Simulation unternehmerischer Entscheidungen mit Fallstudien und Planspielen

Joachim Räuchle, Wolfgang Reiner

Inhalt

Fallstudien
Planspiele
Anmerkungen
Abbildungen:
Abb. 1: Bestandsrechnungen
Abb. 2: Einnahmen-Ausgaben-Rechnung in TDM
Abb. 3: Liquiditätsübersicht
Abb. 4: Vermögensübersicht

Die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft hängt entscheidend von der Qualität der beruflichen Bildung ab. Die beruflichen und insbesondere die kaufmännischen Schulen sind verpflichtet, die Schüler auf die zukünftigen Anforderungen in der Arbeitswelt und Gesellschaft vorzubereiten.

Diesen Anforderungen wird man nur gerecht, wenn den Schülern diejenigen Schlüsselqualifikationen vermittelt werden, die ihnen die berufliche Zukunft sichern und bewältigen helfen.

Zu solchen Schlüsselqualifikationen zählen insbesondere

  • Fähigkeit zur selbstständigen lnformationsbeschaffung und zum aktiven Lernen
  • Denken in Strukturen und Regelkreisverhalten
  • Fähigkeit zu problemlösendem und verantwortungsbewusstem Entscheidungsverhalten
  • Methodenkompetenz
  • Bereitschaft und Befähigung zur Zusammenarbeit mit anderen.

Zusätzlich muss der Unterricht praxisnah sein. Dies kann in kaufmännischen Schulen exemplarisch durch Simulation unternehmerischer Entscheidungen erreicht werden. Geeignete Mittel dafür sind Fallstudien und Planspiele, die die Wirklichkeit in Unternehmen und Märkten nachahmen. Damit haben die in einem solchen Lernprozess auftretenden Fehler keine realen finanziellen, personellen und materiellen Auswirkungen. Aus pädagogischen Gründen ist diese Lernmethode besonders geeignet, praxisnah kaufmännisches Wissen und Schlüsselqualifikationen zu vermitteln.

Fallstudien

Mit einer Fallstudie wird eine betriebliche Entscheidungssituation nachgeahmt, die von den Schülern selbstständig gelöst werden muss. Am Beispiel der Fallstudie "Sport Bucher" (1) soll das Lern- und Entscheidungsverhalten der Schüler gezeigt werden.

Der Einzelunternehmer Ewald Bucher betreibt ein Sportartikelgeschäft mit 10 Mitarbeitern. Seine häufige Abwesenheit macht die Erteilung bestimmter Vollmachten an seine Angestellten notwendig, um einen reibungslosen Geschäftsablauf zu sichern.

Die vom Gesetz vorgesehenen Vollmachten müssen hinsichtlich ihres Umfanges und ihrer Auswirkungen sowie ihrer Zweckmäßigkeit für Bucher untersucht werden. Unter diesen Gesichtspunkten haben die Schüler zu entscheiden, welche Vollmachten den einzelnen Mitarbeitern Buchers erteilt werden sollen.

Die Klasse ist in arbeitsgleiche und selbstständig arbeitende Gruppen aufgeteilt. Die Arbeit in der Gruppe bietet im Vergleich zur Einzelarbeit zahlreiche Vorteile. In die Gruppe werden unterschiedliche Kenntnisse, Erfahrungen, Meinungen, Begabungen und Werthaltungen eingebracht und aktiviert. Das Problemlösungsverhalten des Teams ist durch den Synergieeffekt dem des Einzelnen überlegen. Die Gruppenarbeit steigert ferner das Zutrauen des Einzelnen zur eigenen Leistung und zum eigenen Urteil.

Die Schüler beginnen damit, sich innerhalb der Gruppe selbstständig mit dem Inhalt und [/S. 28:] der Problemstellung der Fallstudie "Sport Bucher" vertraut zu machen. Dabei werden sie durch das in der Ausgangssituation enthaltene Problem zu einem Lösungsverhalten angeregt.

