teamarbeit wird dabei nicht nur für Personen des Kollegiums, sondern auch für die Schulleitung relevant. "Site-Based-Management" (standortbezogenes Management), das in den späten 80er Jahren als Reformwelle die Schulen der USA durchlief (Ames & Ames 1990), zielt darauf ab, eine schulische Führungsstruktur zu schaffen, nach der von Lehrern getroffene Entscheidungen den Ausschlag geben: das hierarchische System der Schulaufsicht wird dabei abgebaut und als aktive Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Schulleitern und Eltern etabliert. "Instructional-Team-Leadership" (Teamführungsansatz) heißt das Gegenmodell zu einem Schulleiter, der seine Funktion und Rolle auf die des Administrators reduziert. Entsprechend überschreitet die Teamfähigkeit die Praxis administrativ verengter Schulleitung und wendet sich pädagogischen Problemlösungen zu, die nur durch Aktivierung, Koordinierung und Fortbildung aller real werden kann.
Kooperation im fächerübergreifenden Unterricht der Arbeitslehre vermag Organisationsentwicklung zu initiieren (wie auch Beispiele aus privatwirtschaftlichen Organisationen zeigen); Organisationsentwicklung begünstigt dann Schulentwicklung. Organisationsentwicklung bindet zugleich auch alle Beteiligten, indem sie sie zu Akteuren in einem Entwicklungsprozeß macht, der auf Motivation und Kooperation aller angewiesen ist.
Abbildung 1: Formalstruktur von Bedingungsebenen und Handlungsfeldern fächerübergreifenden Unterrichts innerhalb der Arbeitslehre
Abbildung 2: Bedingungsmatrix des Kooperationsproblems
Abbildung 3: Verhaltensmatrix des Kooperationsproblems
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Links
[1] http://www.ph-weingarten.de/homepage/hochschule/fakultaeten/institute/pol_gesellsch_erziehung/organisation.html
[2] https://sowi-online.de/autoren.htm%23himmelmann
[3] https://sowi-online.de/12beitrag.htm%232
[4] https://sowi-online.de/12beitrag.htm