Im nächsten Schritt müssen sie sich über die ökonomischen, humanen und terminlichen Ziele, die sie mit ihren Entscheidungen verfolgen wollen, einigen.

Ein für das aktive Lernen wichtiger Schritt schließt sich an, nämlich die selbstständige Suche nach den nötigen Sachinformationen. Mit dem Lehrbuch und den relevanten Gesetzen müssen die Schüler sich das Wissen aneignen, das sie brauchen, um über die Erteilung von Vollmachten zu entscheiden. Dabei gewinnt das Lehrbuch und der Gesetzestext einen neuen Stellenwert als eine lehrerunabhängige Informationsquelle.

Auf der Grundlage der so beschafften Informationen lassen sich Lösungsalternativen erarbeiten und deren Folgen beurteilen.

Am Ende müssen die Gruppen darüber entscheiden, welche Vollmacht Ewald Bucher entsprechend seiner Zielsetzung an welche Mitarbeiter erteilt.

Gemeinsam werden dann in der Klasse die Gruppenlösungen vorgestellt, diskutiert und verglichen.

Der Lehrer sollte den Lösungsprozess ständig beobachten, die Gruppen jedoch selbstständig arbeiten lassen und nicht beeinflussen. Hilfestellung und Impulse soll er nur dann geben, wenn eine Gruppe nicht mehr weiterkommt.

Die mit der Bearbeitung der Fallstudie gewonnenen exemplarischen Erkenntnisse sind vom Lehrer zu allgemein gültigen Erkenntnissen zu erweitern. Dazu ist ein Strukturzusammenhang herzustellen. Ein Vorschlag wird in der Lehrempfehlung zur Fallstudie gemacht.

Planspiele

Während bei der Fallstudie mit der Lösung der Entscheidungsvorgang abgeschlossen ist, läuft das Planspiel über mehrere Entscheidungsperioden. Dieses dynamische Element zwingt die Teilnehmer, sich immer wieder auf Grund der erzielten Ergebnisse und entsprechend ihrer Zielvorstellungen neu zu entscheiden aber auch mit den Ergebnissen ihrer Entscheidungen zu leben.

Am Beispiel des computerunterstützten Unternehmensmodells "Unternehmen im Wettbewerb - DYNAPLAN" (2) soll das Lern- und Entscheidungsverhalten der Schüler bei der Arbeit mit einem Planspiel gezeigt werden.

Dynaplan ist ein generelles Entscheidungsmodell, das heißt, es ahmt die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungs- und Funktionsbereiche auf einem einfachen Niveau nach. Drei Unternehmen stehen sich auf einem gemeinsamen Markt mit einem vergleichbaren Produkt gegenüber. Auf der Grundlage selbstständig gesetzter unternehmerischer Ziele müssen die Unternehmen investieren, beschaffen, fertigen, kalkulieren, verkaufen und finanzieren.

Die Schüler übernehmen die Leitung des ihnen zugeteilten Unternehmens und führen es gemeinsam in den nächsten Perioden.

Sie treffen die unternehmerischen Entscheidungen so, dass die von ihnen gesetzten Unternehmensziele erreicht werden können. Dabei muss es ihr Ziel sein, den [/S. 29:] Bestand ihres Unternehmens langfristig zu sichern. Dazu ist es notwendig, dass sie sich erfolgreich auf dem Markt behaupten. Sie legen deshalb schriftlich fest, welche Rentabilität (Erfolg bzw. Gewinn in Prozent vom Reinvermögen oder Eigenkapital) und welchen Marktanteil (mengenmäßig in Prozent vom Gesamtmarkt) sie erreichen wollen.

Bevor die Gruppen Entscheidungen treffen, ist es erforderlich, dass sie sich darüber einigen, wie die Arbeitsaufgaben verteilt und die Beschlüsse gefasst werden sollen.

Ihre Beschaffungs-, Produktions-, Absatz- und Finanzpläne müssen die Unternehmen mit dem Markt und dessen Entwicklung abstimmen. Dabei können in den verschiedenen Bereichen Engpässe auftreten, an denen sich die übrigen Pläne ausrichten müssen.

Vom erzielten Gewinn ist Einkommensteuer in Höhe von 30 % zu bezahlen.

Das Unternehmensmodell DYNAPLAN läuft zeitlich gerafft in Perioden ab. Jeweils zwei Perioden sind ein Geschäftsjahr.

Für die Einführung in das Unternehmensmodell DYNAPLAN, die Organisation der Unternehmensgruppen sowie die Festlegung der unternehmerischen Ziele sind zwei Unterrichtsstunden à 45 Minuten erforderlich. Die erste Entscheidungsperiode erfordert einen Zeitaufwand von zwei Unterrichtsstunden, die weiteren fünf einen von jeweils einer Unterrichtsstunde. Für die Ergebniszusammenfassung und den anschließenden Strukturzusammenhang werden drei Unterrichtsstunden benötigt.

Die Ergebnisse der Entscheidungen schlagen sich in einer einfachen tabellarischen Buchführung nieder.

Im Folgenden wird dies an den Entscheidungen von zwei Perioden für ein Unternehmen gezeigt. [/S. 30:]

Bestandsrechnungen

ROHSTOFFBESTÄNDE P 1 P 2
Anfangsbestand in Stück 500 -
+ Zugang aus Lieferung 1000 3000
- Entnahme für Fertigung 1500 3000
= Endbestand 0 0
Veränderung ggü. Vorperiode -500 0
Wertrechnung in TDM
Endbstd. (Inventurwert 80 DM/R)
0 0


FERTIGERZEUGNISSE P 1 P 2
Anfangsbestand in Stück 1600 1500
- Verkaufsmenge 1600 1290
+ Zugang aus Fertigung 1500 3000
= Endbestand 1500 3210
Veränderung ggü. Vorperiode -100 1710
Wertrechnung in TDM
Endbstd. (Inventurwert 160 DM/E)
240 514
Veränderung ggü. Vorperiode -16 274

Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen in TDM

EINNAHMEN P 1 P 2
Umsatzerlöse 405 416
+ Guthaben Zinsen - -

= Summe Einnahmen 405 416


AUSGABEN
Investitionen 60 180
+ Materiallieferung 80 240
+ Fertigungskosten 75 150
+ Verwaltungskosten 50 50
+ Vertriebskosten 30 32
+ Kreditzinsen 25 21
+ Überziehungszinsen - -
+ Steuern 18 17

= Summe Ausgaben 338 690
EINNAHMENÜBERSCHUSS 67 -
EINNAHMENFEHLBETRAG - 274


Liquiditätsübersicht

Bankkonto Anfangsbestand -496 -429
Einnahmenüberschuss 67 -
Einnahmenfehlbetrag - -274

Bankkonto Endbestand -429 -703

Vermögensübersicht

VERMÖGEN P 0 P 1 P 2
Anlagenrestwert 60 75 165
Vorrat Rohstoffe 40 - -
Vorrat Fertigerzeugnisse 256 240 514
Forderungen Umsatzerlöse 405 415 361
Bankguthaben - - -

Gesamtvermögen 761 731 1040
- SCHULDEN
Bankkredit

496

429

703
= REINVERMÖGEN
= EIGENKAPITAL
265 302 337


EIGENKAPITAL
Ende der Periode 302 337
- EIGENKAPITAL
Ende der Vorperiode 265 302
= Eigenkapitalmehrung (Gewinn)
= Eigenkapitalminderung (Verlust)
37 35

Nach Abschluss des betriebswirtschaftlichen Entscheidungstrainings werden die erzielten Ergebnisse der Unternehmen zahlenmäßig und grafisch vom Computer errechnet und vom Lehrer erläutert. In einem anschließenden Strukturzusammenhang vertieft der Lehrer die gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse.

DYNAPLAN ist einsetzbar an beruflichen und allgemein bildenden Schulen (Real- schulen, Gymnasien), in denen Einsichten in betriebswirtschaftliche Funktionszusammenhänge und das Marktgeschehen zu vermitteln sind. An kaufmännischen Schulen dient DYNAPLAN zur Einführung in die Betriebswirtschaftslehre und das Wirtschaftliche Rechnungswesen.

DYNAPLAN ist einsetzbar auf IBM-kompatiblen PCs mit zwei Laufwerken bzw. einem Laufwerk plus Festplatte sowie einem Arbeitsspeicher von min. 256 KB.

Steht nur ein Computer zur Verfügung, ergibt sich folgender Ablauf:

Der Rechner dient dem Spielleiter dazu, die Marktverteilung durchzuführen. Er liefert das Rechnungswesen aller Unternehmen und die zahlenmäßigen und grafischen Ergebnisübersichten.

Die Unternehmensgruppen bereiten ihre Entscheidungen ohne Unterstützung durch den Computer vor. Ihre Entscheidungen halten sie schriftlich auf dem Entscheidungsblatt fest und reichen es in dieser Form dem Spielleiter ein. In schriftlicher Form bekommen sie auch die Ergebnisse ihrer Entscheidungen zurück.

Stehen mehrere Computer für Spielleiter und Unternehmensgruppen zur Verfügung, können die Unternehmensgruppen ihren Rechner als Planungsinstrument nutzen. Die Entscheidungen der Spielgruppen werden auf deren Disketten festgehalten und in den Rechner des Spielleiters eingelesen. Die Ergebnisse der Entscheidungen werden auf die Disketten der Spielgruppen übertragen.

Beim Einsatz von DYNAPLAN leistet die Datenverarbeitung für die

  • Spielleitung:
    Schnelles und zuverlässiges
    • Durchführen der Marktverteilung
    • Erstellen des Rechnungswesens und der Ergebniszusammenfassung
    Damit verschafft sie dem Lehrer (Spielleiter) Zeit zur Betreuung der Unternehmensgruppen.
  • Spielgruppen:
    Nutzen eines Planungshilfesystems zur
    • Kapazitätsplanung
    • Beständeplanung
    • Finanzplanung
    Damit hilft sie, schnell die zahlenmäßigen Auswirkungen von wirtschaftlichen Entscheidungen zu erkennen und damit deren Qualität zu verbessern.

Anmerkungen:

  1. Die Fallstudie "Sport Bucher" ist enthalten in Räuchle/Reiner, Fallstudien und Planspiele, Simulation unternehmerischer Entscheidungen, Winklers Verlag (ISBN 3-8045-3949-1).
  2. Das Unternehmensmodell "Unternehmen im Wettbewerb DYNAPLAN" ist auf der Grundlage des von Erika Liebhardt und den Autoren im Rahmen des Modellversuchs Fallstudien und Planspiele (Flaps) des Ministeriums für Kultus und Sport Baden-Württemberg 1978-1982 entstandenen Lernspiels Industrie Dynaplan von den Autoren weiterentwickelt worden.

In der Reihe computerunterstützter Planspiele "Unternehmen im Wettbewerb (UIW)" ist das Unternehmensmodell DYNAPLAN (UIW 2) beim Winklers Verlag erhältlich (ISBN 3-8045-1700-5).

Das Original ist unter dem gleichen Titel erschienen in: Winklers Flügelstift 2/1989, S. 27-30.
(c) 1989 Winklers Verlag, Darmstadt (c) 2001 Joachim Räuchle/Wolfgang Reiner
Um den Text zitierfähig zu machen, sind die Seitenwechsel des Originals in eckigen Klammern angegeben, z. B. [/S. 53:].
sowi-online dankt dem Winklers Verlag und den Verfassern für die freundliche Genehmigung zum "Nachdruck" dieses Textes im Internet.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Copyright-Inhabers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, auch im Internet.